[584] Sophist (gr. sophistês) hieß ursprünglich bei den Griechen jeder denkende Mensch, der sich durch seine Beschäftigung mit geistigen Dingen über das praktische Alltagsleben erhob. Sophisten waren also geistig Gebildete, nicht bloß Weise, Philosophen, sondern auch Dichter, Künstler, Ärzte usw. Seit Sokrates (469-399) aber änderte sich der Sprachgebrauch: mit dem Überhandnehmen des Parteihaders und der Aufklärung waren Männer willkommen, welche den Einzelnen durch Bildung und Redefertigkeit befähigten, sich im öffentlichen Leben geltend zu machen. Das taten die Sophisten. Daher genossen sie hohes Ansehen und wurden gut bezahlt. Sie trugen vorzüglich dazu bei, ihre Zeitgenossen gebildet, selbständig und aufgeklärt zu machen. Freilich erregte es auch Anstoß, daß sie Bezahlung nahmen; der Dünkel einzelner unter ihnen, die Prahlerei mit Kenntnissen und Beredsamkeit, die dreiste Rechthaberei und Betonung der Form stieß ernstere Männer ab, zumal manche Sophisten charakterlose Menschen waren. Daher wurden sie von Sokrates, Platon und Aristoteles als verschmitzte Menschenjäger und feile Mäkler mit Kenntnissen geschildert, die durch Trugschlüsse den Verstand verwirrten und statt wahrer [584] Wissenschaft nichtige Scheinweisheit verbreiteten. Aus der Masse der Sophisten heben sich aber als wirkliche Philosophen ab: Protagoras aus Abdera, Gorgias aus Leontini, Hippias aus Elis und Prodikos aus Keos. Der gemeinsame Zug ihrer Philosophie liegt in der Ablenkung der Forschung von der Natur auf das Ich und in dem Gedanken, daß das einzelne Ich Richter über das Wahre und Gute sei. Protagoras (480 bis 410) lehrte, daß der Mensch das Maß der Dinge sei, der seienden, daß sie sind, der nichtseienden, daß sie nicht sind (pantôn chrêmatôn metron anthrôpos, tôn men ontôn hôs estin, tôn de ouk ontôn hôs ouk estin, Diog. Laert. IX, § 51), Gorgias (ca. 483-375) behauptete, daß überhaupt nichts sei, oder wenn etwas sei, daß es nicht erkannt, oder wenn es erkannt, daß es nicht mitgeteilt werden könnte (Sextus Emp. adv. Math. VII, 65 ff.). Hippias (um 430) sprach aus, daß das Gesetz ein Tyrann der Menschen sei und sie zu vielem wider ihre Natur zwinge (ho de nomos tyrannos ôn tôn anthrôpon polla para tên physin biazetai Plat. Prot. p. 337 D). Prodikos (um 430) betrieb praktische Sittenlehre, indem er Mythen allegorisch ausdeutete. Vgl. Wecklein, die Sophisten. 1865. Schanz, die Sophisten. 1867.