Weibliche Arbeiten.

[54] Sie reget ohn' Ende

Die fleißigen Hände

Und mehrt den Gewinn

Mit ordnendem Sinn.

Und füllet mit Schätzen die duftenden Laden

Und dreht um die schnurrende Spindel den Faden

Und sammelt im reinlich geglätteten Schrein

Die schimmernde Wolle, den schneeigen Lein,

Und füget zum Guten den Glanz und den Schimmer

Und ruhet nimmer.

Schiller.


Freude an weiblichen Arbeiten ist der Jungfrau wohlanständig, sich darin eine gewisse Sauberkeit und Geschicklichkeit anzueignen, das steht ihr gut, ein jeder wird es an ihr zu schätzen wissen. Sie erspart dadurch viel, also auch die schon früher besprochene, rechte Sparsamkeit wird dadurch gefördert, sie wird sich und anderen durch ihre geschickten Hände manche Freude bereiten können.

Das gekaufte Geschenk für die Eltern, liebe Verwandte und Freunde, ist gewöhnlich viel teurer und erregt bei den Beschenkten nicht ein so großes Wohlgefallen als das selbstangefertigte.

Kennt ihr sie nicht, ihr jungen Damen, die schönen, stillen Stunden vor einem Geburtstag eurer Lieben, oder vor dem nahenden Weihnachtsfest, in denen ihr mit seinem Geschmack und fleißigen Händen ihnen sinnige Geschenke anfertigt? – Wie ist das Herz euch dabei so freudig erfüllt, so froh erregt in der Vorfreude des nahenden Festes. O, wenn ihr ihre reinen Freuden noch nicht empfunden habt, so sucht sie euch zu verschaffen, entzieht eurem jugendlichen Mädchenleben diese für euch so wohlthuende und herzerwärmende Beschäftigung nicht. Sollte das Geschick euch[54] später einen andern Beruf anweisen, werdet ihr Hausfrauen und Mütter, so ist eure Zeit gemeinhin anderen Beschäftigungen gewidmet, jene seinen Stickereien eurer Mädchenjahre müssen beiseite gelegt werden. Gern denkt ihr dann zurück an frühere Jahre, wo das noch von keiner Thräne getrübte Auge so geübt darin war, die jugendliche Hand so zierlich die seinen Fäden schlang. Aber versäumt auch wieder mit diesen sogenannten Luxusarbeiten nicht allzu viel kostbare Zeit. Nur für bestimmte Festtage und Geschenke widmet sie ihnen, sonst sucht auch schon früh in jenen Handarbeiten euch zu üben und es darin zur Fertigkeit zu bringen, die einen bestimmten nützlichen Zweck haben.

Es war früher der Stolz einer Jungfrau, ihre Wäsche eigenhändig recht sauber zu nähen, jetzt stellen die Nähmaschinen das geübte, schöne Nähen des Leinenzeuges mit eigener Hand ganz in den Hintergrund. Zeit und Mühe wird dadurch freilich erspart, aber ob nicht sonst so mancher Nachteil durch die Nähmaschinen entstanden ist, dies zu erörtern ist hier nicht der geeignete Platz. Nimmer hätte die wechselnde Mode so große Dimensionen angenommen, niemals gefiele sie sich in so bizarren Zusammenstellungen auseinander geschnittener und wieder zusammengefügter Stoffe, wenn ihr die Nähmaschine dazu nicht behilflich wäre, und die so einfach und gediegen mit den Händen genähte Leibwäsche verlangte nicht den unpraktischen Luxus von Säumen, Fältchen, Besätzen und anderen Zuthaten.

Es ist bei diesen stets neuen Modemustern und Veränderungen der Kleiderschnitte daher jetzt auch sehr schwierig für eine junge Dame, das Schneidern so zu erlernen, daß sie es für sich selbst und für die Ihrigen fortgesetzt anwenden kann. Dennoch möchte ich ihr sehr dazu raten, denn schon in dem bloßen Umändern eines altmodisch gewordenen Kleides, oder in der geschickten Hilfe, welche man der Schneiderin bei der Anfertigung eines neuen gewährt, liegt eine erfreuliche Ersparnis, eine echt weibliche, häusliche Beschäftigung. Doppelt nützlich ist es auf dem Lande, wo oft eine geschickte Schneiderin fehlt, sich solche Kenntnis zu erwerben, und steht es einem jeden jungen Mädchen wohl an, sie sich anzueignen und zu üben.[55]

Ebenso kann Geschicklichkeit im Putzmachen eine sehr angenehme Fertigkeit sein, und wem dieselbe fehlt, der suche auch bei ihr durch Unterricht nachzuhelfen. Einen Hut sich nach eigenem Geschmack zu garnieren, der lieben Mutter und Großmutter die Häubchen sauber herzustellen, die Schleifen am Ballkleid und dem Gürtel zierlich zu schlingen, dies sind Arbeiten, welche eine gefällige und geschickte Tochter niemals verschmähen sollte.

Es ist schicklich, wenn ein junges Mädchen, sobald sie auf längere Stunden einen Besuch bei Freunden macht oder in eine kleine Gesellschaft zu ihnen eingeladen ist, eine Handarbeit mitnimmt und steht ihr besser, als wenn sie die Hände müßig in den Schoß legt. Aeltere Damen mögen eher in Gesellschaft anderer feiern, sie sind vielleicht durch Augenschwäche daran verhindert, etwas zu arbeiten, und auch für sie wie für junge Mädchen ist ja der Strickstrumpf jetzt aus der Mode gekommen und wird durch gewirkte, obwohl lange nicht so dauerhafte Stickereien wie die mit eigenen Händen gefertigten ersetzt. Kleine und größere Häkeleien werden in der Jetztzeit den früher so beliebten Wollstickereien vorgezogen. Sie haben den Vorteil größerer Billigkeit und sind zur Verzierung der Wäsche nützlich zu verwenden. Der richtige Takt sage aber der jungen Dame, nicht eine gar zu mühsame Handarbeit mit hinein in einen geselligen Kreis zu nehmen. Sie wird durch dieselbe veranlaßt, gebückt oder unablässig darauf zu sehen, wohl gar daran zu zählen. Beides verstößt gegen die Regeln der wohlanständigen Geselligkeit, es lenkt sie von der Aufmerksamkeit ab, die sie als Gast derselben schuldig ist, und zerstreut ihre Gedanken, so daß diese einem allgemeinen Gespräch nicht folgen können, oder sie etwaige Fragen, die an sie gerichtet sind, vielleicht überhört. Dieselben Pflichten hat sie, wenn sie Gäste bei sich sieht, es müßten denn sehr nahe Freunde sein, bei denen sie sich entschuldigen muß, wenn eine Handarbeit sie zeitweise in Anspruch nimmt. Sollte sie in Gesellschaft anderer ein Strickzeug benutzen, wird sie gut thun, das Knäuel desselben in ihre Kleidertasche zu stecken. Sobald sie es auf den Tisch legt, rollt es leicht auf die Erde, das eigene Danachsuchen, das ihr Behilflichseinwollen anderer, bringt den ganzen Kreis der Gäste in[56] Aufregung, oder einer der Aufstehenden verschlingt sich in dem Faden, wodurch dann allgemeine Verwirrung und die Beschämung, dieselbe veranlaßt zu haben, noch größer sind.

Strümpfe stopfen, Ausbessern der Wäsche, sind nur häusliche Arbeiten, es wäre sehr unfein, beides in einer Gesellschaft vornehmen zu wollen. Ist die junge Dame mit einer solchen Thätigkeit beschäftigt und es überrascht sie ein Besuch, legt sie bei fremderen Gästen dieselbe ganz beiseite, bittet bei guten Freunden zuvor um Entschuldigung, ehe sie sie fortsetzt.

Ist sie mit einer Handarbeit beschäftigt und es wird dabei von einer andern Person etwas vorgelesen, so sei sie sorgsam darin, nicht durch Klappern mit den Stricknadeln, allzu scharfes Schneiden mit der Schere ein den Leser und die Zuhörer störendes Geräusch zu verursachen, und vermeide das Herunterfallen eines zu ihrer Arbeit gehörenden Gegenstandes mit sorgsamer Geschicklichkeit.

Das weibliche Handarbeiten mit geschickter, sauberer Hand angefertigt, der Jungfrau stets zur Ehre gereichen, das vergesse sie nie, und glaube ja nicht, daß es von anderen nicht mißfällig bemerkt und getadelt wird, wenn der Strickstrumpf in ihrer Hand voller Fehler, das Nähzeug oder die Häkelei unsauber sind.[57]

Quelle:
Ernst, Clara: Der Jungfrau feines und taktvolles Benehmen im häuslichen, gesellschaftlichen und öffentlichen Leben. Mülheim 3[o.J.]., S. 54-58.
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