Intellekt

[291] Intellekt (lat. intellectus) heißt Verstand, Geist, Denkkraft; intellektuell, geistig, heißt das, was sich auf das Wissen, die Erkenntnis bezieht. So unterscheidet man intellektuelle Bildung von der moralischen und ästhetischen. Intellektuelle Erkenntnisse, d.h. Begriffe, stehen den sensualen, d.h. den sinnlichen Wahrnehmungen und den Erfahrungen gegenüber. Intellektualismus ist daher in erster Linie der Gegensatz von Sensualismus und Empirismus. Diese leiten das Wissen aus der Sinnestätigkeit oder Erfahrung ab, jener leitet alle Erkenntnis aus den Begriffen des Verstandes ab. – Andrerseits bedeutet Intellektualismus in zweiter Linie seit dem Anfang des 19. Jahrhunderts des philosophischen Standpunkt, den[291] die alten und neueren Philosophen bis zu Kant vertraten, nach dem die Tugend wesentlich in geistiger Arbeit und Ausbildung besteht und der Welterkenntnis der Vorrang vor dem sittlichen Handeln zukommt. Im Gegensatz zu dieser Anschauung hat Kant (1724-1804) den Primat der praktischen Vernunft über die theoretische gelehrt, und an ihn knüpft die Richtung der Neuzeit an, den Schwerpunkt des Daseins in das Wollen zu verlegen. Dieser Gegensatz zum Intellektualismus wird von Fr. Paulsen (geb. 1846) im Anschluß an Tönnies Voluntarismus genannt, kann aber wohl auch Thelismus, Ethelismus oder Theletismus (v. gr. thelô, ethelô, thelêtos) genannt werden. Intellektuelle Anschauung nannten Fr. Jacobi (1743 –1819), J. G. Fichte (1762-1814) und Schelling (1775-1854), ähnlich den Mystikern, die unmittelbare Anschauung, welche ohne sinnliche Wahrnehmung und Reflexion in Gott versetze, auf die sich alle Metaphysik gründe – eine freilich willkürliche Behauptung. Vgl. Eucken, Geistige Strömungen d. Gegenwart, 1904, S. 38 ff. Vgl. Voluntarismus.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 291-292.
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