[227] genetisch (v. genesis = Ursprung, Entstehung) heißt zum Ursprung, zur Erzeugung einer Sache gehörig; eine genetische Erklärung gibt nicht die Merkmale eines fertigen Begriffs an, sondern leitet das Wesen des Begriffs aus der Entstehung seines Objektes ab. Die genetische Methode stellt den Bildungs- und Entwicklungsgang eines Wissensstoffes dar. In der Psychologie z.B. leitet sie die zusammengesetzten seelischen Phänomene aus ihren Elementen, die Tätigkeiten der Seele aus ihrem Ursprunge nach allgemeinen Gesetzen ab und führt so zu einem Verständnis der verwickeltsten Vorgänge des Seelenlebens. Ohne die genetische Methode kann keine Erfahrungswissenschaft auf die Höhe gebracht werden. Zoologie, Botanik, Mineralogie, Geologie, Geographie, Sprachwissenschaft, Psychologie usw., haben sich alle in der Neuzeit die genetische Methode angeeignet und die bloß deskriptive Methode aufgegeben. Erst hierdurch sind sie zu wahren Wissenschaften geworden. Das Sein begreift sich nur aus dem Werden. – Vgl. W. Volkmann, Lehrb. d. Psychol. 4. Aufl. I, § 3. Köthen 1894. Spencer, Principles of Psychology I, §61. Lond. 1885.