Mitfreude.

[178] Ich höre so oft die Leute klagen, daß ihnen so wenig Freude beschert sei. Diesen will ich nun den guten Rath geben, daß sie sich fein über anderer Wohlfarth sollen bewegen lassen, und sich mit den Fröhlichen freuen. Da werden sie Freude genug haben. Und das ist eine wahre köstliche Freude, so wir uns über das Wohl anderer freuen, wenn wir auch keinen Nutzen davon haben. Denn so du Nutzen davon hast, so ist deine Freude nichts sonderliches. Sondern du mußt dich freuen, wo dir auch nichts davon zu Theil wird, und sprechen: »Lieber Gott, du hast dem Nachbar ein Gut geschenket, und wiederum gezeiget, daß du es mit den Menschen gut meinest und sie lieb hast.« Ja sprechen sie, was soll ich mich freuen, wenn ich nichts davon habe. Siehe das ist der Eigennutz, der aus ihnen spricht, und der alles nur selbst haben will, und keinem Menschen etwas gönnet, sondern es gerne sähe, wenn alle Leute ins Verderben gestürzt werden. Solche Leute werden sich freilich nicht freuen, wenn ihr Nachbar gesund[179] worden, oder sein Haus wieder aufgebauet hat, oder ihm sonst etwas gutes wiederfahren ist, so lange sie ihren schändlichen Eigennutz behalten, und den giftigen Neid nicht aus ihrem Herzen verbannet haben.

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 178-180.
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