Geschenke.

[126] »Schenken ist so leicht und selig,

Mache dir's nicht selber schwer.

Bei dem »Was« sei nur nicht wählig,

Und das »Wie« bedenke mehr«

Goethe.


Auch bei dem Schenken, meine lieben jungen Damen, habt ihr mit richtigem Takt freundschaftliche Gaben, pflichtmäßige Geschenke und Wohlanstandsgeschenke zu unterscheiden.

Denn nicht bloß die ersteren sollen als Ausdruck liebevoller Gesinnung gereicht, taktvoll gewählt sein, auch wo es gilt, eine Pflicht zu erfüllen, wird der zarte Sinn einer gebildeten Geberin dies in höflicher, angemessener Weise vollbringen.

Bei allen Geschenken, mögen sie klein oder groß sein, ist, indem wir dieselben überreichen, die Art und Weise, wie[126] wir es thun, ein Haupterfordernis des guten Tones. Zuerst ist das Geschenk so zu wählen, daß es den Verhältnissen, dem Bildungsstande des Empfängers sich anpaßt, daß es in keiner Weise ihn unzart berührt. Wollte man z.B. einer Dame, von der man weiß, daß sie sehr alt und krank ist, daher ihr Haus nicht verläßt, etwas schenken, was sie nur zum Ausgehen gebrauchen kann, hätte man nicht rücksichtsvoll die Verhältnisse ins Auge gefaßt; dahingegen wird ein gesticktes Kissen, eine gehäkelte Decke, von der Enkelin der alten Großmutter oder Tante überreicht, derselben eine willkommene nützliche Gabe sein. Freundinnen untereinander nehmen es nicht so genau, für sie gibt es tausend kleine Niedlichkeiten zu Geburtstags- und Weihnachtsspenden. Die selbstverfertigten Geschenke zeigen nicht bloß den liebevollen Sinn der Geberin und geben Zeugnis von ihren fleißigen Händen, die sich schon lange vorher mit dem Anfertigen der Gaben beschäftigen, sie haben auch den großen Vorzug, gewöhnlich das viel weniger kostspielige Geschenk zu sein.

Junge Mädchen sollten sich überhaupt untereinander keine wertvollen Geschenke machen, da sie nur in seltenen Fällen selbst die Geldmittel dazu haben oder verdienen, sondern in die Tasche der Eltern greifen müssen. Will indes die Wohlhabende durch ein Geschenk der Unbemittelten nützlich werden, so hat sie doppelte Rücksichtnahme nötig, solche Gabe auf die zarteste Weise zu reichen. Mündlich oder auch nach den Verhältnissen brieflich kleide sie die Gabe, welche sie überreicht, in passende Worte, füge auch vielleicht dem Hauptgeschenk noch eine Kleinigkeit hinzu, welche es auf scherzhafte oder freundliche Weise begleitet.

Etwas Nützliches läßt sich in einer Atrappe verstecken, man schenkt eine selbstgearbeitete Geldtasche und läßt die darin enthaltenen Goldstücke gleichsam als eine Nebensache erscheinen, in einem Körbchen mit Blumen verbirgt man ein Wertpapier u.s.w.

Blumen sind stets eine sehr beliebte, sinnige Gabe, man hat sie besonders da zu wählen, wo man kein eigentliches Geschenk machen, nur eine zarte Aufmerksamkeit erweisen will. Demjenigen aber kostbare Blumen oder teuere Luxusgegenstände zu reichen, dem ein nützliches Geschenk durchaus nötig ist, wäre jedoch nicht richtig.[127]

An Polterabenden und Hochzeiten ist es sinnig, sein Geschenk mit der dazu passenden Aufführung und Verkleidung in Verbindung zu bringen.

Der Winter überreiche eine Schale von Eisglas, eine Nymphe wähle als Geschenk eine muschelförmige Schale, die sie, wenn es die Jahreszeit erlaubt, mit Seerosen und Vergißmeinnicht füllt. Eine Bäuerin hat in einem Körbchen mit grünen Gemüsen, eine Gärtnerin unter Blumen ihr Geschenk zu verbergen. Wird die »Prosa« vorgestellt, schenke sie ein Haushaltungsbuch, ein Schlüsselkörbchen, eine Schürze, die »Poesie« überreiche ein schönes Dichterwerk, die »Treue« verziere ihre Gaben mit Epheuranken, die »Liebe« schmücke sie mit Rosen aus. Solche sinnvolle Gaben bekunden die Bildung und das seine Verständnis der Geberin. Hat man nach überstandener Krankheit dem Arzt, oder nach der Konfirmation oder einer anderen kirchlichen Handlung dem Geistlichen ein Geschenk zu machen, und steht man zu beiden nicht in ganz besonders freundschaftlichen Beziehungen, wird ein Geldgeschenk jedem andern vorzuziehen sein. Aber auch hier, wo die Pflicht es fordert, etwas zu geben, kleide man die Gabe so ein, daß der Empfänger nicht dieselbe allein, sondern vor allem unsere große Dankbarkeit herausfühlt. Schriftlich sowohl wie bei mündlicher Gelegenheit, erwähne man das Geschenk selbst so wenig wie möglich. Man schreibe z.B. nur: »Sie erlauben mir, Ihnen meinen tiefgefühlten Dank für geleistete Hilfe auszudrücken.« Oder: »Seien Sie von der innigsten Dankbarkeit meines Herzens überzeugt, und möge dieser kleine Beweis derselben Ihnen aussprechen, wie tief ich dieselbe empfinde.«

Empfängt eine junge Dame von entfernten Verwandten ein Geschenk, so versäume sie ja nicht, recht bald sich brieflich dafür zu bedanken. Es ist alsdann zart, sich über das Geschenk selbst freundlich zu äußern, ebenso thue sie dies mündlich, wenn ihr zu ihrem Geburtstag oder einer andern Gelegenheit eine Aufmerksamkeit durch ein Geschenk erwiesen wird.

Herren gegenüber sei sie in der Wahl eines Geschenkes vorsichtig. Daß sie dem Bräutigam schöne Arbeiten anfertige und sinnvolle Geschenke gern widmet, das versteht sich von selbst, denn Schenken, dem Geliebten eine Freude, eine[128] angenehme Ueberraschung bereiten, ihm ein Zeichen des treuen Gedenkens zu gewähren, das ist ja eigentlich so recht die Natur, so recht der Ausdruck der Liebe für ihn. Einem andern Herrn jedoch, es sei denn ein naher Verwandter oder ein älterer Hausfreund der Eltern, ein selbstgefertigtes Geschenk zu geben, das könnte vor ihm selbst und vor den Augen anderer sehr leicht zu Mißdeutungen führen, vor denen sich ein junges Mädchen sorgfältig in acht nehmen soll.

Wir müssen hier noch eine Sitte erwähnen, welche nicht selten die Veranlassung wird, einem fremderen Herrn ein Geschenk schuldig zu sein; es ist dies eine Art Wette, welche in der Gesellschaft und an der Tafel einer jungen Dame von ihrem Tischnachbar zuweilen angeboten wird und die wohl allen meinen jungen Leserinnen unter dem Namen »Vielliebchen« bekannt ist.

Eine alte normannisch-englische Sitte des gefeierten Valentinstages hat die Veranlassung zu diesem für die Jugend stets sehr beliebten Scherze gegeben. Wie in England ein am Valentinstage erwähltes Paar »Valentin und Valentine« heißt, so wurde früher am Rhein den jungen Burschen ein Mädchen als »Liebchen« oder »Vielliebchen« zugesellt; er mußte mit ihr eine Brezel brechen, ihr auch wohl ein kleines Ge schenk machen. Aus diesem Gebrauch entstand später das Brechen einer Mandel, das Genießen ihres Doppelkernes von dem Herrn und seiner dazu erwählten Dame, welche er dann bei dem nächsten Zusammentreffen mit dem Ruf: »Guten Morgen! Vielliebchen,« oder »J'y pense« (ich denke daran) zu begrüßen hat. Kommt aber die junge Dame in diesem Gruß ihm zuvor, hat er verloren, und es ist seine Pflicht, ihr ein Geschenk zu machen, gelingt es ihm, sie zu überlisten, so muß sie ihm ein solches überreichen. Sie muß alsdann in der Wahl desselben die Verhältnisse berücksichtigen und nichts geben, was mißdeutet werden könnte.

Es ist in der Jetztzeit Mode geworden, seine Photographie in Visitenkartenformat jedem darum Bittenden leicht zu gewähren. Bedenke auch in diesem Fall die junge Dame stets die Stellung desjenigen zu ihr, dem sie diese Gunst erzeigt. Ihr Bild gehört gewiß unter die Zahl derjenigen, welche das Album eines Verwandten bereichern, ob aber in dasjenige eines Herrn, mit dem sie sonst gar keine Beziehungen[129] teilt und der vielleicht indiskret genug ist, mit ihrem Porträt vor seinen Bekannten und in ganz anderen Verhältnissen zu prahlen, das muß sie zuvor überlegen und ihm lieber die Bitte abschlagen, ehe ihr daraus die Mißdeutungen anderer erwachsen.

Junge Mädchen ignorieren oft aus Blödigkeit ein Geschenk, das sie erhielten, sie wissen nicht die passenden, rechten Worte zum Dank zu finden. Sie müssen indes solche Schüchternheit zu überwinden suchen, denn es wird von den Regeln des guten Tones durchaus verlangt, sich für eine durch eine Gabe erwiesene Freundlichkeit bei den Entfernten schriftlich, bei den uns Erreichbaren entweder sogleich oder in kürzester Zeit darauf durch einen Besuch bei ihnen mündlich zu bedanken.

Ist ein Geschenk nicht ganz so ausgefallen, wie es sich die Empfängerin desselben gedacht hat, ist es überhaupt ein Gegenstand, der ihr nicht gerade wünschenswert ist, würde es gleichfalls sehr gegen die seine Sitte verstoßen, wenn sie dies den Geber merken ließe. Der Anstand erfordert es von ihr, daß sie ein freundliches Gesicht zeige, auch wenn sie innerlich sich getäuscht fühlt. Sie soll sich den guten Willen des Gebers nur vergegenwärtigen, dann wird ihr solche scheinbare Verstellung leichter werden, und sie wird Dankbarkeit im Herzen empfinden selbst dann, wenn sie die dargereichte Gabe schon besitzt oder sich dieselbe größer und schöner vorgestellt hat.

Quelle:
Ernst, Clara: Der Jungfrau feines und taktvolles Benehmen im häuslichen, gesellschaftlichen und öffentlichen Leben. Mülheim 3[o.J.]., S. 126-130.
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