[42] Anmut ist nach Schillers Erklärung (Über Anmut und Würde 1793) die Schönheit der Bewegung. Sie steht im Gegensatz zu dem Begriff der architektonischen Schönheit. Diese ist die allein durch Naturkräfte bestimmte Schönheit und besteht z. B. in einem glücklichen Verhältnis der Glieder, fließenden Umrissen, lieblichem Teint, zarter Haut, feinem und freiem Wuchs, wohlklingender Stimme usw.; sie ist nicht Verdienst des Menschen. Jene dagegen ist persönliches Verdienst. Sie liegt in demjenigen, was bei den beabsichtigten Bewegungen unabsichtlich ist, sie entsteht nur da, wo es der Mensch im Besitze der Freiheit zu einer höheren sittlichen Fertigkeit gebracht hat, wo Pflicht und Neigung in ihm zusammenstimmen und dieses innere Verhältnis, das nur der schönen Seele zufällt, zur Erscheinung[42] kommt, während Würde da in die Erscheinung tritt, wo die Pflicht über die Neigung herrscht. Studierte Anmut aber ist Ziererei. – Die neuere Ästhetik versteht unter Anmut vielfach auch einen milderen Grad der Schönheit.