Begrüßungsarten.

[19] Die Arten sich zu begrüßen, haben zuweilen einen ganz verschiedenen Charakter. Bei einigen scheint eine gesuchte Feinheit durch; andre zeichnen [19] sich durch Naivität oder durch eine vorzügliche Empfindsamkeit aus. Ueberhaupt bleiben sie sich in einzelnen Stücken, bei den Völkern in ihrer Kindheit, und auch bei den mehr ausgebildeten Nationen, gleich. Achtung, Unterthänigkeit, Wegwerfung und Furcht haben fast einen und eben denselben Ausdruck bei allen Völkern, weil dieser eine Folge von der körperlichen Organisation ist. Viele noch rohe Völker empfangen sich ohne alle Umstände; sie kennen weder Verbeugungen noch Begrüßungen, oder verachten sie auch. Die Grönländer lachen, wenn sie einen Europäer sehen, der sein Haupt entblößt, und sich vor demjenigen verbeugt, den er seinen Obern nennt.

Bei Andern hingegen geschieht der Empfang nie, ohne ein angenommenes Ceremoniel zu beobachten. Die Insulaner auf Lamurec, einer in der Nachbarschaft der Philippinen gelegenen Insel, und die Bewohner von Palaos fassen die Hand oder den Fuß desjenigen, den sie grüßen, und reiben sich damit das Gesicht. Die [20] Insulaner auf Socotora küssen einander die Schultern, und die Bewohner von Horeseiland legen sich bei den Begrüßungen mit dem Bauche auf die Erde. Die Bewohner der Marianischen Inseln legen die Hand auf den Bauch dessen, dem sie Achtung beweisen wollen; die Aethiopier hingegen fassen ihn bei der rechten Hand, und bringen diese an ihren Mund. Die Lappen drücken, wenn sie sich begrüßen, ihre Nasen fest an einander, die Ayenis blasen einander ins Ohr, und reiben einander den Bauch mit der Hand. Dampier berichtet, daß die Bewohner von Neuguinea ihr Haupt mit Baumblättern bedecken; dies war von jeher ein Zeichen der Freundschaft und friedfertiger Gesinnung. Auf einer von den größern Cykladen benetzt man sich die Haare, wenn man sich begegnet.

Manche Begrüßungen haben für einen jeden, der nicht daran gewöhnt ist, viele Unbequemlichkeiten, weil sie eine Biegsamkeit der Gliedmaßen voraussetzen, welche man sich nur durch Uebung erwerben kann. Die Bewohner der Philippinen [21] verbeugen sich tief, legen eine Hand oder auch beide an die Backen, und heben einen Fuß mit gebogenem Knie empor. Die Bewohner von Arrakan verbeugen den Leib und falten die Hände über den Kopf. Der Athiopier nimmt demjenigen, den er begrüßt, die Leibbinde ab, und legt sie sich selbst an, so daß der andre halb nackt bleibt. Dieser Gebrauch, sich bei dergleichen Gelegenheiten zu entkleiden, nimmt allerlei Gestalten an. Bei den Otaheitern ist es allgemeine Sitte, daß, wenn sich einer unter seinen Landesleuten, oder auch unter Fremden, einen Freund auserwählt, er ihm seine Kleider anlegt, und sich nackt auszieht. Diese Sitte wird allmählig eingeschränkt: man kleidet sich nicht ganz aus, sondern legt nur einen Theil der Kleidung weg. Die Japaner ziehen einen Pantoffel ab, und die Bewohner von Arrakan Schuhe und Strümpfe in den Vorzimmern aus.

Wenn von den Gebräuchen der Neger die Rede ist, so muß man sich dabei erinnern, daß sie große Liebhaber von Possenspielen sind, und daß sie alle ihre Ceremonien gerne in Spielwerke verwandeln.[22] Nach Atkins fassen sich die meisten so herzhaft bei der Hand und den Fingern an, da diese knacken müssen. Die Neger in Siera Leona und am Cap Mesurado ziehen nur Einen Finger so stark an, daß er knackt, und rufen dabei aus akki o! akki o! – Wenn die Mandigos ein Frauenzimmer begrüßen, so bringen sie dessen Hand an ihre Nase, und beriechen sie zweimal. Snelgrave wurde von einem Gesandten des Königs von Dahomay, dessen Begleitung aus fünfhundert Soldaten bestand, folgendermaßen empfangen: Alle mit entblößtem Degen und mit Schildern versehene Neger machten allerlei Grimassen und lächerliche Verzuckungen; der Kapitain und die übrigen Officiere näherten sich den Engländern mit dem Degen in der Hand, welchen sie über ihren Häuptern schwenkten; hierauf setzten sie ihnen die Spitze des Degens auf den Bauch, und machten dabei allerlei sinnlose Sprünge und Bewegungen; zuletzt nahmen sie eine ernsthafte Miene an, der Gesandte reichte ihnen die Hand, und trank auf ihre Gesundheit.

[23] Barbarische Völker geben oft auch ihren Begrüßungen das Gepräge ihres barbarischen Charakters. Wenn die Bewohner von Carmana jemandem recht viel Zuneigung und Achtung erweisen wollten, so öffneten sie sich, dem Athenäus zu Folge, eine Ader an einem der Schläfe und setzten ihm das herausfließende Blut zu trinken vor. Von einem andern Volke wird berichtet, daß sie sich ein Haar auszureißen und es derjenigen Person zu überreichen pflegten, welche sie begrüßen wollten.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 19-24.
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