Katechismus-Treffen.

[199] Cenosi, eine kleine Stadt auf Sicilien, hat ungefähr 3000 Seelen; die Sonn- und Festtage [199] arbeitet Niemand; öffentliche Lustbarkeiten giebt es auch nicht, und man hatte Langeweile zum Sterben. Müßiggang, aller Laster Anfang! Dies Sprüchwort überlegte ein Jesuit; seine Mitbrüder waren hier, wie an mehreren Orten, im Besitze des Vorrechts, die Jugend zu erziehen; der gute Pater also, um die Jugend zu belehren, das Alter zu beschäftigen, und jedermann zu erbauen, kam auf den Einfall, alle jungen Leute mit einer grauen Uniform, rothen Aufschlägen, und rothen Westen und Beinkleidern, zu bekleiden, ihnen einen hölzernen Säbel anzuhängen, und eine kleine hölzerne, aber gut gemahlte, und einer wirklichen ganz gleiche Flinte, auf die Schulter zu geben.

Die Schüler, mit denen man die Woche über zufrieden war, vertreten die Stelle der Officiere mit Ringkragen und Spontonen. Sie marschieren in zwei Compagnien aus dem Collegium. Zwei Fahnen, zwei Trommelschläger, drei Officiere, und zwei Abbe's, führen jede an. Sie ziehen auf den öffentlichen Platz, machen einige kleine Schwenkungen, [200] und beide Compagnieen stellen sich in zwei Gliedern einander gegenüber. Darauf rücken sie gegen einander los, bis sie sich leicht verstehen, und mit einander sprechen können; sie lehnen sich stolz auf ihre Waffen, das heißt, auf ihre hölzernen Flinten, und jeder legt nun wechselsweise seinem Manne, der ihm gegenüber steht, Fragen aus dem Katechismus vor, welche dieser aus eben dem Buche nach seinem besten Vermögen beantwortet. Vater, Mutter, Brüder, Vettern, alle Verwandte, alles Volk umringen die Disputirenden, mit starren Augen, offenem Munde, bewundern, und erfreuen, kreuzigen und segnen sich mit Zufriedenheit; da es aber Scenen nicht an Leben fehlen muß, wenn ein Schauspiel interessiren soll, so rührt, wenn ein Dutzend Fragen und Antworten vollbracht sind, der Tambour sein Spiel, die hölzernen Flinten werden von neuem geschultert, der Marsch wird von neuem angetreten, und man zieht auf einen andern Platz, um eben das Spiel von vorne anzufangen; das wohl zufriedene, wohl unterhaltene, und besonders wohl belehrte Volk drängt ünermüdet nach. Endlich wird dieses sonderbare [201] Schauspiel mit allgemeinem Jubel beschlossen, und jeder begiebt sich zu Hause, der Sieger mit der Hoffnung, das nächstemal neue Lorbeern zu sammeln, und der Besiegte, seine verlohrne Ehre zu rächen.

Quelle:
[Anonym]: Sitten, Gebräuche und Narrheiten alter und neuer Zeit. Berlin 1806, S. 199-202.
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