Pflichten derselben.

[251] Es ist kein gering Ding, ein obrigkeitlich Amt zu führen, und du kannst wohl leichter ein Handwerker oder Tagelöhner sein, als ein Fürst und Regent, wozu viel Klugheit und Verstand gehört, um den Leuten Gerechtigkeit zu handhaben. Und sollten alle Obrigkeiten täglich Gott[251] bitten, daß er sie regiere und führe, damit sie jedem sein Recht lassen, und weise Sprüche thun und Gesetze geben. Die Heiden haben auch schon gewußt, wie viel dazu gehöre, eine Obrigkeit zu sein. Denn sie haben den Spruch gebraucht: wo einem ein obrigkeitlich Amt befohlen wird, so weiset es sich mit ihm aus, was es für ein Mann ist. Und es soll auch ein Weiser unter ihnen gesagt haben: wo ihm zween Wege vorgestellet würden, da einer zum Tode, der andere zum Regiment führte, so wollte er den Weg gehen, der zum Tode führet. Damit er gemeinet, es koste viel Arbeit und Mühe, klug zu regieren. Nun müssen aber Obrigkeiten und Fürsten fromme und rechtschafne Leute sein, die das Unrecht hassen. Davon saget 2 Mos. 18, 21. »Siehe dich um unter allem Volke nach redlichen Leuten, die Gott fürchten, wahrhaftig und dem Geize feind sind, die setze über sie«. Das sollen die Eigenschaften und Tugenden einer frommen Obrigkeit sein. Wie es auch 5 Mos. 1, 16. 17. heißet: sie sollen ihre Brüder verhören, und recht richten zwischen ihnen, keine Person im Gerichte ansehen,[252] und niemandes Person scheuen, denn das Gerichtamt ist Gottes. Und wenn eine Obrigkeit nicht Gott fürchtet, so wird sie ihr Amt nicht wohl ausrichten und nicht daran gedenken, da sie mit Macht Gott erzürne. Denn so einer regieret und Richter ist, so wird allerlei Zank und Hader vor ihn kommen, und hier muß er nur vor Gott Furcht haben, und niemanden Unrecht thun, sich aber nicht fürchten vor Menschen, daß er die Großen und Reichen, seine Freunde und Günstlinge so richte wie die andern. Wer da nicht einen Muth hat, und kann es wagen, der gehört nicht hieher. Er muß die Wahrheit und das Recht lieben. Sonst findet sich allerlei Tücke und Schein, daß man den Rechten eine wächserne Nase andrehet, und ehe man sich umsiehet, so hat man aus gutem böses gemacht, und, was unrecht ist, zu rechte verkehret. Sie sollen auch dem Geize feind sein, keine Geschenke nehmen, und nicht das Mark des Landes verzehren, sondern gedenken, daß sie auch einen Gott im Himmel über sich haben Ephes. 6, 9. und nicht die Unterthanen drücken und plagen, sondern für ihr Bestes sorgen,[253] und die Armen nicht verlassen. Sie müssen niemanden hassen, als den Bösen, der unrecht thut. – Auch giebt es faule Obrigkeiten, die sich nicht selbst kümmern um der Unterthanen Wohlfarth, sondern den Schmeichlern und Heuchlern das Regiment überlassen, und in Wollüsten leben. Aber ein guter Fürst ist auch nicht mit Gelde zu bezahlen, und nicht genug dafür zu danken. Und ein guter Fürst ist der, welcher seine ganze Zeit für des Landes Beste sorget, weise Sprüche thut, Recht und Gerechtigkeit wohl handhabet, die Unterthanen schonet, wo er weiß und kann, und durch alle Ordnungen und Gesetze sie fromm, gut und froh zu machen, sich emsiglich bestrebet.

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 251-254.
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