Assoziation

[65] Assoziation (aus dem Lat. von associare = beigesellen) heißt eigentl. Vergesellschaftung, gesellige Verbindung. – Ideenassoziation heißt diejenige natürliche Verbindung unserer Vorstellungen, welche ohne unseren Willen entsteht und die Wirkung hat, daß die Vorstellungen einander unwillkürlich hervorrufen. Schon Platon(427-347) und Aristoteles (384-322) kennen sie, aber erst die neuere Psychologie hat sie gründlicher untersucht. Am allgemeinsten aufgefaßt, ist die Ideen-Assoziation im Wesen nicht unterschieden von dem, was man Phantasie nennt, sofern darunter das nicht durch Wille und Vernunft gelenkte Spiel unserer Vorstellungen gemeint ist. Das Phantasieren des Kindes, des Dichters und Musikers, der Witz und das Wortspiel des geistreichen Menschen, die Bilder und Gleichnisse des Redners, das Gedächtnis und die Erfindungskraft des Gelehrten – alles hängt von der Ideenassoziation ab. Trotz ihrer scheinbaren Regellosigkeit lassen sich für die in dieser Weise bestimmte Assoziation Gesetze aufstellen, nämlich 1. das Gesetz der Zeitfolge und Gleichzeitigkeit (lex successionis et simultaneitatis): Vorstellungen, welche wir hintereinander oder zugleich empfangen, assoziieren sich und rufen einander hervor: So erinnern Orte an Ereignisse, welche dort vorgefallen sind, und gleichzeitige Ereignisse aneinander; Wenn jemand zwei Personen zugleich[65] kennen gelernt hat, fällt ihm, sobald er die eine sieht, die andere ein; 2. das Gesetz der Ähnlichkeit und des Kontrastes (lex similitudinis et oppositionis): Einander ähnliche Vorstellungen von Personen, Sachen, Gegenden, Ereignissen rufen sich gegenseitig hervor; aber auch Gegensätze, z. B. die Vorstellung von Himmel und Hölle, Engeln und Teufeln, Tugenden und Lastern u. dgl. tun dasselbe; hierzu kommen auch noch die Korrelata, wie Ursache und Wirkung, Zweck und Mittel, Ganzes und Teile, Subjekt und Objekt u. s. f. Eine fruchtbare Ideenassoziation ist die Voraussetzung alles künstlerischen und wissenschaftlichen Schaffens. – Strenger philosophisch gefaßt hat den Assoziationsbegriff die empiristische Philosophie des 18. Jahrhunderts und ihre Nachfolger. Für sie ist nach dem Vorgange von Hartley (1704 bis 1757) und David Hume (1711-1776) Assoziation die Verbindung der Vorstellungen, die sich bei passivem Bewußtseinsstande bildet, und ihre Reproduktion. (Vgl. Hume, Inquiry concerning Human Understanding, Section III und Assoziationspsychologic.) Der so gefaßte Assoziationsbegriff war aber insofern nicht haltbar, als die von dem Empirismus bei der Assoziation als Einheiten zugrunde gelegten Vorstellungen keine Einheiten sind, sondern selbst aus Verbindungen hervorgehen, und auch insofern, als eine Reproduktion im strengen Sinne, eine unveränderte Wiederhervorbringung früherer Vorstellungen nicht stattfindet. Auch berücksichtigt der empiristische Assoziationsbegriff nicht die Verbindung der Vorstellungen mit Gefühlen und Bestrebungen. – Neuere, wie Wundt (geb. 1832), haben deswegen den Assoziationsbegriff einer Berichtigung unterzogen, indem sie darunter die passive Verbindung der Elemente unseres Bewußtseinsinhaltes verstehen. Wundt scheidet sie in Verschmelzungen, Assimilationen, Komplikationen und sukzessive Assoziationen. Die Verschmelzungen sind die festen Assoziationen psychischer Elemente, durch die alle in unserm Bewußtsein vorhandenen psychischen Gebilde erst entstehen. Durch die Assimilationen bilden sich Veränderungen gegebener psychischer Gebilde unter Einfluß der Elemente anderer Gebilde. Durch die Komplikationen verbinden sich ungleichartige psychische Gebilde, und durch die sukzessiven Assoziationen entstehen im Anschluß an die simultanen Verschmelzungen Assimilationen und Komplikationen Verbindungen zeitlich aufeinanderfolgender[66] psychischer Gebilde. (Vgl. Wundt, Grundriß der Psychologie, Leipzig 1905, § 16, S. 271-307.)

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 65-67.
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