Anno 1692
§ 15

[52] In eben diesem Jahre gegen Fastnacht bekam ich das Fieber: und es war ein sehr groß Glücke, daß ich nur ein Fieber bekam, von einer Unvorsichtigkeit, durch welche ich leicht um mein Leben gar hätte kommen können. Mein Hospes [Gastgeber], der Prediger, heiratete das anderemal. Auf der Hochzeit, welche in des Herrn Inspectoris Hause gehalten wurde, mußte ich ihm als Famulus aufwarten. An ungarischem Weine war kein Mangel; und weil ich des Bräutigams Domestique, so mochte ich trinken, so viel ich wollte. Ich nahm mich zwar den ersten Tag sorgfältig in acht, daß ich nicht durch Trunkenheit meinen Herrn prostituirte [bloßstellte]; alleine den letzten Tag, in welchem Tau-Wetter einfiel, mochte ich etwan aus Versehen ein Gläsgen zu viel getrunken haben, welches mein Kopf, der von wenigem Schlafe ohnedem schwach war, nicht vertragen konnte. Da nun der Bräutigam um Mitternacht nach Hause fuhr, stieg ich hinten auf den Wagen, wie die Laqueyen zu tun pflegen, und hatte zwei Priester-Kragen in der Hand, dabei aber das Unglück, daß ich vom Wagen herunter in den Schnee fiel, der zur selbigen Zeit ungewöhnlich groß war, und vor Trunkenheit einschlief, auch eher nicht erwachte, als bis die Leute, so des Morgens halb 5 Uhr in die Früh-Predigt giengen, mich mit samt den Kragen im Schnee liegend antrafen, und mich aufweckten. Ich starrte vor Kälte, und bekam, wie schon gedacht, den Tag darauf das Fieber, davon ich aber in kurzem durch Fasten und Hungern wieder befreiet wurde.

Quelle:
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. München 1973, S. 52.
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