Anno 1734
§ 152

[373] Anno 1734 etliche Wochen vor Ostern, da dieses Buch gedruckt wurde, bekam ich einen der stärksten Durchfälle, beinahe wie derjenige war, welcher mich Anno 1719 betroffen, so daß ich in einer Nacht, wegen der vielfältigen Stühle, ganz von Kräften kommen. Ob ich gleich dann und wann mit diesem Malo auch sonst war oft überfallen worden, so waren doch 15 Jahre vergangen, daß es nicht in so großem Maße wiedergekommen; und ich verwies mir recht meine Torheit, daß ich die Wiederkunft eines solchen Übels so lange Zeit gefürchtet, und es doch erst in 15 Jahren einmal mich wieder überfallen und erhaschet hätte. Etliche Wochen nach Johanne [24. 6.] begegnete mir eben dieses das andere mal in diesem Jahre, doch nicht mit solcher Stärke und Heftigkeit: und endlich wiederfuhr mir eben[373] dergleichen das drittemal 14 Tage nach Michael [29. 9.], so daß ich auch den Anfang zu dem Tractate: Leben des Glaubens genannt, eine Woche deshalben aufschieben mußte. Ich wußte nicht, was auf diese drei starke auf einander folgende Durchfälle in künftigen Zeiten erfolgen würde, bis ich endlich solches kurz vor Weihnachten in eben diesem 1734. Jahre zu meinem Schaden erfuhr. Nämlich, es stellten sich die Hæmorrhoides cœcæ bei mir ein; wie denn auch der berühmte D. Stahl in seinem Tractate von den Hæmorrhoidibus angemerket, daß sie insgemein auf starke Durchfälle zu folgen pflegen. Ich hatte sehr elende und schmerzhafte Feiertage; und obschon die Schmerzen nicht den so hohen Grad bei mir erreichten, wie bei vielen andern, die von diesem Übel überfallen werden; so stiegen sie doch einst so hoch, daß ich auch vor Schmerzen nicht mehr Urin lassen konnte, welches mir eine große Pein war. Das Beste und Erträglichste war noch dabei, daß, wenn ich des Nachts im Bette zum Liegen kam, die Schmerzen mit mähligem vergiengen, daß ich doch noch ziemlich schlafen kunte. Ich versuchte durch die gewöhnlichen Arznei-Mittel die Hæmorrhoides zum Fluxu zu bringen; es war aber keine Möglichkeit, ohne daß nach Ostern, und den folgenden Herbst, einige Sedes cruentatæ [Stuhlgänge mit Blut] bei mir sich spüren ließen. Da die Schmerzen am größten waren, und ich lange Zeit vergeblich mediciniret hatte, so versetzte [verpfändete] ein Studiosus Medicinæ, so bei mir an Tisch gieng, bei mir Valentini Praxin Medicinæ infallibilem. Ich schlug meine Krankheit darinnen auf, und fand ein Arznei-Mittel, welches ein Leib-Medicus des Landgrafens von Hessen, weil er es vor ein Arcanum gehalten, dem Landgrafen nicht eher entdecken, noch appliciren wollen, bis man ihm einen polnischen Ochsen zum Recompenz [Honorar] versprochen. Ich brauchte es; und siehe, von Stund an hörten die Schmerzen schier gänzlich auf, so daß ich in große Freude darüber gesetzet wurde.

Doch brachte ich gleichwohl mit diesem Übel und Incommodo bis gegen Johanne zu; und, da mir eben nichts gedienet war, die Hæmorrhoides mit Gewalt zum Fluxu [Blutabgang] und zur Gewohnheit zu bringen, weil auch dieselben, wenn sie zum ordentlichen Lauf gelangen, doch vielen Abwechselungen und Unordnungen, da sie bald zu stark gehen, bald sich wieder verstopfen, unterworfen sind, und ich mich gar nicht nach einem hohen Alter sehnte, das mit solcher Plackerei verknüpft sein soll; so fiel ich darauf, daß an statt des Fußes, wie bei dergleichen[374] Fällen gewöhnlich, ich lieber am Arme zur Ader lassen wollte, um das Geblüte, wie die Medici reden, zu revelliren, und von unten herauf zurücke, und wiederum in die Höhe zu ziehen. Ich tat es; aber ich hatte leider übel noch ärger gemacht, und damit den Grund zu einer neuen, und entsetzlichen Plage geleget. Denn da das Blut, aller treibenden Arzneien ungeachtet, unten nicht fort konnte, so trat es nach dem Aderlassen mit desto größerm Ungestüm zurücke, und versetzte, und verstopfte mir Milz und Leber, und brachte mir die Milzsucht in solchem hohen Grad zuwege, als ich sie mein Lebtage nicht empfunden habe. Ich fand nach der Zeit, da ich nicht wußte, wo die schreckliche Furcht, Angst, und Bangigkeit herkäme, ob ich gleich auf dem Orte, wo der Milz lieget, einiges Drücken, und eine kleine Schwulst verspürte, in eben diesem Tractat des Herrn Stahls, pag. 126, daß das Blut, wenn es zurücke pralle, und unten nicht fort könne, solche Verstopfungen, und mit denselben solche Gemüts-Ängstlichkeiten zu verursachen pflege. Hätte ich solches zuvorher gelesen, so würde ich nimmermehr die Ader am unrechten Orte zu lassen resolviret haben.

Quelle:
Bernd, Adam: Eigene Lebens-Beschreibung. München 1973, S. 373-375.
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