[660] unbewußte Vorstellungen (d.h. in der Seele vorhandene, aber nicht zum Bewußtsein kommende) Vorstellungen werden von Descartes (1596-1650), der das Denken zum Wesen der Seele erhob, abgewiesen. Locke (1632-1704) verneinte sie ebenfalls in seiner Bekämpfung der angeborenen Begriffe. In der Seele oder im Verstande sein heißt nach ihm soviel als verstanden oder gewußt werden. Niemand kann daher nach seiner Auffassung eine Vorstellung haben, ohne von ihr zu wissen. Leibniz (1646-1716) dagegen weist den unbewußten Vorstellungen in seinem System einen wichtigen Platz zu; jedem Vorgang im Leibe, auch dem ganz unbewußten, entspricht ein solcher in der Seele. Die Seele kann überhaupt nicht untätig sein; sie muß daher unbewußte Vorstellungen haben; an sie grenzen die »kleinen« Vorstellungen, die den Grund der scheinbar willkürlichen Tätigkeit bilden, an diese erst die bewußten Vorstellungen. (Vgl. Occasionalismus, angeboren, a priori). Kant (1724-1804) spricht von dunklen Vorstellungen, deren wir uns unmittelbar nicht bewußt sind (Anthrop. § 5 S. 16). J. G. Fichte (1762-1814) nimmt eine produktive Einbildungskraft an, durch deren unbewußte Tätigkeit Widerstände und Hemmungen im Ich entstehen, so daß dadurch der Schein einer selbständigen Natur außerhalb des Ichs hervorgerufen wird. Herbart (1776-1841) steht auf ähnlichem Standpunkte wie Leibniz. Auch die neuere Psychologie hat die unbewußten Vorstellungen eifrig verteidigt als die Form, in der sich die organisch – vitalen Funktionen der Seele vollziehen. Am weitesten geht hierin E. v. Hartmann; er sieht in dem Unbewußten das in allen Dingen wirksame Absolute und leitet das Bewußtsein aus der »Stupefaktion« des unbewußten Willens über die von ihm nicht gewollte und doch vorhandene Existenz von Vorstellungen ab. Auch faßt er die unbewußte Vorstellung anthropologisch so allgemein, daß er[660] solche nicht nur im Hirne, sondern auch im Rückenmark und den Ganglien annimmt. – Vgl. Vorstellung, Bewußtsein. – Unbewußt werden tatsächlich fortwährend bewußte psychische Inhalte im Flusse des psychischen Geschehens, sowohl Gebilde von Vorstellungen und Gefühlen, als auch ihre einzelnen Elemente. Sie können verschwinden und sukzessiv wieder hervortreten. Mit der Bezeichnung »unbewußt« wird eben die Möglichkeit ihres Wiederauftretens, also eine Existenz-Anlage (Disposition) bezeichnet. Vgl. auch Körperbewegungen.