Schlußwort.

[220] Ich bin am Ende. Ein neues Jahrhundert ist längst angebrochen, kaum kann es so viel umgestalten, wie das verflossene.

Von vielen Erlebnissen haben diese Blätter erzählt, von dem, was mein eigenstes Leben betrifft, habe ich wenig gesprochen. Von vielen Menschen ist es für arm gehalten, und wie reich war es doch! Aber das trotzige und verzagte Menschenherz bleibt sich zu allen Zeiten gleich, so ist auch in gewisser Weise der Mensch stets derselbe. Leid und Freude wird immer in seiner Seele wechseln, Liebe und Selbstsucht darin streiten, mag auch das Leben dem einen ruhig dahin fließen, von Stürmen und Unwetter weniger heimgesucht, indessen einem anderen heiße Kämpfe nach außen, wilde Leidenschaften nach innen den Lebensweg bedrängen und erschweren. Wohl aber dem Menschen, der am Abend seines Pilgerlaufes, wenngleich unter Tränen sprechen kann:


»Der Herr hat Alles wohl gemacht,« und bitten:


»Mein Gott, ich bitt' durch Christi Blut,

Mach's nur mit meinem Ende gut.«
[220]

Quelle:
Bismarck, Hedwig von: Erinnerungen aus dem Leben einer 95jährigen. Halle 151913, S. 220-221.
Lizenz:
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Erinnerungen aus dem Leben einer 95jährigen
Erinnerungen aus dem Leben einer 95-jährigen: Nachdruck Der Originalausgabe Von 1913 In Frakturschrift