Gemeinempfindung

[225] Gemeinempfindung nennt man gewöhnlich eine Empfindung, die aus einer Zustandsänderung im Organismus des Menschen entsteht. Die Gemeinempfindungen, so gefaßt, bilden das somatische Bewußtsein, das uns von dem Zustand unseres Leibes unterrichtet. Ihm wohnt eine gewisse Dunkelheit bei, von der sich, wie von einem Hintergrunde, die Empfindungen der einzelnen Sinne abheben. Die Gemeinempfindungen sind die Empfindungen innerer Teile. Obgleich mancherlei Schwankungen ausgesetzt, beruht auf ihnen das Gemeingefühl, das sinnlich bestimmte subjektive Befinden des Körpers; auch sind sie die leibliche Grundlage für unser Ichbewußtsein. Von ihnen hängt ferner besonders das sogenannte Temperament, und der Wechsel von Depression und Exaltation, der in der Jugend so häufig ist, ab. Auf ihnen beruhen auch die sogenannten Ahnungen, Sympathien, Launen, Stimmungen, Träume, und in ihnen kündigen sich physische und psychische Krankheiten an. – Wundt (geb. 1832) versteht unter den Gemeinempfindungen die Wärme-, Kälte- und Schmerzempfindungen nebst den in inneren Organen (Magen, Darm, Lunge usw.) zeitweise vorkommenden Druckempfindungen (Grundriß d. Psych. §6, 6; § 57). Unter Gemeingefühl versteht Wundt dasjenige Totalgefühl, das an die äußeren und inneren Tastempfindungen geknüpft, zugleich aber auch von den Geruchs- und Geschmacksempfindungen abhängig und der unmittelbare Ausdruck unseres sinnlichen Wohl- oder Übelbefindens ist (Wundt, Grundriß d. Psych. §12, 4, S. 193). Vgl. Muskelgefühl.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 225.
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