Vererbung

[677] Vererbung physischer Eigenschaften von den Erzeugern auf die Nachkommen bedingt eine gewisse Konstanz der Arten. Aber da die Nachkommen den Erzeugern nicht in allen Einzelheiten gleichen, sondern jedes Individuum sein eigenes Gepräge trägt, da also mit der Konstanz auch eine Variabilität verbunden ist, so bedingt die Vererbung auch eine allmähliche Umbildung der Individuen, die sobald eine natürliche oder künstliche Auslese oder Zuchtwahl stattfindet, zur Entstehung neuer Arten fuhrt. Die Vererbung ist ein Grundfaktor in der Deszendenz- oder Entwicklungslehre (s. Darwinismus[677] und Mutation). – Die Vererbung seelischer Eigenschaften ward schon von Platon (427-347) behauptet, und auch die Psychologie kann dieses Begriffs nicht entbehren. Die Lehre von den angeborenen Ideen bekommt ihre rechte Wendung erst dadurch, daß die Vererbung von Anlagen an ihre Stelle gesetzt wird. Die aus beiden Vererbungen, physischer und geistiger, folgende Kombination ist noch wenig bekannt. Als Beispiel der Vererbung der mütterlichen Gemütsart pflegte Kant sich selbst anzuführen. Manche Familien bringen mehrere Generationen hindurch dieselben Talente hervor: Bernoulli, Herschel, Scaliger usw. Vgl. Mutation; L. Schücking, Geneanomische Briefe. Fkf. 1856. Waitz, Anthropol. II, S. 93 f. 188 ff.

Quelle:
Kirchner, Friedrich / Michaëlis, Carl: Wörterbuch der Philosophischen Grundbegriffe. Leipzig 51907, S. 677-678.
Lizenz:
Faksimiles:
677 | 678
Kategorien: