Gebräuche im Hauswesen unsrer Vorfahren.

[137] Das Vorschneiden und Vorlegen bei Tafel ward immer als etwas Vorzügliches und Ehrenvolles angesehen. Daher entstanden die Kronämter dieser Gattung bei verschiedenen Höfen.

Man glaubte schon im Alterthume, sich unter dem Essen durch Schauspiele und andre Gegenstände zerstreuen zu müssen. Die Römer und Griechen ergötzten ihre Gäste durch Pantomimentänze, und oft durch blutige Gefechte der Gladiatoren und Ringer. Die ältern christlichen Fürsten liebten bei Tafel ebenfalls pantomimische Tänze; die Meistersänger und Troubadours mit ihren Harfen und Liedern spielten dazwischen eine große Rolle. In den Speisesälen der Geistlichen und bei den Mahlzeiten frommer Prälaten wurde aus Erbauungsbüchern oder gelehrten Werken etwas vorgelesen. Dies hat sich noch an den Tischen einiger deutschen Schulen und an den sogenannten Stipendien- und Konvikttischen der Akademien [138] erhalten. Man pflegte auch zu singen, und die erste Orgel, die nach Frankreich kam, war für die Tafelmusik Karls des Großen bestimmt. Die Tafelmusiken existiren noch an vielen deutschen und ausländischen Höfen als eine Galasache.

Man pflegte schon in den ältesten Zeiten vor Tische, oder zu Anfang der Mahlzeit Wein zu trinken, um den Magen zu stärken; aus eben der Absicht aß man auch Eyer. Karls des Großen Mahlzeit bestand an den gewöhnlichen Tagen in vier Gerichten und einer einzigen Schüssel Wildprets.

Man aß vor Alters an bloßen hölzernen Tischen, ohne weitere Decke; man pflegte sie wohl zu glätten; hierauf folgten lederne Ueberzüge, und endlich unsere linnene und baumwollene Tischtücher. Man nahm einen Zipfel vom Tischtuch vor sich, und reinigte sich den Mund und die Finger daran; der Aufwand der Servietten wurde erst unter Karl V. bei Privatpersonen gemein. Zu Reims verfertigte man in Frankreich die ersten. [139] Diese Stadt machte Karl V. bei seiner Reise durch Frankreich ein Geschenk von dergleichen Tafelzeug, das auf tausend Gulden geschätzt wurde. Die Messer und Löffel sind aus dem entferntesten Alterthume. Die Gabeln wurden später bekannt. Man brachte die Bissen mit der Messerspitze in den Mund. Die ersten Gabeln waren von Eisen und hatten zwei bis drei Zacken. Statt der Teller bediente man sich anfangs der Scheiben von Brodrinde, hierauf machte man sie von Holz, und endlich von allerhand Metallen. Die bleiernen schaffte man wegen ihrer Schwere gar bald ab.

Die Epoche des ersten Kamins ist schwer zu bestimmen, aber die Erfindung der Oefen gehört den deutschen und nördlichen Völkern. Schon 1388 waren in den königlichen Häusern zu Paris und auf den Gallerien Oefen. Einige darunter hießen Sanftwärmer (chauffe doux.)

Bänke, Hutschen, Schemel u.s.w. waren vor Zeiten die üblichen Sitze, sogar in fürstlichen Pallästen. Stühle waren sehr selten. Das Bette, [140] das ein Hauptstück in einer Haushaltung, selbst bei den Armen, ausmacht, so, daß sein Mangel das sicherste Zeichen der Dürftigkeit ist, wurde bei den Römern und Griechen, nachdem sie die Gewohnheit ihrer heroischen Vorfahren, auf Laub und Thierhäuten zu liegen, mit Pflaumpolstern, Matratzen von Milet, und Federbetten vertauscht hatten, ein Gegenstand der äußersten Pracht. Das Bettgestelle bestand aus Elfenbein, Silber, oder aus Eben-, Citronen- und Cedernholz. Von den ungeheuern Betten, worin unsre Vorältern mit Weib und Kind, oft gar mit ihren liebsten Jagdhunden schliefen, haben sich noch hie und da Ueberbleibsel erhalten. Die vornehmsten Personen trugen kein Bedenken, in Einem Bette mit ihren Gästen und Bekannten zu liegen, und es war dies der deutlichste Beweis von Freundschaft und Vertrauen, den man einander geben konnte. Admiral Bonnivet theilte gar oft sein Bette mit Franz I., König von Frankreich.

Binsen- und Strohmatten waren die ersten Tapeten, womit man die Mauern eines Zimmers [141] behing. Die Farben des Strohs waren so künstlich und geschmackvoll gewählt und unter einander gemischt, daß diese Matten ein überaus angenehmes Ansehn machten. Man erhält noch welche aus der Levante, die von sehr feiner Arbeit und im Preis ziemlich hoch sind; sie werden wegen der Lebhaftigkeit ihrer Farben und der Schönheit der Zeichnungen allgemein geschätzt. Die linnenen und seidenen Tapeten, in welche ganze Geschichten gewebt wurden, steigen im Gebrauch über sechshundert Jahr hinauf. Unterdessen war dieser Gebrauch damals noch nicht ganz allgemein. Im funfzehnten Jahrhundert kamen die haute und basse lisse Tapeten in den Niederlanden und von dort aus in Frankreich auf. Man kaufte sie sehr theuer, und minder bemittelte Personen mußten sich an Tapeten von Bergamo, oder den points d'hongrie begnügen. Die Manufaktur der Gabelins, die unter Heinrich IV. angefangen, und durch Colbert und den berühmten Mahler le Brün zur Vollkommenheit gebracht wurde, ließ alle bekannte Fabriken hinter sich. Die venetianische Brokatelle, die persische und indische [142] gemahlte Leinwand, die sogenannten tapisserie tontisse, aus den Ueberbleibseln der Wolle, die von gefärbten Tüchern im Scheeren abgehen, und auf gummirte Leinwand geheftet werden, das gemahlte und vergoldete Leder, ist eine sehr alte Erfindung, die man den Spaniern zuschreibt, und die Papiertapeten, die in Deutschland nun überall Mode sind, gehören auch hieher.

Die ersten Spiegel waren von Metall; Cicero giebt den Aeskulap, den Gott der Aerzte, für den Erfinder aus; im Moses findet man sie auch erwähnt. Die ersten silbernen kamen unter Pompejus nach Rom. Die gläsernen Spiegel kamen gegen das Ende der Kreuzzüge zu uns; sie wurden für die Venetianer, die das Geheimniß zuerst besaßen, ein sehr einträglicher Handelszweig; und von diesen stammen alle die übrigen Spiegelfabriken her, an denen nun Europa so reich ist.

Eine Abhandlung über die verschiedenen Veränderungen, denen unsre Kleidung und Kleidermoden, [143] von den ältesten Zeiten bis zu uns, unterworfen waren, würde viele Bände füllen, wir berühren nur im Vorbeigehn einige Besonderheiten der alten Trachten.

Karls des Großen Kleidung bestand gemeiniglich in einem leinenen Rock, dessen Saum von Seide durchwürkt war, und im Winter in einem Wams von Fischotterpelz, den er unter diesem Rocke trug. Schuhe und Strümpfe befestigten Bänder von allerlei Farben, und um alles hing ein langer Mantel. Man findet auch Prachtgesetze von ihm. Im Jahr 808 verordnete er folgende Preise beim Kauf und Verkauf:


Den besten Oberrock oder Mantel20 Sols

den schlechtern Oberrock oder Mantel10 Sols

den mit Marder oder Fischotter gefutterten

Rock oder Mantel30 Sols

mit Katzenfell gefuttert Mantel10 Sols


Die breiten, langen Tuniken, die oben zugehakt werden, und bis auf die Fersen herunter gehn, [144] wurden über die andern Kleider gezogen. Man brauchte sie, wenn man ausging, statt daß der Mantel – so ändern sich die Begriffe und Moden! – nur eine häusliche oder Staatskleidung vorstellte, und es ein Zeichen von schlechter Lebensart gewesen seyn würde, wenn man in der Stadt hätte im Mantel gehen wollen.

Die Hermelinmäntel wurden in Frankreich und Deutschland zu allen Zeiten getragen. Um seine Weiße zu heben, muschetirte man ihn mit schwarzen Schwänzchen oder Flocken von lombardischen Lämmerfellen, wie es noch jetzt Gebrauch ist. Der Hermelinmantel wurde nur von Vornehmen und von Damen vom hohen Stande getragen. Eine Königinn von England ließ zwei Hermelinmäntel vor sich her tragen, um anzuzeigen, daß sie Monarchinn von zwei Königreichen, England und Frankreich, sey.

Die Hosen hatten vor Zeiten keine Taschen, und der Bund war nicht daran genäht, sondern ein besondrer, durchzogener Gürtel, der sie befestigte, [145] wie es noch von einigen deutschen Bauern, aus gleicher Absicht, getragen wird. Außer diesem Gürtel, der den Mannspersonen allein eigen war, bedienten sich beide Geschlechter, zur Gürtung ihrer langen Kleider, noch eines andern, oder einer Leibbinde, woran die Schlüssel, der Geldbeutel, das Messer oder Schreibzeug hingen, und der bei den Damen ein Gegenstand des Luxus wurde. Sie hatten sie von Seide, Gold und Silber. Auch in den Geldbeuteln zeigte sich die Prachtsucht. Die Kreuzfahrer pflegten ihren Gurt und Beutel in den Kirchen weihen zu lassen, ehe sie den Kreuzzug antraten. Wenn man seines Vermögens, wegen Schulden, entsagte, so lösete man seinen Gürtel in Gegenwart der Richter, und die Wittwen in Frankreich, die auf die Erbschaft ihrer Männer Verzicht thaten, deponirten ihren Gürtel auf seinem Grabe.

In den ältern Zeiten war es gebräuchlich, ohne Hemde zu schlafen.

Die ersten seidenen Strümpfe wurden in England verfertigt. König Heinrich II. trug [146] die ersten in Frankreich an der Hochzeit seiner Schwester Margaretha.

Die festliche Kleidung des bemittelten Bürgers war schwarz: grau oder braun war die Alltagskleidung ihrer Weiber und Töchter.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 137-147.
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