[656] Überlegung (lat. reflexio) nennt man die dem Urteilen oder Handeln vorausgehende Prüfung, ob das, was man vorhat, richtig, nützlich, möglich oder sittlich sei. Je weniger der Mensch durch Vorurteile und Begierden beunruhigt wird, desto reiner ist seine Überlegung. Jede solche besteht, wie das Wort andeutet, aus einem Hin- und Herschwanken zwischen verschiedenen Möglichkeiten. Je gründlicher die Überlegung ist, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß sie das Richtige treffe. Je mehr Gesichtspunkte jemand zu berücksichtigen hat, desto schwerer, aber auch desto reiflicher wird die Entscheidung. – Eiliges, absprechendes Urteilen zeugt von Oberflächlichkeit und Impietät. Ruhige Überlegung ist die Voraussetzung der praktischen Willensfreiheit. Vgl. Reflexion. – Kant (1724-1804) nennt »transscendentale Überlegung« die Bestimmung desjenigen Vermögens, zu dem die Vorstellungen der Dinge, die verglichen werden, hingehören, ob sie der reine Verstand denkt oder die Sinnlichkeit in der Erscheinung gibt. »Die Handlung, dadurch ich die Vergleichungen der Vorstellungen überhaupt mit der Erkenntniskraft zusammenhalte, darin sie angestellt wird, und wodurch ich unterscheide, ob sie als gehörig zum reinen Verstände[656] oder zur sinnlichen Anschauung untereinander verglichen werden, nenne ich die transscendentale Überlegung« (Kr. d. r. V., S. 261).