Eisenbahn

[525] Eisenbahn. Die Erfahrung, daß ein Fuhrwerk mit verhältnißmäßig weniger Kraftaufwand fortbewegt werde, wenn die Räder weniger Reibung finden, veranlaßte schon die Alten, besonders die Römer, auf einzelnen starkgebrauchten Straßen Steingeleise anzulegen (z.B. Via Appia). In deutschen Bergwerken waren jedenfalls schon im 16. Jahrh. Holzgeleise zur Beifuhr der Erze und Kohlen im Gebrauch, und 1676 bestand eine größere derartige Bahn in England, um aus den Bergwerken von Newkastle die Steinkohlen an den Fluß Tyne zu fördern. Da die hölzernen Schienen zu bald abgenutzt wurden, so legte 1776 Curr eiserne auf hölzerne Grundlagen, 1797 Barns auf steinerne. Schon 1799 setzte das Parlament eine Commission zur Untersuchung und Beförderung der E. nieder; die erste größere, dem allgemeinen Verkehr bestimmte E. war die von Stockton-Darlington im J. 1825. Die weltgeschichtliche Wichtigkeit der E. beginnt jedoch erst mit der Anwendung des Dampfwagens (Locomotive); nachdem der Gedanke schon vielfach angeregt war, wurde 1829 der erste gelungene Versuch auf der Stockton-Darlington-E. gemacht und sofort bildeten sich in England Gesellschaften zum Bau größerer E.; die erste dieser Art war die von Liverpool nach Manchester. Von England ging der E.bau rasch nach dem continentalen Europa und Amerika über, wo in der nordamerikan. Union mehr gebaut worden ist, als in ganz Europa. Da überall fortwährend gebaut wird u. jeder Staat es als Nothwendigkeit erkannt hat, den neuen Verkehrsweg in möglichster Vollständigkeit zu besitzen, so läßt sich die Zahl der gebauten und in Angriff genommenen Meilen nicht mehr angeben (vgl. die einzelnen Länder). In Deutschland war die von Gmunden nach Linz und Budweis 182429 erbaute Pferde-E. die erste; mit Dampfkraft wurde 1835 zuerst die zwischen Fürth und Nürnberg befahren, von 1837 an begann der Bau eines E.netzes, das in Norddeutschland so ziemlich ausgeführt ist. Durch den großartigen Baubetrieb wurde es den Ingenieuren und Mechanikern möglich, in verhältnißmäßig kurzer Zeit so viele Erfahrungen zu sammeln, daß die Fragen über den Bau des Bahnkörpers, die Schwellenlage, die zweckmäßigste Beschaffenheit der Schienen, die mögliche [525] Größe der Curven und Steigungen, den Bau der Locomotiven etc. in der Hauptsache als gelöst betrachtet werden können. Als nothwendige Folgen der E. stellen sich einstweilen mit Sicherheit heraus: Der Handel auf dem Festlande erhält durch den schnellen, wohlfeilen und massenhaften Transport dieselbe Leichtigkeit und Ausdehnung wie der Seehandel; die Verbindung mit den Seehäfen ist für die Binnenstädte eine directe geworden und deßwegen auch ihre Betheiligung an dem Welthandel; die Hilfsquellen eines Landes, das ein Bahnnetz hat, müssen sich unendlich steigern, da eine Menge bisher gar nicht oder nur schwach benutzter Hilfsquellen flüssig werden müssen. Die Abgeschlossenheit einzelner Staaten, wie sie früher öfters versucht wurde, ist ferner unmöglich, wenn dieselben an dem Weltverkehre Antheil haben u. nicht der Entwicklung der eigenen Macht hindernd entgegentreten wollen; die Waaren- und Personencontrole muß darum eine beschleunigtere und einfachere werden. Auf den Gang des Krieges hat sich die Einwirkung der E. als von großer Bedeutung bereits in einigen Fällen erprobt, jedenfalls muß durch die Möglichkeit. große Truppenmassen in kurzer Zeit auf einem Punkte zu vereinigen, die Entscheidung beschleunigt werden. Völlig unberechenbar ist der Einfluß der E. auf die Gestaltung der geselligen Zustände, sobald der leichte Verkehr mit den entferntesten Punkten vollständig hergestellt ist; jedenfalls erweitert sich der Gesichtskreis jedes Einzelnen, manches Vorurtheil u. manche Täuschung über fremde und einheimische Zustände muß schwinden, und für Kleinstaaten könnten die E.en leicht verhängnißvoller werden, als die politischen Agitatoren.

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Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 525-526.
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