Pflichten bei Krankheiten.

[319] Ein gesunder Leib ist wohl ein großes Kleinod! Aber wie wenig dankt man dem Herrn dafür? Es kommen darum wohl mancherlei Krankheiten über den Leib, und es wäre wohl ein besonderer Mensch, der gar keine solche Plage in dem Leben gehabt hätte. Aber Krankheit kommt nicht umsonst, sondern daß wir sollen Gott lernen vertrauen in unserer Schwachheit, und seine Macht, Weisheit und Gerechtigkeit erkennen. Darum muß man sich nicht fürchten in der Krankheit, sondern geduldigen Muth haben, so groß auch der Schmerz ist. Es ist das gar ein rechter Christ, der auf dem Krankenbette siech und stumpf liegt, und doch Gott nicht weniger liebet als zuvor. Der da spricht: Herr du kannst mich gesund und krank machen, wie du nur willst. Es thut mir ja nicht wohl, daß ich krank bin, und ich möchte wohl lieber gesund sein. Aber ich will es auf deinem Namen leiden. Denn lebe ich, so leb ich durch dich, und sterbe ich, so sterbe ich durch dich. Und so auch die Meinen jammern und[320] heulen, so kannst du sie doch versorgen. Ich wette fast, wer dies aufrichtig denket und betet, der sollte doch wohl die Krankheit gern und willig tragen. – Ich sage euch, wer auch der Krankheit nicht besser wird der ist umsonst krank gewesen. Denn daß wir krank sind, geschiehet wohl darum, unsere Hoffarth und Sicherheit zu zwingen und an das Ende zu erinnern. Aber gleichwohl sind wir leider stolz und Hoffärthig und werden nicht frömmer darnach, geben auch die Weltliebe nicht auf, ja wie man spricht: da der Kranke genaß, nie ärger er war. Und so gehet es fort bis wir sterben, da es denn zuletzt zu späte ist, und wir dahin fahren ohne Besserung. – Wo du aber die Krankheit verschuldet und dir selbst zugezogen hast, so mußt du ja Gott bitten, daß er dir es vergeben, und dich desto mehr hüten vor Unmäßigkeit und lüderliches Leben. Denn die Mäßigkeit in Essen und Trinken und im ganzen Leben bewahret uns gewiß vor vielen Krankheiten. Aber jetzt lebet die Welt in schrecklichem Ueberfluß und Völlerei und ist ihr nicht genug, daß man allerlei Fleisch haben mag,[321] sondern man menget alles unter einander, thut Gewürze dazu, und verändert und verkehret es, das doch der Natur entgegen ist. Wie mancherlei Getränke hat man auch, dadurch man sich Schaden thut? Bist du nun dadurch krank worden, so laß solche Dinge, damit die Krankheit nicht wieder komme. – Es giebt auch wohl Kranke, die andern das Leben recht sauer machen, das und jenes wollen, und wenn es geschehen ist, wieder tadeln und die Leute quälen. Und ob man schon mit dem Kranken große Geduld haben soll, so ist es doch auch nicht recht, wenn er seine Wärter und Pfleger mit Ungeduld plaget und die Schmerzen ihnen entgelten läßt. Wiederum muß man auch alles thun, den Kranken zu pflegen. Ich weiß wohl, daß, wenn Christus jetzt etwa krank läge, da wäre ein jeglicher so andächtig, daß er gern. Diener und Helfer wollte sein. Und doch spricht er: was ihr dem Geringsten thut, das thut ihr mir selbst. Darum gehe hin, und thue das an deinem Bruder, und warte ihn, so er krank ist, denn mit welchem Maaße du mißt, wird man dir wieder messen. – Etliche Kranken[322] sündigen auch so sehr, daß sie alles lassen anstehen, damit sie der Krankheit wehren könnten, verachten Arznei zu nehmen, und meiden nicht das, was ihnen schädlich ist und sagen: es sei Gottes Strafe, wolle er sie behüten, so würde ers wohl thun ohne alle Arznei und unsern Fleiß. Solches heißt nicht Gott trauen, sondern ihn versuchen. Du Gott hat die Arznei geschaffen und die Vernunft gegeben, dem Leibe vorzustehen und sein zu pflegen, daß er gesund sei und lebe. Wer derselbigen nicht brauchet, so er wohl hat und kann, der verwahrloset seinen Leib selbst und ist sein selbst Mörder. – So wollen sie auch die Krankheit heilen durch teufelsche Mittel, und haben einen dummen Glauben darauf gesetzt, daß sie durch wunderbare Dinge könnten Hülfe erlangen, da sie doch sollten nur das nehmen, was ihnen ein kluger Arzt zu rathen weiß, und nicht solch abergläubisch Ding vornehmen.

Quelle:
[Verfasser von Luthers Leben]: D. Martin Luthers Sittenbuch. Leipzig 1794, S. 319-323.
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