Neujahrwünsche.

[52] Siehe dort schwebt sie hernieder die Hore des kommenden Jahres

Im verschwisterten Chor, Grazien führen den Reihn;

Jeglichem lächelt sie Freude, der sie mit Liebe begrüßet,

Schenket jedem so gern, was er bescheiden begehrt.

Liebend nahet sie Dir, sie bekränzt mit ätherischen Blumen

Die in Elysiums Flur sproßten, Dem lockiges Haar,

Schlinget den Arm um Dich und bringt Dir süße Geschenke,

Sanfte Freuden und Scherz mit dem verschwisternden Kuß.


Ewig segne ich die schöne Stunde,

Da mein Herz das Deine fand,

[53] Und die Liebe zu dem schönsten Bunde

Uns mit Rosenketten band!

Lebe froh und find' an meinem Herzen

Trost und Labung bei des Lebens Schmerzen.

Lebe froh und bau' auf meine Treue

Bis im Tod ich einst den letzten Blick Dir weihe.


Geliebte, glauben Sie es nicht,

Wenn oftmals die Verläumdung spricht,

Daß Männer unbeständig sind

Und sich verändern wie der Wind.

Die Liebe die ich Ihnen weihe,

Ist fester noch als Weibertreue

Und soll, wenn Sie es gerne sehen,

Auch bis zum Grabe fortbestehen.


Nimm zum Versprechen fern'rer Treue

Die Hand und meinen Kuß auf's neue

Auch diesen guten Wunsch zugleich:

Dein Leben sei an Wonne reich;

[54] Bis in des Alters graue Zeiten

Beglücken Dich die schönsten Freuden;

Dein Herz sei bis zum Grabe mein,

Mein treues Herz ist ewig Dein.


Ein Blümchen weih' ich Dir

Aus treuer Liebe Pflicht,

Nimm's gütig an von mir,

Es heißt: Vergißmeinnicht.

Pflanz' es in Deine Brust,

Und laß es für mich blühen;

Dann wird in Glück und Lust

Mir jeder Tag entfliehen.


So schön und reizend wie die Frühlingstage,

So sanft und rein, gleich wie ein Silberbach,

Verfließen, Freundin! Deine Lebenstage

In wahrem Glück – ohn' alles Ungemach.

Nur wahre Freude krön' die Blüthe Deiner Jugend,

[55] Weil Du sie schmückst so schön mit Unschuld und mit Jugend.


Laß sorgen, wem es so gefällt,

Du aber – sorge nicht!

Wir sind nun einmal auf der Welt,

Wo man nicht immer Rosen bricht.

Geduld und Zeit sind edle Sachen,

Die Vorsicht wird für Dich auch wachen,

Zum Neu'njahr wünsch' ich Dir deshab Geduld,

Doch auch der Vorsicht Lieb und Huld.


O könntest Du doch heute sehen,

Wie Dir mein Herz entgegen schlägt,

Und wie sich für Dein Wohlergehen

Manch heißer Wunsch im Busen regt!

Leb' lange froh an meiner Seite,

Dir selbst zum Glück und mir zur Freude!

Von Dir, von Dir geliebt zu sein,

Nur dieß heißt froh und glücklich sein.


[56] Heil Dir, Freundin zum Neujahrsfeste,

Und Deinem trauten Hansverein!

Ein frohes Herz, der Gaben beste,

Soll stets Dein schönstes Erbe sein.

In Deinen Kindern blüh' Dir Wonne,

Im Arm des Gatten, Himmelsglück,

Recht oft kehr dieses Tages Sonne

Verschönt durch Hoffnungen, zurück.


O Freundin! Ihrer werth zu sein,

Und Ihres Lebens mich zu freun,

Dies Glück empfind' ich heute.

Sie sind es, die mit Lieb' und Huld,

Mit Sanftmuth, Zärtlichkeit, Geduld

Mir stündlich Freude weihte.

O Theuerste! mit Lobgesang

Hebt sich mein Herz voll Lieb' und Dank,

Das um ihr Wohlergehen

Stets wird zur Vorsicht flehen.


[57] Dein, o Beste! die ich zärtlich liebe,

Ist mein Herz und ewig bleibt es Dein.

Glücklich, unaussprechlich glücklich bin ich,

Denn Dein gutes liebes Herz ist mein.

Bald erfüll', o guter Gott der Liebe!

Unsern Wunsch, und lohne edle Triebe. –


Wie Sternchen so helle,

So klar wie die Quelle,

Sei immer Dein Geist und Dein sanftes Gemüth –

Das zärtlich für Liebe und Freundschaft entglüht.


Dir zu leben, Beste!

Mit Dir glücklich sein,

Ist der Freuden größte;

Immer sei sie mein.

Blühe wie ein Veilchen

In der Blumenschaar,

[58] Gib mir gern ein Mäulchen

Oft in diesem Jahr.


Glücklich! glücklich! Dich hab' ich gefunden,

Hab' aus Millionen Dich umwunden,

Und aus Millionen mein bist Du.

Laß das wilde Chaos wiederkehren,

Durch einander die Atome stören,

Ewig fliehn sich unsre Herzen zu.


Lebe wohl! der Bund der Treue

Werde nicht durch mich entweiht,

Ich gelobe Dir auf's Neue

Liebe und Beständigkeit.

Quelle:
[Anonym]: Der galante Stutzer. Nordhausen 21829, S. 52-59.
Lizenz:

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