Farbenlehre

[664] Farbenlehre, die wissenschaftl. Untersuchung und Erklärungsweise, wie das Licht die verschiedenen Empfindungen im Auge, die wir Farben nennen, hervorbringe; die jetzt allgemein angenommene ist die nach der Wellentheorie des Lichts (s. Licht). Durch Experiment läßt sich zeigen, daß das Sonnenlicht aus verschiedenartigen Strahlen bestehe, welche in ihrer Gesammtheit das weiße oder Tageslicht erzeugen, einzeln aber die specifisch verschiedenen Wirkungen der Farben in unserm Auge hervorbringen. Der Physik ist es gelungen nachzuweisen, daß diese verschiedenen Lichtstrahlen sich verschieden verhalten, sowohl in der Anzahl ihrer Schwingungen in einer gegebenen Zeit (z.B. einer Secunde), als auch in der Länge ihrer Wellen, u. dieses verschiedene Verhalten ist der Grund ihrer verschiedenen (farbigen) Einwirkung auf das Auge. Aber auch in Beziehung auf Brechbarkeit zeigen sie sich verschieden; der mit der größten Schwingungszahl u. den kürzesten Wellen begabte Lichtstrahl (der violette) wird am stärksten gebrochen, der sich umgekehrt verhaltende (der rothe) am wenigsten, und dieses gibt ein Mittel zu dem Experiment, das zusammengesetzte [664] weiße Sonnenlicht in seine einfachen farbigen Lichtstrahlen zu zerlegen. Läßt man in einem finstern Zimmer durch eine kleine runde Oeffnung Sonnenstrahlen ein und auf eine weiße Fläche auffallen, so zeigt sich auf dieser ein rundes Sonnenbild von weißer Farbe. Läßt man aber diese Strahlen im Zimmer durch ein dreiseitiges Glasprisma durchgehen, so verändert sich das Sonnenbild an der weißen Fläche nicht blos in seiner Gestalt, indem es beinahe 5mal länger als breit geworden, sondern auch in seiner Farbe, indem es verschiedene Farben zeigt, u. zwar in der Ordnung von Roth (dem am schwächsten gebrochenen) zu Orange, Gelb, Grün, Blau, Violett (dem am stärksten gebrochenen). Läßt man einen einzelnen Farbenstrahl durch ein zweites Prisma gehen, so wird er zwar wieder gebrochen, behält aber seine Farbe bei, vereinigt man hingegen alle die farbigen Strahlen durch eine Convexlinse, so zeigen sie wieder das weiße Sonnenbild. Man kann Roth, Gelb u. Blau als die 3 eigentl. Grundfarben betrachten, indem Roth u. Gelb in ihrer Mischung Orange, Gelb und Blau Grün, Roth und Blau Violett geben. Vereinigt man alle Strahlen mit Ausnahme der blauen durch eine Linse, so erhält man Orange (die Mischung der beiden andern Grundfarben Roth u. Gelb), u. man nennt deßhalb Blau die Ergänzungs- od. Complementärfarbe des Orange, die zusammen vereinigt wieder weißes Licht geben; so ist Roth die Ergänzungsfarbe des Grün, u. Gelb die des Violett. – Die Gegenstände erscheinen in verschiedenen Farben, weil sie je nach ihrer eigenthüml. Beschaffenheit von den farbigen Strahlen des Sonnenlichtes einen Theil verschlucken, einen Theil zurückwerfen. Wirft ein Körper alle farbigen Strahlen zurück, so erscheint er weiß; wirft er bloß die Strahlen einer bestimmten Farbe zurück, z.B. die rothen, und verschluckt die übrigen, so sehen wir ihn roth, verschluckt er alle, schwarz.

Quelle:
Herders Conversations-Lexikon. Freiburg im Breisgau 1854, Band 2, S. 664-665.
Lizenz:
Faksimiles:
664 | 665
Kategorien: