Von dem Tabak.

[183] Der Gebrauch des Tabaks verbreitet sich zwar mehr und mehr bis zu den höchsten Ständen hinauf, aber dennoch verbietet der gute Ton den Genuß dieses giftigen und stinkenden Krautes. Allenfalls ist eine Schnupftabaksdose gestattet, indeß auch nur zu sehr spärlichem Gebrauch, da der häufige Genuß des Schnupftabaks eine widerliche Unreinlichkeit zur unausbleiblichen Folge hat. Die Cigarre hat ebenfalls nachgerade Bürgerrecht erlangt, die Pfeife aber ist aus den vornehmeren und feineren[183] Kreisen so ganz verbannt, daß man aus ihr selbst nicht einmal im eigenen Zimmer rauchen darf; wenigstens wird man sich schämen müssen, dieß öffentlich einzugestehen.

Gleichwohl ist unter jungen Männern zum Theil die Mode eingerissen, mit Pfeifen einen großen Luxus zu treiben, indem man sie gewissermaßen als ein Raritätencabinet, von allen Größen, Farben und Nationalitäten hat, von dem irdenen Calumet des Indianers bis zu dem kunstvoll geschnitzten Meerschaum, der durch Arbeit und Verzierung oft einen außerordentlich hohen Preis kostet.

Hat man sich indeß das Rauchen angewöhnt, sei es aus Rücksichten der Gesundheit, sei es aus irgend einem andern Grunde, so muß man diese üble Gewohnheit, so viel als irgend möglich, zu verbergen suchen.

Besucht man, auch ohne selbst zu rauchen, Gesellschaften oder öffentliche Orte, wo stark geraucht wird, so muß man, ehe man es wagen darf, in einem Zirkel der vornehmen Welt zu erscheinen, nicht nur Kleider und Wäsche wechseln, sondern auch namentlich das Haar sorgfältig reinigen, am Besten waschen, und dann mit wohlriechender Pomade einreiben, denn der Geruch des Tabaksrauches setzt sich in allen rauhen Stoffen, und ganz vorzüglich im Kopf- und Barthaare fest und ist, besonders von schlechteren Tabaksarten, so penetrant, daß manchen Menschen, sicher aber zartnervigen Damen, danach im eigentlichsten Sinne des Wortes übel wird.

Ist das Schnupfen schon bei einem Manne eine üble Angewohnheit, so wird eine Dame dadurch vollends widerlich; deßhalb dulde man bei uns nahe stehenden Damen nie, daß sie auch nur zum Spaß eine Prise nehmen, denn nur allzu leicht setzt sich durch solches Naschen eine Gewohnheit fest. Selbst der ärgste Säufer hat sich dieß Laster nur allmählig angewöhnt.

Wenn man sich des Schnupfens in Gesellschaft nicht enthalten kann, – und oft entsteht diese üble Gewohnheit[184] lediglich dadurch, daß Könige und Fürsten Tabatièren zum Gnadengeschenke machen, und man dieses aus Eitelkeit zu zeigen wünscht, – so nehme man nur im Verstohlenen eine Prise. Die Dose herum zu reichen und rechts und links den Zunächststehenden eine Prise anzubieten, ist nur ein Gebrauch des üblen Tones.

Wie man eine Prise nicht anbieten darf, ebenso ist es auch unpassend, eine zu fordern, wenn man sieht, daß ein Anderer aus seiner Dose schnupft.

Bekommt man eine Prise angeboten, so nimmt man sie zwar aus Artigkeit an, indeß man thut nur so, als ob man sie schnupfe, in der That aber wirft man sie unbenutzt fort.

Man öffne nie eine Tabatière, die man irgendwo stehen sieht.

Kann man sich nicht enthalten, eine Prise zu nehmen, so ziehe man sie ohne Geräusch ein und vermeide so viel als möglich, sich den Tabak auf die Kleider oder die Wäsche zu schütten, denn der Anblick der verstreuten Tabakskörner ist als ein Zeichen der Unreinlichkeit sehr unangenehm und kann unter Umständen sogar ekelhaft werden.

Auf der Straße oder einer öffentlichen Promenade rauche man nicht; thut man es aber dennoch, so thue man es mit Bescheidenheit, d.h., so, daß man es vermeidet, den Vorübergehenden den Rauch in das Gesicht zu blasen.

Begleitet man eine Dame auf der Straße, so ist es selbst dann unschicklich zu rauchen, wenn sie uns ganz nahe steht.

Ist man an öffentlichen Orten mit einer Dame an einem Tische, so muß man, wenn man zu rauchen wünscht, die Erlaubniß derselben erbitten, selbst wenn sie einem ganz fremd sein sollte.

Geht man in Gesellschaft, nachdem man geraucht hat, so reinige man sich zuvor sorgfältig den Mund, indem man ihn mehrmals ausspült, denn der Tabaksrauch[185] verpestet ohne diese Vorsichtsmaßregel den Athem längere Zeit.

Es ist ein großer Irrthum, daß der Tabak die Zähne erhalte; er macht sie gelb, das ist Alles.

Einen Tabaksbeutel und eine Pfeife bei sich zu tragen, ist Handwerksburschen-Gebrauch. Will man daher nicht mit diesen verwechselt werden, so vermeide man ihren Gebrauch. Nur auf der Jagd ist die Pfeife gestattet; aber selbst auf Reisen und bei Landpartieen, namentlich wenn an den letztern, wie gewöhnlich, Damen Theil nehmen, ist nur die Cigarre zulässig.

Unter Rauchern darf man eine Cigarre anbieten, ohne sich einer Unanständigkeit schuldig zu machen, fordern jedoch niemals.

Eine allgemeine Regel der Höflichkeit, die jeder Raucher streng beobachten muß, ist, nie auszuspucken, wenigstens unbedingt nie auf den Fußboden. Höchstens darf man sich dabei, – aber ohne alles Geräusch, – der Spucknäpfe bedienen, die etwa in dem Zimmer aufgestellt sind, was jedoch nie in den Gesellschaftszimmern der Fall sein wird, wo der gute Ton herrscht.

Quelle:
Fresne, Baronesse de: Maximen der wahren Eleganz und Noblesse in Haus, Gesellschaft und Welt. Weimar 1859, S. 183-186.
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