[236] So dachte ich damals; doch ich mußte jetzt mehr vor meine zukünftige irdische Glückseligkeit sorgen, welche ich dieses mal weder in Breslau, noch in Rawitsch gefunden hatte. Und ich danke es Gott noch diese Stunde, daß ich sie damals in Rawitsch vergeblich gesuchet, und daß mich Menschen an derselben gehindert haben. Denn es kam nicht nur kurz darauf die Pest in diesen Ort, und riß viel Menschen hin; sondern es wurde auch so gar die Stadt noch vor der den Schweden höchst fatalen unglücklichen Schlacht bei Pultawa vom General Schultzen, auf des Czars Ordre, nebst der Stadt Liessa mit Feuer angesteckt, und der Erden gleich gemacht. Was vor Jammer dazumal die Inwohner betroffen, ist kaum hier auszudrücken. Erst mußten sie große Brandschatzung zahlen, und darnach wurde dem ohngeachtet die Stadt an vier Orten angestecket. Doch wären die Bürger bei diesem großen Unglück noch glücklich gewesen, wenn sie nur noch hätten retten mögen, was gerettet werden kunte. Allein so gut wurde es ihnen nicht; sondern wer etwas geflüchtet, und gerettet hatte, und damit wegfliehen wollte, fiel den Kalmucken auf der Straße in die Hände, welche die Leute zum Teil bis aufs Hemde auszogen. Die guten Rawitscher hatten ein solches besonderes Gerichte Gottes wohl verdienet. Denn die Abgötterei, mit welcher sie am Könige von Schweden hiengen, und so lange gehangen hatten, war ganz ausnehmend. Und waren hingegen mit dem Herzen, und in der Tat ihrem rechten Könige Augusto so schändlich untreu, gram, und aufsätzig [feindselig] worden, so daß ich sowohl in Rawitsch, als in Breslau nicht das geringste Urteil der Liebe von unserm Könige in Compagnien fällen durfte, wo ich mir nicht alle Verdrießlichkeiten zuziehen wollte. Zu Eilftausend Jungfrauen, allwo ich einst im Spaziergehen eine Kanne Bier unbekannter weise trank, hätte ich einst bald eine Tracht Schläge zu Lohne bekommen, da ich[236] unserm Könige das Wort reden wollte, vor welchen alle seine Untertanen doch aufrichtig und herzlich zu beten verbunden waren.
Ich war froh, daß meine Zeit herbei kam, dies Volk, und auch meine Landes-Leute, die an gleicher Passion krank lagen, zu verlassen. Ich ergrieff sie mit Freuden, und reisete in der ersten Hälfte des Januarii 1707 wiederum nach Leipzig, wo meine Auditores [Hörer], welche auf die Universität wieder zurücke gekommen waren, mit Verlangen auf mich warteten. Ich konnte ihrem Verlangen auch desto eher Genüge leisten, weil ich diese Zeit über, da ich in Breslau mich aufhielt, nicht nur die Collegia, so ich zu halten angefangen, besser ausgearbeitet, sondern mir auch neue Collegia gemacht, und elaboriret [ausgearbeitet] hatte, worunter das Collegium homiletico-fundamentale [Predigt-Grundkurs] gehöret, das ich aus des seligen Herrn Günthers Præceptis großen Teils in ein Compendium zusammen zog, und in eine Sciagraphie [Abriß] und Tabelle verwandelte; welches ich gleich nach meiner Wiederkunft zu lesen anfieng, und nach der Zeit mehr als zwanzig mal nicht ohne Nutzen der Auditorum, wie ich meine, gelesen habe. Ich brachte alles, was zu der Dispositione naturali gehöret, unter 23 Regeln, welche sowohl die Proposition [Inhaltsangabe], als Partition [Haupteinteilung], und Subdivision [Untergliederung] eines Textes einen jeden leicht zu erfinden lehrten, so daß die Auditores in diesem Fundamentali durch Hülfe der Præeceptorum [Regeln] eine völlige ganze naturalem Dispositionem [normgerechte Gliederung] machen lernten; welches nach andern Præceptis nicht wohl angehet, so daß viele, wenn sie schon die Fundamenta gehöret, doch noch lange nicht fähig sind, eine ganze völlige Disposition über einen Text zu machen. Ich würde diesen Sommer 1707 eine reiche Ernte gehalten haben, weil die Studiosi in großer Menge zu mir kamen, und allerhand Collegia von mir begehrten, wenn nicht eine gewisse Brust-Beschwerung, so ich mir aus Unwissenheit durch den Leipziger Breyhahn [Art Weißbier], dessen ich nicht gewohnet war, kurz zuvor, ehe die Collegia angiengen, zugezogen hatte, mich daran gehindert hätte. Ich tat, so viel ich kunte, und fieng auch denselben Sommer das erste Jahr einen Cursum philosophicum an, den ich hernach alle Jahr, und in manchem Jahre zweimal gelesen, bis ich [1712] ins Predigt-Amt kommen.