Die Schützen-Gilden.

[253] Es ist mancher Gebrauch unsrer Vorfahren bis auf uns gekommen und hat sich erhalten, ungeachtet nicht nur der Grund seines Ursprungs längst aufgehört hat, sondern auch das, was sonst löblich und nützlich war, jetzt, bei veränderten Sitten und ganz andrer Verfassung der Staaten, lächerlich und schädlich ist.

Hierzu sind ohne Zweifel auch die Schützen-Gilden zu rechnen. Wahrscheinlich sind sie schon im dreizehnten Jahrhunderte mit dem Hanseatischen Bunde zugleich entstanden. Von der Zeit an, hatten die mehrsten Städte Deutschlands ihre eigene Rüstung, Wehr und Waffen, Wall und Graben, und vertheidigten ihre Freiheiten oft selbst gegen ihren Landesherrn. Da war es denn freilich nöthig, daß ihre Bürger sich in den Waffen, anfänglich Bogen und Pfeilen, und dann mit Schießgewehr übten, und es war mit diesen Uebungen der freiwilligen Beschützer und Vertheidiger einer Stadt eine so ernstliche Absicht, als jetzt [254] nur irgend mit den Uebungen unserer in Sold stehenden Truppen, verknüpft. Allein nach dem westphälischen Frieden ward die Macht und das Ansehen der Städte sehr eingeschränkt, und ihre Bürger mußten ihrem Landesherrn wieder ganz unterthan und gehorsam werden. Die Kriegeskunst veränderte sich, und die Landesherren behielten zum Schutz und zur Sicherheit ihrer Länder und Unterthanen, stehende Truppen bei. Diese wurden beständig in den Waffen geübt; und den Bürgern in den Städten überließ man, zum Andenken ihrer ehemals durch Waffen vertheidigten Freiheiten, nur ein Spiel: – das Scheibenschießen.

Das Lächerliche dieses Gebrauchs fällt oft in denjenigen Staaten am meisten auf, wo man an militairische Zierde, Schönheit und Ordnung gewöhnt ist.

Ist aber ein Gebrauch erst lächerlich geworden, so folgt schon ziemlich von selbst, daß er wenig oder gar keinen Vortheil mehr mit sich führen kann.

[255] Unrecht wär' es, wenn die Schützengilden aufgehoben würden, um deren rechtmäßige Einkünfte einzuziehen und zu neuen Staatsgefällen zu schlagen. Nein! dann wären die Beschwerden derjenigen, denen sie entzogen würden, gegründet. – Aber, man setze sie zur Belohnung fleißiger Bürger, ihrer tugendhaften Töchter, ihres treuen Gesindes aus; und jede Beschwerde dagegen wäre Unbesonnenheit, und dürfte nicht geachtet werden.

Wenn bei einem freundschaftlichen Mahle der redlichste Kaufmann, oder fleißigste Bürger, oder der die beste That gethan hat, durch ein Ehrenzeichen belohnt, ein armes, tugendhaftes Mädchen ausgestattet oder wenigstens unterstützt, und der treuste Dienstbote aufgemuntert würde, wenn Obrigkeit und Lehrer die Ermunterer und Zeugen dieser Freuden wären; wenn nicht mehr für gekrönte Häupter und die Ersten im Staate der beste Schuß gethan, und dafür unverdiente Gnadenbezeugungen erbettelt, sondern ihnen statt dessen die beste That eines guten Bürgers angezeigt, und von ihnen für ihn Schutz und Unterstützung erbeten würde: [256] – wie sehr würde alsdann Aller Freude dabei veredelt werden, und wie weit mehr Bestrebung zu bürgerlichen Tugenden entstehen!

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 253-257.
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