Pflichten der Herrschaften gegen ihre Dienstboten.

[296] Die Herrschaften sollen sich nicht als Tyranen stellen gegen ihre Knechte und Mägde, denn es ist unmöglich, daß ein Knecht nicht etwas versehe, zu wenig oder zu viel thue, darum muß man einem frommen Knechte viel zu gute halten. Denn die Herrn sind den Untern schuldig, Gütigkeit und Gelindigkeit zu beweisen. Darum vermahnet sie Paulus Ephes. 6, 9. ihr Herren, lasset das Dräuen, und wisset, daß auch euer Herr im Himmel ist, bei dem kein Ansehen der Personen. Denn wer mag einem solchen Herrn dienen, der über alle Dinge schilt und poltert, von dem man kein gut Wort kriegt? Ein fleißiger Hausvater muß auch viel verhören und übersehen, und thun als sähe er es nicht, wenn er gleich gern wollte, daß es anders gienge; denn es ist nicht möglich, daß alles so gar fadenrecht sei. Da findet man aber etliche harte und gestrenge Hausväter, die doch nichts mehr damit ausrichten, denn daß alles irre und noch ärger machen mit ihren[297] harten Köpfen. Denn das Sprüchwort lautet: wer nicht übersehen kann, kann nicht regieren. Sprichst du aber: man soll Unrecht gehen lassen, und nichts sagen? Nein nicht also; du sollst dein Amt fleißig thun, und was du nicht kannst ausrichten, da zerreiße dich nicht, verhöre, dulde und befiehl es Gott. Wenn es nur erträglich gehet, gleich wie man sagt: wer nicht mit Pferden pflügen kann, pflügt mit Ochsen. Aber das ist auch wahr, daß die Herrschaften oft Schuld sind, wenn sie böses Gesinde haben, weil sie ihnen nicht den versprochenen Lohn geben, auch sie karg halten in allen Dingen, welches große Sünde ist, denn ein Arbeiter ist seines Lohnes werth. Du mußt auch denken, daß das Gesinde auch Menschen sind so gut wie du und daß es deinem Herre Gott ein kleines Ding gewesen sei, dich zum Knecht oder Magd zu machen. Du magst also immerdar zusehen, wie dir es gefallen würde daß man mit dir umgienge, daß du auch also thust. – Du mußt auch immerdar dein Gesinde bessern und erbauen, und sie zu allem guten anhalten, auch nicht zugeben, daß sie auf[298] bösen Wegen gehen, wo man die Schuld von dir fordern würde, wenn du es verhindern konntest. Es ist ein feines Ding, wenn ein Hausvater sich unter sein Gesinde hinsetzt, sie vermahnet, und mit ihnen betet. Das ist recht löblich und dem Herrn angenehm. Auch muß es er ihnen nichts böses sehen lassen, denn dann gehet alle Ehrerbietung verloren, sondern mit seinem Exempel in Worten und Werken ihnen wohl vorgehen. – Ich halte dafür, ein guter Hausvater müsse seinem Gesinde alles gute zutrauen, und in rechter Freundschaft und Einigkeit leben, aber doch nicht jedes heimlich Ding offenbaren. Denn ich habe wohl gesehen, daß solche Vertraulichkeit zu nichts taugt, und wohl oft das Gesinde trotzig und übermüthig macht.

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[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 296-299.
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