Freimaurerei.

[129] Unter allen geheimen Gesellschaften, welche von den frühesten Zeiten an merkwürdig geworden sind, hat die Verbindung der Freimaurer unstreitig die meiste Aufmerksamkeit auf sich gezogen. Eine große Anzahl Schriften, welche zur Enthüllung ihrer Geheimnisse und zur Bekanntmachung ihrer Absichten von Zeit zu Zeit erschienen sind, haben größten Theils nicht nur nichts enträthselt, sondern durch eine Menge von Fabeln und Mährchen, welche sie von dem angeblich hohen Alterthum des Ordens und seinen geheimen Unternehmungen [129] verbreitet haben, nicht wenig dazu beigetragen, ihn herab zu würdigen und den Regierungen verdächtig zu machen. Einige kurze istorische Angaben über seinen Ursprung werden für den gegenwärtigen Zweck hinlänglich seyn; eine weitere Erörterung seiner Absichten, und eine vollständige Darstellung seines Innern gehört nicht hierher. – Die ersten Spuren der eigentlichen Freimaurer finden sich (abgerechnet, daß es zu allen Zeiten gewisse geheime Gesellschaften gegeben hat,) weder in dem patriarchalischen Zeitalter der ersten Menschen, noch in Egypten (dem Vaterlande der Hieroglyphen), noch auch unter der Regierung des weisen Salomo, sondern wurden erst um die Mitte des 17ten Jahrhunderts in Großbrittanien angetroffen. Man darf nicht vergessen, in welchem traurigen Zustande sich damals die meisten Wissenschaften in Europa befanden. Aberglaube jeder Art, schädliche Vorliebe für geheime Wissenschaften, zumal für Alchymie, und eine im Grunde verdorbene Theologie, welche entweder den Geist durch müßige Spekulationen ermüdete oder das Herz durch mystische Grillen [130] verdarb, verhinderten allgemein die Ausbreitung der wahren Aufklärung. Die wenigen Männer von ausgezeichneten Talenten, welche über ihr Zeitalter erhaben waren, durften mit der Bekanntmachung der Wahrheit nicht zu laut werden; weil sie bei den Freunden der alten Finsterniß den hartnäckigsten Widerstand fanden. Viele verbanden sich daher in Geheim mit einander, und stifteten unter sich gewisse Gesellschaften, worunter die der Rosenkreuzer ums Jahr 1615 in Deutschland Aufsehen machte. In England hatte ein politischer Roman des Kanzlers Bacon um die nehmliche Zeit zu einer ähnlichen Verbindung die erste Veranlassung gegeben. Eine Gesellschaft aufgeklärter Männer verband sich daselbst zur Kenntniß der Natur der Dinge näher unter sich, und verbarg ihre wahren Absichten, welche damals für Ketzerei gehalten worden wären, unter bildlichen Zeichen und einigen Symbolen, welche auf gewisse Dichtungen in Bacon's Roman unmittelbaren Bezug hatten. Weil es in London Gebrauch war, daß jede Gesellschaft ein zunftmäßiges Ansehen haben mußte, und mehrere[131] Glieder dieses neu errichteten Ordens schon ohne dieß zur Maurerzunft gehörten; so schlugen sich die übrigen auch dazu, bedienten sich der Abzeichen der Maurer, und hielten ihre Versammlungen in dem Zunfthause derselben. Dieß ist die wahre Entstehung der Freimaurer-Gesellschaft, welche in den stürmischen Zeiten von Cromwell's Protectorat die Absichten der Königlich-gesinnten im Stillen eifrig beförderte, und dadurch zuerst in den Verdacht kam, daß in ihrem Innern Geheimnisse abgehandelt würden. Von England aus verbreitete sie sich in Frankreich, und wurde auch in der ersten Hälfte des 18ten Jahrhunderts in Deutschland bekannt. Ungeachtet der mannigfaltigen Veränderungen, die sie in neuern Zeiten erlitten hat, und ungeachtet der empfindlichen Bedrückungen, die ihre Mitglieder hier und da ausstehen mußten, erhält sie sich immer noch in Ansehen, und rechtfertigt durch manche edle und menschenfreundliche That die gute Meinung, welche ihr so viele würdige Männer, die sie zu ihren Mitgliedern zählt, unter den Zeitgenossen verschafft haben. Ihre unechten Söhne [132] mögen den Namen Freimaurer zur Erreichung niedriger Absicht und hämischer Entwürfe noch so sehr gemißbraucht haben, es ist ihnen doch nicht geglückt, den Glanz des Ordens völlig zu vernichten.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 129-133.
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