[113] Feste sind immer etwas Erfreuliches: fröhliche Gesichter, heitere Reden sieht und hört man immer gern. Aber die Feste in der Familie haben noch eine tiefere Bedeutung, einen höheren Wert, als die der Gesellschaft. Sie verleihen dem oft prosaischen Alltagsleben einen poetischen Reiz; sie verbinden die Glieder der Familie, auch im weiteren Sinn, enger miteinander; sie halten das Andenken an wichtige Tage, an Dahingeschiedene lebendig. Die Familienfeste befestigen die Familie.

Darum halten wir es für einen Vorzug unserer deutschen Heimat, daß sie solche Feste mehr pflegt, als andere Länder. Mag der Kindersegen noch so groß sein, jedes der Kleinen hat doch seine Geburtstagsfeier; mögen die Verhältnisse noch so bescheiden, der Freundeskreis noch so klein sein, das fünfundzwanzigjährige Jubiläum der Hochzeit wird doch zum Festtage gemacht; ja, und wenn Eheleute alljährlich des Tages, der sie verbunden, gedenken, und selbst des, an dem sie zuerst versprachen einander anzugehören, – so werden wohl nur die darüber lächeln, deren Liebe in der Prosa des Lebens einigermaßen abhanden gekommen ist.[113] Halten wir also fest an unseren Familienfesten; sie sind eine gute alte Sitte!

Betrachten wir zuerst die


Quelle:
Calm, Marie: Die Sitten der guten Gesellschaft. Stuttgart 1886, S. 113-114.
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