Der Klub der Harmlosen

[116] Das Glücksspiel ist zweifellos eine der größten Leidenschaften der Menschheit, das schon im grauen Altertum nicht unbekannt war. Das »Corriger la fortune« hat in unserem materiellen Zeitalter alle Gesellschaftskreise ergriffen. Schon in alten Rom muß das Glücksspiel eine sehr große Ausdehnung angenommen haben, denn es wurde ein Gesetz erlassen, wonach Schulden, die aus dem Glücksspiel entstanden waren, nicht eingeklagt werden durften. Das Verlorene konnte gesetzlich zurückgefordert werden, und das Haus, in welchem Glücksspieler auf der Tat betroffen wurden, unterlag der Konfiskation. Nach dem älteren deutschen Recht galten Spielgeschäfte als erlaubte Geschäfte. Das Verlorene konnte demgemäß auch von dem Gewinnenden eingeklagt werden. Allein schon im vierzehnten Jahrhundert, mehr aber noch im sechzehnten und siebzehnten Jahrhundert, erachtete man es in Deutschland als notwendig, das hohe und übermäßige Spiel, besonders das auf Borg, bei Strafe zu verbieten. Auf diese Weise gelangte man zur Unterscheidung zwischen verbotenen und erlaubten Spielen, die sich weniger auf die Art als auf die Höhe des Spiels bezog. Es wurde dabei immer der Grundsatz festgehalten, daß Spielschulden nicht einklagbar klagbar seien. In Frankreich gab es in früheren Jahren in fast allen größeren Städten privilegierte Spielhäuser. Bereits 1839 wurden jedoch alle Spielhäuser in Frankreich geschlossen. Die französischen Bankhalter Benazet, die Gebrüder Blanc u.a. errichteten deshalb Spielbanken in Deutschland. Jedoch schon 1848, noch vor der Märzrevolution wurden in Preußen die Spielbanken aufgehoben. In den 1866 annektierten Ländern wurde den dort auf Grund von Verträgen mit den früheren Regierungen errichteten Spielbanken die Fortdauer bis zum Schluß des[116] Jahres 1872 gestattet. Sie hatten dabei die Bedingung zu erfüllen, daß ein bedeutender Teil des Reingewinns der Banken zur Bildung eines Kur- und Verschönerungsfonds für die beteiligten Städte gegeben wurde. Ende 1872 wurden die Spielbanken in Baden-Baden, Homburg, Wiesbaden, Ems, Nauheim und Pyrmont geschlossen. Das österreichische Strafgesetzbuch verbietet alle Hasardspiele und bedroht alle Spieler, sowie denjenigen, der in seiner Wohnung spielen läßt, mit Strafe; dem Denunzianten wird Straffreiheit und außerdem ein Drittel der Geldstrafen gewährt. Nach dem deutschen Reichs-Strafgesetzbuch werden diejenigen bestraft, die aus dem Glücksspiel ein Gewerbe machen. Ferner werden die Inhaber eines öffentlichen Versammlungsortes bestraft, welche Glücksspiele gestatten, oder zur Verheimlichung solcher Spiele mitwirken. Bekannte Spielbankorte im Auslande waren Spaa in Belgien und Saxon im schweizer Kanton Wallis. Jetzt besteht in Europa noch eine große öffentliche Spielbank in Monte Carlo. Trotz gesetzlichen Verbots ist das Glücksspiel und wohl auch das Falschspiel ungemein, und zwar in fast allen Gesellschaftsreisen verbreitet. Das Kümmelblättchen, »Meine Tante, deine Tante« wird in den Vorstadtkneipen der Großstädte, insbesondere von den Bauernfängern noch immer mit Vorliebe gespielt. Es ist geradezu beschämend, daß es in unserem fortgeschrittenen Zeitalter noch immer einer Anzahl Gauner in der deutschen Reichshauptstadt und auch anderen deutschen Großstädten gelingt, ankommende Fremde in ein obskures Vorstadtlokal zu verschleppen und diesen beim Kümmelblättchen – oder beim »Meine Tante deine Tante« – Spiel die gesamte Barschaft abzunehmen. Diese Gauner, die mit gezeichneten Karten spielen, lassen ihre verschleppten Opfer zunächst gewinnen. Dadurch werden die Verschleppten zu höheren Einsätzen verleitet, und nach kaum einer halben Stunde ist zumeist die ganze Barschaft Eigentum der Falschspieler. Der »olle ehrliche Seemann«, einer der Hauptangeklagten in dem großen hannoverschen Spielerprozeß (Oktober 1893; siehe Band 1) durchzog mit einer Roulette alle größeren Städte Europas. Er hatte selbst aus den höchsten Kreisen einen ungeheuren Zulauf; insbesondere, so versicherte[117] Seemann in der erwähnten Strafkammerverhandlung, gehörten junge Offiziere zu seinen Kunden. Diese sollen ihm auch, wie Samuel Seemann allen Ernstes beteuerte, die Bezeichnung

der olle ehrliche Seemann

beigelegt haben. Seitdem Seemann das in öffentlicher Gerichtssitzung mitgeteilt hatte, ist dieser Spitzname eine allgemeine Bezeichnung für Falschspieler und Gauner aller Art geworden. Samuel Seemann hatte selbst unter dem hohen Adel seine Helfershelfer. Er wohnte selbstverständlich in den feinsten Hotels. Wenn er nach Hannover kam, da hatte der Husarenrittmeister a.D. Freiherr v. Meyerinck schon vorher im feinsten Hotel die erforderlichen Zimmer bestellt. Ein Offizier eines feudalen Kavallerieregiments von hohem Adel bekundete in Hannover als Zeuge: »Ich sagte mir, ob ich nach Monaco gehe oder zu Seemann, das bleibt sich im Grunde genommen ziemlich gleich.« Obwohl Seemann mit gezeichneten Karten spielte und sein Roulettespiel auf offenbarem Betrug beruhte, sollen die Offiziere in Scharen zu ihm gekommen sein. Der letzte Prozeß gegen den Rumänen Buis und den Grafen Gisbert von Wolff-Metternich, der im März 1912 die erste Strafkammer des Landgerichts Berlin I unter dem Vorsitz des Landgerichtsdirektors Schmidt beschäftigte, hat den Beweis geliefert, daß noch immer gemeingefährliche Falschspieler spieler die europäischen Lande, insbesondere Weltbadeorte und Weltstädte durchziehen und es durch Beilegung hochadliger Namen verstehen, immer wieder zahlungsfähige Leute zu rupfen. Und immer wieder sind es zumeist junge, unerfahrene Offiziere, die diesen internationalen Hochstaplern bzw. Falschspielern ins Garn gehen. Der erwähnte Prozeß hat allerdings auch den Beweis geliefert, daß eine Anzahl ehemaliger Offiziere, zum Teil solcher von hohem Adel, zu den Falschspielern oder deren Schleppern zählen. Das ist wohl auch der Erklärungsgrund, daß sich junge deutsche Offiziere, zum großen Schaden nicht nur ihres Vermögens, sondern auch ihrer militärischen Karriere, von Falschspielern einfangen lassen. Im Interesse der Gerechtigkeit muß ausdrücklich gesagt[118] werden, daß Graf Gisbert von Wolff-Metternich wohl mit internationalen Falschspielern, wie dem sogenannten »König der Falschspieler«, Baron v. Korff-König, oder richtiger gesagt, dem ehemaligen Handlungsgehilfen Stallmann u.a. bekannt war, es konnte aber nicht nachgewiesen werden, daß er sich des gewerbsmäßigen Glücksspiels oder gar Falschspiels schuldig gemacht oder Schlepperdienste geleistet hat. Er ist auch in dem Prozeß, in dem er zusammen mit Buis angeklagt war, lediglich wegen Betruges, den er begangen haben soll, weil er sich von dem Oberkellner des Café Astoria am Potsdamer Platz in Berlin unter Vorspiegelung falscher Tatsachen ein Darlehn von hundert Mark hatte geben lassen, zu acht Tagen Gefängnis verurteilt worden. Diese Strafe wurde selbstverständlich durch die lange Untersuchungshaft, die er in der Hauptsache wegen Verdachts des Falschspiels zu erleiden hatte, als verbüßt erachtet.

In der Mitte des vorigen Jahrhunderts soll das Hasardspiel in der vornehmen Gesellschaft Berlins in erschreckender Weise überhand genommen haben. Viele junge Edelleute aus den ersten Familien des Landes, so erzählt Adolf Streckfuß in seiner »Berliner Geschichte«, sollen, infolge Spieles, moralisch und finanziell ruiniert worden sein. Die Brutstätte des wildesten Spiels war der Jockeyklub, dessen Mitglieder dem höchsten Adel angehörten. Der damalige Berliner Polizeipräsident v. Hinckeldey schritt gegen diesen Klub, der im »Hotel du Nord« Unter den Linden eine Spielhölle heimlich unterhielt, ein. Der Klub wurde eines Abends von Polizeibeamten »im Namen des Gesetzes« aufgelöst. Es kam infolgedessen zwischen einem Mitglied des Herrenhauses, Herrn v. Rochow-Plessow, und dem Polizeipräsidenten zu einer peinlichen Auseinandersetzung, die mit einer Pistolenforderung endete. Am 10. März 1856 fand in der Jungfernheide, in der Nähe des Försterhauses »Königsbau« das Duell statt, in dem Polizeipräsident v. Hinckeldey erschossen wurde.

Schon während des hannoverschen Spielerprozesses ging das Gerücht, daß in Berlin ebenfalls geheime Spielklubs existieren, in denen gewiegte Falschspieler, die bereits mit Zuchthaus bestraft sind, eine hervorragende Rolle einnehmen, und in denen junge Offiziere und[119] Beamte, die zum Teil dem preußischen Hochadel angehören, Unsummen verspielen. Es wurde festgestellt, daß seit einer Reihe von Jahren eine große Gesellschaft von jungen Offizieren, Beamten und Lebemännern, zumeist im Anschluß an Pferderennen, sich zusammenfanden, um beim Bakkaratspiel ihr Glück zu versuchen. Es wurde gespielt bei Lauter, im Savoy-Hotel (Dorotheenstraße), im Café Josty am Potsdamer Platz, im Restaurant von Philipp Albrecht in der Mohrenstraße, bei Hecht in der Jägerstraße, in der Eremitage in der Jägerstraße, bei Knoop in der Potsdamer Straße, bei Wittkopp in der Kleinen Mauerstraße. In den Jahren 1894 bis 1898 soll vorzugsweise an den Sonnabend-Abenden im Viktoriahotel gespielt worden sein. Dort sollen an einem Abend viele Tausende verspielt worden sein. Der Spielklub im Viktoriahotel ging aber eines Tages, aus Anlaß eines unliebsamen Vorfalls, in die Brüche. Man hatte einen Bankhalter im Verdacht, an jenem Abend unredlich gespielt zu haben. Dieser Verdacht wurde dadurch bestärkt, daß, als man die Karten nachzählte, sich herausstellte, daß statt sechs vollständiger ständiger Spiele, d.h. anstatt 312 Karten 360 Karten vorhanden waren. Dieses Vorkommnis führte zur Auflösung der Spielergesellschaft im Viktoria-Hotel. Es fand nun eine Scheidung statt. Ein Teil bestand zumeist aus Offizieren, die nach dem Vorfall das Bedürfnis einer größeren Abgeschlossenheit empfanden. Diese Herren arrangierten nunmehr Spielabende unter sich im Savoyholel und bei Philipp Albrecht in der Mohrenstraße. Der andere Teil wechselte mehrfach seine Klublokale. Im Winter 1896/97 tauchten in diesen Spielerkreisen zwei Personen auf, die offenbar nicht dahin gehörten, aber von einem jungen Gardeoffizier eingeführt waren. Der eine war der in Spielerkreisen sehr bekannte Ernst Levin, der andere der bekannte Glücksspieler Hermann Wolff. Letzterer hatte in den 1880er Jahren in Gemeinschaft mit dem bekannten Falschspieler Konrad Reuter dem Fabrikbesitzer Arthur Prins-Reichenheim in der Tiergartenstraße zu Berlin in einer Nacht über 100000 Mark im Spiel abgenommen. Er wurde, da er nachweislich falsch gespielt hatte, zu einer längeren Gefängnisstrafe und Ehrverlust verurteilt. Dieser sehr fein auftretende alte Herr[120] war zur Zeit bereits 60 Jahre – wurde als ein sehr reicher Rentier eingeführt. Er sprach ein sehr elegantes Französisch, so daß der junge Fürst von Thurn und Taxis, der als Leutnant beim Garde-Kürassierregiment stand, es als großes Vergnügen empfand, sich an den Spielabenden in den Wandelgängen des vornehmen Berliner Zentralhotels stundenlang mit Wolff zu unterhalten. Wolff wurde von den jungen Offizieren »Kartenkünstler« genannt. Allerdings soll er eine Geschicklichkeit im Kartenspiel besessen haben, die schließlich den Mitspielern großes Unbehagen bereitete. Aber auch der Regierungsreferendar v. Kayser, Leutnant der Reserve v. Kröcher und Kaufmann v. Schachtmeyer hatten ein geradezu fabelhaftes Spielglück, so daß die Mitspieler schließlich mißtrauisch wurden. Als dies Mißtrauen zum Ausdruck kam, gründeten v. Kayser, v. Kröcher und v. Schachtmeyer den

»Klub der Harmlosen«,

dessen Sitz das Zentralhotel in der Friedrichstraße wurde. Es wurde ein Saal und zwei Zimmer für monatlich tausend Mark gemietet. Der Klub wurde am 14. Oktober 1898 durch ein glänzendes Diner eröffnet. Die Werbetrommel war für den Klub tüchtig in Bewegung gesetzt worden. Es wurden die Offiziere aller feudalen Regimenter, aber auch Hermann Wolff und Ernst Levin zu dem Eröffnungsdiner eingeladen. Kurze Zeit nach diesem Diner schieden Leutnant Graf von Egloffstein und Graf v. Königsmarck aus dem Vorstande. An deren Stelle wurde v. Schachtmeyer gewählt. Ende November 1898 siedelte der Klub in das Minerva-Hotel über, weil der Pächter des Zentral- Hotels Unannehmlichkeiten befürchtete und die Auflösung des Mietvertrages durchsetzte. Im Dezember 1898 brachte das »Berliner Tageblatt« aus der Feder eines Dr. Kornblum Aufsehen erregende Artikel über das Leben und Treiben in dem »Klub der Harmlosen«. Diese Artikel hatten zur Folge, daß das Klubunternehmen zusammenbrach und Wolff, Levin und auch der Klubdiener von der Bildfläche verschwanden. Nach einiger Zeit wurden v. Kayser, v. Kröcher und v. Schachtmeyer verhaftet und die Anklage wegen Falschspiels und gewerbsmäßigen Glücksspiels gegen sie erhoben. Die Eröffnungskammer hatte es[121] aber wegen Mangels an Beweisen abgelehnt, das Verfahren wegen Betruges zu eröffnen. Die Staatsanwaltschaft führte Beschwerde. Das Kammergericht trat jedoch dem Beschluß der Eröffnungskammer bei: v. Kayser, v. Kröcher und v. Schachtmeyer hallen sich deshalb nur wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels vor der dritten Strafkammer des Landgerichts Berlin I zu verantworten. Gegen Dr. Kornblum wurde das Verfahren wegen Mangels an Beweisen gänzlich, gegen Wolff und Levin wegen ihrer »Abwesenheit« vorläufig eingestellt. Die Verhandlung gegen v. Kayser und Genossen begann am 2. Oktober 1899 im großen Schwurgerichtssaale des alten Moabiter Gerichtsgebäudes. Den Vorsitz des Gerichtshofes führte Landgerichtsdirektor Denso. Die Anklage vertrat trat der Erste Staatsanwalt am Landgericht Berlin I, Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel. Die Verteidigung führten Justizrat Dr. Sello und Rechtsanwalt Dr. Schachtel für v. Kayser, Rechtsanwalt Dr. Schwindt für v. Kröcher und Rechtsanwalt Dr. Pincus I für v. Schachtmeyer. Der Angeklagte Bruno v. Kayser, der bereits acht Monate in Untersuchungshaft saß, war 30 Jahre alt, Regierungsreferendar bei der Regierung zu Frankfurt a.d.O., Leutnant der Reserve im zweiten Garde-Ulanenregiment. Er war der Sohn eines Oberst. Hans Bernhard v. Kröcher war 23 Jahre alt, gleichfalls seit acht Monaten in Untersuchungshaft und Leutnant der Reserve im zweiten Garde-Feldartillerieregiment. Er war der Sohn eines Generalmajors und Brigadekommandeurs. Alexander Paul v. Schachtmeyer war 27 Jahre alt, Kaufmann und Unteroffizier der Reserve im Feldartillerieregiment Nr. 3. Er war der Sohn eines Eisenbahnassistenten. Alle drei Angeklagten waren noch unbestraft. Es wurde behauptet, daß sie ein sehr luxuriöses Leben geführt haben, das mit ihren Einnahmen in keinem Verhältnis stand. v. Kayser soll trotz des geringen Zuschusses stets in den feinsten Hotels verkehrt haben und wie ein steinreicher Mann aufgetreten sein. v. Kröcher, der wegen seiner Spielwut den aktiven Dienst quittieren mußte, hielt sich Pferd und Wagen und einen Kammerdiener, der ihn auf seinen kostspieligen Reisen nach Ostende, Monte Carlo, Aachen, Wiesbaden, Paris usw. begleitete. Er hatte außerdem in der[122] Friedrich-Wilhelm-Straße in Berlin eine elegant eingerichtete Wohnung und unterhielt mit einer Sängerin ein Liebesverhältnis.

Der Angeklagte v. Kayser erklärte auf Befragen des Vorsitzenden: Er sei der Sohn des verstorbenen Oberst z.D. Edwin v. Kayser. Seine Mutter sei mit dem Oberlandforstmeister Ministerialdirektor Donner eine zweite Ehe eingegangen. Am Tage nach seiner Verhaftung sei er durch Verfügung des Bezirkskommandos zur Garde-Landwehrkavallerie übergeführt worden. Zwei jüngere Brüder von ihm seien Offiziere; einer von diesen sei sehr reich verheiratet. Seine Mutter habe in den letzten Jahren etwa 70000 Mark für ihn bezahlt, darunter befanden sich im Jahre 1894 17000 Mark Spielschulden. Als er in Berlin Referendar war, wurde ihm ein Kapital von 12000 Mark überwiesen. Durch Vermittelung seiner Mutter wurde ihm ein Legat von 4000 Mark überwiesen. Außerdem habe er durch Vermittelung seiner Brüder und anderer Leute Darlehen erhalten. Seine Mutter sei jederzeit in der Lage und auch stets bereit gewesen, Schulden in bedeutender Höhe für ihn zu bezahlen. Im Jahre 1895 habe er große Spielverluste gehabt, die teilweise auch darauf zurückzuführen seien, daß er einmal in großer Trunkenheit sich auf Spiele eingelassen habe, auf die er in nüchternem Zustande nicht eingegangen wäre. Im Winter 1894/95 sei er nach anfänglichen Verlusten im Glück gewesen, so daß er über 30000 Mark besessen habe; diese seien aber im folgenden Winter wieder verloren worden. Schon im Oktober 1896 habe er seiner Mutter einen sehr großen Posten Spielschulden beichten müssen. Er habe jetzt noch 14000 Mark Spielschulden, er habe aber 15300 Mark Außenstände. Er gebe zu, bisweilen an Spielabenden Oberkellner angeborgt zu haben. Auch Bleichröder würde, wenn ihm während des Spiels das Geld ausginge, sich Geld borgen, da er doch nicht des Nachts auf die Bank gehen könne.

Vors.: Sie haben doch aber bisweilen recht bedenkliche Äußerungen getan, die mit Ihren jetzigen Angaben im Widerspruch stehen. Sie haben z.B. dem Leutnant v. Neymann gesagt: »Sie sind Offizier, Sie bekommen nichts, ich bin im übrigen gänzlich mittellos.«

Angekl.: Wenn ich das gesagt habe, dann kann es nur in der Trunkenheit geschehen[123] sein. Ich habe auch schließlich Herrn v. Neymann einen Teil meiner Schulden bezahlt, er hat also dadurch den besten Gegenbeweis von meiner Vermögenslage erhalten.

Es wurde alsdann die Aussage der Mutter des Angeklagten verlesen. Sie hatte bekundet: Bis zur großen Beichte habe sie von der Spielleidenschaft ihres Sohnes nichts gewußt; sie habe aber die Spielschulden stets anstandslos bezahlt. Ihr Sohn habe einmal 17000 Mark und bald darauf 4000 Mark Erbschaftsbeträge erhalten. Außerdem habe er jährlich 3 bis 4000 Mark Unterhaltungsgelder bekommen. Sie habe ihm niemals das Versprechen, nicht mehr zu spielen, abgenommen. Ihr Sohn habe darauf rechnen können, daß sie ihm nochmals aus der Not helfen würde.

Vors.: Sie sollen ein sehr luxuriöses Leben geführt haben?

Angekl.: Das bestreite ich ganz entschieden; ich habe nicht übermäßig gelebt. Ich habe sehr fleißig gearbeitet, zumal ich vor dem Assessorexamen stand. In der letzten Zeit hatte ich viel Pech. Ich wurde sehr von den Gläubigern gedrängt.

Vors.: Sie haben ein Liebesverhältnis mit einem Fräulein Frida Vogt gehabt, das zweifellos viel Geld gekostet hat?

Angekl.: Keineswegs. Fräulein Vogt war Schauspielerin und verfügte selbst über einige Mittel.

Vors.: Sie haben dem Fräulein Vogt aber kostspielige Geschenke gemacht?

Angekl.: Das ist ein Irrtum.

Vors.: Sie haben der Dame doch einen Brillantring geschenkt?

Angekl.: Das ist allerdings richtig.

Vors.: Haben Sie sie denn nicht außerdem für ihre Liebesdienste entschädigt?

Angekl.: Nein. (Allgemeine Heiterkeit.)

Vors.: Von dem Angekl. v. Kröcher wird erzählt, daß er jährlich etwa 30000 Mark ausgegeben hat. Sie waren mit v. Kröcher befreundet und haben wahrscheinlich einen ähnlichen Aufwand getrieben?

Angekl.: Keineswegs. Meine Ausgaben sind mit denen des Herrn v. Kröcher gar nicht zu vergleichen. Ich habe mit Frida Vogt einen ganz bescheidenen Hausstand geführt.

Vors.: Mit den Berliner Schneidern scheinen Sie aber nicht zufrieden gewesen zu sein. Ich finde hier eine Rechnung vom Schneider Ebenstein aus Wien.

Angekl.: Ebenstein hat hier eine Filiale.

Vors.: So, dann ist diese Sache aufgeklärt. (Heiterkeit.) Waren Sie nicht mit v. Kröcher[124] sehr befreundet?

v. Kayser: Befreundet eigentlich nicht, erst später sind wir uns nähergetreten.

Vors.: Es liegen aber Postkarten v. Kröcher an Sie aus Monte Carlo recht freundschaftlichen Inhaltes vor. Sie sind in sehr burschikosem Sinne gehalten. Es finden sich nur für Spieler verständliche Ausdrücke darin. Auch von »zarten Beziehungen« des Absenders spricht der Inhalt. Die eine Karte schließt: »Habe jetzt Schicksal von O. übernommen. Hier ist jetzt alles da, unbar wird nicht angenommen.« Auf Befragen erklärte der Angeklagte weiter: Er habe immer ein großes Spielinteresse gehabt, als Korpsstudent sei ihm das Hasardspiel verboten gewesen. Erst als er als Referendar nach Berlin kam und von seiner Mutter ihm das Kapital überwiesen worden war, sei er hier in die Spielgesellschaft geraten, die im Hotel Lauter zusammenkam. Er sei da gleich am ersten Abend von einem Grafen Flatow ganz gehörig »angeschossen« worden. Im übrigen habe er bei Lauter etwa 30000 Mark gewonnen, die er im nächsten Jahre im Viktoria-Hotel auf Heller und Pfennig wieder verloren habe. Der unliebsame Vorfall mit Herrn v. Schrader, bei welchem dieser verdächtigt wurde, falsch gespielt zu haben, habe sich im Jahre 1896 zugetragen. Dieser Vorfall sei keineswegs aufgeklärt gewesen. Herr v. Schrader habe das über ihn umgehende Gerücht mit aller Entschiedenheit zurückgewiesen. Dieser Vorfall habe auch nicht zu einer Zweiteilung der Spielgesellschaft geführt, sondern die Tatsache, daß Herr v. Zedlitz, der dem Ganzen vorstand, von hier nach London ging. Im Jahre 1897 sei er (v. Kayser) in Kottbus gewesen und sei ganz sporadisch einmal des Sonnabends nach Berlin gekommen. Die Gesellschaft spielte dann zunächst bei Hecht. Dies war ein widerliches, ungemütliches Lokal, und da man gern von Herrn Dr. Kornblum los sein wollte, habe man es vorgezogen, die Spielabende nach dem Zentralhotel zu verlegen. Die Persönlichkeit des Wolff sei für diese Übersiedelung sehr gleichgültig tig gewesen.. Es handelte sich darum, daß die Offiziere und andere Kavaliere, die von ganz anderem Holz geschnitzt waren, als der Mann mit den großen Perlen im Hemde, sich von Kornblum sowohl als auch von Wolff zurückziehen wollten.

Vors.: Es wird behauptet,[125] daß Sie von Dr. Kornblum wirtschaftlich abhängig waren.

Angekl.: Das behauptet bis jetzt nur die Anklage. Wer Herrn Dr. Kornblum kennt, weiß, daß dies ganz unmöglich war.

Vors.: Der Zeuge Moos hat Sie und Dr. Kornblum als »siamesische Zwillinge« bezeichnet.

Angekl.: Mit viel größerem Recht würde man behaupten können, daß die Zeugen Moos, Moers und Dr. Kornblum ein Terzett aufgeführt hätten.

Vors.: Nun lassen Sie sich einmal über den Artikel im »Tageblatt« aus.

Angekl.: Dr. Kornblum ist eines Tages zu mir gekommen und hat allerlei Verdächtigungen über Wolff ausgesprengt. Er hat dies aber auch bezüglich anderer Personen getan; er hat sämtliche Rennstallbesitzer, die Mitglieder des Turfklubs u.a. in der schmutzigsten Weise verdächtigt, ebenso seine eigene Verwandtschaft. Bezüglich des Wolff hat er mir nur gesagt, ich soll einmal auf diesen achten und mich in den Kreisen der Buchmacher nach einem Mann erkundigen, der den Spitznamen »Oberförster« trägt. Ich habe mit Herrn v. Schachtmeyer darüber gesprochen, und wir hatten beide beschlossen, auf Wolff möglichst acht zu geben. Inzwischen erschien aber plötzlich der Artikel im »Berliner Tageblatt«.

Angeklagter v. Schachtmeyer bestätigte diese Angaben v. Kaysers.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel stellte bezüglich des Angeklagten v. Kayser fest, daß er außer der Wohnung in der Werftstraße auch die Wohnung der Familie Vogt in der Lüneburger Straße bezahlt habe. Er rechnete dem Angeklagten vor, daß er 600 Mark monatliche reguläre Ausgaben hatte, die er mit regulären Einnahmen nicht decken konnte.

v. Kayser: Ich habe eben Schulden gemacht, das kommt doch aber auch hier nicht in Betracht.

Oberstaatsanwalt: Das ist für mich aber von allergrößter Wichtigkeit, ich will beweisen, daß der Angeklagte erheblich über seine Verhältnisse gelebt hat. Wie groß waren Ihre Spielverluste?

Angekl.: In der ganzen Periode 56000 Mark. Seit der Gründung des Klubs habe ich nicht mehr wie 25000 Mark verloren. Ich hätte mich für das Geld, was mir meine Mutter gegeben hat, tausendmal besser amüsieren können, wenn ich nicht gespielt hätte.

Oberstaatsanwalt: Das mag sein. Sie sprachen vorhin von »Dr. Kornblum und den anderen Juden«. Wen meinten Sie[126] damit?

Angekl.: Herrn Stern, Herrn Konsul Moos, Herrn Tonn, einen Herrn Meyer.

Oberstaatsanwalt: Haben Sie denn Einwendungen gegen die Ehrenhaftigkeit dieser Herren zu machen?

Angekl.: Nein, sie haben nur immer die Gelder sehr rigoros eingetrieben.

Seitens des Oberstaatsanwalts wurde klargelegt, daß die Anklagebehörde sich alle Mühe gegeben hat, des Zeugen Dr. Kornblum habhaft zu werden, aber leider erfolglos. Der Staatsanwalt teilte dabei die verschiedenen Schritte mit, die zwecks Ermittelung des Zeugen Dr. Kornblum unternommen worden seien. Justizrat Dr. Sello stellte fest, daß hiernach Dr. Kornblum schon außerhalb Deutschlands sich befunden habe, als er noch sehr stark Angeschuldigter war.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt behielt sich die Ladung des Adjutanten des Generalkommandos des Gardekorps vor, um zu beweisen, daß sein Klient v. Kröcher seinerzeit freiwillig aus dem aktiven Dienst geschieden sei.

Hierauf wurde der Angeklagte v. Kröcher vernommen. Auf Befragen des Vorsitzenden gab der Angeklagte an: Er sei der Sohn des Generalmajors v.K. Er war Leutnant im zweiten Garde-Feldartillerieregiment. Mit einundzwanzig Jahren habe er aus Gesundheitsrücksichten seinen Abschied genommen und beabsichtigt, das Abiturientenexamen zu machen und zu studieren. Diese Absicht sei durch schwere Erkrankung vereitelt worden. Als er wieder gesund geworden, habe sein Vater, dem bekannt war, daß er zwar leichtsinnig sei, aber einen soliden Kern besitze, ihm 90000 Mark zur Verfügung gestellt zur Beteiligung an der Holzhandlung von Otto Kleinschmidt. Diese 90000 Mark seien eigenes Vermögen seines Vaters gewesen.

Vors.: Sie sollen beim Spiel viel gewonnen haben?

Angekl.: Meine Gelder stammten nicht vom Spiel her, sondern vorwiegend durch mein Rennpferd »Hagelschlag« und durch Gewinne an einer Spielbank in Namur und Monte Carlo. An letzterem Orte habe ich nachweisbar 20000 Francs auf einen Schlag gewonnen. Ich habe mit meinen Rennpferden – es liefen noch zwei andere Pferde unter meinem Namen – etwa 8000 Mark vom Rennplatze, außerdem 10000 Mark durch Wetten und auch noch größere Summen am Totalisator gewonnen.

Vors.: Sie haben ein[127] sehr flottes Leben geführt.

Angekl.: Das ist auch sehr übertrieben.

Vors.: Sie haben ein Taschengeld von 110 Mark bezogen und sollen einen Haushaltsetat von jährlich 30000 Mark gehabt haben.

Angekl.: Durch die Beweisaufnahme wird der sogenannte »Luxus« sehr zusammenschrumpfen. Mein Vater stand mir stets, wenn ich Geld brauchte, um Spielschulden zu begleichen, hilfreich zur Seite.

Vors.: Sie sollen den schönsten Luxuswagen »Selbstkutschierer« in Berlin gehabt haben.

Angekl.: Das steht im »Berliner Tageblatt«, darum braucht es aber doch nicht zuzutreffen. Der Wagen und das Pferd, welches ich kaufte, waren keineswegs sehr teuer, ich habe sie sogar mit kleinem Nutzen wieder verkauft.

Vors.: Sie sollen eine luxuriöse Wohnung gehabt haben?

Angekl.: So luxuriös war die Wohnung nicht. Die ganze Einrichtung kostete 6300 Mark, einschließlich der persischen Teppiche, die zu kaufen ich mich eines Tages von einem Herrn beschwatzen ließ. Diese Teppiche mögen auf Herrn v. Manteuffel vielleicht einen so luxuriösen Eindruck gemacht haben.

Vors.: Sie haben sich auch ein Reitpferd gehalten?

Angekl.: Ich habe mir das Pferd für 4000 Mark gekauft; ich sagte mir, ob du das Pferd kaufst oder die 4000 Mark schließlich wieder im Spiel verlierst, kommt doch schließlich auf dasselbe hinaus.

Vors.: Sie sollen auch kostspielige Reisen gemacht haben, nach Monte Carlo, Wiesbaden, Aachen.

Angekl.: In Aachen war ich nicht zu meinem Vergnügen, sondern aus Gesundheitsrücksichten.

Vors.: Sie waren auch in Paris.

Angekl.: Ich bin nach Paris gefahren, weil ich die Absicht hatte, mich an der Ausbeutung eines Patentes zu beteiligen.

Vors.: Wenn Sie immer behaupten, daß Ihr Vater Ihnen in Notfällen sicher beigesprungen wäre, so würde Ihr Herr Vater doch schließlich nicht seine Aussage verweigert haben. Das ist doch immer etwas bedenklich.

Angekl.: Doch nicht. Mein Vater ist ein alter aktiver General, dem es natürlich höchst unangenehm wäre, hier in einem Spielerprozesse als Zeuge auftreten zu müssen. Er steht außerdem augenblicklich vor dem Avancement; alle diese Gründe haben mich und meinen Verteidiger bisher veranlaßt, meinen Vater nicht in diese Affäre hineinzuziehen. Aber wenn[128] mein Vater sehen wird, daß es vielleicht auf seine Aussage besonders ankommt, wird er sicher sich der Pflicht, vor Gericht zu erscheinen, nicht entziehen. Zu meinem Bedauern würde ich evtl. darauf zurückkommen müssen.

Vors.: Ihr Vater könnte doch hier ebensogut erscheinen wie die anderen Offiziere auch.

Angekl.: Nein, doch nicht; es ist etwas anderes, ob hier junge Spieler auftreten oder ein alter ergrauter General.

Vorsitzender: Sie sollen einen Kammerdiener, namens Meyer, gehabt haben und diesen mit der ganzen Zulage, die Sie erhielten, bezahlt haben?

Angekl.: Für mich spielte die Zulage keine Rolle, weil ich damals große Renngewinne hatte.

Vors.: Meyer behauptet, Sie hätten auf Ihren Reisen oft eine Roulette und Karten mitgenommen.

Angekl.: Das bestreite ich ganz entschieden.

Vors.: Sie sollen sie in Ihrem Koffer gehabt haben?

Angekl.: Nein. In Aachen hatte der Leutnant a.D. von Schrader eine Roulette mit und brachte sie mir in mein Hotelzimmer, weil er mir ein System zeigen wollte, mit dem man die Bank von Ostende sprengen könnte. (Heiterkeit.) Herr v. Schrader ging nach Ostende und ließ die Roulette in meinem Zimmer; er hat dann in Ostende so toll gespielt, daß er sich schließlich vergiften mußte. Ich habe die Roulette im Hotel »Zum großen Monarch« zurückgelassen.

Vors.: Sie hatten ein Verhältnis mit der Sängerin Lona Kussinger?

Angekl.: Jawohl, drei Wochen lang.

Vors.: Hat Sie die Dame viel gekostet?

Angekl.: Nein nur ab und zu kleinere Geschenke.

Vors.: Solche Damen verlangen doch viel Schmuck und Goldsachen, sonst ist es bald mit der Liebe aus.

Angekl.: Die ganze Geschichte hat ja auch nur drei Wochen gedauert. (Heiterkeit.)

Vors.: Das ist schon lange genug. Übrigens sagen alle Zeugen, die Sie kennen, daß Sie mit 30000 Mark kaum Ihren fürstlichen Aufwand bestreiten konnten.

Angekl.: Diese Zeugen haben ein sehr schlechtes Urteil. Ich lebte doch mit ihnen genau so wie sie selber, und sie werden doch nicht behaupten wollen, daß sie auch jährlich 30000 Mark ausgeben. Nur in Monte Carlo habe ich größeren Aufwand getrieben. Wenn man da den ganzen Tag in dieser Spielhölle sitzt, weiß man abends nicht recht,[129] was man tut.

Vors.: Wie haben Sie nun Wolff kennengelernt?

Angekl.: In Aachen, im Hotel »Zum großen Monarch«. Dort saß er mit Schrader. Er wurde mir erst als Amerikaner bezeichnet, der reich sei. Da er mit Schrader verkehrte, mußte ich annehmen, daß er ein Gentleman sei. Er machte den Eindruck eines reservierten, sehr wohlerzogenen Menschen.

Vors.: Wolff mag sich ja etwas herausgemacht haben, ich habe ihn früher verurteilt und kenne ihn ganz genau, aber er macht doch einen recht bedenklichen Eindruck gleich auf den ersten Blick.

Angekl.: Auf mich machte er nicht den Eindruck der Talmieleganz. Mir war Wolff viel sympathischer als Kornblum und viele andere Spieler.

Vors.: Hat sich Wolff sehr an Sie herangedrängt?

Angekl.: Nein, im Gegenteil, er verhielt sich sehr zurückhaltend; ich habe ihn zum Spielen animieren müssen. Aber ich will für mich keine große Erfahrung in Anspruch nehmen. Ich war damals kaum 20 Jahre alt.

Vors.: In Aachen spielten Sie nach kurzer Zeit Bakkarat.

Angekl.: Ja, es entwickelte sich bald ein kleines Jeu mit einem Herrn Bancart, der absolut keine Mittel hatte. Dieser spielte gleich wie ein Wahnsinniger darauf los und verlor unbar 20000 Mark an Wolff, der an mich 10000 Mark verlor und mich an Bancart verwies.

Vors.: Es ist doch auffällig, daß Sie sich von dem kapitalkräftigen Wolff an den Bancart verweisen ließen.

Angekl.: Das entsprach gewissen Usancen, die bei solchen Regulierungen zwischen uns Platz griffen.

Vors.: Von Herrn Bancart ist dann einmal ein Brief geschrieben worden, der manche bedenkliche Stellen für Sie enthält.

Angekl.: Der Brief ist zu einer Zeit geschrieben worden, als die ganz falschen Artikel im »Berliner Tageblatt« erschienen waren. Ich hielt den Brief für eine kleine Erpressung und habe ihn selbst Herrn v. Manteuffel überantwortet, obgleich dieser sich alle mögliche Mühe gab, alles mögliche Belastende gegen uns zusammenzutragen. Ich habe Herrn Bancart auf diesen Brief energisch geantwortet und von ihm einen Entschuldigungsbrief erhalten.

Vors.: Herr v. Schachtmeyer war auch in Aachen und hat ebenfalls mitgespielt?

Angekl.: Herrn v. Schachtmeyer kannte ich damals noch nicht näher, er trat mir gegenüber noch mit[130] der Zurückhaltung auf, die ein Unteroffizier der Reserve seinem ehemaligen Offizier gegenüber hat. Wir waren weit entfernt davon, etwa eine ganze Falschspielerbande gebildet zu haben.

Vors.: Auffallend ist es, daß, als Sie später in Wiesbaden eintrafen, dort auch wieder Herrn Wolff antrafen, im Hotel Kaiserhof sofort wieder spielten und auch noch Herrn v. Schachtmeyer telegraphisch nach Wiesbaden zitierten.

Angekl.: Das ist ein unglücklicher Zufall. Herr Wolff, ein älterer Herr, war in Wiesbaden, um Moorbäder zu nehmen. Ich langweilte mich in Wiesbaden, und da ich gern ein Jeu mache, so telegraphierte ich an Schachtmeyer.

Vors.: Eine der Depeschen, die Sie an Herrn v. Schachtmeyer richteten, soll den Inhalt gehabt haben: »Anschuß in Sicht«.

Angekl.: Eine solche Depesche existiert nicht. Sie existiert nur in der Phantasie des »Berliner Tageblattes« und des Herrn Kornblum, der die erlogenen Artikel veröffentlicht hat.

Vors.: Angeklagter, hüten Sie sich, daß Sie sich nicht noch eine Beleidigungsklage zuziehen. Sie wissen doch, was es heißt, wenn man jemanden der Lüge zeiht. Sagen Sie lieber »Unwahrheit«.

Angekl.: Ich kenne den Unterschied sehr genau und bleibe dabei, daß es sich um total erlogene Geschichten handelt, um bewußte Unwahrheiten.

Vors.: Ich kann Ihnen nur den Rat geben, sich zu mäßigen. Sie sollen, was ja auch auffällig ist, in Wiesbaden dem Stud. v. Schrader, der doch gar nicht Geld zum Spielen bei sich hatte, sofort 1500 Mark vorgeschossen haben, die Sie ihm natürlich sofort wieder abnahmen.

Angekl.: Es ist doch nichts Auffälliges, daß man einem Spieler, der kein Geld bei sich hat, aushilft.

Auf weitere Fragen des Vorsitzenden erklärte der Angeklagte v. Kröcher, daß er allerdings gar keinen Anstand genommen habe, den alten Wolff, den er in Berlin traf und den er als einen guten »Schießer«, d.h. Spieler kannte, bei Hecht und bei Albrecht einzuführen. Der alte Herr sei durchaus nobel aufgetreten, habe sich immer nett gezeigt und sei nicht verdächtig gewesen. Er bestreite aber entschieden, daß er mit Herrn v. Kayser und Herrn Wolff immer zusammengehockt habe. Wenn das Dienstmädchen des v. Schachtmeyer dies behauptet, so erklärt sich dies dadurch, daß die drei natürlich[131] nach dem Erscheinen des Artikels im »Tageblatt« darüber berieten, was dagegen zu tun sei. Auf eine ganze Reihe von Kreuz- und Querfragen des Oberstaatsanwalts erklärte Angeklagter v. Kröcher, daß er früher als sehr solide und sparsam sam gegolten habe; erst als er die großen Renngewinne gemacht, habe er sich natürlich nicht besonnen, das viele Geld auch auszugeben. Die Behauptung, daß er 20000 Mark im Spiel gewonnen habe, sei absolut aus der Luft gegriffen. Er habe im Laufe des Jahres höchstens ein Plus von 10000 Mark gehabt.

Der Angeklagte v. Schachtmeyer, der alsdann vernommen wurde, sagte auf Befragen des Vorsitzenden: Er sei der Sohn eines Eisenbahnassistenten, der kein Vermögen gehabt habe. Im Jahre 1893 sei ihm ein Legat von 30000 Mark zugefallen. Schon als er Lehrling in einem Bankgeschäft war, habe er mit großem Glück an der Börse spekuliert. Er habe sich an einem Fuhrgeschäft als stiller Sozius mit 18000 Mark beteiligt. Herrn v. Kröcher kenne er von seiner Militärdienstzeit her. Er bestreite, übermäßigen Aufwand getrieben zu haben; seine sogenannte luxuriöse Einrichtung sei von Markiewicz auf Abzahlung entnommen und erst zum kleinen Teil bezahlt. Wenn er die Bilanz seiner fünfvierteljährigen Spieltätigkeit ziehe, so ergebe sich ein Plus von vielleicht 15000 Mark. Anfänglich habe er mit Unglück, später mit viel Glück gespielt. In Aachen habe er Herrn v. Kröcher, den er damals mit einer gewissen ehrfurchtsvollen Hochachtung, wie sie einem militärischen Vorgesetzten zukomme, behandelt und mit diesem, Herrn Wolff und Bancart zum ersten Male in seinem Leben Bakkarat gespielt. Er habe Wolff für einen Gentleman gehalten, wie alle übrigen, die mit ihm zu tun hatten. Die Behauptung, daß v. Kröcher ihm von Wiesbaden telegraphiert habe: »Anschuß in Sicht«, sei pure Erfindung. In Aachen habe er selbst 400 Mark verloren. Er sei dann in die Spielerkreise hineingeraten, habe aber immer in bescheidenen Grenzen gespielt. Was Herrn Wolff betrifft, so seien auch noch nach dem Artikel des »Berliner Tageblattes« fast alle beteiligten Personen der Ansicht gewesen, daß dieser unmöglich der vom »Tageblatt« gemeinte »Schwindler« und »Gauner« sein könne.

Vors.: Nun, Angeklagter[132] v. Kayser, sagen Sie einmal, was war die Veranlassung zur Begründung des »Klubs der Harmlosen«?

Angekl.: Der Hauptgrund war, daß die besten Elemente der Spielgesellschaft nicht mehr mit Herrn Dr. Kornblum bei Hecht zusammentreffen wollten. Von Herrn Dr. Kornblum wurden so widerwärtige, ekelhafte Geschichten erzählt, daß niemand mit ihm mehr zu tun haben und am wenigsten sich von ihm terrorisieren lassen wollte. Mit Herrn Wolff bin ich nicht in andere Berührung gekommen, wie die übrigen Spieler, er wurde mir »im Ramsch« einmal vorgestellt, ich habe aber außerhalb des Spielzimmers niemals mit ihm verkehrt. Eine besondere Formalität hat bei der Begründung des neuen Klubs nicht stattgefunden. Die Statuten, die ich gewissermaßen aus Spielerei angefertigt hatte, sind niemals praktisch in Anwendung gekommen. In allen Spielkreisen ist es Mode, daß jeder Spieler etwas in die »Pinke« zahlen muß. So ist es auch bei diesem Klub gewesen. Wer 100 Mark Eintritt bezahlt hatte, mußte bei Beginn der Spielabende 10 Mark in die »Pinke« zahlen, wer keinen Eintritt bezahlt hatte, 30 Mark, doch durfte dies nur zweimal geschehen.

Vors.: Sie sollen aber dem Wolff besondere Erleichterungen gewährt und ihn ohne Bezahlung des Eintrittsgeldes zugelassen haben?

Angekl. v. Kayser: Das bestreite ich.

Angekl. v. Kröcher: Herr Wolff hatte beim Eröffnungsdiner die Bank gehalten und uns die Hälfte des Ertrages überwiesen.

Vors.: Das ist doch gerade auffallend.

Angekl. v. Kayser: Niemand der Beteiligten, selbst nicht Herr v. Gali, der der eifrigste Spieler in ganz Europa ist, hat dies auffallend gefunden, nur dem Kriminalkommissar v. Manteuffel war dies vorbehalten. Im übrigen war damals Graf Königsmarck der Träger des Klubs.

Vors.: Was wurde denn nun aus der »Pinke« bezahlt?

Angekl.: Wir hatten doch allabendlich sehr große Ausgaben an Mieten und sonstigen Spesen, Sekt, Rotwein, Selterwasser usw.

Angekl. v. Kröcher: Es wurden abends immer ca. 20 Flaschen Sekt getrunken.

Angekl. v. Kayser (unterbrechend): O, viel mehr. Herr Baron Recum trank allein 5 Flaschen.

Im weiteren Verlaufe seiner Aussage behauptete v. Kayser, daß es nicht wahr sei, wenn die Anklage[133] es so darstelle, als ob die Herren Graf Königsmarck, Graf Egloffstein und v. Kusserow gleich nach dem Eröffnungsdiner aus dem Klub wieder ausgeschieden seien. Graf Egloffstein sei der Kassierer des Klubs gewesen, und da sich bezüglich einer Summe von 4000 Mark Unregelmäßigkeiten ergeben hatten, sei ihm gesagt worden, daß er sich vom Klub fernhalten solle. v. Kusserow sei wegen anderer Dinge nach Amerika gegangen.

Sämtliche Angeklagten behaupteten im weiteren Verlauf – entgegen der Anklage – daß sie als Bankhalter fast nie die Karten anders als »vom Block« gezogen haben. Ferner behaupteten die Angeklagten übereinstimmend, daß die ganze Art der Einladungen zum Klub (an 500 Personen) auf Herrn Grafen Königsmarck zurückzuführen sei.

Vors.: Auffallend ist es, daß zu den Spielen Karten in Frankfurt bestellt, wurden, und zwar auf Anraten Wolffs.

Angekl. v. Kröcher: Das ist in absolut unverdächtiger ger Weise geschehen; auch die Karten waren ganz unverdächtig. Freilich, nach den Theorien, die Herr v. Manteuffel vertritt, müßte jede Karte eine Bauernfängerkarte sein.

Vors.: Angeklagter v. Kayser, wer hat dem Klub den Namen gegeben?

Angekl.: Um einen Klub handelte es sich eigentlich gar nicht, und deshalb hat er auch nie einen Namen getragen. In den Vorverhandlungen hat Herr v. Zedlitz einmal aus Scherz den Namen der »Harmlosen« gebraucht. Die Anwendung dieses Namens auf den Klub ist eine Erfindung des »Berliner Tageblattes«.

Vors.: Herr v. Zedlitz hat einmal einen kleinen Vers auf Sie gemacht, der immerhin interessant ist. Er lautete in seinen ersten Zeilen: »Ich bin der Herr v. Kayser, – Man nennt mich den Verreiser.

Von Frankfurt komm' ich öfters her, – Ich habe Schneid wie keiner mehr.

Ich halte jeden Coup, juchhe, – Als Pointeur und als Bankier.

Und wenn die Sache schief mal geht, – Dann wird der Reiz dadurch erhöht; – Nur keine Angst, davon nach neune, – Ich komm' doch wieder auf die Beine.« (Allgemeine Heiterkeit.)

Angekl.: Das war ein Scherzvers, den ich selbst zu den Akten eingereicht habe, denn er war zu einer Zeit geschrieben, als ich gerade ganz bedeutende Spielverluste luste gehabt habe.

Der Angeklagte v. Kayser[134] bestritt im weiteren entschieden die Behauptung, daß er besonders »rigoros« im Spiele gewesen sei. Er habe sich von dem Gros der Mitglieder in keiner Weise unterschieden, weder bezüglich der Promptheit seiner eigenen Zahlungen, noch bezüglich der Zahlungsbedingungen, die er im Falle des Gewinnes anderen Mitspielern auferlegte. In einer längeren Erörterung über die Spielregeln beim Bakkarat behauptete v. Kayser, daß dabei durchaus die feststehenden Spielregeln befolgt worden seien. Die gegenteiligen Behauptungen seien nur der »orientalischen Phantasie« des Dr. Kornblum entsprungen. Richtig sei es, daß er nicht zuviel Geld vor sich auf dem Tisch liegen ließ, das tun aber auch sehr viele andere Spieler nicht und das beruhe eben auf persönlicher Gewohnheit. Entschieden müsse er bestreiten, daß er und Herr von Kröcher immer »eng mit Herrn Wolff« zusammen gesessen und mit ihm Bank gehalten haben. Ebenso wie er haben auch zahlreiche andere Mitspieler in ganz gleicher Weise mit Herrn Wolff zusammen gespielt. Schon die Tatsache, daß sie oft auch nur gegen Wolff spielten, beweise doch, daß sie nicht mit ihm gemeinschaftliche Sache gemacht haben können. Denn Leute, die unter einer Decke stecken, werden sich doch nicht gegenseitig das Geld abnehmen.

Vors.: Es wird aber behauptet, daß Sie das nur getan haben, um den anderen Mut zu machen.

Angekl.: Das ist natürlich grundfalsch.

Der Angeklagte v. Kayser machte ferner mit großem Nachdruck darauf aufmerksam, daß er in den Artikeln des »Berliner Tageblattes« nicht ein einziges Mal genannt worden sei. Gegen ihn habe tatsächlich nicht das geringste vorgelegen, und er begreife absolut nicht, wie es möglich war, ihn in Haft zu nehmen.

Vert. Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Über der Verhaftung des Herrn v. Kayser liegt in der Tat ein sonderbares Dunkel; alle in Betracht kommenden Stellen haben sich gegen die Verhaftung erklärt und doch ist sie erfolgt. Ich werde später durch Herrn v. Manteuffel bestätigen lassen, daß auch dieser durchaus die Ansicht vertreten hat, gegen Herrn v. Kayser liegt nichts vor, was eine Verhaftung rechtfertigen könnte.

In sehr ausführlicher, nachdrücklichster und teilweise erregter Ausführung[135] legte Angeklagter v. Kayser dar, wie er und mit wem er gespielt habe und betonte immer wieder, es sei nach all den tatsächlich vorhanden gewesenen Umständen gänzlich ausgeschlossen, daß er ein gewerbsmäßiger Glücksspieler oder gar ein Falschspieler sei. Diese Unterstellung sei geradezu unerhört, sie sei eine Erfindung des Herrn Kornblum, der darauf ausging, durch die Artikel des »Berliner Tageblattes« ihn und seine Mitangeklagten zu vernichten. Es sei eine entschiedene Unwahrheit, daß er mit Falschspielern eine unanständige Verbindung unterhalten haben könne; niemand, der ihn kenne, habe gewagt, einen solchen Verdacht gegen ihn zu schleudern. Er wisse überhaupt gar nicht, was er zu solcher Beschuldigung sagen solle; denn es lasse sich doch nicht von der Hand weisen, daß er eine lange Liste von Personen vorlegen könne, an die er sämtlich große Summen verloren habe. Auch das ganze Verhalten des Herrn v. Manteuffel kurz vor seiner Verhaftung habe ihm keinen Zweifel darüber gelassen, daß er nicht eine solche böse Meinung von ihm hatte. Er könne sich heute noch gar nicht vorstellen, wie seine Verhaftung überhaupt zustande gekommen sei. Er behaupte mit aller Entschiedenheit, daß Herr v. Manteuffel von Herrn Dr. Kornblum und Herrn Moers planmäßig getäuscht worden sei. Tatsächlich habe keine der im Vorverfahren befragten Personen eine derartige schnöde Verdächtigung gegen ihn ausgesprochen. Charakteristisch sei doch auch folgendes: Als der erste Artikel im »Tageblatt« erschienen sei, habe Dr. Leipziger im »Kleinen Journal« auf ihre Bitten eine kleine Notiz aufgenommen, in welcher die Persönlichkeit des Dr. Kornblum gekennzeichnet wurde. Darauf habe Herr v. Manteuffel Herrn Dr. Leipziger eine Karte geschickt und ihn bewegen wollen, gegen den »kleinen Doktor« nicht vorzugehen, zugehen, da dies ein »hochachtbarer« Herr sei. Wenn Herr v. Manteuffel dem Reserveleutnant v. Kröcher nicht glaubte, dagegen Herrn Kornblum vollen Glauben schenkte, so sei das doch etwas eigenartig und zeige, daß v. Manteuffel wohl ohne Zweifel seine Pflicht erfüllen zu müssen glaubte, sich aber von Dr. Kornblum gründlich habe täuschen lassen.

Vors.: Nun lassen wir Dr. Kornblum beiseite, er ist ja nicht[136] hier.

Vert. Justizrat Dr. Sello: Wir haben aber ein großes Interesse an der Persönlichkeit des Dr. Kornblum.

Vors.: Wenn jedoch andere Zeugen auch noch kommen, die dasselbe behaupten wie Dr. Kornblum?

Angekl. v. Kayser erregt dazwischen rufend: Das wird und kann kein einziger Zeuge!

Justizrat Dr. Sello: Uns ist sehr wichtig, das Milieu der Gegnerschaft der Angeklagten sofort zu kennzeichnen und vor allem Herrn Kornblum, der durch seine Entfernung ins Ausland sich schon selbst gekennzeichnet hat.

Der Angeklagte v. Kayser verteidigte sich noch weiter gegen den Vorwurf des Falschspiels. Er erzählte, daß er eines Abends aus den »Amorsälen« mit einem Leutnant v. Schultz und dem Leutnant v. Schrader nach seiner Wohnung gefahren sei und dort gespielt habe. Zuerst habe er Glück gehabt, Schultz sei ihm 1400 Mark schuldig gewesen, nachdem er an ihn schon sein bares Geld in Höhe von 1400 Mark verloren hatte. Als aber das Spiel zu Ende war, hatte Herr v. Schultz nicht nur seinen Verlust wieder eingebracht, sondern noch weitere 1800 Mark von ihm gewonnen, die er auch in barem Gelde bezahlt bekommen habe. In seiner Wohnung habe er mit Klubkarten gespielt. Wenn er mit diesen Karten Manipulationen unlauterer Art hätte ausführen können, dann würde er doch nicht verloren haben.

Vors.: Sie scheinen mit dem Leutnant v. Schrader intim verkehrt zu haben. Es liegt hier eine Karte Schraders des Inhalts vor: »Hoffentlich ist Dein Schuß in gutem Gange. Da ich nun heute furchtbar zahlen muß, zahlst Du vielleicht an Moers 400 Mark; denn Du bist ja in der Lage, ihn besser abzuschießen als ich.«

Angekl.: Besonderer Verkehr hat zwischen mir und Schrader nicht bestanden. Schrader wollte mich zur Übernahme von 400 Mark an Moers bewegen.

Vors.: Was soll das heißen, daß Sie Moers besser abschießen können?

Angekl. v. Kayser: Herr v. Schrader war in Wesel, ich und Herr Moers in Berlin. Schrader konnte also nicht mit Moers zusammenkommen.

Auch der Angeklagte v. Schachtmeyer trat mit Lebhaftigkeit dem Gedanken entgegen, als ob er und seine Mitangeklagten ein falsches Spiel getrieben haben könnten, und als ob dies unter den begleitenden Umständen überhaupt möglich gewesen[137] wäre. Geradezu absurd sei die Vermutung, daß sie sich Karten aus Frankfurt a.M. bestellt hätten, die die Möglichkeit des Erkennens offen ließen.

Vert. Rechtsanwalt Dr. Pincus: Sehr wichtig sei es, daß auch in diesem Klub, wie in allen solchen Klubs, die gebrauchten Karten sofort den Kellnern überlassen wurden. Das würde doch unmöglich geschehen sein, wenn die Karten irgendwelche Kennzeichen gehabt hätten.

Vors.: Das Falschspielen kann auch auf andere Weise geschehen als mit Hilfe erkennbarer Karten, beispielsweise durch Zeichengeben von Person zu Person.

Rechtsanwalt Dr. Pincus: Das war doch unmöglich, da es sich um gewiegte Spieler handelte, die gegenseitig aufeinander achteten.

Vors.: Darum wurde ja der Name »Klub der Harmlosen« gewählt, weil die Mitspieler so harmlos waren, solche Zeichen nicht zu merken.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Aber Herr Vorsitzender, die bekanntesten Jeuratten, die wir in Berlin haben, wie Herr v. Recum, Graf Königsmarck usv., sollen so etwas nicht gemerkt haben? Das wäre doch zuviel Harmlosigkeit!

Justizrat Dr. Sello: Wenn der Gerichtshof auch der durch den Vorsitzenden bekundeten Ansicht ist, so wird die Verteidigung in der bedauerlichen Lage sein, die Verhandlung weit auszudehnen, denn sie wird beantragen müssen, sämtliche Herren, die mit den Angeklagten im Laufe der letzten Jahre gespielt haben, als Zeugen zu laden.

Angekl. v. Kayser: Als er eines Abends nach Hause gekommen war, habe er zwei Karten von Herrn v. Manteuffel vorgefunden. Er habe diesen dann in seiner Wohnung aufgesucht und von ihm die Mitteilung erhalten, daß er von ihm in Haft genommen werden sollte. Die sofortige Verhaftung sei aber noch unterblieben, man sei vielmehr gemeinschaftlich zu dem Untersuchungsrichter, Landgerichtsrat Herr, gegangen, habe diesen aber in seiner Wohnung nicht angetroffen. Sie seien alsdann nach dem Kriminalgerichtsgebäude gegangen, wo man den Untersuchungsrichter aber auch nicht antraf. Herr von Manteuffel erklärte darauf, daß es ihm überlassen sei, die Verhaftung so vorzunehmen, wie er es für angemessen erachtete; beide seien dann zum Souper in die Eggebrechtsche Weinstube gegangen. Alsdann sei er ruhig nach Hause gegangen,[138] habe dort unbehelligt die Nacht zugebracht, und die Verhaftung sei erst am nächsten Morgen erfolgt. Er habe also ganz genau gewußt, daß er verhaftet werden würde. Wenn er ein schlechtes Gewissen gehabt hätte, würde er sehr leicht sein Geld zusammenraffen und ins Ausland haben reisen können.

Justizrat Dr. Sello: Das ist doch in der Tat höchst wichtig.

Angekl. v. Kröcher trat den Ausführungen v. Kaysers bei. Auch ihm sei bekannt gewesen, daß seine Verhaftung bevorstand, und es wäre doch seltsam, wenn er dann nicht die Gelegenheit wahrgenommen hätte, dahin zu gehen, wohin sein angeblicher ?Komplice? Wolff schon gegangen war. v. Kröcher beklagte sich im weiteren lebhaft über das Verhalten des Herrn v. Manteuffel. Dieser habe schlechte Aussprengungen über die Angeklagten in der Presse nicht verhindert, was doch seine Pflicht als Beamter gewesen wäre. Er habe, wie wohl die Beweisaufnahme ergeben werde, bei der Vernehmung von Zeugen sich etwas eigentümlich gestellt. Er habe ihm und den anderen wiederholt Fallen zu stellen gesucht und einen gegen den anderen angeschwärzt.

Auf Befragen des Rechtsanwalts Dr. Schachtel erklärte Angeklagter v. Kröcher, daß er, um die Sache von vornherein aufzuklären, Herrn v. Manteuffel als alten Kameraden und Mitglied eines Ehrenrats aufgesucht habe. Herr v. Manteuffel habe aber die Gelegenheit benutzt, um ihn auszuhorchen.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Haben Sie Herrn v. Manteuffel als Kriminalkommissar oder als Ehrenrat aufgesucht?

Angekl. v. Kröcher: In der Hauptsache als Ehrenrat, freilich auch, weil er als Kriminalkommissar in Spielerangelegenheiten bewandert war. Ich habe noch hinzuzufügen, Herr v. Manteuffel wollte in mir den Eindruck erwecken, daß Herr v. Kayser über mich schlecht gesprochen habe. Ich durchschaute aber Herrn v. Manteuffel, da ich keine Ursache hatte, Herrn v. Kayser zu mißtrauen.

Angekl. v. Kayser: Genau dasselbe Spiel hat Herr v. Manteuffel mir gegenüber getrieben, er hat sich aber nicht nur damit begnügt, Bekannte von mir anzuschwärzen, sondern er hat auch hochgestellte preußische Generale verdächtigt.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Herr v. Kröcher, warum haben Sie sich nicht an den Vorsitzenden[139] Ihres Ehrenrats gewandt?

Angekl.: Man geht nicht gern gleich zu einem alten Oberst, sondern wendet sich lieber an einen jüngeren Kameraden.

Hierauf wurde der erste Artikel des ?Berliner Tageblattes? verlesen. Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel beantragte, dem Angekl. v. Kröcher Gelegenheit zu geben, sich über den Inhalt dieses Artikels zu äußern.

v. Kröcher und v. Kayser behaupteten, daß der Artikel viele Unwahrheiten enthalte. Es habe niemand der Spielenden je 120000 Mark in einer Nacht verloren, ren, es sei nicht höher gespielt worden als üblich, v. Kayser trat namentlich der Behauptung entgegen, daß ein Herr v. Galy eine kolossale Summe verloren habe. Dieser Herr sei mit einem angeblichen Marquis Challancourd, der aber tatsächlich ein Markör aus dem Orte Challancourd gewesen sei, nach Ostende gereist, wo beide dem Freiherrn v. Recum 40000 Mark abgewonnen hätten. Um diesen Verlust wieder einzutreiben, habe v. Recum Herrn v. Galy in den Klub der Harmlosen eingeführt. Wenn letzterer bei diesem Bestreben hineingefallen sei und noch größere Verluste erlitten habe, so sei ihm nur recht geschehen. Herr v. Galy habe eine eigentümliche Art gehabt, die Karten mit einem Kniff zu versehen.

Die Verteidiger betonten wiederholt, daß die Staatsanwaltschaft für geeignetere Sachverständige hätte sorgen müssen. Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Die Anklagebehörde habe nach dieser Richtung ihre volle Pflicht getan. Sie habe sich an den Vorstand des Unionklubs gewendet, aber den Bescheid erhalten, daß man mit einem Sachverständigen nicht aufwarten könne, da im Unionklub überhaupt nicht gespielt werde. Da habe man sich denn auf den Kriminalkommissar v. Manteuffel, einen auf dem Gebiete des Glücksspiels besonders erfahrenen Beamten, berufen.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel wendete ein, daß Herr v. Manteuffel schon deshalb nicht als Sachverständiger ger werde fungieren können, weil er als Kriminalkommissar in der Sache tätig gewesen sei.

Rechtsanwalt Dr. Pincus schlug vor, die Vorsitzenden des Turfklubs, Dr. Hartogensis und Graf Hahn-Basedow als Sachverständige über das Wesen des Bakkarals zu vernehmen.

Der Angeklagte v. Kayser suchte durch längere Ausführungen zu beweisen, daß Herr v. Manteuffel von[140] vornherein von falschen Voraussetzungen ausgegangen sei. Dieser Herr möge ein vorzüglicher Kriminalist für Bauernfänger, Buchmacher und Bäckergesellen sein, aber in den Kreisen, in denen er, der Angeklagte, verkehrt habe, sei Herr v. Manteuffel nicht heimisch. Er (Angeklagter) habe in den vier Jahren, in denen er spiele, mit allen möglichen Personen, vom Prinzen v. Wales bis zum Dr. Kornblum herunter, gespielt, aber solche Personen, wie sie Herr v. Manteuffel im Auge habe, seien nicht in dieser Gesellschaft gewesen. Herr v. Manteuffel verstehe von diesen Dingen herzlich wenig; es sei sonderbar, daß er die Rolle eines Sachverständigen spielen könne.

Vors.: In einem ähnlichen Prozeß, der vor wenigen Tagen hier stattgefunden, ist Herr v. Manteuffel gleichfalls als Sachverständiger vernommen worden, weil er eben in diesen Dingen versiert ist.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Gerade in jenem Prozeß ist Herr von Manteuffel als Sachverständiger abgelehnt, gelehnt, und es ist auf andere Sachverständige zurückgegriffen worden. Wenn übrigens die Sachverständigen aus den Turfkreisen nicht kommen sollten, würde er den Vorschlag machen, einen anderen Sachverständigen zu vernehmen, vielleicht einen rechtsverständigen Kollegen, der hier und da einmal ein Jeu macht. (Heiterkeit.)

Der Gerichtshof beschloß, Herrn v. Hahn-Basedow und Herrn Dr. Hartogensis als Sachverständige zu laden.

Hierauf wurde Bücherrevisor Reuter über die Konten vernommen, die v. Kröcher bei der Deutschen Bank hatte. Über die Einzahlungen und Auszahlungen gab v. Kröcher eingehend Auskunft. Die Konten schlossen mit einem Saldo von 3540 M. ab. Der Sachverständige gab ferner Auskunft über die Abrechnungen, die der Unionklub bezüglich des Rennpferdes »Hagelschlag« mit dem Angeklagten v. Kröcher gehabt hat, sowie über die Abrechnungen der Deutschen Bank mit Herrn, v. Kayser und Herrn v. Kröcher über die Gelder des »Harmlosen«-Klubs, die zumeist aus den Erträgnissen der »Pinke« bestanden.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt stellte über Einzelheiten dieser Ein- und Auszahlungen mehrere Anträge, die dem Sachverständigen zur Erledigung überwiesen wurden.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel:[141] Nachdem der vorgeschlagene geschlagene Sachverständige v. Arnim das Erscheinen abgelehnt hat, auch die telephonisch angestellten Versuche, Herrn v. Hahn und den Baron Hartogensis als Sachverständige über Spielusancen zur Stelle zu schaffen, vergeblich gewesen sind, gebe ich der Verteidigung anheim, einen Sachverständigen zu benennen.

Von den Verteidigern wurde nochmals darauf hingewiesen: Es wäre in diesem Falle ein nobile officium, daß die Staatsanwaltschaft sich die Mühe gäbe, aus der von der Verteidigung überreichten Vorschlagsliste von etwa 12 Personen einen geeigneten Sachverständigen auszuwählen. Die Angeklagten können den Kriminalkommissar v. Manteuffel unter keinen Umständen als Sachverständigen annehmen; dieser sei als Polizeibeamter in der Sache tätig gewesen. Er sei der Sachverständige des Staatsanwalts und nach Ansicht der Angeklagten auch nicht fähig, über Dinge, die er weder beruflich noch sonst näher kennenzulernen Gelegenheit hatte, ein Gutachten abzugeben.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Es sei das gute Recht der Verteidigung, Herrn v. Manteuffel abzulehnen, sie müsse dann aber doch einen andern Sachverständigen benennen. Die Anklage habe einen solchen nicht weiter nötig, da sie der Ansicht sei, daß fast jeder Zeuge Sachverständiger sei.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt schlug vor, ein im Zuschauerraum anwesendes Mitglied des Turfklubs als Sachverständigen zu vernehmen. Dieser erklärte sich auf Befragen des Vorsitzenden außerstande, ein Gutachten abzugeben.

Angeklagter v. Kayser: Er lege in erster Linie das größte Gewicht auf das Gutachten einiger Offiziere. Da es aber doch nicht gut angängig sei, diese Herren hier als Gutachter in einem Spielerprozesse vorzuladen, so würde es wertvoll für ihn sein, wenn der Leutnant der Res. Graf Reventlow als Sachverständiger vorgeladen würde.

Der Gerichtshof beschloß die Vorladung. Herr v. Manteuffel soll in Gegenwart des Grafen Reventlow vernommen werden.

Als Zeuge wurde alsdann Kaufmann Kleinschmidt vernommen. Er habe sich an dem Holzsägewerk des Herrn v. Kröcher mit etwa 100000 M. beteiligen wollen. Er hatte bereits 80000 M. eingezahlt, die Verbindung sei aber schließlich nicht zustande gekommen, weil[142] Herr v. Kröcher durch Einflüsterungen Dritter veranlaßt worden sei, zu seinem eigenen Schaden den Vertrag zu lösen. Der Vertrag sei ein durchaus ernstgemeinter gewesen. Herr v. Kröcher war auch sehr eifrig bestrebt, durch den Eintritt in das Geschäft sich einen ernsten Lebensberuf zu schaffen. Die Chancen des Jahresverdienstes für Herrn v. Kröcher würden sich auf etwa 48000 M. gestellt haben.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt: Herr v. Kröcher hat nachher sehr bedauert, daß er den ungünstigen Einflüsterungen Gehör geschenkt habe.

Rendant des Union-Klubs Michaels bekundete: Er habe aus den Büchern festgestellt, daß die Pferde »Hagelschlag«, »Ilse« und »Bevormundung«, an denen Herr v. Kröcher als Besitzer bzw. Vertreter des Besitzers interessiert war, im Jahre 1897 12151 M. gewonnen haben. Darauf habe er 5729 M. bar erhoben. »Hagelschlag« habe allein etwa 9000 M. gewonnen. Die Unkosten für alle drei Pferde betrugen 5078 M.

Angekl. v. Kröcher: Die Unkosten entfielen in erster Linie auf die beiden Pferde, die ihm nicht gehörten. Wieviel er durch die Pferde mit Wetten auf »Hagelschlag« oder durch Rennpreise verdient habe, könne er nicht genau sagen; er sei ein leichtsinniger Mensch gewesen und habe das, was er auf den Rennplätzen eingeheimst, abends sehr schnell wieder im Spiel in den Wind geschlagen.

Aus der Vernehmung des Trainers Bié, der den »Hagelschlag« gekauft und für v. Kröcher trainiert hatte, wurde festgestellt, daß Herrn v. Kröcher aus dem Rennen der drei Pferde etwa 17000 M. zugeflossen seien, darunter etwa 9000 M. aus Wetten und 8000 M. als Rennpreise.

Der folgende Zeuge Adolf Maier bekundete: Er sei vom 16. Oktober 1898 bis 13. Januar 1899 Kammerdiener des Angeklagten v. Kröcher gewesen. Herr v.K. bewohnte damals ein Zimmer im Zentralhotel. Er sei dann mit Herrn v.K. nach Wiesbaden gereist. In dem Koffer des v. Kröcher haben sich zwei gewöhnliche Spiele Karten befunden. Unwahr sei es, daß auch eine Roulette darin gewesen sei. Seine entgegengesetzte Aussage bei seiner früheren Vernehmung müsse entschieden auf einem Irrtum des Protokollanten beruhen. Er habe auch die Reise nach Monte Carlo mitgemacht, wisse aber nicht, daß v.K. dort viel gespielt habe.[143] Er wisse auch, daß v.K. nach seiner Rückkehr nach Berlin das Verhältnis mit Frl. Lona Kussinger gehabt habe. v.K. habe mit dieser in der Friedrich-Wilhelm-Straße 6 eine aus 7-8 Piecen bestehende Wohnung gehabt, die nicht übermäßig üppig ausgestattet gewesen sei. Er wisse auch nichts von den angeblich kostbaren Geschenken, die v.K. dem Fräulein Kussinger gemacht haben soll.

Vors.: Sie haben es doch aber früher gesagt.

Zeuge: Nein, das habe ich nicht gesagt. Im Gegenteil, ich habe gefunden, daß Herr v.K. mit Fräulein Kussinger sehr einfach lebte. Wenigstens haben meine früheren Herren viel größere Summen für ihre Damen ausgegeben. (Heiterkeit.) Der Zeuge, der verneinte, Herrn Wolff gekannt zu haben, wurde auch darüber gefragt, ob ihm bekannt sei, unter welchen Umständen und aus welchem Grunde der Klubdiener Montagli ebenso schnell aus Berlin verschwunden sei, wie Wolff. Zeuge: Er wisse nur, daß Montagli Reisegeld erhalten habe, um in seine Heimat zu reisen.

Angeklagter v. Kayser: Montagli war nach dem Erscheinen des ersten Artikels brotlos geworden und wandte sich an die Vorstandsmitglieder mit der Frage, was nun nach dem Auffliegen des Klubs mit ihm werden sollte. Er habe Aussicht gehabt, Maitre eines der ersten Hotels in Genua zu werden und habe ein ziemlich hohes Abstandsgeld beansprucht. Bewilligt seien ihm schließlich 650 M., wovon 550 M. für von ihm gemachte Auslagen entfielen und 80 bis 100 M. eine Abfindung darstellten. Montagli sei danach mehrere Tage in Berlin gewesen und nicht verschwunden, sondern ganz langsam von Berlin nach seinem neuen Bestimmungsort Genua abgereist. Wie würde denn ein Kellner, der da weiß, daß die Herren – wie die Anklage fälschlich behaupte – 100000 Mark im Spiele gewonnen haben, sich mit 80 M. begnügen.

Oberstaatsanwalt: Warum sind denn die Quittungen des Montagli vernichtet worden?

Angeklagter v. Schachtmeyer: Er habe sie nach Auflösung des Klubs mit vielen anderen Rechnungen verbrannt.

Angekl. v. Kayser: Es sei falsch, daß Herr Montagli li schon am 19. Dezember abgereist sei und es sei ebenso falsch, daß er dem Montagli Geld zur Flucht gegeben habe. Montagli habe sich eben aus Berlin entfernt, das habe Herr[144] Kornblum doch auch getan. Auf seine Veranlassung und mit Unterstützung seiner Mutter habe seinerzeit Herr R.-A. Dr. Schachtel eine Reise nach Genua unternommen; Dr. Schachtel habe dort Montagli selbstverständlich angetroffen und versucht, ihn zur Stelle zu schaffen. Er habe eine eidesstattliche Versicherung des Montagli erhalten und es sei unbegreiflich, daß Montagli nicht als Zeuge vernommen sei.

Dr. Schachtel bestätigte diese Mitteilung. Er habe seinerzeit den Untersuchungsrichter benachrichtigt, daß Montagli nicht verschwunden, sondern in Genua weile und bereit sei, Zeugnis abzulegen. Der Untersuchungsrichter habe hiervon aber keinerlei Gebrauch gemacht. Unter diesen Umständen würde es eine Verletzung der strafprozessualen Gepflogenheiten sein, wenn der Staatsanwalt nicht auf alles, was Montagli betrifft, Verzicht leisten wollte.

Über die Frage, ob Montagli, der sich jetzt in Paris befinden soll, als Zeuge zu laden sei, entspann sich eine längere Erörterung zwischen dem Oberstaatsanwalt und den Verteidigern. v. Kayser erklärte sehr lebhaft, daß er das dringendste Interesse an der Vernehmung des Montagli habe, denn er müsse beweisen können, daß die Behauptung unwahr sei, wonach er den Montagli mit Geld versehen und aus Berlin spediert habe. Oberstaatsanwalt: Wieviel Gehalt hatte der Zeuge Mayer bei Herrn v. Kröcher?

Zeuge: 125 M. monatlich und 90 M. für Verpflegung.

Oberstaatsanwalt: Auf Grund welcher Zeugnisse sind Sie durch den Angeklagten v. Kröcher engagiert worden?

Zeuge: Ich war zuletzt bei dem Markgrafen Alfons Pallavicini in Wien Kammerdiener und bin vordem mit verschiedenen vornehmen Herren auf Reisen gewesen.

Vors.: Sie haben bei dem Herrn Kriminalkommissar v. Manteuffel gesagt: Montagli habe zu Ihnen geäußert: Er habe den Wolff schon längere Zeit als Gauner durchschaut und bedauere, daß die Herren mit solchem Manne spielen.

Zeuge: Einen so scharfen Ausdruck hat Montagli nicht gebraucht, er hat sich nur abfällig über Wolff geäußert.

Oberstaatsanwalt: Hat Herr v. Kröcher nicht besonderen Aufwand in bezug auf seine Kleidung getrieben?

Zeuge: Das habe ich nicht gefunden.

Oberstaatsanwalt: Nach den vorliegenden Rechnungen hat v. Kröcher in den[145] beiden Jahren 1897/98 4000 M. für Garderobe ausgegeben, das macht pro Jahr 2000 M.

v. Kröcher: Damit ist doch nicht gesagt, daß diese Ausgaben jedes Jahr wiederkehren würden. Man muß doch bedenken, daß ich mich nach dem Austritt aus dem aktiven Dienst gänzlich neu für das Zivil equipieren mußte.

Vors.: Macht der betreffende Schneider etwa auch Damenkleider und sind da vielleicht Kleider für die Lona mit bei?

Angekl.: Nicht ein Pfennig!

Dem Zeugen Mayer wurde dann noch die Aussage vorgehalten, die er früher vor dem Kommissar v. Manteuffel gemacht hatte. Er behauptete mit Entschiedenheit, daß einzelnes, was in dem betreffenden Protokoll stehe, nicht in dieser Art oder überhaupt nicht von ihm gesagt worden sei.

Fuhrherr Siegfried Schatz: Der Angeklagte v. Schachtmeyer habe sich mit einem Kapital von 18000 M. an seinem Fuhrgeschäft beteiligt.

Ein anderer Zeuge bestätigte die Behauptung des Angeklagten v. Schachtmeyer, daß er mit großem Glück an der Börse spekuliert und große Einnahmen dadurch gehabt habe.

Fräulein Marie Ulrich: Sie sei seit 1895 die Hausgenossin des Angeklagten v. Schachtmeyer gewesen; dieser habe mit ihr die Wohnung geteilt und mit ihr zusammen gewirtschaftet. Sie habe 150 M. Wirtschaftsgeld erhalten. Das bei ihnen tätige Dienstmädchen habe sie nicht für ganz geistesklar gehalten; es habe beispielsweise beim Stiefelputzen immer gelacht. Herr v. Kayser und Herr v. Kröcher seien einmal zusammen bei v. Schachtmeyer gewesen und haben Roulette gespielt. Herr v. Kröcher sei öfter mit v. Schachtmeyer zusammengewesen. Richtig sei es, daß v. Schachtmeyer öfter mit ihr in hocheleganter Equipage ausgefahren sei; das erkläre sich aber daher, daß ihm eine solche aus seinem Fuhrgeschäft zur Verfügung stand. Sie kannte auch Herrn Wolff, könne aber nicht sagen, wer mit diesem besonders verkehrte, namentlich nicht, ob der Prinz von Thurn und Taxis mit Herrn Wolff eng verkehrte und Arm in Arm mit ihm gegangen sei.

Oberstaatsanwalt: Sie haben früher gesagt, daß Herr v. Kröcher häufig bei Herrn v. Schachtmeyer war. Haben Sie da gehört, daß die Herren über Spielangelegenheiten konferierten?

Zeugin: Darüber kann ich nichts sagen.

[146] Oberstaatsanwalt: Hat die Zeugin nicht einmal bei Gelegenheit eines Balles bei dem Fräulein Lona Kussinger einen sehr kostbaren Fächer bemerkt, den diese von Herrn v. Kröcher erhalten hatte. Wie teuer sollte der Fächer sein?

Zeugin: Herr v. Kröcher sagte damals, etwa 300 M.

Vors.: Auf Grund eines anonymen Schreibens frage ich die Angeklagten v. Kayser und v. Kröcher: Kennen Sie eine Valerie Schäfer oder eine Dörthe Eckardt, oder haben Sie bei der zurückgelassenen Gattin des »ollen ehrlichen Seemann« hannoverschen Andenkens verkehrt?

Beide Angeklagten bestritten entschieden alle diese Andeutungen des anonymen Schreibens.

Justizrat Dr. Sello hielt eine Vorladung der Frau Seemann und des Herrn Eichler für notwendig, wenn auf solch anonymes Geschreibsel überhaupt etwas gegeben werden sollte.

Die nächste Zeugin war das Dienstmädchen Anna Beyer, über deren Geisteszustand Bedenken obwalteten. Sie hatte seinerzeit bei dem Angeklagten v. Schachtmeyer bzw. dem Fräulein Ulrich gedient. Sie behauptete: sie habe mehrfach Ohrfeigen erhalten. Eines Tages habe sie gehört, daß v. Schachtmeyer das Fräulein Ulrich schlug, und da habe sie sich furchtbar erschrocken und sei davongelaufen. Sie habe die Angeklagten v. Kröcher und v. Kayser öfter bei v. Schachtmeyer gesehen; sie spielten Roulette. Auch ein älterer Herr sei öfter bei v. Schachtmeyer gewesen. Die Zeugin begleitete ihre Aussagen wiederholt mit einem eigentümlichen Lachen. Der Oberstaatsanwalt verzichtete auf eine Vereidigung der Zeugin, da er Bedenken denken bezüglich ihres Geisteszustandes habe. Der Gerichtshof beschloß, die Zeugin nicht zu vereidigen, da sie sich über die Tragweite ihrer Aussage nicht klar sein dürfte.

Am dritten Verhandlungstage bestritt der Angeklagte v. Kayser, daß er für die Familie Voigt in der Lüneburger Straße die Wohnungsmiete bezahlt habe. Da er Beamter sei, der sich später vor dem Minister zu verantworten haben werde, so liege ihm daran, die Dinge richtigzustellen.

Graf Reventlow bekundete hierauf als Zeuge: Er habe nur einmal im »Klub der Harmlosen« gespielt und dabei 800 M. gewonnen. Man könne den drei Angeklagten jedenfalls nicht den Vorwurf des Falschspiels machen. Es sei ihm[147] auch nicht bekannt, daß die drei Angeklagten das Direktorium des »Klubs der Harmlosen« gebildet haben. Auf Befragen des Angeklagten v. Kröcher erklärte Graf Reventlow: Es sei nicht verdächtig, wenn der Pointeur auf »Sechs« noch zukaufe. Es deute keineswegs darauf hin, daß der Pointeur die nächste Karte kennen müsse. In anderen Klubs sei es Bestimmung, daß, wenn der Pointeur auf »Sechs« zukauft und ungünstig kauft, er diejenigen Mitspieler, die mit ihm zusammen pointieren, schadlos halten müsse. Im Klub der Harmlosen sei aber so rigoros nicht gespielt worden wie in anderen Klubs, wo ein solches Zukaufen auf sechs teilweise verboten sei. Es sei auch nicht verdächtig, wenn Spieler, die sich kennen, die Karten nicht vom Block, sondern von der Hand ziehen.

Der Angeklagte v. Kröcher bestritt auf Befragen des Vorsitzenden, daß er fast ausnahmslos gewonnen habe. Der größte Gewinn, den er im Klub der Harmlosen erzielt, sei einmal 12000 Mark gewesen. Mit vollster Entschiedenheit müsse er die Behauptung zurückweisen, daß er dem verstorbenen Erbprinzen von Koburg große Summen im Spiel abgenommen habe. Er habe nur einmal von dem Prinzen einen unbaren Gewinn von 3000 Mark gehabt.

Vors.: Sie sollen selbst erzählt haben, daß Ihnen der Prinz eine Rente zum Ausgleich für Spielverluste ausgesetzt hat.

Angekl. v. Kröcher: Das ist eine böswillige Erfindung. Herr Vorsitzender, Sie glauben nicht, wie sehr in Spielerkreisen gelogen wird.

Zeuge Fieberkorn, Angestellter im Bankhause Lagowitz, bestätigte, daß der Angeklagte v. Schachtmeyer mit großem Glück an der Börse spekuliert habe.

Oberstaatsanwalt: Halten Sie die kaufmännische Ausbildung des v. Schachtmeyer für genügend?

Zeuge: Im Bankgeschäft ist eine dreijährige Lehrzeit usuell. v. Schachtmeyer hat nur 2 Jahre gelernt, trotzdem ist gegen seine Leistungen niemals etwas einzuwenden gewesen.

Alsdann wurde Kriminalkommissar v. Manteuffel als Zeuge vereidigt. Er bekundete auf Befragen des Vorsitzenden: Wolff sei ziemlich groß, beleibt, brünett, fast schwarz im Haar, trage modernen Spitzbart, habe sehr wohlgepflegte, mit vielen Ringen geschmückte Hände, sei tadellos gekleidet, trage Lackstiefel und stets einen[148] Zylinder.

Der Vorsitzende verlas das Urteil vom 19. Februar 1899, durch welches der wegen Diebstahls wiederholt und zuletzt mit zwei Jahren Zuchthaus bestrafte Wolff zu vier Monaten Gefängnis und 3000 Mark Geldstrafe verurteilt worden ist. Die Strafe wurde über ihn verhängt, weil er im Verein mit dem Spieler Reuter nach dem Besuche von Rennplätzen im Glücksspiele Offizieren und anderen Herren aus der »Gesellschaft« nach vorher vereinbartem Plane 100000 M., dem Herrn Prins-Reichenheim in einer Nacht 400000 M. abgenommen hat. Reuter ist zu 8 Monaten Gefängnis und 6000 M. Geldstrafe verurteilt worden.

Vors. (zum Zeugen v. Manteuffel): Was wissen Sie nun über die Beteiligung des Wolff an dem »Klub der Harmlosen« und über die Art, wie er Eingang in diese Kreise gefunden hat?

v. Manteuffel: Als die ersten sensationellen Enthüllungen im »Berliner Tageblatt« erschienen, kam dies den polizeilichen Kreisen sehr überraschend, denn wir hatten keine Ahnung davon. Wir dachten zunächst, daß die Artikel lediglich auf unsaubere Motive zurückzuführen seien, als dann aber Artikel mit näheren Angaben erschienen, war es klar, daß diese Dinge nicht aus den Fingern gesogen sein konnten. Schon im Herbst 1897 hatte ich gerüchtweise vernommen, daß Wolff wieder in bessere Kreise Zutritt gefunden habe, und da ich wußte, daß jüngere Offiziere häufiger in Berlin spielten, hielt ich es für nötig, Ermittelungen anzustellen. Dies war aber sehr schwierig, denn in solchen Spieleraffären wird, wenn die Aufmerksamkeit der Polizei erweckt wird, der Ort, wo gespielt wird, immer sehr schnell gewechselt. Ich mußte deshalb mit einem Herrn in Verbindung zu kommen suchen, der zu den betreffenden Kreisen Zutritt hatte. Dies war der Redakteur Fölzer, dem ich bei einer Begegnung sagte, er möge die Herren vor einem Verkehr mit Wolff warnen. Um zu zeigen, daß diese Warnung sehr ernst sei, habe ich hinzugesetzt: Sagen Sie den Herren, daß ich sie nicht schützen kann, wenn es zum Skandal kommt. Ich war dann höchst unangenehm überrascht, als die weiteren Artikel erschienen. Ich habe mich mit ausdrücklicher Bewilligung meines Präsidenten mit der Redaktion des »Berliner Tageblattes« in Verbindung[149] gesetzt, aber nicht viel erfahren.

v. Manteuffel erzählte alsdann eingehend die Mitteilungen, teilungen, die ihm Dr. Kornblum gemacht habe. Über Kornblum sei ihm einmal gesagt worden, daß er Spieler sei, und es seien allerlei Verdächtigungen daran geknüpft worden, die aber nicht genügend begründet waren. Er habe sich nach Kornblums Vermögensverhältnissen erkundigt und erfahren, daß diese gut seien, v. Manteuffel teilte hierauf die Angaben des Dr. Kornblum mit, die mit ihren Belastungen die Grundlage der Anklage bildeten.

Angekl. v. Kröcher erklärte diese für erlogen oder für »freie Phantasien« des Dr. Kornblum. Er bestritt namentlich, daß Kornblum ihn vor Wolff gewarnt habe.

Zeuge v. Manteuffel bekundete des weiteren: Kornblum habe ihm wiederholt sein Erstaunen ausgedrückt, daß Wolff fast wortgetreu darüber unterrichtet war, was er warnend Herrn v. Kröcher gesagt habe. Als Wolff dem Kornblum eines Tages begegnete, habe der erstere dem Kornblum Vorwürfe gemacht, daß er ihn so öffentlich blamiere; er sei sehr froh, daß er wieder nach langen Mühen Eingang in bessere Kreise gefunden habe und da wäre es doch netter gewesen, wenn ihn Herr Kornblum nicht öffentlich blamiert, sondern privatim Winke gegeben hätte.

Vors.: Welche Beziehungen bestanden zwischen Herrn Wolff und v. Kayser nach den Behauptungen des Kornblum?

Zeuge: Es scheine ihm so, als ob v. Kayser der Meinung sei, daß Dr. Kornblum ihm gegenüber gehässig aufgetreten und gehässig ausgesagt habe. Dies sei aber nicht der Fall, tatsächlich habe ihm gegenüber Dr. Kornblum Herrn v. Kayser energisch in Schutz genommen.

Nachdem der Zeuge die Spielszene in Leipzig geschildert, bei welcher mit Marks gespielt wurde, wurde er aufgefordert, mitzuteilen, welche Maßnahmen er zur Verhaftung der Angeklagten getroffen habe, da die Angeklagten behaupteten, daß sie von der bevorstehenden Verhaftung Kenntnis hatten und sehr leicht hätten entfliehen können. Der Zeuge bekundete: Ich glaube nicht, daß die angeklagten von dem Haftbefehl früher Kenntnis erhalten konnten, bevor ich mich ihnen offenbarte. Am Abend erhielt ich den Haftbefehl, der vom Untersuchungsrichter, Landgerichtsrat Herr, verfügt und von der[150] Strafkammer bestätigt worden war. Landgerichtsrat Herr hielt die Verhaltung des Herrn v. Kröcher für am wichtigsten. Ich begab mich deshalb am folgenden Morgen in der Frühe zu Herrn v. Kröcher. Da ich nicht wußte, was ich, der ich ja auch Offizier bin, in einer solchen Lage tun würde, so hatte ich einen Beamten mitgenommen, der jede Bewegung des Herrn v. Kröcher zu beobachten hatte. Ich gab Herrn v. Kröcher gegenüber zu erkennen, daß es mir peinlich sei, ihn behelligen zu müssen, aber es hätten sich Umstände gegen ihn herausgestellt, welche eine Haussuchung notwendig machten. Er möge so liebenswürdig sein und mir sämtliche in seiner Wohnung befindlichen Behälter öffnen. Ich muß bemerken, daß ich mir vom Landgerichtsrat Herr die Erlaubnis ausgewirkt hatte, bei der Verhaftung so schonend und rücksichtsvoll wie nur möglich vorzugehen. Herr v. Kröcher kam meinem Wunsche bereitwillig nach. Als ich die Durchsuchung beendet hatte, würgte ich an dem Ausdruck herum, wie ich ihm die Mitteilung von seiner Verhaftung beibringen sollte. Mich fror innerlich. Ich sagte ihm, daß ich ihn dem Richter vorführen müsse. Er ging sofort mit.

Vors.: War er nicht konsterniert?

Zeuge: Nein, im Gegenteil, ich war konsterniert, weil er so auffallend gleichgültig war. Herr v. Kröcher fragte mich, ob die anderen auch verhaftet seien. Ich war neugierig, wer die anderen sein sollten. Herr v. Kröcher fragte sehr bald: Ist Herr v. Schachtmeyer auch verhaftet? Als wir von der Friedrich-Wilhelm-Straße durch den Tiergarten über die Brücke bei der Paulstraße fuhren, sagte Herr v. Kröcher plötzlich: Hier wohnt ja auch Herr v. Kayser, vielleicht können wir hinaufgehen und ihn gleich mitnehmen.

Vors.: Herr v. Kröcher, verhält sich das so?

Angekl.: Nicht ganz. Herr v. Manteuffel hat den Haftbefehl nicht aus der Tasche gezogen. Er teilte mir meine Verhaftung auch nicht auf der Treppe mit, sondern unten am Gartentor. Ich bin das erstemal in meinem Leben verhaftet worden und erinnere mich deshalb ganz genau darauf (Heiterkeit). Ich habe diese Bemerkung über das Mitnehmen des Herrn v. Kayser nur scherzhaft gemacht, nachdem Herr v. Manteuffel mir gesagt hatte, Herr v. Kayser sei auch in die[151] Affäre verwickelt.

Zeuge v. Manteuffel: Ich glaube nicht, daß ich den Namen des Herrn v. Kayser schon genannt hatte. Vielleicht können meine Beamten darüber Auskunft geben. Es sind ehemalige Unteroffiziere; sie haben mir auch gesagt, ein solcher Gleichmut bei einem ehemaligen Offizier sei ihnen noch nicht vorgekommen.

Angekl. v. Kayser: Für mich ist es von größter Wichtigkeit, ob Herr v. Kröcher meinen Namen zuerst genannt hat. Meine Existenz steht auf dem Spiele, und es würde mich doch verdächtigen, wenn Herr v. Kröcher sofort meinen Namen genannt hätte. Das sähe ja gerade so aus, als hätte Herr v. Kröcher sagen wollen: Na, wenn ich verhaftet werde, dann muß doch Kayser auch dran glauben.

Vors.: Da haben Sie ganz recht.

Beisitzer Landgerichtsrat Queck: Herr v. Manteuffel, ist der Name des Herrn v. Kayser zuerst von Ihnen oder von Herrn v. Kröcher genannt worden?

Zeuge v. Manteuffel: Das kann ich nicht genau sagen.

J.-R. Dr. Sello: Sie haben doch die Äußerung des Herrn v. Kröcher nur als eine scherzhafte, von Galgenhumor diktierte Äußerung aufgefaßt?

Zeuge: Jawohl, immerhin fiel sie mir auf, weil sie doch ein Schuldbekenntnis in sich schloß für sich und Herrn v. Kayser.

J.-R. Dr. Sello: Gerade deshalb ist von großer Wichtigkeit, festzustellen, wer zuerst den Namen des Herrn v. Kayser genannt hat.

Zeuge: Ich glaube, Herr v. Kröcher.

Angekl. v. Kayser: Ich bitte den königlichen Kriminalkommissar, sein Gedächtnis zu schärfen. Als vorhin der Herr Beisitzer Herrn v. Manteuffel fragte, antwortete er, er wisse das nicht.

Beisitzer Dr. Queck: Ich konstatiere, daß meine Frage lautete: Wer hat zuerst den Namen des Herrn v. Kayser genannt? und daß die Antwort des Zeugen lautete: Das weiß ich nicht.

v. Kröcher: Während der Unterhaltung im Wagen hat v. Manteuffel versucht, mir beizubringen, daß v. Kayser Schlechtes über mich redete.

Der Zeuge v. Manteuffel erzählte dann den Vorgang der Verhaftung des Angeklagten v. Kayser. Als er in die Wohnung des Herrn v.K. gekommen sei, habe ihm der Kammerdiener aufgemacht.

D. Kayser: Was? Mein Kammerdiener?!

v. Manteuffel: Es war ein kleiner, halbwüchsiger Junge.

[152] v. Kayser: Also gerade das Gegenteil von dem, was der Zeuge soeben unter seinem Eide behauptet hat!

Zeuge v. Manteuffel erzählte dann, daß er zweimal vergeblich in v. Kaysers Wohnung war und dort zwei Visitenkarten zurückgelassen habe, wie dann am nächsten Morgen v. Kayser ihn aufgesucht habe, daß der Versuch, den Untersuchungsrichter Herr sofort zu sprechen, verunglückte und darauf eine Haussuchung bei v. Kayser stattfand. Er war kolossal überrascht von der tadellosen Ordnung, in welcher sich die Papiere des Herrn v.K. befanden. Letzterer habe ihm bereitwilligst alles überlassen, er hatte absolut nichts verborgen, alles sei wunderschön geordnet gewesen. Er (Zeuge) hatte die Überzeugung gewonnen, daß »nichts mehr da« sei. Gegen die Zweideutigkeit des letzteren Ausdrucks verwahrte sich v. Kayser entschieden. Der Zeuge erzählte weiter: Er habe Herrn v. Kayser auf dessen Bitten gestattet, in seiner Gegenwart auf einen kurzen Moment Frieda Voigt zu sprechen. Dann war es natürlich für ihn von Wichtigkeit, durch Herrn v. Kayser zu erfahren, wie er sich zu der ganzen Angelegenheit stelle. Es sei überlegt worden, wo dies am besten geschehen könne, und so habe man dann die Weinstube von Eggebrecht aufgesucht. Bei diesen Erzählungen habe v. Kayser auf ihn einen sehr vertrauenerweckenden Eindruck gemacht, wenn er auch nicht habe begreifen können, warum v. Kayser so entschieden für Herrn v. Kröcher eintrat. Bei der eminenten Begabung und bei der Geschicklichkeit, mit welcher v. Kayser seine Ausführungen machte, seien ihm vorübergehend Zweifel gekommen, ob es unter solchen Umständen nötig sei, ihn sofort in Haft zu nehmen. Er glaubte überzeugt sein zu dürfen, daß v. Kayser nicht entfliehen würde und habe sich deshalb entschieden, Herrn v. Kayser in der Nacht noch in seiner Wohnung zu lassen und ihn erst am nächsten Morgen abzuholen. Herr v. Kayser habe ihm das Versprechen gegeben, seine Wohnung nicht zu verlassen. Am nächsten Morgen habe er Herrn v. Kayser abgeholt. Letzterer habe erst noch den Raseur aufgesucht und sei dann mit ihm zu dem Untersuchungsrichter, Landgerichtsrat Herr, gegangen.

Der Angeklagte v. Kayser behauptete auf das bestimmteste, daß[153] v. Manteuffel dabei sofort seine Ansicht dahin ausgesprochen habe, es werde sogleich wieder seine Entlassung erfolgen.

v. Manteuffel: Er habe das nicht so bestimmt ausgesprochen, aber allerdings gesagt, wenn das alles so richtig ist, wie er behauptet, dann würde er wohl freikommen. Er sei auch mit dem Untersuchungsrichter Herr zum Oberstaatsanwalt gegangen und habe seine Zweifel darüber ausgedrückt, daß die Haft fortzudauern habe. Der Oberstaatsanwalt habe aber die Haft aufrechtzuerhalten bestimmt.

Oberstaatsanwalt: Die Aufrechterhaltung der Haft ist ja gar nicht der Entscheidung des Kriminalkommissars unterstellt, sondern dem Richter. In diesem Falle ist die Aufrechterhaltung der Haft von der zustehenden Strafkammer beschlossen worden. Es wurde dagegen Beschwerde erhoben und der Beschluß der Strafkammer durch das Kammergericht bestätigt. In betreff der Verhaftung v. Schachtmeyers machte Zeuge v. Manteuffel folgende Angaben: Auch bei diesem Angeklagten habe er eine Haussuchung vorgenommen. Er habe ihm gesagt, daß es ihm hauptsächlich daran liege, eine Quittung des Herrn Montagli zu bekommen. Der Angeklagte habe erklärt, daß er dies Papier sowie einen ganzen Wust anderer Papiere, die den Klub betrafen, verbrannt habe.

Der Angeklagte v. Schachtmeyer gab dies zu. Er habe dies auf Anraten des Mitangeklagten v. Kayser getan, aber keineswegs, um die Sachlage zu verdunkeln. Bei Auflösung des Klubs habe er v. Kayser gefragt, was mit den Druckschriften und Quittungen geschehen solle. von Kayser habe erwidert, er möge nur die ganze Geschichte in seiner Wohnung verbrennen, er stehe gerade im Examen, und es sei ihm unangenehm, wenn es bekannt würde, daß er sich für einen Spielklub interessiert habe. Die Druckschriften hätten ebensowenig Wert gehabt wie die den Klub betreffenden Quittungen. Es sei ein Spielreglement gewesen, welches von Herrn v. Zedlitz verfaßt worden sei, ferner eine Liste der Mitglieder usw. Herr v. Manteuffel müsse auch zugeben, daß er sofort alle seine Behältnisse zur Verfügung gestellt habe.

Zeuge v. Manteuffel: Das gebe ich zu.

Auf Fragen des Oberstaatsanwalts erklärte sich v. Kayser nochmals über den »Kammerdiener« oder »Reitknecht«,[154] der dem Zeugen v. Manteuffel die Tür geöffnet haben soll. Dieser »Kammerdiener« sei ein kleiner Junge gewesen, der im November 6 Mark und im Dezember, mit Rücksicht auf Weihnachten, 10 Mark erhalten habe. Im gewöhnlichen Leben nenne man solche »Kammerdiener« Laufjungen.

Auf eine Reihe von Fragen des Rechtsanwalts Dr. Schwindt erklärte v. Manteuffel, daß ihm Kornblum niemals gesagt, v. Kröcher habe falsch gespielt. Ob Redakteur Fölzer die ihm aufgetragene Warnung an die Offiziere auch wirklich bestellt habe, wisse er nicht.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt: v. Kröcher hat jedenfalls mit Herrn Fölzer nicht gesprochen und keine Warnung vor Wolff erhalten.

v. Manteuffel: Es ist richtig, daß v. Kröcher nach den ersten im Tageblatt geschriebenen Artikeln eines Tages zu mir gekommen ist, um von mir, der ich Hauptmann der Landwehr und ein älterer Kamerad des v.K. war, einen Rat zu erbitten. Er sagte, daß in den Artikeln seine Person so deutlich gezeichnet worden sei, daß sie sofort erkennbar war. Er wollte gern Rat haben, wie er sich zu verhalten habe. Ich habe Herrn v. Kröcher darauf gefragt, wodurch er sich beleidigt fühle. Dieser erwiderte, daß er ja zugeben müsse, leidenschaftlich gespielt und auch gewonnen zu haben. Darauf sagte ich, daß das bloße Spielen nicht strafbar ist, und es auch nichts Böses ist, wenn man beim Spielen Glück hat, das ist vielmehr für jeden Spieler angenehm. Ich habe v.K. geraten, sich so schnell als möglich an den Ehrenrat zu wenden, dessen stellvertretender Präses ich bin. Damit war die Sache zu Ende. Ich habe nur noch meine Verwunderung ausgesprochen, daß v. Kröcher so spät gekommen war. v. Manteuffel bekundete ferner: v. Kröcher habe dann noch einen Brief hervorgezogen, den er für einen gemeinen Erpresserversuch hielt. Der von dem Leutnant Bancart herrührende Brief habe ihn (Zeugen) natürlich sehr interessiert, da ihm kurz vorher Redakteur D. Moritz Friedländer vom »Berliner Tageblatt« mitgeteilt hatte, daß er aus London Mitteilungen über Spielaffären erhalten habe und der Verdacht vorlag, daß beide Schreiben denselben Verfasser haben könnten, v. Kröcher habe ihm den Brief des Herrn Bancart überlassen, er habe sich Abschrift davon genommen und[155] das Original Herrn v. Kröcher wieder zugestellt.

v. Manteuffel überreichte die Antwort, die v. Kröcher dem Leutnant Bancart erteilt hatte. Aus dem Inhalt gehe hervor, daß er Wolff dem Bancart gegenüber in Schutz nahm. Zeuge v. Manteunel erklärte auf Befragen, daß er nicht begreifen könne, wie der Angeklagte als Offizier, dem doch direkt vorgeworfen wurde, mit einem »geschickten« Bankhalter zusammenzuhalten, eine solche Antwort erteilen konnte.

v. Kröcher wies darauf hin, daß Bancart sich damals und noch heute in London befunden habe.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt: Herr Zeuge, ist es richtig, daß Sie dem Vater des Herrn v. Kröcher, dem General v. Kröcher, geraten haben, sein Sohn solle nichts gegen Dr. Kornblum unternehmen, denn dieser habe nur Gutes über ihn gesprochen?

Zeuge v. Manteuffel: General v. Kröcher hat mich einmal in meiner Wohnung aufgesucht, mich aber nicht getroffen. Dann habe ich den General einmal auf dem Korridor vor dem Amtszimmer des Landgerichtsrats Herr gesprochen, ich entsinne mich aber nicht, ob der Name des Dr. Kornblum erwähnt wurde. General v. Kröcher sprach die Erwartung aus, daß gegen seinen Sohn ehrengerichtlich vorgegangen werden würde, aber er befürchte auch, daß außerdem das gerichtliche richtliche Strafverfahren gegen seinen Sohn eingeleitet werden könnte. Ich verhielt mich zurückhaltend, worauf der General erklärte, er wisse, daß sein Sohn gewerbsmäßig spiele. Ich erwiderte: Um Gottes willen, sagen Sie so etwas nicht, Sie könnten ja als Zeuge vernommen werden. General v. Kröcher fragte mich darauf, welche Strafe auf gewerbsmäßigem Glücksspiel stehe. Ich verwies ihn an den Landgerichtsrat Herr. Auch dieser hatte es abgelehnt, sich auf die Frage auszulassen.

Angekl. v. Kröcher: Ich bleibe dabei, daß mein Vater mir dreimal die Äußerung des Herrn v. Manteuffel, ich solle nicht gegen Dr. Kornblum vorgehen, wiedererzählt hat.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt: Ich kann es mir kaum denken, daß ein Vater seinen Sohn des gewerbsmäßigen Glücksspiels bezichtigen sollte. Ich beantrage nunmehr die Ladung des Generals v. Kröcher oder dessen kommissarische Vernehmung in Halle.

Oberstaatsanwalt Isenbiel teilte mit, daß er gestern eine Depesche vom General von[156] Kröcher erhalten habe, worin er erklärt, daß er von seinem Rechte der Zeugnisverweigerung Gebrauch machen und unter keinen Umständen als Zeuge auftreten werde. Auf Antrag des Rechtsanwalts Dr. Schwindt beschloß der Gerichtshof, nochmals eine Anfrage an den General v. Kröcher zu richten, ob er als Zeuge erscheinen wolle.

Alsdann wurde Rittmeister v. Eynard vernommen. Dieser äußerte sich über einen Reserveleutnant v. Radecke, der bei seiner Vernehmung in der Voruntersuchung ungünstige Aussagen über v. Kayser gemacht hat. Letzteren kenne er (v. Eynard) als vollkommenen Gentleman, v. Radecke habe ihn in schnödester Weise um 1000 Mark bares Geld gebracht. Es wurde festgestellt, daß v. Radecke in einem gegen v. Eppard angestrengten Prozeß den Einwand der Unzurechnungsfähigkeit mit Erfolg gemacht habe.

Am vierten Verhandlungstage teilte der Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Schwindt ein soeben an ihn eingegangenes Telegramm des Generalmajors v. Kröcher, des Vaters des Angeklagten v.K., mit, in welchem dieser erklärte, daß (bezüglich der von ihm angeblich bekundeten Überzeugung, sein Sohn sei ein gewerbsmäßiger Glücksspieler) natürlich ein Mißverständnis vorliege. Generalmajor v. Kröcher erklärte sich zur Zeugenaussage bereit.

Zeuge v. Kardorff: Er war etwa sieben- bis achtmal in der Spielgesellschaft. Nach seiner Meinung wußte »jeder Mensch«, daß im Viktoriahotel gespielt wurde, er sei daher nicht etwa dorthin »geschleppt« worden. Es wurde meist bacc tournante gespielt. Er sei auch dreimal in der Gesellschaft des Zentralhotels gewesen. Die Einladung zum Eröffnungsdiner sei nur vom Grafen Egloffstein unterschrieben gewesen, er habe aber nicht daran teilgenommen, »denn zu einem Diner, zu dem Graf Egloffstein einladet, geht man nicht.«

Vors.: So, so, das ist mir interessant zu hören. Weshalb steht Graf v. Egloffstein in so schlechtem Rufe?

Zeuge: Nun, Egloffstein ist von den 10. Ulanen unter sehr fragwürdigen Umständen abgegangen. Ich habe Herrn v. Kayser gegenüber auch mein Erstaunen ausgedrückt, daß man Egloffstein die Einladungen habe unterzeichnen lassen.

Angekl. v. Kayser: Ich glaube, das hat mir der Zeuge erst nach dem Diner gesagt.

Zeuge[157] v. Kardorff: Nein, ich glaube, es war schon vor dem Diner.

Vors.: Waren Sie auch bei Ph. Albrecht?

Zeuge: Jawohl, einmal bei Albrecht. Zwei- bis dreimal war ich bei Hecht.

Vors.: Kannten Sie Wolff?

Zeuge: Nein.

Vors.: Hat nicht v. Kayser mit einem alten Herrn in Ihrer Gegenwart die Bank zusammen gehalten?

Zeuge: Es wäre mir auffällig gewesen, wenn sich v. Kayser mit einem Manne wie Wolff zur Bank assoziiert hätte.

Vors.: War Herr v. Kayser Arrangeur der Spielabende im Viktoriahotel?

Zeuge: Nein. Im Viktoriahotel gab es keine Arrangeure. geure. Man traf sich dort und war da.

Vors.: Herr v. Kayser soll an Sie einmal 1500 Mark verloren haben?

Zeuge: Ob verloren oder gepumpt, weiß ich nicht. Jedenfalls habe ich einmal von v. Kayser 1500 Mark geschickt bekommen.

Oberstaatsanwalt: Können Sie über die Einkünfte und die Lebenshaltung des v. Kayser Auskunft geben?

Zeuge: v. Kayser hatte einen Wechsel ungefähr wie wir alle. Er wird sich zwischen 200 und 400 Mark bewegt haben. Ich kann nur sagen, v. Kayser hat nicht luxuriös gelebt. Daß er natürlich, während er gespielt, mehr ausgegeben hat wie 400 Mark, das ist ja klar. Das ist ja eben der Fluch des Spiels, daß alle, die spielen, über ihre Verhältnisse leben. Ich mag dieser Äußerung wegen angegriffen werden, aber es ist doch einmal Tatsache. Es mag ja sehr bedauerlich sein, aber es ist einmal so.

Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Schwindt: Weshalb sind Sie denn in den Spielzirkel gegangen. Hatten Sie denn die Absicht, dort tüchtig Gewinne zu machen und dann mit den erworbenen Schätzen vergnügt nach Breslau abzudampfen?

Zeuge: Die Frage ist schwer zu beantworten. Man setzt sich natürlich nicht zum Spiel hin, um zu verlieren. Ich spiele eben um des Spiels willen, um zu spielen. len.

Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Schwindt: Sie wollen sagen, Sie spielten aus Passion.

Zeuge: Jawohl, ich bemerke übrigens, daß ich jetzt nicht mehr spiele.

Auf Befragen des Verteidigers Rechtsanwalts Dr. Schachtel sagte Zeuge v. Kardorff: Er sei mit v. Kayser befreundet. v. Kayser sei hochbegabt, aber auch ein beißender, rücksichtsloser Witz sei ihm eigen. Das habe ihm auch manchen Feind gemacht. Er halte v. Kayser für einen anständigen[158] Menschen, ebenso wie sein Korps Saxonia, das Herrn v. Kayser noch nicht das Band entzogen habe.

Angekl. v. Kayser bestätigte, daß ihn das Korps Saxonia trotz seiner Lage noch hochhalte und ihm das Band nicht entzogen habe. Er erwähnte gleichzeitig, daß er noch in das Untersuchungsgefängnis von seinem Korpsbruder v. Hasselbarth einen freundschaftlichen Brief erhalten habe, in welchem dieser mitteilte, daß er die Doktorarbeit Kaysers sehr gut habe benutzen können.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel stellte den Antrag, verschiedene Herren zu laden, die den Angeklagten v. Kayser ganz genau kennen, Korpsbrüder, Offiziere usw., die in Anschreiben an den Untersuchungsrichter ihrer vollen Überzeugung Ausdruck gegeben haben, daß sie v. Kayser nicht für fähig halten, unanständige Handlungen zu begehen.

Vors.: Herr Verteidiger, wenn Sie bei jedem Zeugen sofort solche neuen Anträge stellen, dann dürfte die Verhandlung sechs Wochen dauern.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Darauf würde es schließlich nicht ankommen, es soll doch die ganze Sache aufgeklärt und die Wahrheit gefunden werden.

Vors.: Der Herr Verteidiger kann solche Anträge bis auf spätere Zeit vertagen und den weiteren Gang der Verhandlung abwarten. Es könnte doch sein, daß die Verhandlung sich so gestaltete, daß eine Verurteilung nicht erfolgen könnte, und dann würden die Anträge überflüssig sein.

Auf weiteres Befragen erklärte der Zeuge v. Kardorff noch: Die Tatsache, daß das Korps »Saxonia« dem Angeklagten v. Kayser das Band belassen hat und daß letzterer bei den 2. Ulanen verblieb, obgleich der Artikel im »Berliner Tageblatt« erschienen war, sprechen für sich selbst und beweisen, was man von Herrn v. Kayser hielt. Das »Senken«, das »Übertragen«, das Spielen auf »Seeschlangen«, die Teilnahme an der Begründung des Klubs usw. könne dem Angeklagten v. Kayser absolut nicht als moralisch Anrüchiges angerechnet werden. Er kenne den Angeklagten v. Kayser von der Jugendzeit her und wisse, daß er sich stets vollständig makellos geführt habe. Das »Übertragen« von Guthaben von einem auf den anderen ren sei nichts Ungewöhnliches. Auf Befragen des Oberstaatsanwalts bekundete der Zeuge noch, daß er die kurze Zeit, wo er dann und wann spielte, hoch[159] gespielt und erhebliche Summen verloren, aber auch gewonnen habe. Vom Spielgewinn habe er natürlich nicht einen Teil seiner Lebenshaltung bestritten, aber es sei selbstverständlich, daß jemand, der einmal einen größeren Gewinn macht, auch leicht größere Luxusausgaben macht.

Auf Befragen des Rechtsanwalts Dr. Schwindt erklärte der Zeuge, daß nach seinem Empfinden bei seiner Vernehmung, die beim Untersuchungsrichter Herr unter Anwesenheit des Herrn v. Manteuffel stattfand, er unwillkürlich durch die Fragen, die ihm gestellt wurden, präokkupiert werden sollte. Tatsächlich sei es ihm vorgekommen, daß Herr v. Manteuffel der eigentliche Spiritus rector sei.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Haben Sie den Eindruck gehabt, als ob der Untersuchungsrichter Herr mit den Mysterien des Bakkaratspiels vertraut war?

Zeuge: Keineswegs. Ich bin aber überzeugt, daß auch Herr v. Manteuffel nicht viel davon versteht.

Der Oberstaatsanwalt ließ bestätigen, daß das Protokoll nicht von Herrn v. Manteuffel, sondern vom Untersuchungsrichter ordnungsmäßig aufgenommen und von dem Zeugen unterschrieben worden sei. Über den Inhalt des Protokolls und die Art, wie dem Zeugen gen bei seiner Vernehmung die Fragen vorgelegt wurden, entspannen sich lange und zum Teil so erregte Erörterungen, daß der Vorsitzende zu einer ernsten Rüge an den Zeugen sich veranlaßt sah. »Das wäre ja noch schöner, wenn hier die Zeugen denken, sie könnten die Situation beherrschen!«

Oberstaatsanwalt: Wenn Herr Rechtsanwalt Dr. Schachtel bei jeder Aussage eines Zeugen so weitgehende Ausführungen macht, so erkläre ich schon jetzt, daß ich nicht des längeren darauf erwidern werde, daß ich aber damit keineswegs meine Übereinstimmung mit den Ausführungen der Verteidigung ausdrücken will.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Die Verteidigung muß bei denjenigen Zeugen, die besonders wichtig sind, auch längere Fragen stellen.

Der nächste Zeuge, Leutnant v. Vollert-Poppenberg bekundete: Er habe mehrmals mit dem Angeklagten v. Kayser zusammen gespielt, er könne aber über dessen Verhalten beim Spiel absolut nichts Ungünstiges sagen. Er glaube bestimmt nicht, daß es überhaupt möglich gewesen wäre, in jenem Spielkreise[160] Tricks auszuführen, die nicht gentleman-like waren, v. Kayser habe an ihn 700 Mark verloren, die er in Raten auch bezahlt habe.

Auf Befragen des Rechtsanwalts Dr. Schwindt bestätigte der Zeuge, daß der Angeklagte v. Kröcher krankheitshalber Urlaub und dann seinen Abschied genommen hat. Es sei Herrn v. Kröcher zu Ehren auch das übliche Abschiedsdiner gegeben und das übliche Ehrengeschenk überreicht worden. Rechtskandidat v. Matzdorff, der etwa dreimal im Klub war, hatte dort im ganzen etwa 1000 Mark gewonnen. Er vermochte Nachteiliges über die Angeklagten nicht auszusagen. Er sei vom Klub ferngeblieben, weil ihm die Person des Leutnants a.D.v. Prillwitz unsympathisch war; dieser hatte keine weitere Beschäftigung, sondern lag nach seiner Meinung lediglich dem Spiel ob.

Justizrat Dr. Sello ließ den Zeugen bestätigen, daß auch er, ebenso wie die Angeklagten, seinen Spielgewinn nicht weggelegt, sondern ausgegeben habe.

Der nächste Zeuge war der 23 Jahre alte Leutnant Prinz Max Theodor von Thurn und Taxis. Er bekundete: Er habe bei Albrecht, im Zentralhotel usw. mehrmals an den Spielabenden teilgenommen und kenne alle drei Angeklagten. Es sei richtig, daß er von dem Angeklagten v. Kayser auch gewonnen habe. Daß die Angeklagten die Bank zusammen gehalten haben, sei ihm nicht erinnerlich.

Vors.: Durchlaucht sollen auch Herrn Wolff gekannt haben.

Zeuge: Jawohl.

Vors.: Haben Durchlaucht freundschaftlich mit diesem gestanden?

Zeuge: Nein.

Vors.: Es wird behauptet, daß Sie mit Wolff Arm in Arm gesehen worden seien.

Zeuge (nach einigem Besinnen): Das kann ich mir nicht denken. Ich habe Wolff außer im Zentralhotel vorher nie gesehen.

Angekl. v. Schachtmeyer: Ich habe Durchlaucht einmal auf dem Korridor des Zentralhotels Arm in Arm mit Wolff promenieren sehen und habe mich später daran erinnert, da ich mich wundern mußte, daß mir aus meinem Verkehr mit Wolff ein Vorwurf gemacht wurde.

Vors.: Haben Sie nie ein Fragezeichen hinter die Person des Wolff gesetzt?

Zeuge: Keineswegs, Wolff machte den Eindruck eines durchaus anständigen Mannes. Ich konnte auch durchaus nicht annehmen, daß in jenem Klub eine zweideutige Persönlichkeit[161] verkehren könnte.

Vors.: Herr Wolff ist wohl aalglatt gewesen?

Zeuge: Herr Wolff war liebenswürdig und wohlerzogen. Auf weiteres Befragen erklärte der Zeuge, daß er auch mal an Kröcher verloren und ebenso von diesem gewonnen habe und daß die Regulierung sehr bald erfolgt sei. Auch Herr v. Kayser habe die Regulierung bald vorgenommen.

Angekl. v. Kayser: Ich muß bemerken, daß Prinz v. Thurn und Taxis auch zweimal mein Schuldner war. Er hat mir die Beträge, die allerdings nur gering waren, innerhalb 24 Stunden zugeschickt.

Vors.: Durchlaucht, haben Sie je bemerkt, daß es nicht richtig zuging, wenn die Herren v. Kayser und v. Kröcher die Bank hielten, daß sie mit dem Herrn Wolff paktierten oder dergleichen?

Zeuge: Nein, mir ist niemals irgend etwas Verdächtiges vorgekommen, ich habe die Herren für tadellose Kavaliere gehalten.

Vors.: Weshalb sind Sie vom Klub zurückgetreten?

Zeuge: Das waren ganz zufällige Gründe.

Angekl. v. Kayser: Durchlaucht, ist es Ihnen erinnerlich, daß ich bei Ihnen recht hoch in der Kreide stand, als wir zum letzten Male im Hotel Minerva spielten?

Zeuge: Das ist richtig.

v. Kayser: Durchlaucht, entsinnen Sie sich, daß wir uns am 27. Januar vorigen Jahres, am Geburtstage Seiner Majestät, im Foyer des Opernhauses trafen und uns etwa 10 Minuten unterhielten?

Zeuge: Gewiß, dessen entsinne ich mich.

v. Kayser: Haben wir nicht ferner auf dem sogenannten »kleinen Hofball« zusammen gesprochen?

Zeuge: Jawohl.

v. Kayser: Gut. Das war also zwei Tage vor meiner Verhaftung und lange nach dem Erscheinen der Artikel im »Berliner Tageblatt«. Hatten Sie den leisesten Verdacht, daß diese Artikel sich auf meine Person beziehen sollten?

Zeuge: Nein.

Angekl.: Ich nehme auch an, daß Sie dann nicht mit mir gesprochen haben würden.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt ließ sich vom Prinzen bestätigen, daß v. Kröcher an jenem Abend bei Albrecht, als er angeblich selbst die Karten mitgebracht hatte, bedeutend im Verlust gewesen ist.

Angekl. v. Kröcher: Durchlaucht werden sich entsinnen, daß ich mich fast jedesmal tot kaufte. Sie gewannen 1600 Mark, Graf Pocci ein paar tausend, ich muß im ganzen 7000 Mark verloren haben.

Zeuge: Ich schätze[162] Ihren Verlust auch so hoch.

Rechtsanwalt Dr. Pincus: Durchlaucht, würde es Ihnen aufgefallen sein, wenn v. Kayser und v. Kröcher zusammen die Bank gehalten hätten?

Zeuge: Keineswegs.

v. Kayser: Durchlaucht bestätigen mir also, daß Wolff tadellose Manieren und das Auftreten eines Kavaliers hatte?

Zeuge: Gewiß, ich habe auch mehrfach Französisch mit ihm gesprochen und wahrgenommen, daß er ein elegantes Französisch sprach.

Zeuge Wüst aus Frankfurt a.M., von der Spielkartenfabrik Wüst und Co. daselbst, bekundete, daß weder die Art der Bestellung der Karten für den Klub, noch die Herstellung dieser selbst, noch die Beschaffenheit der Rückseiten der Karten irgend etwas Bedenkliches oder Verdächtiges haben. Es seien die gewöhnlichen Karten, wie sie an die verschiedensten Klubs geliefert werden. Diese Klubkarten gebe es nicht an allen beliebigen Orten, denn sie seien besonderer Art, insbesondere handlicher wie die gewöhnlichen Karten. Die dem Klub der Harmlosen gelieferten Karten seien das allgemeine französische Modell, welches in Frankreich, im Elsaß und fast in allen Weltteilen gebraucht wird.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Weiß der Zeuge irgend etwas davon, daß solchen Karten die Bezeichnung »Bauernfängerkarten« beigelegt wird?

Zeuge: Das ist mir absolut unbekannt, ich wüßte auch keinen Grund zu einer solchen Bezeichnung.

v. Kayser wünschte vom Sachverständigen Graf Reventlow zu erfahren, ob ihm ein Wort davon bekannt sei, daß – wie in der Anklage behauptet wird – diese Karten in Spielerkreisen sehr gefürchtet seien.

Es wurde beschlossen, die Erörterung dieser Frage bis zur weiteren Vernehmung des Herrn v. Manteuffel zu vertagen.

Der Zeuge wurde noch veranlaßt, sich über die Behauptung v. Manteuffels zu äußern, daß infolge der Art des Abschneidens der Karten bei der Fabrikation ganz bestimmte »Naturmarken« auf der Rückseite entstehen, an denen ein sorgsamer Beobachter leicht erkennen könne, welche Karten Neunen, Zehnen, Könige usw. sind.

Der Zeuge bestritt dies entschieden. Die Dessins der Karten seien natürlich nicht genau übereinstimmend herzustellen, es sei aber nicht zutreffend, daß bei allen Karten einer bestimmten Gattung[163] eine Gleichmäßigkeit der Dessins an den Ecken sich zeige. Dies sei namentlich nicht der Fall, wenn mit mehreren Karten gespielt werde.

v. Kayser: Hat der Sachverständige Graf Reventlow den Ausdruck »Naturmarken« überhaupt schon gehört?

Graf Reventlow: Nie.

Vors.: Ich dächte, von den »Naturmarken« haben wir nun vollständig genug!

Hauptmann v. Unger: Es sei ihm über die Verabschiedung v. Kröchers selbst nichts bekannt. v. Kröcher, den er für einen durchaus honetten Mann gehalten und noch halte, habe in seiner Familie verkehrt. Bei einem Liebesmahl habe ihm einmal ein Leutnant v. Alvensleben erzählt, im Hotel Müller in Potsdam hätten mehrere Herren mit v. Kröcher zusammen gespielt, sich aber von ihm zurückgezogen, weil er »zuviel Glück« hatte. Er (Zeuge) habe das darin liegende Bedenken entschieden zurückgewiesen, da er Herrn v. Kröcher für einen Gentleman halte. Er sei auch heute noch der Überzeugung, daß v. Kröcher absolut nicht fähig sei, falsch zu spielen, sondern durchaus unschuldig sei.

Angekl. v. Kröcher: Es liegt mir daran, hervorzuheben, daß der Zeuge mich einer unfairen Handlungsweise nicht für fähig hält.

Zeuge (mit Nachdruck): Herr v. Kröcher, Sie haben in meiner Familie und unter meinem Dache verkehrt, und deshalb ist es schon selbstverständlich, daß ich Sie eines Falschspiels für unfähig halte.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt wünschte zu wissen, wie der Zeuge überhaupt als Zeuge vorgeschlagen werden konnte.

Hauptmann v. Unger: Zu meiner großen Verwunderung ist das durch Herrn v. Manteuffel geschehen. Herr. v. Manteuffel hat zu meinem Befremden behauptet: ich habe bei Gelegenheit eines Liebesmahles ihm erzählt, daß v. Kröcher ein luxuriöses Leben geführt habe. Ich habe gar nicht daran gedacht. Ich bin meines Wissens nie in das Wohnzimmer Kröchers gekommen, jedenfalls kann ich positiv sagen, daß ich nichts davon weiß, ob er persische Teppiche und dergleichen: gehabt hat, was ich angeblich soll bekunden können. Als ich Herrn v. Manteuffel darauf aufmerksam machte, behauptete dieser, ich hätte ihm noch viel mehr erzählt, und als ich ihm erwiderte, daß er sich irren müsse, sagte er, er irre sich selten. Daß er sich tatsächlich irrt,[164] geht aus folgendem hervor: ich soll angeblich auch gesagt haben, daß v. Kröcher als mein Untergebener öfter zu spät in den Dienst gekommen ist. Nun ist aber v. Kröcher nie mein Untergebener gewesen!

Hierauf erschien als Zeuge Generalmajor Adolf v. Kröcher. In energischem Ton erklärte er auf Befragen des Vorsitzenden, daß er bereit sei, sich vernehmen zu lassen.

Vors.: Wir wünschen von Ihnen zunächst Auskunft über die 80000 Mark.

Zeuge: Ich möchte einige Vorbemerkungen machen: Bisher hatte ich mich meines Zeugnisses enthalten, weil ich glaubte, dieser Punkt wäre der einzige, über den ich vernommen werden sollte, und daß dieser unwesentliche Punkt durch Belege sofort aufgeklärt werden könnte. Nun habe ich aber aus den Verhandlungen ersehen, daß ich durch Ablehnung meines Zeugnisses meinem Sohne schaden würde, mit dem ich in durchaus guten Beziehungen lebe, oder daß ich gar in den Verdacht komme, ihn selbst für einen gewerbsmäßigen Glücksspieler zu halten. So bin ich aus meiner Reserve herausgetreten und hierher geeilt.

Vors.: Herr General, in welcher Weise haben Sie Ihren Herrn Sohn nach seinem Austritt unterstützt?

Zeuge: Wie erwiesen sein wird, ist mein Sohn aus dem Militärstande ausgeschieden, weil sein schwankender kender Gesundheitszustand dies notwendig machte. Er hat schon als Kind schwere Krankheiten durchgemacht. Ich wollte ihm nun einen neuen Lebenserwerb schaffen, und als das Anerbieten des Herrn Kleinschmidt aus Bochum an uns herantrat und ich erfuhr, daß sein Unternehmen gut fundiert sei, war ich sofort bereit, ein Kapital von 82000 Mark, das mir aus einer Erbschaft zugefallen und bei der Deutschen Bank hinterlegt war, auf das Konto meines Sohnes zu übertragen. Als dann die Verbindung mit Kleinschmidt wieder aufgelöst wurde, fiel mir die Einlage wieder zu, sie wird mir nach und nach in Monatswechseln wieder zurückgezahlt.

Vors.: Wieviel Zuschuß gaben Sie Ihrem Sohne während seiner Dienstzeit?

Monatlich 130 Mark, in letzter Zeit aber nur 110 Mark.

Vors.: Wußten Sie, daß Ihr Sohn spielte?

Zeuge: Ja, ich wußte es, ich habe einmal 5000 Mark Spielschulden bezahlt.

Vors.: Weitere Spielschulden nicht?

Zeuge: Nein.

Vors.:[165] Wann erfuhren Sie von der Verhaftung Ihres Sohnes?

Zeuge: Ich habe davon erst Kenntnis durch die Zeitungen erhalten. Ich wußte ja allerdings, daß er einen Hang zum Spielen hatte, daß er Rennpferde hielt, Reisen sen machte und auch bedeutende Gewinne erzielt hatte.

Vors.: Er soll gegen 30000 Mark in einem Jahre verbraucht haben.

Zeuge: Das ist wohl stark übertrieben. Ich weiß, daß er das ist, was man einen »guten Wirt« nennt. So ist er wenigstens bei seiner Familie bekannt. Als der Artikel gegen meinen Sohn erschien, depeschierte ich ihm: »Sofort Ehrenrat!« Dann reiste ich nach Berlin, und in einer Nacht haben wir die Sache zusammen besprochen.

Vors.: Haben Sie auch mit Herrn v. Manteuffel gesprochen?

Zeuge: Ja, ich fragte ihn, wie die Sache stände, und erhielt die Antwort: »Seien Sie ohne Sorge, Herr General, es liegt nichts Besonderes gegen Ihren Sohn vor!« Herr v. Manteuffel hat mir dann bei einer Unterhaltung gesagt: »Sagen Sie nur Ihrem Sohn, daß Dr. Kornblum nicht sein Gegner, sondern sein Freund ist.«

Vors.: Herr v. Manteuffel hat behauptet, Sie hätten selbst Ihren Sohn als einen gewerbsmäßigen Spieler bezeichnet.

Zeuge: Aber ich bitte Sie um Gottes willen! Das habe ich nie in meinem Leben gedacht und meines Wissens auch nie geäußert. Ich habe einmal Herrn v. Manteuffel besucht am Morgen nach der Verhaftung meines Sohnes, weil ich nach den Andeutungen meines Sohnes glaubte, daß v. Manteuffel seine Interessen aufs beste wahrnehmen würde. Soweit ich mich erinnere, habe ich Herrn v. Manteuffel gefragt: »Sagen Sie, was ist eigentlich ?gewerbsmäßiges Glücksspiel??« Die Erklärung, die mir v. Manteuffel gab, schien mir schrecklich für die ganze Spielerwelt, und ich mußte mir sagen, daß danach jeder, der nach dem Spiel etwas Aufwand treibt, ein gewerbsmäßiger Spieler sein würde, und daß dann die Sache für meinen Sohn auch nicht günstig stehen könnte.

Der Zeuge erklärte dann auf das bestimmteste, daß er dem Sinne nach jedenfalls – der Worte wisse er sich nicht mehr zu erinnern, da er begreiflicherweise in einer großen Aufregung war – den Kriminalkommissar v. Manteuffel nur habe fragen wollen, was unter gewerbsmäßigem Glücksspiel eigentlich zu verstehen[166] sei. Über den Klub der Harmlosen habe er, da er Berlin ziemlich fernstehe, nichts gehört. Herrn v. Schachtmeyer habe er bei Gelegenheit eines Pferdekaufes kennengelernt.

Der Vorsitzende stellte nunmehr den Zeugen v. Manteuffel dem General v. Kröcher gegenüber, v. Manteuffel blieb dabei, daß der General ihm gesagt habe: Ich weiß ja, daß mein Sohn ein gewerbsmäßiger Spieler ist. Darauf will v. Manteuffel den General ersucht haben, nicht weiter zu reden, da er, v. Manteuffel, fel, sonst vielleicht als Zeuge vernommen werden würde. General v. Kröcher blieb aufs bestimmteste dabei, daß er niemals seinen Sohn für fähig halten werde, gewerbsmäßiger Glücksspieler zu sein.

v. Manteuffel berief sich darauf, daß er seinerzeit sofort dem Untersuchungsrichter Herr Mitteilung von der Äußerung des Generals gemacht habe.

Generalmajor v. Kröcher bestritt nochmals mit großer Entschiedenheit, daß der Sinn seiner Worte der behauptete habe sein können. Übrigens habe er Herrn, v. Manteuffel gegenüber nicht die Worte ängstlich auf die Wagschale gelegt, da er ja glaubte, daß die Interessen seines Sohnes bei Herrn v. Manteuffel in den besten Händen ruhten.

Der Vorsitzende hielt eine sofortige Vernehmung des Untersuchungsrichters, Landgerichtsrats Herr, für notwendig. Letzterer erklärte jedoch, daß er zunächst die Genehmigung des Landgerichtspräsidenten einholen müsse.

Auf Befragen des Rechtsanwalts Dr. Schwindt bestätigte General v. Kröcher, daß sein Sohn unbedingt auf ihn rechnen konnte und genau wußte, daß er sich in finanziellen Nöten auf ihn verlassen konnte. Ein »Versprechen«, nicht mehr zu spielen, habe er seinem Sohn nicht abgenommen, sondern ihm nur ernste Vorhaltungen gemacht und den väterlichen, dringenden Rat erteilt, vom Spielen abzulassen.

Auf Antrag des Rechtsanwalts Dr. Schwindt wurde die Mutter des Angeklagten v. Kröcher vernommen, die bestätigte, daß ihr Gatte bei der Heimkehr aus Berlin ihr die Szene mit Herrn v. Manteuffel genau so erzählt habe, wie dem Gericht. Sie gab auf Befragen zu, daß auch sie ihrem Sohne häufig kleine Unterstützungen zugewendet habe, wogegen dieser sich bei Geburtstagen durch kleine Geschenke, wie ein Paar Handschuhe, ein[167] Brillenfutteral oder dergleichen revanchiert habe.

Kriminalkommissar v. Manteuffel wurde wieder in den Saal gerufen. Der Präsident fragte ihn, wann v. Kayser zuerst Aufschluß über die Vergangenheit Wolffs erhalten haben könne.

Der Zeuge erklärte: Er habe selbst mit v. Kayser über diesen Punkt gesprochen. v. Kayser habe erzählt, daß Kornblum nach dem Erscheinen des ersten Artikels mit Verdächtigungen in betreff Wolffs an ihn herangetreten sei. Er habe aber kein Gewicht darauf gelegt, da Kornblum für seine Angaben keine Unterlage hatte. Dies sei etwa am 15. September 1898 gewesen. Der Angeklagte v. Kayser gab dies zu.

Vors.: Herr Kommissar, Sie haben gesagt, daß Sie von dem Spieler Reuter wertvollen Unterricht in betreff des Falschspiels erhalten haben. Wollen Sie darüber etwas mitteilen?

Zeuge v. Manteuffel: Da muß ich zunächst erzählen, len, wie ich dazu gekommen bin. Der bekannte Reuter ist seit der Zeit, daß er seine Spielertätigkeit aufgegeben hat, bei der Polizei eine angenehme Nachrichtenquelle. Er kam auch häufig zu mir. Als vor Jahren ein Verfahren gegen einige gewerbsmäßige Spieler schwebte, kam Reuter auch zu mir. Er wollte augenscheinlich für die Angeklagten Stimmung machen; denn er ließ Äußerungen fallen, daß es doch so harmlose, anständige Menschen seien, ich möchte doch nicht so scharf gegen sie vorgehen. Um mich in guter Stimmung zu erhalten, erbot er sich, mir zu zeigen, wie man falsch spiele. Ich nahm dies Anerbieten gern an. Auf den Wunsch Reuters ließ ich zwei Spiele neuer Karten kommen. Reuter riß den Verschlußstreifen vor meinen Augen durch und steckte die Karten durcheinander. Er machte mir sodann ein Spiel vor und gewann so lange, bis er erklärte: »So, nun müssen Sie auch mal gewinnen.« Die nächste Karte fiel zu meinen Gunsten aus. Reuter erzählte mir dann, daß er beim Mischen der Karten mit großer Fingerfertigkeit die Karten »gepackt« habe, das heißt die Reihenfolge kenne. Es sei auch durch den sogenannten »Naturpunkt«, der sich auf der gravierten Rückseite einer jeden Karte befinde, die Karte zu erkennen, es gehöre aber ein scharfes Auge und lange Übung dazu. Weitere Enthüllungen habe Reuter nicht machen wollen.

Der[168] Vorsitzende ersuchte den Kriminalkommissar, dem Gerichtshof das Reutersche Kunststück vorzuführen, v. Manteuffel machte, unter wiederholter Heiterkeit der Zuhörer, einige Tricks vor, wie man durch »Packen« und geschicktes Mischen sich über die Reihenfolge der Karten orientieren könne. Die interessanten Ausführungen schlossen damit ab, daß auf Befragen des Oberstaatsanwalts v. Manteuffel zugab, daß zu diesem Trick des »Packens« immer gehört, daß sich der Betreffende die Karten des Spieles angesehen haben müsse. Graf Reventlow erklärte, daß ein solches »Packen« an den Spielabenden absolut ausgeschlossen war, und überdies die Karten nicht nur vom Bankhalter, sondern auch noch von möglichst vielen am Spieltisch versammelten Personen gemischt wurden.

Der Sachverständige Herrmann gab unter fröhlicher Aufmerksamkeit der beteiligten Faktoren einige Proben seiner Kunst, die das alte Wort illustrieren sollen: »Geschwindigkeit ist keine Hexerei.«

Die Angeklagten wünschten die Künste des Herrn Herrmann auch mit anzusehen und traten deshalb ebenfalls an den Tisch, vor welchem Herr Herrmann seine Experimente machte. Sie waren der Ansicht, daß diese Tricks doch nur von geübten Prestidigitateurs ausgeführt werden können. Der Sachverständige meinte aber, daß »Falschspieler« dies sehr leicht erlernen, und wenn sie andere Leute betrügen wollen, auch sehr leicht die Kartengattungen an den Schraffierungen erkennen wollen.

v. Kayser: Na, dann bitte, betrügen Sie uns doch mal!

Sachverständiger Herrmann: Ich bin doch kein Falschspieler!

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Zur Ausführung der hier so interessant geschilderten Tricks gehört doch wohl eine sehr lange Übung?

Sachverständiger Herrmann: Keineswegs.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Würden Sie es unternehmen, beispielsweise mich selbst in 14 Tagen in der Kunst so weit zu unterrichten, daß ich diese Tricks beim Spiel anwenden könnte?

Sachverständiger Herrmann: Ihnen, Herr Rechtsanwalt, bringe ich es in einem Tage bei! (Große Heiterkeit.)

Sachverständiger Graf Reventlow: Er sei der Ansicht, daß die Kenntnis der Karten für den Bankier nicht viel wert sei, da ja die Sätze des Pointeurs schon fest auf den Karten stehen[169] und der Bankhalter nicht weiß, ob der Pointeur zukaufen wird oder nicht. Ein betrügerisches Verhalten werde allerdings begünstigt, wenn – wie dies in nicht sehr rigorosen Klubs ja wohl vorkommt und auch im Klub der Harmlosen vorkam – noch nachgesetzt werden kann, selbst wenn die erste Karte bereits ausgegeben ist.

Auf Befragen des Vorsitzenden erklärte v. Manteuffel: Graf Königsmarck habe ihm gesagt, er habe von dem Zeugen Zakzerczewski gehört, daß v. Kröcher und v. Kayser dem Klubdiener Montagli 700 bis 800 Mark gegeben haben und dieser schleunigst »verduftet« sei. Den Wortlaut der Mitteilung wisse er nicht mehr, es habe aber auf ihn den Eindruck gemacht, als ob gesagt werden sollte, daß die beiden Angeklagten den Montagli über die Grenze geschafft haben.

Angekl. v. Kayser wünschte zu wissen, mit welchem Recht Herr v. Manteuffel die im Klub benutzten Karten als »Bauernfängerkarten« bezeichne, die als solche »in Spielerkreisen« bekannt seien.

v. Manteuffel: Diese Behauptung könne nur durch ein Mißverständnis in die Anklage übergegangen sein. Er habe tatsächlich nur von den Karten mit schraffierter Rückseite gesprochen.

v. Kayser: Auf welche »Spielerkreise« bezieht sich denn Herr v. Manteuffel immer?

v. Manteuffel: Ich greife dabei auf Konrad Reuter zurück, der in sehr vornehmen Kreisen verkehrte.

v. Kayser: Was waren das für Kreise?

v. Manteuffel: Es ist aktenmäßig festgestellt, daß Konrad Reuter mit Mitgliedern des Unionklubs auf der Fahrt nach und von Hoppegarten gespielt hat.

Der alsdann vorgerufene Zeuge Graf Günther Königsmarck nigsmarck bekundete: Er habe dem Kommissar v. Manteuffel wohl die Ansicht des Leutnants v. Zakzerczewski mitgeteilt. Er habe nie etwas Verdächtiges beim Spiel bemerkt, er wäre verpflichtet gewesen, sofort einzuschreiten, wenn etwas passierte, was nicht gentleman-like war. Allerdings haben die Angeklagten viel gewonnen; das sei aufgefallen, ohne daß dabei der Gedanke des Falschspiels aufkam. Herrn Wolff habe er nicht gekannt. Sein Ausscheiden aus dem Klub sei durch einen recht großen Spielverlust an Herrn v. Wrede veranlaßt worden. Er hat einmal, als der Angeklagte v. Kröcher auffallend lange im Glücke saß, »aus Scherz« an diesen[170] geschrieben, daß er doch aufhören solle zu spielen, da er sonst leicht den § 284 des Strafgesetzbuches, der vom gewerblichen Glücksspiel handelt, verletzen könnte. Herr v. Kröcher sei über diesen »Scherz« – der tatsächlich nur ein solcher sein sollte – sehr empört gewesen.

Der Zeuge hat, wie der Oberstaatsanwalt hervorhob, bei seiner Vernehmung im Vorverfahren manches zuungunsten der Angeklagten ausgesagt und den Inhalt des Artikels des »Berliner Tageblatts« in verschiedenen Punkten unterstützt. Heute klingen seine Bekundungen viel milder. Dem Zeugen wurden einige Punkte aus dem betr. Protokoll vorgehalten, in denen der Oberstaatsanwalt Widersprüche fand. Der Zeuge erklärte, daß seine Vernehmung an einem Tage stattfand, fand, als er müde und von einer Reise zurückgekehrt war. Vor der Vernehmung habe er vier oder fünf Konferenzen mit Herrn v. Manteuffel gehabt, der ihm manches sagte, was andere ausgesagt haben sollen. Er sei deshalb bei seiner Vernehmung präokkupiert gewesen.

Oberstaatsanwalt: Wie meint der Herr Zeuge das?

Zeuge: Als der erste Artikel im »Berliner Tageblatt« erschienen war, sei er zum Polizeipräsidium gefahren und habe den Polizeidirektor v. Meerscheidt-Hüllessem gefragt, ob es nicht möglich sei, solche Artikel zu unterdrücken, denn es würden dadurch etwa 200 Offiziere und Kavaliere und die ganze junge vornehme Welt von Berlin in Mitleidenschaft gezogen. Er sei auch zum Geheimen Rat Dieterici gegangen, ferner zum Polizeipräsidenten v. Windheim, der ihm aber ziemlich schroff entgegengetreten sei. Herr v. Manteuffel habe ihm gesagt, wir müssen hier so scharf vorgehen, wie wir können. In den fünf bis sechs Konferenzen habe Herr v. Manteuffel die Sache stets schroffer aufgefaßt, als sie tatsächlich war, und es sei leicht möglich, daß er infolge der Konferenzen mit v. Manteuffel bei der Vernehmung manches Urteil schärfer abgegeben habe, als dies sonst der Fall gewesen wäre.

v. Manteuffel: Ich muß im Namen der Polizeibehörde, deren einziger Vertreter ich hier im Saale bin, ausdrücklich erklären, daß ich die Unterstellung, als ob ich den Herrn Grafen Königsmarck in irgendeiner Weise beeinflußt hätte, entschieden zurückweisen.

Graf Königsmarck:[171] Ich habe eine solche Behauptung auch gar nicht aufgestellt. Es entspann sich darauf auf Anregung des Rechtsanwalts Dr. Schwindt eine lange Auseinandersetzung über einige Vorfälle, die sich wie folgt abgespielt haben. Das »Kleine Journal« hatte einen Artikel gebracht, in welchem auf die Schwierigkeiten dieses Prozesses hingewiesen wurde. Dieser Artikel beruhte auf Mitteilungen, welche v. Manteuffel dem Grafen Königsmarck auf dessen Ersuchen bei einer Zusammenkunft bei Trarbach in Anwesenheit des Dr. Leipziger gemacht hatte. In diesem Artikel war auch behauptet worden, daß der Zeuge, Assessor Moers nicht auffindbar sei. Als Dr. Moers dies las, hatte er sofort recherchiert, von wem diese Mitteilung herrühre, und als er erfahren, daß v. Manteuffel der Gewährsmann sei, hatte er eine Beschwerde über v. Manteuffel an den Polizeipräsidenten gerichtet. In dem Verfahren mußte natürlich auch Graf Königsmarck vernommen werden. Nun behauptete Rechtsanwalt Dr. Schwindt – und Graf Königsmarck bestätigte das – daß v. Manteuffel sich an den Grafen gewendet habe mit dem Bemerken: »Wir Ehrenmänner müssen zusammenhalten«. Die Aussage, die der Graf in dem Beschwerdeverfahren abgeben sollte, habe v. Manteuffel auf einen Zettel geschrieben. Graf Königsmarck legte den Zettel vor.

v. Manteuffel: Graf Königsmarck habe ihm gesagt, er habe ein schlechtes Gedächtnis, aus diesem Grunde habe er die von ihm bei der Zusammenkunft bei Trarbach getanen Äußerungen noch einmal fixiert.

Graf Königsmarck: Hier spielt Herrn v. Manteuffel seine üppige Phantasie einen Streich. Er könne sich auf Dinge, die erst acht Tage alt seien, noch sehr gut erinnern.

v. Manteuffel: Er sei über die Form des im »Kleinen Journal« enthaltenen Artikels sehr erstaunt gewesen und habe seinem Erstaunen dem Grafen Königsmarck gegenüber Ausdruck gegeben. Er habe gesehen, daß der Artikel, der nur die Schwierigkeiten, die sich auftürmen, kennzeichnen sollte, weitergegangen sei und allerlei über die einzelnen Zeugen bemerkt habe.

Dem Zeugen Graf Königsmarck wurde aus dem Protokoll über seine Vernehmung vorgehalten, daß er damals ausdrücklich gesagt habe, er halte den Angeklagten v. Kröcher[172] für einen gewerbsmäßigen Glücksspieler. Der Zeuge erklärte, daß er nicht genügend juristische Kenntnisse besitze, um den Begriff des gewerbsmäßigen Glücksspiels genau zu umgrenzen. Er habe nur daran gedacht, daß Herr v. Kröcher ein flottes Leben geführt und eine kleine Zulage gehabt habe.

Oberstaatsanwalt: Er könne nicht begreifen, daß der Zeuge den erwähnten Brief an v. Kröcher »aus Scherz« geschrieben haben solle. Das würde doch ein sehr bedenklicher »Scherz« sein, denn unter Umständen würden es die Angeklagten einem solchen Scherz zu verdanken haben, daß sie so lange in Untersuchungshaft sitzen. Überdies habe der Zeuge bei seiner Vernehmung auch gesagt, v. Kröcher sei drei Tage nach jenem Briefe abgereist.

v. Kröcher ließ sich durch den Kammerdiener Mayer bestätigen, daß diese Reise schon längst geplant war.

Graf Königsmarck bestätigte das.

Oberstaatsanwalt: Er wundere sich, daß der Zeuge dies bei seiner Vernehmung nicht auch gleich hervorgehoben habe.

Auf Befragen des Vorsitzenden erklärte Graf Königsmarck, daß auf ihn nachträglich von keiner Seite eingewirkt worden sei und daß er zu der Familie v. Kröcher keine Beziehungen habe. Er sei jetzt sportlicher Mitarbeiter des »Kleinen Journals«.

Darauf zog sich der Gerichtshof zur Beratung zurück. Nach einer Viertelstunde trat der Gerichtshof wieder in den Saal. Der Vorsitzende verkündete zur Überraschung aller Anwesenden, daß der Gerichtshof aus eigener Initiative in Beratung darüber getreten sei, ob es nicht angezeigt sei, die Angeklagten mit Rücksicht sicht darauf, daß ein Fluchtverdacht nicht mehr vorliege, aus der Haft zu entlassen. Der Oberstaatsanwalt beantragte, vor der Beschlußfassung das Protokoll über die frühere Aussage des Grafen Königsmarck zur Verlesung zu bringen, denn auf Grund dieser seien die Angeklagten gerade in Haft behalten worden. Nachdem die Verteidiger für die Haftentlassung eingetreten waren und die Angeklagten die Erklärung abgegeben hatten, daß sie sich einer weiteren Verhandlung nicht entziehen würden, beschloß der Gerichtshof, die Angeklagten aus der Haft zu entlassen.

Am fünften Verhandlungstage war von dem Zeugen Ernst v. Gersdorff ein Schreiben an den Vorsitzenden[173] eingegangen. Er teilte darin mit, daß er noch krank und nicht imstande sei, vor Gericht zu erscheinen; es liege ihm aber daran, vernommen zu werden; er bitte um kommissarische Vernehmung. Er bestritt gleichzeitig die Ansicht des Angeklagten v. Kayser, daß er über diesen in der Voruntersuchung ungünstige Aussagen gemacht habe. Er versicherte, daß er über ihn absolut nichts Böses sagen könne, sondern ihn für einen hochanständigen Mann halte.

Von dem ehemaligen Klubdiener Montagli war eine Nachricht aus London eingegangen, wonach er vor Gericht erscheinen wolle und auf dem Wege hierher sei.

Ehe in die Verhandlung eingetreten wurde, bat Graf Königsmarck zu einer Erklärung ums Wort. Er beschwerte sich, daß in der Presse es so dargestellt worden sei, als wenn er schuld an der monatelangen Untersuchungshaft der Angeklagten gewesen sei.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Er habe gestern nur gesagt, daß die vom Grafen Königsmarck in der Voruntersuchung abgegebene Aussage nach seinem Dafürhalten mitgewirkt habe, die Angeklagten in Haft zu behalten.

Zeuge Hauptmann v. Unger berichtigte eine unrichtige Mitteilung in der Presse. Nicht ein Herr v. Alvensleben, sondern ein Herr v. Maltzahn habe mit ihm über den Angeklagten v. Kröcher in etwas ungünstigem Sinne gesprochen. Der Zeuge bestritt, daß er mit Herrn v. Manteuffel über den Angeklagten v. Kröcher gesprochen und sich ungünstig geäußert habe. Herr v. Manteuffel muß sich in der Person geirrt haben.

v. Manteuffel gab die Möglichkeit eines Irrtums zu.

Landrat v. Wackerbarth (in der Uniform eines Hauptmanns der Reserve) bestätigte, daß der Angeklagte v. Kayser bei ihm in Kottbus als Referendar fleißig und tüchtig gearbeitet habe. Seine Arbeiten waren so exakt geschrieben, wie er es eigentlich noch nie gesehen habe.

Vors.: Wann war Herr v. Kayser bei Ihnen beschäftigt?

Zeuge: Vom Februar bis September 1897.

Oberstaatsanwalt: Hat v. Kayser einmal eine Dame in Kottbus bei sich gehabt? War er oft in Berlin?

Zeuge: Er war wohl hin und wieder in Berlin. Ob eine Dame in Kottbus war, weiß ich nicht. Ich habe später davon gehört, gesehen habe ich sie nicht.

Oberstaatsanwalt: Von einem besonders luxuriösen[174] Leben des Herrn v. Kayser haben Sie wohl nichts bemerkt?

Zeuge: Nein.

Vert. Dr. Schachtel: Hat sich nicht Herr v. Kayser für einen Rennverein interessiert und Statuten ausgearbeitet?

Zeuge: Ich kann das bestätigen. Herr v. Kayser hatte viel Geschick für solche Arrangements.

Der Angeklagte v. Kayser gab zu, daß ihn Fräulein Voigt einmal in Kottbus besucht habe.

Geh. Reg. Rat a.D. Freitag, der Repetitorien für Regierungsreferendare gab, stellte dem Angeklagten v. Kayser das Zeugnis eines tüchtigen, ernststrebenden Mannes aus, der in der Vorbereitungszeit bemüht gewesen sei, sich theoretisch weiterzubilden.

Regierungsrat v. Buggendorf von der Regierung in Frankfurt a.d.O.: Er habe dieselbe günstige Meinung über den Angeklagten v. Kayser; er glaube auch nicht, daß v. Kayser großen Aufwand getrieben habe.

Sodann wurde Redakteur des »Sporn«, Fölzer als Zeuge vernommen. Er bekundete, daß v. Manteuffel ihm allerdings einmal in einer Unterhaltung nahegelegt habe, die Herren vom »Klub der Harmlosen« vor unsauberen Elementen zu warnen. Er selbst sei nie im Klub gewesen, stehe aber den Herren, die dem Rennsport huldigen, nahe; er habe aber nicht Gelegenheit gefunden, die Warnung des Herrn v. Manteuffel weiterzugeben, speziell nicht an die Angeklagten. Er wisse sich nicht zu erinnern, daß v. Manteuffel ihm den Namen Wolff genannt habe; v.M. habe auch nur ganz allgemein gesprochen und nicht etwa gesagt, daß die Warnung speziell an v. Kayser und v. Kröcher weitergegeben werden solle. Er (Zeuge) habe sich darauf beschränkt, einige ihm bekannte Offiziere im allgemeinen aufzufordern, doch nicht mehr in den Spielklub im Zentralhotel zu gehen. Ein außerordentlich großes Gewicht habe er der Mitteilung des Herrn v. Manteuffel nicht beigelegt, er habe das Gefühl gehabt, daß v. Manteuffel nur einen Skandal vermeiden wollte. Letzterer habe übrigens eine Rückfrage, ob die Warnung erfolgt sei, nie gehalten. Den Angeklagten v. Schachtmeyer kenne er nicht.

Dr. Leo Leipziger: Der Angeklagte von Kayser habe früher für das »Kleine Journal« Artikel »Aus der Gesellschaft« geschrieben. Nachdem der erste Artikel im »Berl. Tageblatt« erschienen war, kamen eines Tages[175] v. Kayser und v. Kröcher zu ihm und baten um Aufnahme eines Artikels »Der Hintermann des Berliner Tageblattes«, in welchem ausgeführt wurde, daß Dr. Kornblum, der Gewährsmann des »Tageblattes«, nur Rache für seinen Ausschluß aus dem Spielklub nehmen wollte. Zwei Tage, nachdem der Artikel im »Kleinen Journal« erschienen war, erhielt er von Herrn v. Manteuffel einen Brief; darin wurde er aufgefordert, den Einflüsterungen über Dr. Kornblum kein Gehör zu schenken. Kornblum sei nach seiner Meinung ein hochachtbarer Herr, ein Gentleman, es sei nicht wahr, daß Ermittelungen gegen Dr. K. wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels eingeleitet seien. Man sei es der Ehre des Mannes schuldig, solche falschen Nachrichten nicht in die Presse zu lancieren.

Auf Befragen gab von Manteuffel zu, daß tatsächlich Ermittelungen wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels gegen Kornblum schwebten; ihm sei es aber darauf angekommen, daß Dr. K. nicht gewarnt und etwa zur Flucht veranlaßt werden könnte.

Dr. Leipziger: Vom Standpunkt der Presse muß ich es für mindestens eigentümlich halten, daß Kriminalkommissar von Manteuffel, der mir in demselben Briefe seine Dankbarkeit für eine Gefälligkeit ausdrückte, sich bemühte, eine ganz falsche Nachricht in die Presse zu lancieren.

R.-A. Dr. Schachtel: Ich stelle also fest, daß das, was v. Manteuffel in dem Briefe geschrieben, das »Gegenteil der Wahrheit« gewesen ist.

v. Kayser: Es ist interessant, daß v. Manteuffel, der tatsächlich wußte, daß schon lange ein Verfahren wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels gegen Dr. Kornblum schwebte, diesen für einen hochanständigen Mann gehalten hat.

Dr. Leipziger: Leider habe ich Herrn v. Manteuffel Glauben geschenkt, und so habe ich mich denn veranlaßt gesehen, die Herren v. Kröcher und v. Kayser zu desavouieren. Die Folge war, daß die gegnerischen Blätter über mich herfielen.

R.-A. Dr. Schachtel wünschte in ziemlich erregt verlaufenden Auseinandersetzungen Auskunft über folgendes: Herr v. Manteuffel ist der einzige, der gegen Herrn v. Kayser Ermittelungen angestellt hat und auf dessen Ermittelungen die ganze Anklage beruht. v. Manteuffel hat hier unter seinem Eide erklärt, daß gegen v. Kayser[176] von keiner anderen Seite Verdächtigungen erhoben worden seien und daß auch Dr. Kornblum gesagt habe, er könne Herrn v. Kayser nichts Ehrenrühriges nachsagen. Wie ist es nun möglich, daß trotz alledem, jedenfalls auf Grund der Stellungnahme des Herrn v. Manteuffel, die Verhaftung des Herrn v. Kayser stattfinden und die Untersuchungshaft acht Monate andauern konnte?

v. Manteuffel: Ich bin für die Verhaltung nicht die verantwortliche Stelle.

Über die Frage, ob und wer verantwortlich für die Verhaftung v. Kaysers sei und weshalb die Verhaftung beschlossen worden sei, entspann sich eine sehr lebhafte Erörterung zwischen dem Oberstaatsanwalt, der Verteidigung und Herrn v. Manteuffel. Letzterer meinte, daß doch eine Reihe von Momenten vorlag, die die Verhaftung rechtfertigen konnten, beispielsweise daß Papiere weggeschafft worden waren und Gefahr vorlag, daß der Tatbestand verdunkelt würde.

Der Oberstaatsanwalt lehnte es ab, über die Veranlassung zur Verhaftung, die auf inneren Gründen beruhe, nähere Auskunft zu geben. Die Verhaftung sei von den maßgebenden Instanzen als gerechtfertigt anerkannt worden. Das genüge. Er müsse auch hervorheben, daß vor der Verhaftung die eidliche Vernehmung des Grafen Königsmarck liege.

In sehr lebhafter Weise wünschte v. Kayser eine Aufklärung von Herrn v. Manteuffel, wie er zu der ungeheuerlichen Behauptung gekommen sei, daß er (Angekl.) in der Wohnung der Frau Frieda Voigt »Leute ausgenommen« habe. Er wünsche eine ganz präzise Antwort.

Zeuge v. Manteuffel berief sich auf Gerüchte, die ihm zu Ohren gekommen seien.

v. Kayser: Kann der Zeuge einen Mann nennen, von dem er dies falsche Gerücht, welches belastend gegen mich verwertet wurde, erhalten hat?

v. Manteuffel: Ich glaube, daß ich vom Grafen Königsmarck so etwas gehört habe.

v. Kayser: Der königliche Kriminalkommissar v. Manteuffel hat zunächst den Vornamen »Frieda« Voigt gar nicht gekannt, er hat erst geglaubt, es handle sich um ein Fräulein Tilly Voigt.

v. Manteuffel: Ich glaubte zuerst, daß es sich um ein Fräulein Tilly Voigt handelte, die mir noch aus meiner Leutnantszeit in der Erinnerung vorschwebte.

v. Kayser:[177] Wann war die Leutnantszeit des Herrn, v. Manteuffel?

Zeuge: Vor 20 Jahren etwa.

v. Kayser: Da war Frieda Voigt 4 Jahr alt! (Große Heiterkeit.) Ich stelle also fest, daß der königliche Kriminalkommissar v. Manteuffel ohne jeden Anhalt Herrn v. Kröcher gegenüber gesagt hat: »Ach, Herr v. Kayser scheint schon der rechte zu sein, der nimmt ja in der Wohnung der Frieda Voigt die Leute aus.« Hält der Zeuge dies mit seinem Amte für vereinbar?

v. Manteuffel (erregt): Ich muß doch entschieden bitten, daß hier meine Person von meinem Amte getrennt wird. Ich kann als Beamter sehr wohl in die Lage kommen, an Personen Fragen zu stellen, die den Zweck haben, andere Dinge zu erforschen.

R.-A. Schachtel: Dann werden wir den Herrn Minister des Innern fragen müssen, ob es seinen Intentionen nen entspricht, daß ein königlicher Kriminalkommissar in dieser Weise, lediglich um auf den Busch zu klopfen, über einen Regierungsreferendar solche Gerüchte ohne positiven Untergrund verbreitet.

Vors.: Ich muß doch entschieden bitten, nicht fortgesetzt Ausführungen zu machen, die nicht mit der Sache zusammenhängen.

R.-A. Dr. Schachtel: Diese Ausführungen sind doch sehr wichtig, es handelt sich für uns darum, die Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu prüfen. Sie wollen doch nicht vergessen, daß sich Herr v. Kayser auch vor dem Minister zu verantworten haben wird und wenn sich herausstellen sollte, daß Herr v. Manteuffel sich solche Dinge aus den fünf Fingern gesogen haben sollte, so wird er vielleicht in die Lage kommen, sich vor dem Minister verantworten zu müssen. Der Herr Minister wird es jedenfalls weit von sich weisen, daß ein solches Verfahren eines königlichen Kriminalkommissars gebilligt werden könnte.

Der Oberstaatsanwalt stellte fest, daß Herr v. Manteuffel gesagt hat, er könne in die Lage kommen, Fragen zu stellen und daß er nur der vorgesetzten Behörde dafür verantwortlich sei, wie er die Untersuchung führe. Der Angeklagte v. Kayser machte darauf aufmerksam, daß v. Manteuffel dem Zeugen Grafen Königsmarck die Verteidigungsschrift v. Kaysers überreicht und gefragt habe, ob das mit dem Amte eines Kriminalkommissars vereinbar sei.

v. Manteuffel erklärte den Fall für unbedenklich, als rein private Handlung.[178] Der Oberstaatsanwalt trat dieser Auffassung bei.

Zeuge, Vizekonsul a.D. Moos bekundete: Er habe nur vor der Eröffnung des Klubs bei den »Harmlosen« verkehrt. Er habe schon im Winter 1895/96 bei Josty, später bei Hecht, Knoop und Wittkop gespielt. Seit März 1898 habe er nicht mehr gespielt. Im ganzen habe er etwa 16000 bis 20000 M. gehabt. Die Angeklagten kenne er aus der letzten Zeit. An den Angeklagten v. Kayser habe er verloren.

Vors.: Sie haben die Herren v. Kayser und Kornblum als »siamesische Zwillinge« bezeichnet.

Zeuge: Jawohl, Herr v. Kayser hat ja selbst zugegeben, daß er mit Kornblum befreundet war.

Vors.: Ist sehr hoch gespielt worden?

Zeuge: Jawohl.

Vors.: Sie sind ja auch Schuldner des Herrn v. Kayser gewesen?

Zeuge: Ich bin es noch. Ich schulde ihm noch eine Restsumme von 1060 Mark. Auch früher habe ich schon einmal eine größere Summe an ihn verloren, wohl über 1000 Mark. Ich habe aber auch von ihm gewonnen.

Der Zeuge bestritt, Wolff näher gekannt zu haben, auch zu den Artikeln des »Berliner Tageblattes« habe er keine Beziehungen gehabt. Er habe auch die Verteidigungsschrift gelesen. Er glaube, sie im Zeugenzimmer gefunden zu haben.

R.-A. Dr. Schachtel gab Auskunft, daß er die Verteidigungsschrift in 100 Exemplaren habe drucken lassen, damit später der Angeklagte jedem zeigen könne, was gegen ihn vorgelegen habe. Einige wenige Exemplare seien jetzt schon an die Mitglieder des Gerichts und einige Interessenten abgegeben worden.

Zeuge Moos: Er habe einmal bei Hecht den Wolff die Bank halten sehen. Wolff habe stark gewonnen, sonst habe er nichts Auffälliges bemerkt. Der Geleimte sei an diesem Abend Kornblum gewesen. Kornblum habe an diesem Abend wohl über 2000 Mark an Wolff verloren. Der Wagemut Kornblums sei ihm aufgefallen. An jenem Abend seien die drei Angeklagten nicht zugegen gewesen.

Es wurde alsdann das Protokoll über die Vernehmung des Grafen von Königsmarck vor dem Untersuchungsrichter verlesen. Es ergab sich daraus, daß Graf v.K. bei dieser Vernehmung recht ungünstig über den Angeklagten v. Kröcher ausgesagt und sich u.a. dahin geäußert hat, daß der Artikel im »Tageblatt« nicht übertrieben,[179] sondern in allen wesentlichen Teilen den Tatsachen entspreche. Er halte Herrn v. Kröcher für einen gewerbsmäßigen Spieler, dieser habe sich einmal geweigert, die Karten vom Block abzuziehen, v. Kröcher habe Herrn v. Galy in wenigen Tagen 40000 M., Herrn Baron v. Reccum 20000 Mark abgenommen, v. Kayser habe im Oktober und November zusammen 50-100000 Mark gewonnen.

Graf Königsmarck erklärte hierzu, daß er an dieser beeideten Aussage natürlich festhalte, aber doch folgendes nochmals betonen wolle: Er habe vorher fünf bis sechs Konferenzen mit Herrn v. Manteuffel gehabt, in denen dieser immer wieder sagte, es seien soundso viel Herren vernommen worden, die sehr belastend ausgesagt haben. Außerdem habe er damals viel im Spiel verloren. Nun sei es psychologisch natürlich, daß nach solchen Besprechungen Kleinigkeiten oft in ganz anderem Lichte erscheinen, als wenn man sie ruhigen Blickes betrachte.

Untersuchungsrichter Landgerichtsrat Herr bestätigte, daß v. Manteuffel ihm allerdings seinerzeit gesagt habe, General v. Kröcher habe selbst seinen Sohn als einen gewerbsmäßigen Spieler bezeichnet, indem er sagte: »Ich weiß ja, daß mein Sohn ein gewerbsmäßiger Spieler ist.«

General v. Kröcher wiederholte seine Aussage. Er habe keineswegs seinen Sohn für einen gewerbsmäßigen Spieler gehalten und glaube kaum, daß er eine solche Wendung gebraucht habe, denn er habe damals noch gar nicht gewußt, was eigentlich gewerbsmäßiges Spiel sei, sondern Herrn v. Manteuffel erst danach gefragt. Er wolle indessen offen anerkennen, daß in diesem vertraulichen Gespräch Herr v. Manteuffel eine von ihm (Zeugen) in dem Zustande größter Aufregung getane Bemerkung mißverstanden haben könne.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Die Staatsanwaltschaft legt auf diese Bemerkung eines in voller Bestürzung über die Verhaftung seines Sohnes befindlichen Vaters keinen Wert. Wenn General v. Kröcher das Gespräch mit Herrn v. Manteuffel damals als vertrauliches gehalten hat, so wird er doch wissen, daß v. Manteuffel amtlich verpflichtet war, mit seiner Kenntnis nicht zurückzuhalten.

General v. Kröcher: Er habe das damals allerdings nicht gewußt.

Landgerichtsrat Herr wurde alsdann[180] auch noch über das Protokoll betr. die Vernehmung des Grafen Königsmarck vernommen. Die Aussage des Grafen Königsmarck sei der Hauptgrund gewesen, die Haft gegen v. Kröcher und v. Kayser zu beschließen. Landgerichtsrat Herr trat mit großem Nachdruck für die Zuverlässigkeit der Protokolle ein, die mit Rücksicht auf die Wichtigkeit dieser Sache besonders penibel und äußerst sorgfältig abgefaßt seien und eine ungeheure Arbeit verursacht hätten. Er müsse absolut verneinen, daß Graf v. Königsmarck bei der Vernehmung den Eindruck eines präokkupierten Zeugen gemacht macht habe. Im Gegenteil, er habe den Eindruck gehabt, daß im Gegensatz zu manchem anderen Zeugen Graf K. ein Zeuge sei, der redlich sich bemühte, die volle Wahrheit zu sagen. Er habe mit Verwunderung gelesen, daß Graf K. gestern behauptet habe, sein Brief an Herrn v. Kröcher, in welchem er ihm schrieb, man sei auf ihn aufmerksam, sei nur »Scherz« gewesen. Davon sei bei der Vernehmung gar keine Rede gewesen, im Gegenteil, es sei bitterer Ernst gewesen! Bei der Verhaftung des Angeklagten v. Kayser habe auch die Behauptung des Grafen K. eine Rolle gespielt, daß v. Kayser und v. Kröcher zusammen getuschelt hätten und v. Kayser wegen jenes Briefes dem Grafen Königsmarck Vorwürfe gemacht habe.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Hat Herr v. Manteuffel auf die Protokolle irgendwelchen Einfluß ausgeübt?

Landgerichtsrat Herr: Ich habe Herrn v. Manteuffel zu den Vernehmungen, bei denen es sich um Einzelheiten des Bakkarats handelte, zugezogen. Ich übernehme jede Verantwortlichkeit für die Zuverlässigkeit der Protokolle; Herr v. Manteuffel hat mir allerdings bei der Redaktion und der Niederschrift der Protokolle geholfen, ich habe aber immer, sobald ein Zeuge durch irgendeine Geste anzeigte, daß er nicht ganz richtig verstanden sei, durch eingehende Fragen die Sachen genau festgestellt. Der Zeuge wies alsdann noch auf die unendlichen Schwierigkeiten hin, die bei der Erledigung der Voruntersuchung zu überwinden waren, das Peinliche zu ersparen; er habe das Menschenmögliche geleistet, um die Voruntersuchung verhältnismäßig schnell abzuschließen. Dies sei am 20. April geschehen. Daß die Angeklagten vom 20. April bis jetzt gesessen[181] haben, sei nicht seine Schuld.

General v. Kröcher und Gattin erklärten sich auf Befragen bereit, ihre Aussagen zu beeidigen. Der Gerichtshof verzichtete auf diesen Eid, wobei der Vorsitzende hervorhob, daß der Gerichtshof in der Lage sei, auch ohne Eid diesen Aussagen vollen Glauben beizumessen.

Es folgte die Vernehmung mehrerer Zeugen, die mit den Angeklagten zu verschiedenen Zeiten und an verschiedenen Orten gespielt haben. Der eine bekundete, daß im Viktoriahotel v. Kröcher einen »Riesen-Dusel« an einzelnen Abenden gehabt habe. Solchen Dusel haben aber manche Spieler, v. Schachtmeyer habe nur klein gespielt, v. Kayser sei ein riskierter Spieler gewesen. Verdächtiges habe sich beim Spiel nicht gezeigt, auch das »Zukaufen auf Sechs« sei nicht auffällig gewesen.

Gutsbesitzer D. Schrader wurde über das schon mehrfach erwähnte Spiel in Wiesbaden, an welchem auch v. Kröcher, v. Schachtmeyer und Wolff teilnahmen, vernommen. Die Anklagebehörde war der Meinung, nung, daß hier ein zwischen den dreien abgekartetes Spiel vorgelegen habe und es nur darauf angekommen sei, Herrn v. Schrader »auszunehmen«.

Angeklagter v. Kröcher bestritt dies ganz entschieden. Es sei nicht wahr, daß er Wolff als einen »reichen Franzosen« vorgestellt und dem Zeugen v. Schrader erst Geld habe leihen müssen, damit er spielen konnte.

v. Schrader bekundete, daß das Spiel in keiner Weise Verdacht bei ihm erregt, sondern in ganz fairer Weise vor sich gegangen sei.

Die nächste Zeugin war die Schauspielerin Lona Kussinger, die seinerzeit vorübergehend im Zentraltheater engagiert war. Die 19jährige, schneidig gekleidete, hübsche Dame hatte den Angeklagten v. Kröcher in Berlin kennengelernt.

Vors.: Wo war denn das?

Zeugin: Ich kann mich nicht darauf besinnen.

Vors.: War es in den Amorsälen oder Blumensälen oder solchen Orten?

Zeugin: Solche Orte besuche ich nicht.

Vors.: Oder war es in der American Bar?

Zeugin: Das weiß ich wirklich nicht.

Vors.: Sie haben ein Verhältnis mit Herrn v. Kröcher gehabt?

Zeugin: Ja, aber nur drei Wochen lang.

Vors.: Hat Herr v. Kröcher großen Aufwand für Sie gemacht?

Zeugin: O bewahre!

Vors.: Haben Sie nicht zusammen diniert und soupiert und viel[182] Geld ausgegeben?

Zeugin: Nein, das hat nicht viel gekostet. Wir verkehrten gewöhnlich im Savoy-Hotel.

Vors.: Na, da pflegt man auch nicht Weißbier zu trinken. (Heiterkeit.)

Zeugin: Wir haben ja manchmal Sekt getrunken, zumeist aber Pilsener Bier und die Rechnung der Mahlzeiten war nicht sehr groß.

Die Zeugin bestritt des weiteren, daß v. Kröcher ihr kostbare Geschenke gemacht habe. Sie habe weder Brillantringe noch Wohnungsmiete von ihm erhalten, v. Kröcher habe vielmehr nur einmal eine Schneiderrechnung von etwa 150 M. für sie bezahlt und ihr einen Fächer geschenkt, der etwa 140 M. gekostet haben dürfte.

Kriminalkommissar Damm, der alsdann als Zeuge vernommen wurde, wußte nichts Wesentliches zu bekunden. Graf Königsmarck war einmal bei ihm und habe ihm gesagt, daß ein Jeuklub begründet werden solle. Er wünsche zu wissen, was da zu tun sei und ob eine polizeiliche Anmeldung notwendig sei?

Er, Zeuge, habe geantwortet, daß das Spielen in einem Klub an sich nicht strafbar sei, man müsse sich aber vor dem Eindringen schmutziger Elemente hüten. Er habe dem Grafen ferner gesagt, daß er nähere Auskunft über die Pflicht zur Anmeldung in der betreffenden Abteilung des Polizeipräsidiums erhalten könne. Als dann der Artikel im »Berliner Tageblatt« erschienen war, habe er dem Polizeidirektor v. Meerscheid-Hüllesem mitgeteilt, daß Graf Königsmarck damals wegen der Begründung eines Klubs bei ihm war.

Die Angeklagten behaupteten, daß sie geglaubt hätten, durch die Unterhaltung des Grafen Königsmarck mit dem Kriminalkommissar Damm sei die polizeiliche Anmeldung, wenn es einer solchen bedürfe, erledigt.

Am sechsten Verhandlungstage erbat sich Kriminalkommissar v. Manteuffel das Wort: Es ist mir vorgeworfen worden, daß ich wissentlich die Unwahrheit gesagt hätte, indem ich den bekannten Brief an Dr. Leipziger richtete, der den Satz enthält, daß gegen Dr. Kornblum kein Ermittelungsverfahren wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels schwebe. Ich erkläre hiermit, daß ich tatsächlich keine Ermittelungen wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels gegen Dr. Kornblum angestellt hatte, und wenn gegenteilige Behauptungen in der Presse aufgestellt werden, so habe ich nochmals[183] darauf hinzuweisen, daß ich Konferenzen mit dem Oberstaatsanwalt Drescher und dem Untersuchungsrichter Landgerichtsrat Herr gehabt habe. Damals war ich als Sachverständiger zugezogen worden den und habe Kenntnis davon bekommen, daß gegen Dr. Kornblum eine Untersuchung beschlossen war. Ich habe sofort ganz bestimmt meiner Überzeugung Ausdruck gegeben, daß Dr. Kornblum vollständig intakt war, und das gründete sich auf folgendes: Ich hatte ohne behördlichen Auftrag, lediglich um das Terrain zu sondieren, Ermittelungen angestellt, die sich auf die Person des Dr. Kornblum bezogen. Und auf Grund dieser Ermittelungen habe ich sofort mitgeteilt, daß absolut kein Grund vorläge, weitere Ermittelungen gegen Dr. K. anzustellen, weil 1. Dr. K. im Besitz eines bedeutenden Vermögens war, 2. weil er keinen Anhang in den Kreisen gewerbsmäßiger Spieler hatte, 3. weil er aus einer anständigen Familie stammte und 4. weil mir gesagt wurde, daß nichts gegen Dr. Kornblum vorliege als ganz beweislose Verdächtigungen. Ich bin also nicht mit Ermittelungen gegen Dr. Kornblum beauftragt worden und habe auch keine angestellt.

Auf eine Frage des Oberstaatsanwalts Dr. Isenbiel erklärte v. Manteuffel weiter: Meine Befugnis, auf den Artikel im »Kleinen Journal« über Dr. Kornblum zu antworten, um eine Preßfehde zu unterdrücken, gründete sich auf einen ausdrücklichen Auftrag des Landgerichtsrats Herr, der es für zweckmäßig hielt, daß Dr. Kornblum durch Artikel der Presse nicht vor den Kopf gestoßen werde.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Wir müssen uns unsere Stellungnahme zu diesen Äußerungen des Zeugen v. Manteuffel, die ja ganz überraschend gekommen sind, vorbehalten. Ich kann nur sagen, eine ganze Reihe von Personen aus Spielerkreisen behaupten, daß v. Manteuffel und Dr. Kornblum schon längere Zeit miteinander bekannt waren.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Bei Vernehmung des Dr. Leipziger hat der Angeklagte v. Kayser gesagt, er habe durch einen Vertrauensmann die Akten einsehen lassen und erfahren, daß ein Verfahren gegen Dr. Kornblum schwebe.

Angekl. v. Kayser: Er habe es von einem ihm bekannten Referendar gehört, dessen Namen er aber nicht nennen wolle.

Der Vorsitzende[184] teilte ein Schreiben des Generalkommandos mit, wonach der Angeklagte v. Kröcher aus Gesundheitsrücksichten zur Reserve übergetreten sei.

Gerichtsassessor Dr. v. Mörs: Er habe auch eine Zeitlang an Spielabenden teilgenommen, an der Begründung des Klubs sich aber nicht beteiligt, sondern sich vorher gänzlich zurückgezogen. Auf eine Frage des Vorsitzenden bestätigte er, daß er einmal eine größere Summe vom Angeklagten v. Kayser gewonnen habe, daß damals v. Kayser etwas »im Brand« war und seine Schuld erst etwas später reguliert habe. Er sei aber auch häufig Schuldner des Angekl. v. Kayser gewesen. Dieser habe auch einmal einen höflichen Brief an ihn gerichtet, in welchem er an die Tilgung einer kleinen Schuld mahnte. Wolff habe er nicht näher gekannt; er würde es aber vorgezogen haben, nicht mit ihm zu spielen, denn ein alter Herr, der sich in die Gesellschaft junger Leute eindränge, erscheine ihm von vornherein verdächtig. Er habe auch gehört, daß einmal ein Mann, namens Wolff, den Fabrikbesitzer Prins-Reichenheim stark gerupft habe. Er (Zeuge) habe den unbestimmten Verdacht gehabt, daß dies vielleicht derselbe Wolff sei, der jetzt an den Spielabenden teilnehme. Wer Wolff eingeführt habe, wisse er nicht. Auf weiteres Befragen des Vorsitzenden erklärte der Zeuge, es sei keine Rede davon, daß er von dem Angeklagten zum Spiel besonders animiert worden sei. Richtig sei es, daß nach seiner Meinung der Angeklagte v. Kröcher fast nie verloren, sondern zumeist gewonnen habe; ob er auch in auffälliger Weise oft größere »Seeschlangen« gehabt habe, wisse er (Zeuge) nicht.

Vors.: Was wissen Sie von der Lebenshaltung des Angeklagten v. Kröcher?

Zeuge: Es kam mir so vor, daß v. Kröcher großen Aufwand trieb, denn er hielt sich einen Wagen und eine Mätresse.

Vors.: Wie hoch schätzten Sie den jährlichen Aufwand wand des Angeklagten v. Kröcher?

Zeuge: Ich schätzte ihn auf 20 bis 25000 Mark.

Justizrat Dr. Sello: Hat Herr v. Kayser auch zumeist gewonnen?

Zeuge: Ich habe Herrn v. Kayser öfter verlieren als gewinnen sehen.

Oberstaatsanwalt: Haben Sie Ihren Verdacht bezüglich des Wolff den Angeklagten einmal geäußert?

Zeuge: Ich habe einmal in der Englischen Bar[185] über Wolff mit den Angeklagten gesprochen und mich etwa dahin geäußert: Ihr habt ja einen recht dunkeln Ehrenmann bei euch aufgenommen. Auf die Frage, wer dies sei, habe ich Wolff genannt; die Angeklagten v. Kröcher und v. Kayser haben den Verdacht mit allem Nachdruck bestritten und behauptet, daß Wolff gewissermaßen ein reiner Engel sei.

Der Zeuge trat alsdann mit großem Nachdruck der von v. Kayser geäußerten Ansicht entgegen, daß er (v. Mörs) mit Dr. Kornblum gemeinschaftliche Sache gemacht habe, um v. Kayser auf die Anklagebank zu bringen. Diese ungeheuerliche Verdächtigung müsse er entschieden zurückweisen. Dr. Kornblum habe ihn einmal nach dem Erscheinen des Tageblattartikels gebeten, als Kartellträger für ihn bei dem Angeklagten v. Kayser zu fungieren. Er habe Dr. Kornblum zunächst gesagt, er halte denjenigen, der den Artikel gebracht, für ein »Schwein« und könne ihm die Ehre, für ihn Kartellträger zu sein, nur antun, wenn er die Versicherung gebe, daß er nicht der Verfasser des Artikels sei. Diese Versicherung habe Dr. Kornblum – wie ja nun feststeht, fälschlich – gegeben; die Differenz mit Herrn von Kayser sei gütlich beigelegt worden. Dies sei der einzige Zusammenhang, in dem er mit Dr. Kornblum gestanden. Er habe Dr. Kornblum wiederholt gesagt, er solle sich vor Herrn v. Manteuffel in acht nehmen, mit einem Polizeikommissar lasse sich ein anständiger Mensch nicht in der Weise ein, daß er ihm Informationen gebe.

v. Kayser: Herr v. Mörs wird zugeben, daß er sich auch durch Herrn Dr. Kornblum hat täuschen lassen; ich habe aus den Verhältnissen zu meinem Leidwesen den falschen Schluß gezogen, daß er mit Dr. Kornblum zusammenhalte.

Der Zeuge Dr. v. Mörs protestierte schließlich energisch dagegen, daß eine gerichtliche Zustellung an ihn nicht habe bestellt werden können, und daß das Gerücht verbreitet wurde, er sei »verduftet«. Das sei eine böswillige Erfindung, die ihn in seiner Ehre als Mensch und Beamter empfindlich kränken mußte. Er sei, als die Vorladung an ihn erging, verreist gewesen, habe aber bei der Post gebeten, daß ihm Eingänge nachgeschickt werden. Wenn dann der betreffende Vorladungsbrief einfach auf der Post niedergelegt wurde, so sei dies[186] nicht seine Schuld.

v. Manteuffel erklärte mit erhobener Stimme, daß die Sache hier wieder so »gedreht« zu werden scheine, als ob er absichtlich die Vorladung in dieser Form erledigt habe. Er habe ausdrücklich den schriftlichen Auftrag erhalten, die Vorladung, weil die Bestellung unausführbar sei, auf der Post niederlegen zu lassen.

Zeuge Dr. v. Mörs: Eine einfache Anfrage bei der Post hätte genügt. Daß Herr v. Manteuffel aber, wie doch unbestreitbar ist, im »Kleinen Journal« solche Gerüchte über mich verbreiten läßt, geht doch über meinen Horizont.

Oberstaatsanwalt: Die Staatsanwaltschaft und Herrn v. Manteuffel kann in Sachen der Vorladung gar kein Vorwurf treffen.

Nachdem Rechtsanwalt Dr. Schachtel und Justizrat Dr. Sello von dem Zeugen nach den verschiedensten Richtungen Auskunft über Vorgänge erforderten, die in dem Protokoll eine Färbung zuungunsten der Angeklagten erhalten hatten, fragte Rechtsanwalt Dr. Schwindt, ob dem Zeugen bekannt sei, daß Dr. Kornblum mit Herrn v. Manteuffel wiederholt freundschaftlich verkehrt habe.

Zeuge Dr. v. Mörs; Er habe Dr. Kornblum wiederholt in der Potsdamer Straße getroffen. Dieser habe mehrfach behauptet, daß v. Manteuffel ihm vieles gesagt habe, wie die Zeugen ausgesagt haben. Dr. Kornblum sei nach seinen Behauptungen alle naselang mit Herrn v. Manteuffel zusammengewesen.

R.-A. Dr. Schwindt: Haben Sie auch Briefe gesehen, die Dr. Kornblum von Herrn v. Manteuffel erhalten hat?

Zeuge: Jawohl.

R.-A. Dr. Schwindt: Haben Sie die Überzeugung, daß diese Briefe die Behauptungen des Dr. Kornblum stützten?

Zeuge: Gewiß.

R.-A. Dr. Pincus: Bestätigt der Zeuge, daß der Angeklagte v. Schachtmeyer nur mit niedrigen Sätzen pointiert hat.

Zeuge: Jawohl. Ich habe Herrn v. Schachtmeyer als äußerst anständig in jeder Beziehung kennengelernt.

v. Manteuffel: Es sieht so aus, als hätte ich dem Dr. Kornblum Mitteilungen gemacht über das, was v. Kröcher bei seiner Vernehmung ausgesagt hat. Ich erkläre ausdrücklich, daß es umgekehrt ist, ich erfuhr die den Herrn v. Kröcher betreffenden Mitteilungen vom Dr. Kornblum. Dieser hatte mir gegenüber auch seine Verwunderung ausgesprochen, daß gegen Wolff nicht ein Haftbefehl[187] erlassen sei.

Es folgte die Vernehmung des Studenten Hans v. Gersdorff aus Leipzig: Ich habe zuerst vor etwa drei Jahren im Viktoriahotel an dem Spiel teilgenommen, dann nach längerer Zeit wieder im Zentralhotel.

Vors.: Ist es Ihnen nicht aufgefallen, daß die Angeklagten klagten in der »American Bar« Kavaliere darauf aufmerksam machten, daß da und da gespielt wurde?

Zeuge: Nein, das war allgemein bekannt.

Vors.: Kannten Sie Herrn Wolff?

Zeuge: Jawohl.

Vors.: Welchen Eindruck machte er auf Sie?

Zeuge: Einen guten, es war ein ungeheuer freundlicher Herr. Ich habe wiederholt neben ihm gesessen, wenn er die Bank hielt.

Vors.: Ist es Ihnen nicht aufgefallen, daß er besonderes Glück hatte?

Zeuge: Ja, er gewann ja häufig, aber ich habe auch gesehen, daß er verlor.

Vors.: Hat er nicht bestimmten Herren gegenüber sich geweigert, sich am Spiel zu beteiligen mit dem Bemerken, daß die Karten einen zu großen Respekt vor ihnen hätten?

Zeuge: Ja, das hat er einmal gesagt, ich habe aber etwas Verfängliches nicht darin gefunden. Solche Redensarten macht man wohl mal. Es kommt auch vor, daß einer der Spieler äußert: »Gegen den Herrn setze ich nicht mehr!« Das sagt man z.B., wenn der Bankhalter großen »Dusel« hat; dies gibt zu irgendwelchen für den Bankhalter nachteiligen Schlußfolgerungen keine Veranlassung. Ich habe immer die Ansicht gehabt, daß völlig korrekt verfahren wurde, bin aber erst durch die fortgesetzten Andeutungen des Herrn v. Manteuffel, daß dies nicht der Fall war, zu einer anderen Ansicht gelangt. Meine Vernehmung hat unter eigentümlichen Verhältnissen stattgefunden.

Vors.: Ist es Ihnen nicht aufgefallen, daß dem Wolff einmal ein besonderes Entgegenkommen gezeigt wurde, als er es ablehnte, die Bank zu halten?

Zeuge: Ja. Es war Gebrauch, daß ein Spieler, der die Bank übernahm, bei der Übernahme 20 M. und bei der Abgabe wieder 20 M. an die »Pinke« abzuführen hatte. Wolff legte nur 20 M. in die Pinke, ohne daß einer der Direktoren Veranlassung nahm, dies zu monieren.

Auf Antrag des Verteidigers R.-A. Dr. Schachtel wurde der Zeuge ersucht, den Gang seiner Vernehmung im Zusammenhange zu erzählen.

Zeuge v. Gersdorff: Ich bekam nach Leipzig ein Schreiben[188] von Herrn v. Manteuffel, worin er mir mitteilte, daß meine Vernehmung notwendig sei, ich möchte auf einen Tag nach Berlin kommen. Ich antwortete, daß ich am kommenden Sonntag in Berlin sein und im Minervahotel absteigen würde. Hoffentlich könne meine Vernehmung trotz des Sonntags erfolgen. Herr v. Manteuffel stellte sich im Hotel ein und näherte sich mir gewissermaßen kameradschaftlich. Wir begaben uns zum Landgerichtsrat Herr nach Moabit. Unterwegs fragte er mich, was ich von der Sache wisse. Ich erklärte zunächst, daß der Artikel im »Berliner Tageblatt« unwahr sei. Dann hat Herr v. Manteuffel mich allmählich suggeriert, indem er mir vorhielt, daß Wolff verschwunden sei und viele Tatsachen dafür sprächen, daß es nicht korrekt zugegangen sei. Ich mußte mir sagen, daß alle die kleinen Tatsachen zusammengehalten und unter einem bestimmten Gesichtswinkel vor Augen geführt, wohl dafür sprächen, daß die Ansicht des Herrn v. Manteuffel richtig sein könne. Meine Vernehmung konnte an dem Sonntage nicht erfolgen. Herr v. Manteuffel hat dann aus der Unterhaltung mit mir einen langen Bericht gemacht und mir Aussagen in den Mund gelegt, von denen ich nichts wußte.

R.-A. Dr. Schachtel erklärte, es liege der Verteidigung daran, nachzuweisen, daß die Zeugenaussagen unter dem Einfluß des Herrn v. Manteuffel zustande gekommen seien.

Der Zeuge erklärte ferner auf Befragen, daß, als er das zweitemal vernommen wurde, es ihm auffiel, daß zwischen dem Untersuchungsrichter und ihm fortwährend Mißverständnisse vorkamen, die er für unerklärlich gehalten hat. Endlich sei ihm das schriftliche Protokoll vorgelesen worden und er habe darauf bestehen müssen, daß einzelne Sätze aus dem Protokoll gestrichen wurden. Er sei zu der Überzeugung gekommen, daß v. Manteuffel den Landgerichtsrat Herr ebenso beeinflußt habe, wie ihn, und zwar durch den Bericht des Herrn v. Manteuffel über die von diesem vorher vorgenommene informatorische Vernehmung. Es wäre ihm sehr interessant, diesen Bericht auch einmal kennenzulernen, um zu sehen, inwieweit er den Tatsachen entspreche.

v. Manteuffel: Er habe dem Landgerichtsrat Herr nur das mitgeteilt, was er von Herrn v. Gersdorff gehört habe.

[189] Zeuge v. Gersdorff: Wie wenig ich bei der Vernehmung der Ansicht war, daß falsch gespielt worden, geht daraus hervor, daß ich vor dem Untersuchungsrichter sagte, man macht sich jedenfalls ein völlig falsches Bild von den Vorgängen. Der Untersuchungsrichter sagte mir aber, daß sich dies meiner Beurteilung entzöge.

Ein Beisitzer wünschte zu wissen, ob dem Zeugen mit klaren Worten gesagt worden sei, daß das Falschspiel bereits erwiesen sei?

Zeuge: Ja, positiv, von Herrn v. Manteuffel und Herrn Landgerichtsrat Herr. Ich wiederhole, daß das Protokoll an sich durchaus Richtiges über meine Aussagen enthält, daß aber diese immer unter dem Eindruck der mir gewissermaßen suggerierten Überzeugung standen, es sei entschieden falsch gespielt worden. Wenn die Fiktion des Falschspiels weggenommen wird, dann bleiben nur Vorgänge übrig, die ganz unverdächtig sind und überall vorkommen. Ich habe nachher das unangenehme Gefühl gehabt, daß ich über den Löffel barbiert sei.

Der Zeuge betonte noch, daß bei seiner Vernehmung an einzelnen Ausdrücken längere Zeit »herumgewürgt« worden sei, ehe es gelang, das niederzuschreiben, was er wirklich habe sagen wollen.

Oberstaatsanwalt: Der Zeuge hat doch das Protokoll unterschrieben und Wort für Wort als richtig anerkannt.

Zeuge: Das ist richtig, aber ich bleibe dabei, daß, wenn die Fiktion des Falschspiels genommen wird, verdächtige Momente nicht übrigbleiben.

Das Protokoll über die Vernehmung des Zeugen v. Gersdorff wurde hierauf in Gegenwart des herbeigerufenen Landgerichtsrats Herr verlesen. v. Gersdorff: Er erkenne das Protokoll Wort für Wort als richtig an, bleibe aber bei seiner vorherigen Bemerkung.

Landgerichtsrat Herr: Er konstatiere vor der Öffentlichkeit, daß das Protokoll mit der außerordentlichsten Gewissenhaftigkeit aufgenommen und daß der Zeuge von keiner Seite beeinflußt worden sei. Er wiederhole, daß er jedes Wort des Protokolls aufrechterhalte und die Verantwortung dafür übernehme. Wort für Wort habe er dem Zeugen das Protokoll vorgelesen und über einzelne Sätze sei 1 1/2 Stunden gesprochen worden. Die Vernehmung des Zeugen sei eine der schwierigsten gewesen, die ihm vorgekommen. men.

Zeuge v. Gersdorff: Infolge des[190] Berichts des Herrn v. Manteuffel!

Oberstaatsanwalt: Hat der Herr Untersuchungsrichter dem Zeugen v. Gersdorff gesagt: Der Beweis des Falschspiels sei bereits »erbracht«?

Zeuge Landgerichtsrat Herr: Nein, ich habe ihm nur gesagt, es seien bereits Momente ermittelt, die unter Umständen dafür sprechen könnten.

Zeuge v. Gersdorff: Aber Herr v. Manteuffel hatte vorher schon im Korridor dies gesagt.

Auf Antrag der Verteidigung wurde der Bericht verlesen, den v. Manteuffel über seine erste Unterhaltung mit dem Zeugen v. Gersdorff dem Untersuchungsrichter erstattet hatte.

v. Gersdorff: Von der Bestimmtheit, die in jenem Bericht zum Ausdruck gekommen, ist gar keine Rede gewesen. Einzelne Sachen, die in dem Protokoll als von mir bekundet, angegeben worden, habe ich gar nicht aus eigenem Antrieb erzählt, sondern v. Manteuffel hat sie mir erzählt und ich habe nur bestätigt, daß ich mich an solche Vorgänge erinnere. Warum hat denn v. Manteuffel mir nicht gesagt, daß er mich vernimmt, dazu ist doch stundenlang Zeit gewesen, v. Manteuffel hätte doch die Mitteilungen niederschreiben und von mir unterschreiben lassen können. v. Manteuffel hat sich mir als Offizier vorgestellt und sich in der allerjovialsten Weise unterhalten, während er doch tatsächlich vom Landgerichtsrat Herr beauftragt war, mich zu vernehmen. Die ganze Art und Weise, wie v. Manteuffel sich mir gegenüber benommen hat, ist, um einen milden Ausdruck zu wählen, »nicht sehr nett« gewesen; nachher hat er mich noch in der Zeitung so hingestellt, als ob ich mich »dünne« gemacht habe.

Der Oberstaatsanwalt legte entschieden Protest dagegen ein, daß hier eine Art Untersuchung gegen Herrn v. Manteuffel geführt werde. Dieser habe sich ausschließlich seiner vorgesetzten Behörde gegenüber zu verantworten. Wenn der Zeuge es hier so hinstelle, als ob Herr v. Manteuffel gewissermaßen »hinter seinem Rücken« etwas aus jovialen Unterhaltungen mitgeteilt habe, so hebe er hervor, daß Herr v. Manteuffel durchaus berechtigt war, Fragen zu stellen. Ein Vorwurf könne Herrn v. Manteuffel aus seinem Verhalten nicht gemacht werden.

R.-A. Dr. Schachtel: Er gebe demgegenüber die Erklärung ab, daß die Verteidigung der Auffassung des Staatsanwalts[191] nicht beitreten könne, sondern in dem Verhalten des Herrn v. Manteuffel eine große Menge Inkorrektheiten erblicke.

Über die Frage, ob der Zeuge v. Manteuffel nicht in einzelnen Punkten seine subjektive Auffassung mit den Aussagen des Zeugen v. Gersdorff verquickt habe, kam es zu längeren, sehr lebhaften Auseinandersetzungen zwischen dem K.-A. Dr. Schachtel und Herrn v. Manteuffel.

Der Zeuge Landgerichtsrat Herr verwahrte sich schließlich nachdrücklichst gegen die in einzelnen Zeitungen bekundete Ansicht, daß er die Untersuchung bei einseitiger Strenge gegen die Angeklagten geführt habe und gab zu, daß er den Kommissar v. Manteuffel ersucht habe, dafür zu sorgen, daß solche Preßtreiberei, wie sie im »Kleinen Journal« gegen Dr. Kornblum begonnen wurde, im Interesse der Untersuchung möglichst unterbleibe.

Gastwirt Emil Krüger: Er sei von 1895 ab Oberkellner im Viktoriahotel gewesen und von Herrn v. Zedlitz engagiert worden, um die Herren, die dort regelmäßig zum Spiele sich einfanden, zu bedienen. Er habe dafür ein monatliches Gehalt von 300 M. erhalten, aber auch noch 100 bis 150 M. dadurch verdient, daß er hier und da Herren, denen das Geld ausgegangen war, mit Beträgen von 100 bis 1000 M. aushalf. Er hatte zu diesem Zweck immer 600 bis 1000 M. bei sich. Der Gesellschaft mochten etwa 100 Herren der vornehmen Kreise angehört haben, die natürlich nicht allesamt auf einmal an den Abenden teilnahmen, sondern abwechselnd erschienen. Die Herren zahlten 30 M. Miete und machten eine Zeche an Sekt und guten Weinen im Betrage von 200 bis 250 M.

Justizrat Dr. Sello: Hat einer der Angeklagten unter diesen Herren eine besonders hervorragende Rolle gespielt?

Zeuge: Ja.

Dr. Sello: Wer denn?

Zeuge: Herr v. Zedlitz! (Heiterkeit.)

Justizrat Dr. Sello: Warum spielte denn Herr v. Zedlitz, der ja nicht zu den Angeklagten gehört, eine besondere Rolle?

Zeuge: Wenn er gewonnen hatte, ging er fort, das taten die anderen Herren nicht, die anderen blieben so lange, bis sie alles wieder verloren hatten. (Heiterkeit.)

Restaurateur Hecht: Er habe im Herbst 1897 ein Restaurationslokal in der Jägerstraße gehabt. In einem Zimmer fanden sich unregelmäßig eine Anzahl Kavaliere zusammen.

[192] Der Vorsitzende bemerkte: Da in dem Lokale sooft gespielt wurde, habe es den Beinamen »Karpfenteich« erhalten. Der Zeuge bekundete alsdann weiter, daß die Herren niemals die Karten mitgebracht haben, diese wurden vielmehr stets vom Oberkellner besorgt.

R.-A. Dr. Schwindt: Hatte der Zeuge vielleicht den Eindruck, als ob Dr. Kornblum die Rolle des Arrangeurs spielte?

Zeuge: Jawohl.

Restaurateur Otto Kotz: Er sei im Jahre 1897/98 bei Hecht Oberkellner gewesen. Die Herren, die zum Spiel zusammenkamen, haben nicht gar soviel verzehrt, wenigstens sei sein Chef in diesem Punkte nicht sehr zufrieden gewesen. Die Karten haben die Herren niemals mitgebracht, die habe vielmehr er stets besorgt.

Vors.: Haben Sie den Herren auch manchmal Geld geliehen?

Zeuge: Das kam vor.

Vors.: Auch Herrn v. Kayser?

Zeuge: Herr Vorsitzender, es gibt in ganz Berlin keinen Kavalier, der einen Kellner nicht mal anpumpt. Warum sollte Herr v. Kayser eine Ausnahme machen? (Große Heiterkeit.)

Vors.: Haben Sie Ihr Geld wiederbekommen oder haperte es damit?

Zeuge: Ich habe nur ein einziges Mal Herrn v. Kayser schriftlich um Zurückgabe des Geldes bitten müssen, weil ich notwendig auf eine Erholungsreise gehen mußte.

Vors.: Haben Sie auch anderen Herren Geld geliehen und Umstände damit gehabt?

Zeuge: Jawohl, Herrn v. Prillwitz, gegen den ich erst die Hilfe des Gerichtsvollziehers in Anspruch nehmen mußte. Der Zeuge erklärte weiter auf Befragen, daß nach seiner Meinung nicht nur die Angeklagten, sondern alle Herren abwechselnd die Bank gehalten ten haben. Daß bei Hecht gespielt wurde, sei ein öffentliches Geheimnis gewesen. Herrn Wolff habe er nicht näher gekannt; er könne auch keine nähere Auskunft geben, wie hoch gespielt wurde.

Da der Vorsitzende sich hierüber wunderte, erklärte der Zeuge unter großer Heiterkeit der Zuhörer, er sei nur im Zimmer erschienen, wenn er durch einen Glockenton gerufen wurde. Wenn er sonst noch hineinging, habe v. Kröcher immer gerufen: »Raus, raus! Wenn Sie kommen, habe ich immer Pech!« (Die Angeklagten bekundeten ihre Zustimmung zu dieser Aussage.)

Der Zeuge sprach wiederholt den dringenden Wunsch aus,[193] »in Sachen des Dr. Kornblum« vernommen zu werden. (Heiterkeit.) Als ihm das Wort hierzu verstattet wurde, erklärte der Zeuge: Er habe ja selbst ein Restaurant. In dieses sei eines Tages Dr. Kornblum gekommen und habe ihm erzählt, er habe jetzt die größtintimsten Beziehungen zu v. Manteuffel, er müsse mit diesem jetzt in Moabit immer Bakkarat spielen, um ihm die Sache beizubringen. Er habe darauf dem Dr. Kornblum bedeutet, daß er sein Lokal nicht mehr besuchen solle. (Heiterkeit.)

Restaurateur Albrecht, bei dem die Kavaliere spielten, die gewöhnlich per Telephon anfragten, ob ein Zimmer frei sei, bekundete: Er wußte nicht, was die Herren trieben. Sie seien nur etwa sechsmal bei ihm gewesen. Das erstemal habe Herr v. Kröcher das Zimmer bestellt, später sei es öfter »für die Gesellschaft des Herrn v. Kröcher« bestellt worden, er wisse aber nicht, ob auch wirklich Herr v. Kröcher als Besteller am Telephon war. Einmal habe Herr v. Kröcher die Karten mitgebracht, weil im Lokale sonst Karten nicht geführt wurden. Wer sonst die Karten geliefert habe, wisse er nicht.

Generaldirektor Otto vom Zentralhotel: Er habe seinerzeit den Vertrag wegen Benutzung der bestimmten Räume im Zentralhotel zu Klubzwecken abgeschlossen, Oberkellner Summer habe die Herren bedient. Er und Oberkellner Montagli haben täglich je 20 M. erhalten, v. Kröcher sei nur wenige Male dort gewesen und bald auf Reisen gegangen. Den Namen »Klub der Harmlosen« habe er während des Aufenthalts der Herren im Zentralhotel nie gehört, er kannte nur den Namen Sportklub. Er wisse auch nichts davon, daß an den Klubabenden sehr viel Sekt getrunken worden sei; die Herren hätten zumeist Rotwein mit Wasser getrunken. Wieviel von den einzelnen gewonnen oder verloren wurde, wisse er nicht. Das Spielen begann um 12 oder 1 Uhr nachts und dauerte etwa bis 5 Uhr morgens, manchmal aber auch bis zum Mittag des nächsten Tages. Die Rechnung über das, was die Herren verzehrt hatten, sei jedesmal pro Tag von einem Mitgliede des Vorstandes beglichen worden. den.

Oberkellner Montagli bestätigte diese Aussage seines ehemaligen Kollegen, mit dem er abwechselnd den Dienst bei dem »Sportklub« hatte. Er bekam 20 M. für den Abend,[194] wenn gespielt wurde, und 10 M. für die Abende, an denen nicht gespielt wurde. Es sei vollständig unrichtig, wenn behauptet wurde, man habe ihn so schnell wie möglich über die Grenze gebracht und dazu besonders mit Geld ausgestattet. Er habe schon am 15. Oktober 1898 festes Engagement nach Monte Carlo angenommen gehabt, die Sache habe sich aber schließlich zerschlagen. Am 23. Dezember 1898 sei er nach Italien gegangen, um in Genua eine Stelle anzunehmen. Er habe von den Herren nur das Geld bekommen, das er regelrecht zu fordern hatte und das sich aus seinen baren Auslagen und aus seinen auf seiner 14tägigen Kündigung beruhenden Ansprüchen zusammensetzte. Nachdem der Artikel im »Berliner Tageblatt« erschienen war, habe er Herrn v. Kröcher und v. Schachtmeyer gesagt, daß er am liebsten weggehen möchte, denn er habe noch niemals etwas mit der Polizei zu tun gehabt und habe die Nase von Berlin voll. Er entsinne sich, daß die drei Angeklagten ihm geraten haben, doch nicht abzureisen, sondern noch in Berlin zu bleiben, damit es nicht so aussehe, als ob man ihn abgeschoben habe. v. Kayser habe ihm sogar gesagt, er würde ihm in Berlin eine andere Stelle verschaffen. Er habe dann aber doch aus eigenem Antriebe Berlin den Rücken gekehrt. Herrn Wolff habe er, ebenso wie sein Kollege Summer für einen »regelrechten Gentleman« gehalten.

R.-A. Dr. Schwindt rechnete ziffernmäßig vor, daß Montagli bei seinem Abgange eigentlich noch mehr zu fordern hatte, als er geltend gemacht habe.

Am siebenten Verhandlungstage wünschte R.-A. Dr. Schachtel einige Fragen an den Grafen Königsmarck über einige Bemerkungen, die Herr v. Manteuffel diesem gegenüber gemacht haben soll, zu richten.

Vors.: Der Gerichtshof ist sich schon darüber schlüssig geworden, daß die ganze Manteuffelsche Angelegenheit hier nicht weiter berührt wird. Für das Kollegium ist die Sache vollständig aufgeklärt. Herr v. Manteuffel ist doch hier nicht Angeklagter!

R.-A. Dr. Schachtel: Es sei sein gutes Recht, Fragen zu stellen, die er zur Aufklärung der Sache für notwendig erachte.

Der hierauf vorgerufene Graf v. Königsmarck bekundete auf Befragen: Herr v. Manteuffel habe ihm gesagt, er habe den[195] Befehl erhalten, in der Spielerangelegenheit möglichst scharf und schroff vorzugehen; es sei auch schon durch verschiedene Personen festgestellt worden, daß Falschspiel getrieben worden sei.

R.-A. Dr. Schachtel: Ich habe noch eine Frage an Herrn v. Manteuffel zu richten. Ist es wahr, daß Sie, als Sie noch aktiver Offizier waren, sich mit Hypnotisieren beschäftigt haben und imstande sind, Personen mit schwacher Willenskraft Ihrem Willen zu unterwerfen.

Zeuge v. Manteuffel: Tatsächlich habe ich mich mit dem Hypnotisieren nicht bloß zum Vergnügen, sondern des Studiums wegen beschäftigt. Ich muß es aber durchaus ablehnen, daß mir, wie die Frage doch andeutet, hier untergeschoben werden soll, ich hätte dem Zeugen etwas suggeriert. Das muß für jeden, der mit Hypnotisieren zu tun hat, komisch wirken, denn die Hypnose hängt von ganz bestimmten Voraussetzungen und Bedingungen ab. Jeder, der etwas von der Sache versteht, weiß, daß es ein Unding ist, jedermann zu hypnotisieren.

Oberstaatsanwalt (zum Grafen Königsmarck): Sind Sie sonst schon einmal hypnotisiert worden?

Zeuge: Nein.

Oberstaatsanwalt: Sind Sie ein Mann von schwacher Willenskraft?

Zeuge: Nein.

J.-R. Dr. Sello: Ist der Zeuge in den Besitz einer gedruckten Verteidigungsschrift gekommen?

Zeuge Graf Königsmarck: Jawohl, durch Herrn v. Manteuffel.

J.-R. Dr. Sello: Wann war das?

Zeuge: Mitte September.

Vert. J.-R. Dr. Sello: Also etwa 14 Tage vor der Verhandlung. Zu welchem Zweck geschah denn das?

Zeuge: Um mich zu informieren.

J.-R. Dr. Sello: Diese Fragen sind doch von solcher Erheblichkeit, daß die Staatsanwaltschaft sie sogar an die Oberkellner richtete.

Zeuge v. Manteuffel: Ich habe dem Zeugen die Verteidigungsschrift zugestellt, weil ich wußte, daß Graf Königsmarck sich dafür interessiert und um weitere Aufschlüsse zu erlangen.

J.-R. Dr. Sello: Da der Verteidigung Vorwürfe aus einer Weitergabe der Verteidigungsschrift gemacht worden sind, so möchten wir doch, daß mit gleichem Maß gemessen wird. Ich frage deshalb Herrn v. Manteuffel, ob er die Verteidigungsschrift im Einverständnis mit anderen Faktoren der Untersuchung weitergegeben hat?

v. Manteuffel: Es handelte sich um ein[196] Exemplar der Verteidigungsschrift, welches nach Mitteilung des Staatsanwaltschaftsrats Keller nicht zu den Akten gehörte.

R.-A. Dr. Schachtel: Hiernach könnten doch wohl die Erörterungen über die Verteidigungsschrift endgültig geschlossen werden.

Oberstaatsanwalt: Nein, doch nicht!

R.-A. Dr. Schachtel: Wir stehen zur Stelle.

Der nächste Zeuge Schneider war der Nachfolger des Oberkellners Krüger im Viktoriahotel. Er habe vom Hörensagen Kunde von dem mehrfach erwähnten Vorfall erhalten, in welchem ein Bankhalter verdächtigt worden war, unfair gespielt zu haben und es sich nachher herausstellte, daß statt der sechs vollständigen Spiele mit 312 Karten 360 Karten vorhanden waren. Nach seiner Beobachtung haben nicht nur die drei Angeklagten »gemeinschaftlich die Bank gehalten«, dies sei auch von anderen Teilnehmern geschehen. Die Summen, die an einem Abend verloren oder gewonnen wurden, schätze er auf 20000 bis 50000 M. Schließlich sei die Vereinigung im Viktoriahotel auseinander gegangen, wahrscheinlich infolge des Vorfalls mit Herrn v. Schrader und weil schon mehrere Herren infolge des Spiels zugrunde gegangen waren und ihren Abschied nehmen mußten. Auf Befragen nannte der Zeuge den Namen v. Köckeritz. Nach seiner Meinung bestand die Gesellschaft aus mehreren hundert Personen »aus allen Provinzen und alten Regimentern«, von denen etwa 25 Personen an den einzelnen Abenden erschienen. Nach seiner Meinung habe v. Kayser in jener Zeit recht viel Pech gehabt, er habe sich überhaupt manche Wochen gar nicht sehen lassen. An den Spielabenden sei es außerordentlich ruhig und durchaus vornehm und anständig zugegangen, so daß er sich oft dahin geäußert habe: »Das ist ja gar kein Wunder, umsonst sind die Herren nicht Edelleute!«

Die Beweisaufnahme drehte sich alsdann um die Frage, ob Kammerdiener Mayer einmal dem Portier des Hauses, in welchem v. Kröcher wohnte, angedeutet habe, er habe von Herrn v. Kröcher mehr Geld erhalten, als er beanspruchen konnte. Der Portier Kriedemann, der dem Hauswirt Goldberg eine solche Mitteilung gemacht haben soll, bestritt das. Herr Goldberg behauptete es. Der Zeuge Goldberg wurde sodann über den Aufwand des Herrn v. Kröcher[197] vernommen. Goldberg: Er besitze ein »sehr, sehr vornehmes« Haus in der Friedrich-Wilhelm-Straße. Angekl. v. Kröcher habe bei ihm gemietet. Die Wohnung bestand aus 6 Zimmern. Er ist von dem Angeklagten v. Kröcher seinerzeit verklagt worden, weil er es nicht leiden wollte, daß Fräulein Lona Kussinger, die sich für eine »Baronin« ausgegeben, in seinem Hause, d.h. in der Wohnung des Angeklagten v. Kröcher, verweilte. Er sei der Meinung gewesen, daß diese Dame nach ihrem ganzen Auftreten nicht in sein Haus paßte, zumal er von dem Kammerdiener Mayer viel Nachteiliges über sie hörte. Er habe sich auch nicht darauf eingelassen, als ihm gesagt wurde, die Dame in hocheleganter Toilette sei die »Wirtschafterin«, er konnte sich nicht denken, daß diese feine Dame die Zimmer lüften und die Möbel ausklopfen sollte. Die Ausstattung tung der Wohnung des v.K. sei sehr elegant gewesen, die Möbel stammten von Ferd. Vogts & Co., in der Wohnung waren 60 elektrische Glühlampen eingerichtet, die Kronen können mehrere 1000 Mark gekostet haben. v. Kröcher habe den Eindruck eines wohlhabenden Mannes gemacht; Kammerdiener Mayer habe einmal erzählt, v.K. habe einen kostbaren Pelz im Werte von 3000 M. in der Droschke liegen lassen.

v. Kröcher: Der Pelz hatte einen Wert von 1200 M. Die Summe liegt in der hervorgehobenen Schneiderrechnung von 3000 M. Es kann doch nicht alles dreimal berechnet werden.

R.-A. Dr. Schwindt: Der Zeuge nannte die Wohnung »Gartenwohnung«, andere würden sie vielleicht »Hinterwohnung« nennen, denn man mußte von der Friedrich-Wilhelm-Straße erst über den Hof, um nach der an der Privatstraße belegenen Wohnung zu gelangen.

Zeuge: Ich kenne doch mein Haus am besten. Man kann nach der Theorie des Verteidigers ja auch nach dem Alexanderplatz über das Potsdamer Tor gelangen.

Der alsdann vernommene Zeuge Ebstein war Inhaber der Firma Ferd. Vogts & Co. Er bekundete, daß die Möbelausstattung eine gute und solide, aber nicht eine auffallend elegante war.

Zeuge Festner, bei dem der Angeklagte v. Kayser längere Zeit gewohnt hatte, gab diesem das Zeugnis eines sehr sparsamen und ordnungsliebenden Mannes, der gar keine Ansprüche gehabt[198] und sich sogar stets seine Stiefel selbst geputzt habe.

Zeuge Karcher, Pächter des Minervahotels: Die Gesellschaft, die sich als »Sportklub« bei ihm angemeldet, hatte drei Salons in der ersten Etage zu einem Preise von 600 M. pro Monat gemietet. Er hatte erst 1200 M. verlangt, die Herren haben aber auf 600 M. heruntergehandelt. Von einem Spielklub sei keine Rede gewesen. Die Herren haben meist Rotwein und Selterwasser getrunken. In der Zeit vom 1. bis 19. September 1898 haben die Herren einschließlich der 600 M. Miete eine Rechnung von 1596 M. gemacht. Als er erfahren, daß die Herren lauter Spieler waren, habe er den Mietsvertrag aufgehoben.

Zeuge v. Zakzerczewski: Er habe vielfach in den Spielkreisen verkehrt. Vom Vorsitzenden befragt, ob er die Verteidigungsschrift zu Gesicht bekommen und sich auf diese Weise habe informieren können, erklärte der Zeuge, daß er die Verteidigungsschrift allerdings in der Hand eines Zeugen gesehen und einen Blick hineingetan habe.

R.-A. Dr. Schachtel protestierte gegen die Andeutung, daß die Verteidigungsschrift an Zeugen gesandt worden sei, um Zeugen zu informieren. Es handle sich um nichts weiter, als was die Staatsanwaltschaft gleichfalls getan habe.

Oberstaatsanwalt: Hiergegen muß ich wieder protestieren.

R.-A. Dr. Schachtel: Es ist doch festgestellt, daß Staatsanwaltschaftsrat Keller ein Exemplar der Verteidigungsschrift Herrn v. Manteuffel überlassen hat und sie dann an den Grafen Königsmarck gelangt ist.

v. Manteuffel betonte nochmals, daß ihm das fragliche Exemplar der Verteidigungsschrift ganz außerhalb der Akten rein privatim überlassen worden sei.

Zeuge v. Zakzerczewski bekundete noch, daß er im ganzen 10-12000 M. verloren habe. Er habe fast immer nur bar und nie über seine Mittel gespielt. Es sei ihm nicht aufgefallen, daß die drei Angeklagten immer gewannen, er habe überhaupt kein Mißtrauen gegen sie gehabt, ebensowenig gegen Wolff, der als schwer reicher Mann und Bankier oder Rentier galt.

Auf Antrag des Oberstaatsanwalts wurde auch diesem Zeugen das Protokoll seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter vorgehalten. Es ging daraus hervor, daß damals der Zeuge bekundet hat: v. Kröcher habe ihm eines Tages bei einer[199] Begegnung gesagt: Jetzt ist Montagli schon in München! Ich bin wieder der Dumme gewesen und habe ihm noch über 700 M. herauszahlen müssen. Das Protokoll zeigte, daß der Zeuge damals ausdrücklich bekundet hat, es sei sein Eindruck gewesen, daß Montagli von v. Kröcher cher und v. Kayser möglichst schnell weggeschafft worden sei.

Der Zeuge erklärte hierauf: Nach dem Erscheinen des Artikels im »Tageblatt« hatte er damals alle möglichen Momente als verdächtig betrachtet, die möglicherweise ganz unverdächtig waren.

R.-A. Dr. Schachtel: Hat etwa Herr v. Manteuffel vor Ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter mit Ihnen gesprochen?

Zeuge: Nein.

Auf Antrag des R.-A. Dr. Schachtel wurde sodann der Bericht verlesen, den v. Manteuffel an den Untersuchungsrichter gerichtet hatte. Es hieß darin: »Herr v. Zakzerczewski bittet durch mich« nachträglich noch etwas mitzuteilen, was ihm noch eingefallen ist. In dem Bericht wurde dann weiter gemeldet, daß v. Kröcher dem v.Z. gesagt habe, er und v. Kayser hätten dem Montagli 700-800 M. gegeben, um ihn über die Grenze zu schaffen.

Zeuge v.Z. bestritt, daß er überhaupt Herrn v. Manteuffel eine solche Bitte ausgesprochen oder von »über die Grenze schaffen« gesprochen habe.

v. Manteuffel: Graf Königsmarck habe ihm bei einem Gespräch mitgeteilt, daß dem Zeugen v.Z. noch nachträglich die Geschichte von den 700-800 M. eingefallen sei. Er habe dies so aufgefaßt, wie es in seinem Bericht stehe.

R.-A. Dr. Schwindt: Die Vermutung, daß Montagli »über die Grenze geschafft worden«, ist gestern von Montagli unter seinem Eide klar widerlegt worden. Dagegen können doch die Sentiments, die der Zeuge v. Zakzerczewski vor längerer Zeit auf Grund eines Zeitungsartikels angestellt hat, gar nicht ins Gewicht fallen.

Oberstaatsanwalt: Das wird unbedingt zugegeben. Mit Rücksicht auf die aufgeworfenen Zweifel an der Notwendigkeit der Verhaftung ist es aber wesentlich, festzustellen, wie damals die Ansicht der nächsten interessierten und den Angeklagten nahestehenden Kreise war.

Zeuge Graf Königsmarck erklärte auf Befragen, daß er mit dem Zeugen v. Zakzerczewski über die Angelegenheit gesprochen habe. Er habe seines Wissens aber nur gesagt, daß v. Kayser und[200] v. Kröcher dem Montagli 700 bis 800 M. gegeben hätten; daß er von einem »Über-die-Grenze-bringen« gesprochen habe, entsinne er sich nicht.

Zeuge v. Zakzerczewski: Er erinnere sich einer solchen Äußerung ebenfalls nicht.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt regte an, ob es nicht zweckmäßig sei, Montagli noch einmal über diesen Punkt zu vernehmen.

Der Oberstaatsanwalt bezeichnete das als überflüssig, denn es sei selbstverständlich, daß die Behauptung, tung, Montagli habe Schweige- oder Reisegelder erhalten, nicht aufrechterhalten werden solle. Aber es müsse konstatiert werden, daß v. Manteuffel sich im guten Glauben befunden habe.

Der Vorsitzende richtete die Frage an den Oberstaatsanwalt, ob denn überhaupt noch der Gesichtspunkt des Falschspielens, d.h. des Betruges von der Anklage aufrechterhalten oder fallengelassen werde.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Er habe durch eine ganze Reihe von ihm angeregter Feststellungen schon zu erkennen gegeben, daß er auf diesen Punkt kein Gewicht mehr lege, er könne aber offiziell nichts von der Anklage fallen lassen, müsse sich vielmehr das weitere für das Plädoyer vorbehalten.

v. Kayser ließ sich durch den Zeugen v. Zakzerczewski bestätigen, daß niemand Herrn Wolff für einen gewerbsmäßigen Glücksspieler habe halten können und daß folgender Gesichtspunkt besprochen worden sei: Wenn wirklich Unregelmäßigkeiten vorgekommen wären, dann sei es im Interesse der 200 in die Sache verwickelten Offiziere und Beamten dringend geboten, dafür zu sorgen, daß die Artikel des »Tageblattes« aufhörten.

Alsdann trat Kommissar v. Manteuffel vor und erklärte mit gehobener Stimme: Es scheine, als ob ihm wieder unterstellt werden solle, er habe wider besseres Wissen einen falschen Bericht an den Untersuchungsrichter richter geschickt. Dem müsse er auf das bestimmteste widersprechen; er habe aus der Unterhaltung mit dem Grafen Königsmarck unbedingt den Eindruck gewonnen, daß v. Kröcher und v. Kayser den Montagli über die Grenze geschafft haben. Er müsse dagegen protestieren, daß fortwährend die schwersten und ehrenkränkendsten Vorwürfe gegen ihn erhoben werden.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel beantragte, nochmals festzustellen, daß weder Graf Königsmarck noch v. Zakzerczewski[201] Herrn v. Manteuffel etwas von »über die Grenze schaffen« gesagt habe.

Es folgte die Vernehmung der Frau Frieda Voigt. Sie gab an, daß sie früher mit einem Hauptmann verheiratet gewesen sei. Die Ehe sei geschieden. Als sie in Frankfurt a.d.O. als Schauspielerin tätig war, habe sie Herrn v. Kayser kennengelernt und sei zu ihm in nähere Beziehungen getreten. Dann sei sie kurze Zeit beim Residenztheater in Berlin engagiert gewesen. Ein intimes Verhältnis sei sie erst im Sommer 1896 mit v. Kayser eingegangen. Sie habe damals ein Kapital von 15000 Mark besessen. Da die Zinsen nicht ausreichten, habe sie das Kapital angreifen müssen. Herr v. Kayser habe keine großen Aufwendungen für sie gemacht, nur vorübergehend die Miete bezahlt. Sie habe auch in Ems Stellung gehabt, von dort habe v. Kayser sie abgeholt. Ebenso habe er sie von Baden-Baden abgeholt, wo sie sich mit ihrer Schwester ster befand. Hier habe v. Kayser ihre Rechnung beglichen. Dann sei sie etwa ein halbes Jahr in Lübeck als Schauspielerin tätig gewesen.

Vors.: Herr v. Kayser soll Sie dort häufig besucht haben?

Zeugin: Etwa alle drei Wochen.

Vors.: Sie sollen damals sehr reiche Toiletten getragen haben?

Zeugin: Nein, wenigstens nicht auffallend.

Vors.: Es wird behauptet, daß Herr v. Kayser Ihnen damals einen regelmäßigen Zuschuß von monatlich 150 bis 200 Mark gegeben habe.

Zeugin: Der Zuschuß war kein regelmäßiger.

Vors.: Als Sie wieder nach Berlin kamen, haben Sie eine Wohnung in der Lüneburger Straße bezogen.

Zeugin: Ja.

Vors.: Wer hat die Wohnung eingerichtet?

Zeugin: Ich allein von meinem Gelde. Ich hatte damals bei der Deutschen Bank ein Depot und habe dort noch heute ein Konto. Ich habe die Mobilien selbst bei Pfaff für 4000 Mark gekauft. Die Zeugin bekundete weiter, daß sie in der Lüneburger Straße zusammen mit Herrn v. Kayser gewirtschaftet habe. Er habe ihr einige Monate hindurch monatlich 400 Mark Wirtschaftsgeld gegeben. Die Wohnung habe 1500 oder 1600 Mark gekostet, und von den 400 Mark mußte sie Miete und Wirtschaftsunkosten bestreiten. Herr v. Kayser habe ihr keineswegs große Geschenke gemacht, an ihrem Geburtstage habe er ihr allerdings eine Brillantbrosche und zu[202] Weihnachten einen Brillantring geschenkt. Die Brosche schätzte sie auf 400, den Ring auf 350 Mark. Am 1. Oktober habe sie die Gemeinschaft mit Herrn v. Kayser aufgegeben und sei zu ihrer Schwester gezogen. Wenn Herr v. Kayser durch Spielverlust in Verlegenheit geraten sei, habe sie ihm mit Geld ausgeholfen; er habe gesagt, daß er sich auch an seine Mutter hätte wenden können. Zuletzt habe sie Herrn v. Kayser 3000 Mark geliehen, die sie von der Deutschen Bank abgeholt habe. Herr v. Kayser habe keinerlei großen Aufwand getrieben, sondern sehr einfach und bescheiden gelebt. Er habe auch keinen intimen Verkehr mit den beiden Mitangeklagten gehabt; den Namen Wolff habe sie nicht einmal gehört, geschweige denn den Mann gekannt.

Der Angeklagte v. Kayser richtete an die Zeugin die Frage, ob jemals in der Wohnung in der Lüneburger Straße gespielt worden sei.

Zeugin: Nein, niemals!

v. Kayser: Ist der Zeugin bei ihrer Vernehmung gesagt worden, ich hätte bereits gestanden, mit Herrn Wolff sehr intim gewesen zu sein?

Zeugin: Das hat mir Landgerichtsrat Herr gesagt.

Es wurden hierauf mehrere Offiziere vernommen, die bisweilen mitgespielt haben, v. Puttkamer bekundete, dete, daß Herr von Kröcher einmal einen »sehr netten Herrn«« avisiert hatte, den er in das Savoyhotel mitbrachte und als Herrn Wolff vorstellte. Wolff habe den Eindruck eines anständigen Mannes gemacht, zudem sei er ja durch v. Kröcher sanktioniert worden, so daß Verdacht gar nicht erregt werden konnte. Der Zeuge bezifferte seine Spielverluste im ganzen auf 10000 M., die er aber nicht an die Angeklagten allein verloren habe. Besondere Beziehungen zwischen v. Kröcher und Wolff habe er nicht beobachtet, er könne aber bestätigen, daß Wolff bei dem Eröffnungsdiner bei einem ganz erheblichen Gewinn die Hälfte in die Pinke gelegt habe.

Angeklagter v. Kröcher: Ist der Zeuge nicht der Ansicht, daß das Märchen, ich hätte von einem verstorbenen Prinzen eine enorme Summe gewonnen, mich in den fälschlichen Verdacht gebracht hat, ein gewerbsmäßiger Spieler zu sein?

Zeuge: Das Gerücht über den Gewinn ist auch mir zu Ohren gekommen. Ich habe Herrn v. Kröcher gefragt, ob etwas Wahres daran sei, er hat mir die Sache ganz anders dargestellt. Nach seiner[203] Auffassung habe er mit dem Koburger zusammen gegen einen Dritten gespielt, und dabei sei der Koburger bei ihm in die Kreide geraten.

Oberstaatsanwalt: Mir ist von authentischer Stelle mitgeteilt worden, daß jenes Gerücht auf Klatsch beruht, ruht, daß Se. Königliche Hoheit so enorme Summen nie verloren hat und sich der höchste Verlust auf 3000 Mark beziffert. Ich halte diese Richtigstellung im Interesse des Andenkens Sr. Königlichen Hoheit für notwendig.

Zeuge Freiherr Ernst v. Gersheim, der seit 2 1/2 Jahren allem Spiel vollständig fernstand, gab als Grund des Auszuges aus dem Viktoriahotel an, daß der Wirt das Spiel nicht mehr erlauben wollte. Große Gewinne und Verluste seien nicht vorgekommen, bald habe der eine, bald der andere »bluten« müssen. Aufgefallen sei ihm nichts. Der ihm wohlbekannte v. Kayser habe stets ein einfaches Leben geführt.

Auch diesem Zeugen wurde seine frühere Aussage vorgehalten, worin es hieß: »v. Kayser habe über seine Verhältnisse gelebt.«

Zeuge: Er habe es nur auf die Spielverluste bezogen. Auch in einem Brief an Herrn v. Manteuffel vom März 1899 hatte Zeuge gesagt, v. Kayser habe Ausgaben gemacht, die seine Zulage bedeutend überschritten. Er habe das nur auf das Spiel bezogen; seine Aussage sei auch nicht so aufgenommen worden, wie er sie gemeint habe.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt hielt dem Zeugen einen von ihm geschriebenen Brief an v. Kayser vor, in welchem er sein größtes Erstaunen darüber ausdrückte, daß v. Kröcher verhaftet werden konnte. Der Zeuge erwiderte, daß er niemals auch nur im entferntesten daran gedacht habe, daß so etwas kommen konnte.

Justizrat Dr. Sello: Haben Sie geglaubt, daß v. Kayser seine Lebensbedürfnisse zum größten Teil aus seinen Spielgewinnen bestreiten mußte?

Zeuge: Nein; natürlich wird er, wenn er eine größere Summe gewonnen hatte, auch mal mehr ausgegeben haben. Das tut schließlich jeder.

Graf Botzing: Er war durch einen Herrn von der österreichischen Botschaft vor 9 Jahren in die Spielergesellschaft eingeführt. Er habe Verluste bis zu 5000 Mark gehabt. Etwas Verdächtiges habe er nicht bemerkt. Wolff sei ein freundlicher Herr gewesen, der viel von seinen Reisen in Japan und China erzählt habe.

[204] Vors.: Im Zuchthause ist er auch gewesen, davon hat er wohl nichts erzählt?

Zeuge: Nein. (Heiterkeit.)

Vors.: Sie haben früher einmal gesagt, daß in einem Falle, wo Sie mit v. Kröcher zusammen gegen Wolff gespielt haben und erheblich verloren, v. Kröcher durch seine sehr hohen Sätze Sie nur verleiten wollte, auch hoch zu setzen.

Zeuge: Ich habe dies in verdächtigem Sinne nicht gesagt.

v. Kröcher ließ sich bestätigen, daß der Zeuge dasselbe getan habe, was ihm (v. Kröcher) zum Vorwurf gemacht werde, nämlich daß Zeuge, der Rechtskandidat sei, ihm wiederholt während des Spiels Geld geliehen habe, damit er weiterspielen könne.

Am achten Verhandlungstage erklärte Oberkellner Montagli auf Befragen, daß Wolff immer den Eindruck eines Gentleman gemacht habe, und daß er (Zeuge) erst nach Erscheinen des Artikels im »Berliner Tageblatt« die Äußerung getan habe: Wolff sei eigentlich »zu nett« gewesen, um anständig sein zu können.

Es wurden alsdann mehrere junge Offiziere und Beamte vernommen. Ihre Aussagen fielen wenig oder gar nicht belastend gegen die Angeklagten aus, warfen aber manch grelles Licht auf den Leichtsinn der jungen Männer, die, ohne mit der Wimper zu zucken, ganze Vermögen am Spieltische vergeudeten. Die Zeugen stimmten darin überein, daß v. Kröcher nicht die Rolle des »Schleppers« zu den Spielabenden gespielt habe, sondern daß man von Kamerad zu Kamerad sich erzählte, wo an den einzelnen Abenden gejeut wurde. v. Kröcher hatte viel gewonnen, aber auch manchmal viel verloren, v. Kayser hatte gleichfalls wiederholt verloren und nach der Bekundung mehrerer Zeugen glatt reguliert, v. Schachtmeyer war an den Spielabenden wenig in die Erscheinung getreten. Es ergab sich weiter aus den Zeugenaussagen, daß bis zur Übersiedlung in das Zentralhotel Dr. Kornblum gewissermaßen die Führung der Spielgesellschaft hatte. Ein junger Offizier aus der Provinz erklärte ganz unbefangen, daß er wiederholt mit 600 bis 700 Mark in der Tasche zu den Renntagen herübergekommen sei, sich an den Jeuabenden beteiligt habe und wieder abgezogen sei, wenn er sein Geld verloren hatte.

Angeklagter v. Kröcher ließ sich von diesem Zeugen bestätigen, daß er ihn in Monte Carlo »kolossal[205] hoch« und »furchtbar wild« Trente et quarante habe spielen und gewinnen sehen. Der Zeuge bemerkte: Er habe an einem solchen Abend in Monte Carlo 8-10000 Francs als Gewinn im Besitze v. Kröchers gesehen.

Student Graf Stosch: Er habe einmal im Deutschen Hause in Potsdam 25000 Mark an v. Kröcher und einen Herrn v. Schrader verloren; er habe als damaliger Offizier der Potsdamer Garnison auch sonst mehrfach im Deutschen Hause in Potsdam gespielt, u.a. auch mit dem Prinzen Koburg. Auf Befragen des Rechtsanwalts Dr. Schwindt erklärte dieser Zeuge, daß er bis zu seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter keineswegs der Ansicht war, daß die Angeklagten unfair gespielt hätten. Als er aber nach seiner Vernehmung das Zimmer des Untersuchungsrichters verlassen, habe er durch die Art und Weise der Fragestellungen das Gefühl gehabt, daß er in der Tat beim Spiele Gaunern in die Hände gefallen und gerupft worden sei. Es sei beispielsweise stark betont worden, daß schon Anzeichen des Falschspielens vorliegen, ebenso sei gesagt worden, v. Kröcher habe schon zugegeben, daß er immer gewonnen habe. Er (Zeuge) habe hiergegen sofort protestiert und gesagt, daß er selbst Herrn v. Kröcher einmal 10000 Mark habe verlieren sehen. Durch diese Bemerkung sei anscheinend der Untersuchungsrichter enttäuscht gewesen. Als er aber dann hinzusetzte, daß v. Kröcher auch häufig viel gewonnen, habe der Untersuchungsrichter eine Miene gemacht, als ob ihm diese Bekundung genehmer wäre. Er habe gefürchtet, daß mit Rücksicht auf diese Fragestellungen seine Aussage unwillkürlich eine bestimmte Färbung bekommen haben könnte und habe sich deshalb nach zwei Tagen wieder zu dem Untersuchungsrichter begeben. Er habe sich das Protokoll nochmals vorlesen lassen und sich dadurch überzeugt, daß alles so aufgenommen worden sei, wie er ausgesagt habe.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Wenn Sie sich davon überzeugt haben, so trifft also das Protokoll auch nicht den geringsten Vorwurf!

Rechtsanwalt Dr. Schwindl: Ein solcher soll auch gar nicht erhoben werden. Es wird durchaus zugegeben, daß das Protokoll die Antworten des Zeugen auf die an ihn gerichteten Fragen absolut richtig wiedergegeben gegeben hat, aber[206] es wird angenommen, daß der Herr Untersuchungsrichter bei seiner Fragestellung vielleicht selbst präokkupiert war – durch wen, sei dahingestellt – und schon, überzeugt war, daß die Angeklagten das seien, was ihnen erst bewiesen werden sollte.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel verwahrte den Untersuchungsrichter entschieden gegen den Vorwurf, daß er präokkupiert gewesen sei.

Wolff schilderten die meisten Zeugen als einen Herrn »von vollkommen tadellosen Allüren«, nur ein Zeuge erklärte, daß er keinen »Mumm« gehabt habe, gegen Wolff irgendeinen Coup zu halten. Wolff habe ein vornehmes, zurückhaltendes Wesen und ein großes Portemonnaie gehabt und im allgemeinen keinen Verdacht erregt.

Zeuge Leutnant a.D.v. Oetzel hatte einmal 30000 Mark an v. Kayser und v. Schachtmeyer verloren. Er war ein häufiger Gast an Spieltischen, nicht nur hier, sondern auch in Frankfurt und Monte Carlo, er habe mit wechselndem Glück gespielt, aber in Berlin »fast ausschließlich Pech gehabt«, denn er sei »fast nie mit irgend etwas aus dem Lokal gegangen«. Er habe vor dem Untersuchungsrichter ausgesagt, daß »die Bank, die die drei Angeklagten hielten, niemals aufgeflogen sei«. Er erklärte jetzt, daß er sich irrtümlich so ausgedrückt haben müsse, es aber jedenfalls nicht so gemeint meint habe. Auf eine Frage des Rechtsanwalts Dr. Pincus I gab Zeuge v. Oetzel zu, daß ihm der Angeklagte v. Schachtmeyer einmal dringend nahegelegt habe, im Spiel mit ihm nicht so hoch zu setzen. Er habe darauf erwidert: »Kavalier hält alles!« Er habe die Termine zur Regulierung innegehalten, bis auf den letzten.

v. Kayser: Beim letzten Termine begründete der Zeuge die Nichtzahlung damit, daß der Artikel im »Berliner Tageblatt« erschienen sei, worauf ich ihm antwortete: Diese Begründung verbitte ich mir, können Sie nicht zahlen, so bin ich gern bereit, einen späteren Termin anzusetzen.

Der Zeuge gab zu, daß er dem Angeklagten v. Kayser noch 4000 Mark schulde.

Ein Zeuge hatte vor dem Untersuchungsrichter ausgesagt, daß v. Kayser ihn wegen Bezahlung von Spielschulden arg »getreten« und ihm wiederholt gedroht habe, sich evtl. an seinen Kommandeur zu wenden.

Justizrat Dr. Sello ließ sich durch diesen Zeugen bestätigen,[207] daß dieser »Tretbrief« in demselben Ton gehalten gewesen sei wie ähnliche Briefe des Zeugen an v. Kayser. Er habe ihm dies sogar direkt gesagt und den alten Satz befolgt: »Wie du mir, so ich dir!«

Untersuchungsrichter Landgerichtsrat Herr ließ sich hierauf über einzelne Punkte des Protokolls aus, zunächst bezüglich des Zeugen v. Gersheim. Er wiederholte mit Nachdruck, daß mit den Zeugen der Wortlaut sofort ganz genau in eingehender Beratung fixiert wurde, sobald auch nur aus den Gebärden der Zeugen die Annahme auftauchte, daß ein Irrtum obwalten könnte. Dies sei auch beim Zeugen v. Gersheim geschehen.

Zeuge v. Gersheim: Er habe nach allem, was ihm gesagt worden war, die Sache so aufgefaßt, daß es sich um notorische Falschspieler handele.

Landgerichtsrat Herr (zum Zeugen): Habe ich eine Äußerung gemacht, daß Sie so etwas annehmen konnten? Ich bestreite das aufs allerentschiedenste.

Zeuge v. Gersheim gab als richtig zu, zu Protokoll gegeben zu haben: Aus der Bekanntschaft mit Herrn v. Kayser weiß ich, daß er so gut lebte, daß im allgemeinen angenommen wurde, er lebe über seine Verhältnisse. Er habe dies aber nur auf v. Kaysers Aufwendungen beim Spiel bezogen.

Oberstaatsanwalt: Dann muß der Zeuge doch zugeben, daß, wenn überhaupt ein Irrtum vorliegt, das Mißverständnis lediglich auf seiner Seite liegt, nicht aber auf seiten des Untersuchungsrichters.

Der Zeuge blieb dabei, daß er ein besonders luxuriöses Leben des Herrn v. Kayser nicht habe zum Ausdruck bringen wollen.

Landgerichtsrat Herr: Er habe die Aussagen so niedergeschrieben, wie sie gemacht wurden und zweifellos auch gemeint waren.

Vors.: Herr Untersuchungsrichter, es handelt sich nun noch darum, daß der Zeuge v. Stosch behauptet, er sei durch Sie zu der Ansicht gebracht worden, daß er Gaunern in die Hände gefallen sei.

Zeuge v. Stosch blieb dabei, daß er aus der ganzen Fragestellung und den Äußerungen des Untersuchungsrichters die Auffassung bekommen habe, das Falschspiel sei schon erwiesen.

Landgerichtsrat Herr: Ich habe die Aussage auch dieses Zeugen auf das gewissenhafteste aufgenommen, ihm selbstredend gesagt, um was es sich handelt und daß gewerbsmäßiges[208] Spiel in Frage stehe. Auch der Sachverständige hatte ihm natürlich gesagt, worauf besonders Gewicht gelegt werde, es ist aber entschieden nicht gesagt worden, daß Falschspiel schon erwiesen sei. Ich kann mit Bestimmtheit sagen, daß ich dem Zeugen solche Mitteilungen oder Belehrungen aus den Akten nicht gemacht habe, aus denen er zu seiner Auffassung kommen konnte.

Zeuge v. Stosch blieb dabei, daß er durch die Art der Fragestellung zu der Auffassung gekommen sei.

Landgerichtsrat Herr: Das ist dann ein Mißverständnis, welches ich bedauere, aber für unmöglich halte.

Justizrat Dr. Sello: Gegen die im letzten Satze enthaltene haltene Unterstellung muß ich den Zeugen, der einen Eid geleistet hat, in Schutz nehmen.

Oberstaatsanwalt: Auch Landgerichtsrat Herr hat den Zeugeneid geleistet. Zeuge v. Stosch hat auch gesagt, daß sich Ihre Miene, Herr Landgerichtsrat, verdüstert hätte, wie er von den Verlusten des Herrn v. Kröcher sprach und wieder erhellte, als er von den Gewinnen v. Kröchers sprach.

Zeuge Herr: Davon ist mir durchaus nichts bekannt.

Auf Befragen eines Beisitzers erklärte Landgerichtsrat Herr: In einem gewissen Moment war er allerdings persönlich der Überzeugung, daß in einem Falle gegen v. Kayser der dringende Verdacht des Betruges vorlag. Er habe aber keineswegs gesagt, daß der Betrug schon erwiesen sei.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel wünschte noch weitere Auskunft vom Untersuchungsrichter, ob nicht einzelne zweifellos in die Protokolle gekommene Mißverständnisse über Spielusancen auf irrige Mitteilungen des damaligen Sachverständigen v. Manteuffel zurückzuführen seien.

Rechtsanwalt Dr. Pincus I erklärte, daß sein Klient nicht solche Frage an den Untersuchungsrichter gerichtet wissen wolle. Nach seiner Meinung seien die subjektiven Auffassungen des Untersuchungsrichters in dem Vorverfahren ohne Bedeutung, denn es käme lediglich darauf an, was die Hauptverhandlung ergäbe.

Vors.: Diese Ansicht teilt auch der Gerichtshof.

Auf Befragen des Oberstaatsanwalts bestritt der Untersuchungsrichter entschieden, »präokkupiert« gewesen zu sein. Er sei stets bestrebt gewesen, jedes Mißverständnis auszuschließen, aber auch mit allen gesetzlichen Mitteln vollständige und[209] wahrheitsgetreue Aussagen zu erhalten.

Justizrat Dr. Sello: Auch er lege auf die Aufklärung etwaiger Mißverständnisse und Ungenauigkeiten in der Voruntersuchung keinen Wert, desto größeren Wert aber auf die Ergebnisse der Hauptverhandlung.

Vors.: Namens des Kollegiums spreche ich den dringenden Wunsch aus, daß die Protokolle nicht weiter in Erörterung gezogen werden.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Das werden wir sehr gern tun.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt: Wir haben den Herrn Untersuchungsrichter doch gar nicht hierher zitiert.

Der hierauf vernommene Zeuge v. Reccum sagte nichts Ungünstiges über die Angeklagten aus. Allerdings habe er in der Voruntersuchung gesagt, Herr v. Kayser pflegte zu »senken«. Dies täten aber auch andere Spieler. Herr v. Kayser sei bei der Regulierung nicht auffallend säumig gewesen, v. Kröcher kenne er als einen, wohlerzogenen, anständigen Mann, v. Schachtmeyer sei im Spiel keineswegs irgendwie hervorgetreten, ihn habe es sogar amüsiert, als v.S. eines Abends mit zitternder Hand 10 Mark setzte. Wolff habe er für einen reichen Herrn gehalten und als weltgewandten und kunstverständigen Menschen kennengelernt. Er habe nicht gesehen, daß Wolff sich stets besonders an die Angeklagten herangedrängt habe. Er habe im ganzen gegen 30000 Mark verloren. Nach seiner Ansicht sei v. Kröcher leicht zu führen, und es sei bedauerlich, daß er nicht in andere Hände gefallen, sondern durch den leichtsinnigen Verkehr immer mehr in seiner Spielleidenschaft bestärkt worden sei. Er habe den bekannten Brief des Grafen Königsmarck nicht als »scherzhaft« aufgefaßt. v. Kröcher habe auch sehr ernst mit ihm darüber konferiert, was er dagegen tun solle und gesagt, er könne die von ihm schon geplante Reise nach der Riviera nicht unternehmen, bevor diese Angelegenheit geordnet sei. v. Kröcher habe nun nicht etwa infolge des Briefes Berlin verlassen. Vorher hätten sie gemeinschaftlich eine geharnischte Erwiderung auf den Brief aufgesetzt, und als darauf keine Antwort erfolgte, habe er Herrn v. Kröcher geraten, nunmehr seine Reise anzutreten.

Auf eine Frage des v. Kröcher bestätigte der Zeuge, daß beispielsweise Herr v. Wrede, der ein sehr vornehmer und hochanständiger[210] Spieler sei und »jeden Coup« hielt, mit mehr Glück gespielt habe als alle drei Angeklagten.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt: Ist es vorgekommen, daß Sie mit anderen Herren zur Unterhaltung auch gar nicht um Geld gespielt haben, sondern um alle möglichen anderen Dinge, wie Ofenvorsätze, Sektbecher, Schnapsbecher, Dedikationen usw.?

Zeuge: Jawohl, das haben auch die Angeklagten bisweilen getan.

Graf von und zu Egloffstein (aus der Untersuchungshaft vorgeführt) bekundete als Zeuge: Er könne nicht sagen, daß v. Kröcher besonderen Aufwand getrieben habe; er sei vielmehr ein »sehr genauer Wirt«. Der Zeuge war einer der Gründer des Klubs, zu dessen Gründung v. Kröcher die Initiative ergriffen habe, um größere Garantie gegen das Eindringen unbequemer Elemente zu haben. Der Klub sollte nicht ausschließlich ein Spielklub sein. Ein gegliedertes Direktorium mit speziellen Funktionen für den einzelnen habe es nicht gegeben, es sei auch nicht richtig, daß v. Kayser besondere Direktiven für die Einladungen gegeben habe. Die Einladung des Wolff sei auf den Wunsch des Herrn v. Kröcher zurückzuführen, welcher etwaige Bedenken durch die Bemerkung zerstreute, daß Rittmeister Giesing mit Wolff befreundet sei. Das ganze Verhalten Wolffs konnte durchaus keinen Verdacht erregen. Zeuge Graf Egloffstein bekundete dann noch einen Vorfall, den ihm Baron v. Galy erzählt habe und der ein schlechtes Licht auf v. Kröcher werfen sollte. Danach soll Herr v. Galy eines Abends, um Herrn v. Kröcher die von diesem übernommene Bank abzunehmen, ein großes Paket blauer Scheine auf eine Karte gesetzt haben. Herr v. Galy will dann gefragt haben, ob Herr v. Kröcher die Bank halten wolle. Letzterer habe dies bejaht, nachdem er durch eine geschickte Beugung des Körpers die entscheidende Karte angesehen habe.

v. Kröcher erklärte dies für durchaus erfunden und ein solches Ansehen der Karten für eine technische Unmöglichkeit. Auch der Zeuge v. Reccum, ein Teilnehmer an dem fraglichen Spiel, trat der Behauptung des Barons v. Galy entschieden entgegen. Die ganze Gesellschaft habe damals dagegen protestiert, daß Baron v. Galy den Einsatz zurückziehen wollte.

Angeklagter [211] v. Kröcher: Baron v. Galy gehöre zu denjenigen Personen, die nach dem Erscheinen des Tageblattartikels aus Berlin weggegangen seien.

Zeuge Graf Egloffstein bekundete noch: v. Kröcher habe, als er Pferde und Wagen hielt, Rennpferde laufen ließ und in der Hohenzollernstraße wohnte, einen Luxus getrieben, den er (Zeuge) in der Voruntersuchung »kolossal« genannt habe. Zur Zeit der Begründung des Klubs habe v. Kröcher seine Lebenshaltung ganz bedeutend eingeschränkt.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt kämpfte nachdrücklich gegen die Berechtigung des Ausdrucks »kolossal«. Auf Befragen erklärte Graf v. Egloffstein, daß v. Galy nach dessen Behauptung im ganzen 100 bis 120000 Mark verloren habe.

Nach einer Behauptung des Herrn v. Galy soll v. Kröcher diesem folgendes zugestanden haben: Er habe nach Erscheinen des Artikels Herrn Wolff den dringenden Rat gegeben, sich einige Zeit fernzuhalten, da der Verdacht des Falschspiels gegen ihn aufgetaucht sei.

v. Kröcher bestritt dies entschieden und bekämpfte wiederholt die Glaubwürdigkeit des Barons v. Galy.

Zeuge Graf Egloffstein erklärte, daß die Gattin des österreichischen Botschafters die Kusine des Herrn v. Galy sei. Der Zeuge betonte zum Schluß auf eine bezügliche Frage, daß sein Abschied vom Militär seinerzeit auf sein Gesuch zum Zwecke der Auswanderung erfolgt sei.

Am neunten Verhandlungstage bemerkte der Vorsitzende: Vom Generalkommando des Gardekorps sei ein Schreiben eingegangen, in welchem General v. Bock anzeige, daß er Anstand nehmen müsse, aus den Personalakten des Gardekorps Mitteilungen zu machen. Es bezieht sich dies auf die Frage, aus welchem Grunde der Angeklagte v. Kröcher aus dem aktiven Dienst geschieden ist.

Angeklagter v. Kröcher gab anheim, daß, wenn den Angaben seines Vaters nach dieser Richtung hin nicht der genügende Glaube beigemessen werden sollte, seinen damaligen Regimentskommandeur zu laden. Übrigens sei es ja Aufgabe des Staatsanwalts, ihm zu beweisen, daß seine Angaben nicht richtig seien.

Die als Zeugin vorgerufene Frau Kriedemann war die Portierfrau, zu welcher der Kammerdiener Mayer einmal gesagt haben sollte, er habe von Herrn v. Kröcher mehr[212] Geld bekommen, als er zu beanspruchen hatte. Die Zeugin bekundete gerade das Gegenteil: Der Kammerdiener Mayer habe ihr gesagt, er habe mehr zu beanspruchen, als er erhalten habe. Zeuge Mayer bestätigte dies. Bei dieser Gelegenheit wurde der Zeuge Mayer über das Zustandekommen eines Protokolls vernommen, welches Kommissar v. Manteuffel mit ihm aufgenommen hatte. Das Protokoll zeigte nachträgliche Einschiebungen mit blauer Tinte. Wie diese veranlaßt und gemacht worden sind, war Gegenstand des Streites zwischen dem Zeugen und v. Manteuffel. Letzterer trat wütend auf den Zeugen Mayer zu, musterte ihn mit zornigem Blick und rief mit energischer Stimme dazwischen: »Das ist die komplette Unwahrheit, was der Zeuge sagt!« Durch weiteres Befragen wurde festgestellt, daß bei der Protokollierung alles vollständig ordnungsmäßig zugegangen sei. Nach dem Protokolle soll der Zeuge Mayer ausgesagt haben, v. Kröcher habe auf einer Reise eine Roulette und Karten im Koffer bei sich geführt. Zeuge Mayer bestritt, von einer Roulette gesprochen zu haben, er habe nur gesagt, daß Karten im Koffer gewesen seien. v. Manteuffel blieb dabei, daß der Zeuge genau das gesagt habe, was im Protokoll stehe.

Vors.: Zeuge Mayer, besinnen Sie sich doch! Es wäre doch eine Gewissenlosigkeit sondergleichen, wenn Herr v. Manteuffel etwas ins Protokoll schreiben würde, was nicht gesagt worden ist.

Zeuge: Er wisse nicht, wie er dazu hätte kommen sollen, von einer Roulette zu sprechen, da doch eine solche nicht im Koffer gewesen sei.

Vors.: Sind Sie vielleicht bei Ihrer Vernehmung nicht ganz zurechnungsfähig gewesen?

Zeuge: Ganz zurechnungsfähig.

v. Manteuffel blieb dabei, daß der Zeuge genau das gesagt habe, was im Protokoll stehe.

Bei der weiteren Vernehmung des Zeugen Mayer kam es zu einem heftigen Zusammenstoß zwischen dem Vorsitzenden und dem Verteidiger R.-A. Dr. Schachtel. Als nämlich der Oberstaatsanwalt Zwischenfragen an den Zeugen richtete, verlangte Rechtsanwalt Dr. Schachtel, daß der Zeuge zunächst im Zusammenhange sich aussprechen solle. Nach sehr lebhaften Ausführungen und Gegenausführungen über diese Frage erklärte der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor rektor Denso, nachdrücklichst,[213] daß er sich vom Verteidiger Vorschriften über die Leitung der Verhandlung nicht machen lasse und im Wiederholungsfalle eine Ordnungsstrafe veranlassen werde.

J.-R. Dr. Sello schloß die etwas erregte Erörterung über diesen Punkt mit der Erklärung ab, daß es der Verteidigung gänzlich ferngelegen habe, in die Befugnisse des Vorsitzenden, einzugreifen. Das Ersuchen des R.-A. Dr. Schachtel sei durch die Tatsache hervorgerufen worden, daß der Oberstaatsanwalt wiederholt derartige Zwischenfragen der Verteidigung als unzulässig bezeichnet habe.

Ein ehemaliger Offizier, der hierauf als Zeuge vernommen wurde, bekundete: Er habe bei seinen zahlreichen Spielen mit den Angeklagten nicht das geringste bemerkt, was unfair gewesen wäre. Auch er habe vielfach gewonnen, aber noch öfter verloren; er habe seinerzeit 100000 M. geerbt. Er bestätigte eine Frage des Vorsitzenden, daß der größte Teil dieses Geldes auf den Spieltischen geblieben sei. Auch in der Regulierung der Spielschulden sei ihm nichts aufgefallen, die Regulierung sei pünktlich erfolgt.

Aus den weiteren Bekundungen dieses Zeugen war hervorzuheben, daß er an einem Spielabend auch an einen Regierungsassessor 10000 Mark verloren habe. Das Spielen habe oft die ganze Nacht hindurch, nicht nur bis zum nächsten Morgen, sondern auch bisweilen len bis zum nächsten Mittag, manchmal sogar bis zum nächsten Abend gedauert.

Cand. med. v. Janta wurde von dem Angeklagten v. Kayser als ein Herr bezeichnet, der ihm feindselig gesinnt sei. Der Zeuge bestritt dies, gab aber zu, daß ihm v. Kayser nicht sympathisch sei, weil er rigoros bei der Einziehung von Spielschulden gewesen sei.

Zeuge v. Janta berichtete von einem Spielabend, an welchem 30 bis 40000 M. im Zentralhotel verloren worden seien. In wessen Tasche das Geld geflossen, wisse er nicht; es habe jedoch der Glaube geherrscht, daß v. Kayser und v. Schachtmeyer die Hauptgewinner an jenem Abend gewesen seien.

Lebhaftes Eingreifen der Verteidiger und der Angeklagten rief die Darstellung des Zeugen v. Janta über einen Vorfall hervor, bei dem der Angeklagte v. Kayser beim Spiel mit dem Rittergutsbesitzer v. Wrede angeblich nicht ehrlich vorgegangen sein soll, indem er als Bankhalter[214] seine Points falsch angegeben und dann die Karten schnell weggeworfen haben soll. Er (Zeuge) habe dabei den Eindruck gehabt, daß es sich um einen Irrtum nicht handele, er sei fest überzeugt, daß auch er sich in seiner Wahrnehmung nicht geirrt habe. Er habe aber, weil er nicht genaue Beweise hatte – nicht sofort Protest erhoben, sondern erst etwas später Herrn v. Kröcher interpelliert, ob er nicht eine gleiche Wahrnehmung gemacht habe. v. Kröcher habe gesagt, es sei ihm beinahe auch so vorgekommen, er möge aber die Sache auf sich beruhen lassen.

v. Kröcher: Er habe dabei den Gedanken gehabt, daß er bei seinem flüchtigen Blick auf die Karten sich noch eher geirrt haben könne, wie Herr v. Kayser. Letzterer protestierte entschieden gegen den hier erhobenen Vorwurf. Er machte darauf aufmerksam, daß das Spiel morgens gegen 9 Uhr nach durchwachter Nacht stattgefunden, daß es sich schlimmstenfalls um einen Irrtum handeln konnte, den aber Herr v. Wrede sicher auch bemerkt haben würde, und dessen sofortige Feststellung Pflicht des Zeugen gewesen wäre.

Der Sachverständige Graf Reventlow trat dem Angeklagten darin bei, daß nur bei einer sofortigen Intervention eine Klarstellung der Sachlage möglich gewesen wäre. Durch Demonstrationen an dem Zeugentisch, um welchen sich die Angeklagten v. Kayser, v. Kröcher und der Zeuge gruppierten, wurde versucht, die Sachlage nachträglich festzustellen, was jedoch nicht gelang. Die Angeklagten und ihre Verteidiger bemerkten, daß das, was der Zeuge v. Janta behauptet, sehr unwahrscheinlich, wenn nicht unmöglich sei. Der Zeuge blieb bei seiner Schilderung des Vorganges. Es sei ihm auch aufgefallen, daß an einem Abend, an welchem Wolff mitspielte, die Karten gebogen waren und daß auf seine ins allgemeine gerichtete tete Frage Wolff den Erklärungsgrund gab.

Auf Befragen des J.-R. Dr. Sello gab der Zeuge zu, auch in Ostende und Monte Carlo gespielt und an manchen Spielabenden erhebliche Summen gewonnen zu haben. Er habe auch von Wolff sich vorübergehend mit Summen bis zu 5000 M. aushelfen lassen.

Rittergutsbesitzer v. Wrede: Er könne Nachteiliges gegen die Angeklagten nicht aussagen. Er habe auch während des fraglichen Spiels an dem[215] Abend, an welchem der vom Zeugen v. Janta geschilderte Vorfall passiert sein soll, absolut nichts Verdächtiges bemerkt. Er habe sich natürlich darauf verlassen, daß v. Kayser die richtigen Points ausgab; würde er in dieser Beziehung irgendwelchen Verdacht gehabt haben, dann hätte er natürlich überhaupt mit jenen Herren nicht gespielt.

Es wurde alsdann festgestellt, daß der Zeuge v. Janta einmal – lediglich um Bankhalter werden zu können – »banque ouverte« angesagt hatte, wodurch er erreichte, daß sein Gebot allen anderen Geboten vorging. Einige Fragen der Verteidiger zielten dahin, darzutun, daß dieselben Momente, die gegen die Angeklagten als Indizien für gewerbsmäßiges Glücksspiel geltend gemacht wurden, auch bei den meisten der übrigen jugendlichen Teilnehmer an den Spielabenden zutreffen und daß auch diese größeren Spielgewinne nicht auf die hohe Kante gelegt, sondern zu Luxusausgaben, zur Bezahlung von Spielschulden usw. verwendet wurden. Speziell bezüglich des Zeugen v. Janta wurde hervorgehoben, daß dieser auch keinen sehr hohen Wechsel hatte und doch Banken bis zu 10000 M. hielt.

Der als Vertreter der Deutschen Bank vorgeladene Zeuge Krüger gab an der Hand des Kontoauszuges Auskunft über die für das Konto der Frau Frieda Voigt im Laufe der Jahre stattgehabten Einzahlungen und Auszahlungen und der vom Angeklagten v. Kayser gemachten Einzahlungen. Es ergab sich auf beiden Seiten eine stattliche Reihe von Zahlen, ferner die Tatsache, daß im Laufe dieses Jahres noch, d.h. nach der Verhaftung des Angeklagten v. Kayser Frau Frieda Voigt 11350 M. eingezahlt hatte.

v. Kayser suchte als Ergebnis dieses Kontos die Tatsache festzustellen, daß Frau Frieda Voigt im Laufe der Zeit ca. 14000 M. direkt zur Bezahlung seiner Spielschulden geliehen und er nach und nach zur Abtragung seiner Schuld an Frau Frieda Voigt im ganzen 16000 M. zurückgezahlt habe. Die Differenz von 2000 M. erkläre sich daraus, daß dies eine Summe sei, die ihm nicht durch die Bank zugeschickt, sondern von Frau Frieda Voigt persönlich abgehoben und ihm gegeben worden sei.

Vors.: Sollte es sich nicht doch vielleicht um Spielgewinne handeln, die Sie versteckt auf das Frieda Voigtsche[216] Konto und dadurch in Sicherheit brachten?

Angekl. von Kayser: Ich bestreite das ganz entschieden.

J.-R. Dr. Sello: Die hier soeben laut gewordene Schlußfolgerung ist für das Schicksal des Angeklagten v. Kayser von so großer Wichtigkeit, daß die Verteidigung auf Grund des § 245 der Strafprozeßordnung den Antrag stellen muß, ihr Gelegenheit zu geben, diese heute hier vorgebrachten, zweifellos neuen Tatsachen zu prüfen und zu diesem Zweck die Verhandlung auf einen Tag zu unterbrechen.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel bestritt, daß diese Tatsachen »neu« seien; sie seien schon vor einigen Tagen diskutiert worden.

R.-A. Dr. Schachtel: Für den Herrn Oberstaatsanwalt ist die Tatsache allerdings nicht neu, denn er hat den Kontoauszug schon heute früh vor der Sitzung gesehen, wir erfahren diese neue Tatsache erst in der dritten Nachmittagsstunde.

J.-R. Dr. Sello: Die Tatsache, daß das Konto bei der Deutschen Bank bestand, ist allerdings nicht neu, aber die einzelnen Posten des Kontos sind neu.

Der Gerichtshof beschloß, den Wünschen der Verteidigung nachzukommen und zum Zwecke der Kenntnisnahme von den einzelnen Posten des Kontos demnächst die Verhandlung auf einen Tag zu vertagen.

Leutnant a.D. Graf Schwerin: Er habe im Klub dauernd verloren. Er beziffere seinen Verlust auf 15000 M. Hauptsächlich habe er an Wolff und v. Schachtmeyer verloren. Gegen Wolff habe er kein Mißtrauen gehabt; Wolff habe immer den Eindruck eines gebildeten Lebemannes gemacht. Anfangs November 1898 habe er Herrn v. Kayser einmal gefragt, was Wolff sei und die Antwort erhalten: »Sie sehen ja, er ist Pointeur.« Er habe in einem Briefe, in welchem er eine Reihe von Fragen des Herrn v. Manteuffel beantwortete, auch gesagt, »mit Ausnahme von Wolff, von Schachtmeyer und v. Kayser habe niemand einen Pfennig gewinnen können«. Er könne diese damals nicht beeidete Aussage nicht aufrechterhalten und gebe zu, daß er diese Verdächtigung etwas leichtfertig ausgesprochen habe. Er könne nur aufrechterhalten, daß er die Angeklagten einmal beim Spiel habe zusammensitzen sehen und es habe ihm geschienen, als wenn sie aus einer Kasse spielten.

Vors.: Es ist allerdings auffallend, daß Sie Ihre früheren Angaben[217] jetzt nicht mehr aufrechterhalten. Herr v. Manteuffel hat Ihnen doch völlig freie Hand gelassen, der Wahrheit gemäß auszusagen?

Zeuge: Ja.

Vors.: Sie haben auch früher gesagt, daß Sie den Verlust, den Herr v. Oetzel erlitten hat, auf etwa 50000 M. schätzen?

Zeuge: Jawohl, ich habe dies auch aus dem Munde v. Oetzels selbst gehört.

Angekl. v. Kayser: Herr v. Oetzel hat gestern unter seinem Eide gesagt, daß er nur etwa 4000 M. an mich verloren hat.

R.-A. Dr. Schachtel erklärte, daß die Verteidigung unter diesen Umständen den Zeugen v. Oetzel noch einmal laden müsse.

Vors.: Herr Graf, Sie sollen auch freundschaftlich mit Herrn Wolff verkehrt und ihn in seiner Wohnung besucht haben?

Zeuge: Ein näherer Verkehr zwischen uns hat nie bestanden, ich bin auch nur einmal in seiner Wohnung gewesen, um eine geschäftliche Angelegenheit zu erledigen.

J.-R. Dr. Sello: Haben Sie denn gesehen oder von anderen gehört, daß Herr v. Kayser mit Wolff verkehrte?

Zeuge: Nein, nur im Klub habe ich sie zusammen gesehen.

R.-A. Dr. Schwindt: Haben Sie Dr. Kornblum gekannt?

Zeuge: Ja, ich habe ihn in Nizza kennengelernt.

v. Kayser: Hat Dr. Kornblum damals nicht riesig in Monte Carlo gewonnen?

Zeuge: Er gewann dort in drei Tagen 20000 M., dann verlor er sie wieder und das Geld, das er mitgebracht bracht hatte, dazu.

Oberstaatsanwalt: Können Sie nicht etwas Näheres über Dr. Kornblum, über sein Wesen und seinen Charakter mitteilen?

Zeuge: Dazu kannte ich ihn zu wenig.

Oberstaatsanwalt: War er nicht ein sogenannter Schwätzer, mit dem die Phantasie leicht durchging, so daß er nicht sehr zuverlässig war?

Zeuge: Den Eindruck machte er allerdings.

Oberstaatsanwalt: War er nicht auch ein Mann, der gern über andere Personen schlecht sprach?

Zeuge: Ich habe nur bemerkt, daß er einmal über Herrn v. Kayser schlecht sprach, in welcher Art, weiß ich nicht mehr.

R.-A. Dr. Pincus I: Sie haben doch auch an andere Personen als an die Angeklagten verloren?

Zeuge: Gewiß.

Auf Anregung des Justizrats Dr. Sello gelangte ein Brief zur Verlesung, den Herr v. Manteuffel an den Grafen Münster richtete und der nach der Erklärung des v. Manteuffel denselben Wortlaut hatte, wie das[218] an den Zeugen gerichtete Schreiben. v. Manteuffel bat darin »als ehemaliger Offizier« um die Unterstützung des Adressaten in dieser Prozeßsache und ersuchte sodann um Beantwortung einiger Fragen.

Zeuge v. Manteuffel: Damit nicht wieder der Vorwurf gegen mich erhoben wird, als ob ich unter Bezugnahme zugnahme auf meine militärische Stellung Kameraden ausgeforscht hätte, erkläre ich folgendes: Im Einverständnis mit der Militärbehörde, mit dem Landgerichtsrat Herr und dem Oberstaatsanwalt Drescher ist mir erlaubt worden, Privatbriefe an die Herren zu schreiben und sie zu bitten, hierher zu kommen, da sich sonst die Voruntersuchung ins Unendliche ausdehnen würde. Ich habe also im Interesse dieser Herren und auch im kameradschaftlichen Interesse gehandelt.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Hatten Sie nicht den Auftrag, möglichst diskret und schonend Ihre Ermittelungen anzustellen, um kein Aufsehen zu machen?

v. Manteuffel: Allerdings.

R.-A. Dr. Schachtel: Das Verfahren des Herrn v. Manteuffel scheint dann doch nicht den Wünschen der Auftraggeber entsprochen zu haben, oder aber Herr v. Manteuffel hat keine Sachverständigenkenntnis, denn sonst würde er in seinen brieflichen Fragen nicht das Kaufen auf Sechs auch als verdächtig hervorgehoben!!!! haben. Nach der Bekundung des Sachverständigen, Grafen Reventlow, ist dies gar nicht verdächtig.

v. Manteuffel: Demgegenüber muß ich darauf hinweisen, ich habe nie behauptet, daß das Zukaufen auf Sechs ein Falschspiel erweise, sondern daß das regelmäßige mäßige Zukaufen von Zwei und Drei auf Sechs außerhalb des Bereiches der Möglichkeit liegt.

Vors.: Wann haben Sie Bakkarat kennengelernt?

v. Manteuffel: Schon als Offizier.

Vors.: Da haben Sie es praktisch kennengelernt. (Heiterkeit.)

Ingenieur James Murrey, aus Barbados in Westindien stammend und britischer Untertan, war seit 4 Jahren dauernd in Berlin und in die Spielerkreise hineingeraten. Er bekundete als Zeuge: Er habe vom Bakkarat gar nichts verstanden, sei aber dann in das Spiel nach und nach eingeweiht worden. Das Spielglück habe ihn stets im Stiche gelassen, er habe immer verloren, aber nicht etwa nur an die Angeklagten, sondern auch an andere. Herr v. Kayser sei der einzige,[219] von dem er einmal 750 M. gewonnen habe. v. Kayser habe seine Schuld promptest reguliert. Er beklagte sich über einen in der Lüneburger Straße wohnhaft gewesenen angeblichen Offizier v. Radeck, der sich nicht sehr nett beim Spiel gegen ihn benommen habe. Wolff habe er (Zeuge) in der Eremitage in der Jägerstraße beim Jeu kennengelernt, dieser habe auf ihn den Eindruck eines so vollkommenen Gentleman gemacht, wie er ihn noch nie kennengelernt hatte. (Heiterkeit.) Wolff sei ein hochintelligenter Mann, der nach seiner Angabe in den besten Familien Südamerikas Zutritt hatte, in welche sehr schwer hineinzukommen men war. Er sprach ein äußerst feines Englisch, wie es den gewöhnlichen Kreisen nicht eigen sei.

Schneidermeister Schwarz, der für die Familie v. Kröcher lange Zeit arbeitete, bekundete als Zeuge: Generalmajor v. Kröcher habe ihm einmal nahegelegt, daß er seinem Ältesten, der ihm Sorge mache, weil er spiele, zum Guten raten möge. Im Vertrauen habe der alte Herr dann hinzugesetzt, daß er ja schließlich im Notfalle bezahle, daß der Sohn aber nicht ohne weiteres darauf pochen solle. Einige Zeit darauf sei der Angeklagte v. Kröcher mit seinem Bruder bei ihm gewesen und habe ihn in großer Aufregung bestürmt, ihm 2000 M. zu leihen, da er Spielverluste gehabt habe und seinem Vater jetzt nicht kommen dürfe, weil er diesem erst kurz vorher gebeichtet und quasi das Versprechen gegeben habe, nicht mehr zu spielen. Da ihm (Zeugen) nahegelegt wurde, daß sich evtl. der Angeklagte v. Kröcher eine Kugel durch den Kopf schießen müßte oder der Vater an gebrochenem Herzen sterben würde, habe er die 2000 M. hergegeben und in zwei Raten zurückerhalten.

Oberstaatsanwalt: Von welchem Gelde erfolgte die Rückzahlung?

Angekl. v. Kröcher: Aus Spielgewinn ist die ja auch aus dem Spiel herrührende Schuld beglichen worden.

Leutnant v. Schatz: Er sei, wenn er auf der Durchreise reise durch Berlin kam, wiederholt in dem Spielerkreise gewesen. Eines Abends, als v. Kröcher die Bank hielt, habe er an diesen 7000 M. verloren; er hatte nur 1000 M. bar bei sich. Da habe ihm v. Kröcher nach und nach einige tausend Mark zum Weiterspielen geliehen. Er sei noch Schuldner des Angeklagten v. Kröcher in Höhe von[220] 4000 M., er sei aber von ihm keineswegs bedrängt worden. Er (Zeuge) habe sämtliche Teilnehmer der Spielabende für ehrenwerte Herren gehalten und den Eindruck gehabt, daß in jeder Beziehung regelrecht gespielt wurde. Den Eindruck, als ob v. Kayser ein hervorragender Arrangeur beim Spielen war, habe er nicht gehabt.

J.-R. Dr. Sello: Ist dagegen dem Zeugen vielleicht die uhrenmäßige Pünktlichkeit bekannt, mit der Herr Dr. Kornblum an den Spielabenden erschien, so daß, als er einmal wegblieb, ein Herr scherzweise vorschlug, ihm einen Kranz aus der Pinke zu stiften?

Zeuge: Davon weiß ich nichts.

v. Kayser: Bei Hecht hat Kornblum allein die Pinke geregelt und merkwürdigerweise ist nie ein Pfennig übriggeblieben. Das hat manchmal Bedenken erregt.

Bezüglich der »Bank« beim Spiel gab v. Kröcher auf Befragen die Auskunft, daß diese meistbietend vergeben wurde. Die höchste Bank, die er selbst gehalten, habe den Betrag von 6000 M. erreicht, die er bar einzusetzen hatte.

Leutnant v. Frischen: Er habe an einem Abend von Herrn v. Kröcher 5000 M. gewonnen; die Regulierung habe ganz glatt stattgefunden. v. Kayser habe er als einen sehr kulanten Spieler kennengelernt, der im Juni 1897 auch sehr viel Pech gehabt und sehr viel verloren habe. Kornblum habe auf ihn »keinen angenehmen Eindruck« gemacht.

Oberleutnant v. Heppke: Infolge der Zeitungsartikel und des Ganges der Voruntersuchung sei er fest von der Schuld der Angeklagten überzeugt gewesen. Er habe es für Pflicht gehalten, Leute, die aus guter Familie waren, den besten Gesellschaftskreisen angehörten und sich so vergangen hatten, nicht zu schonen. Unter diesem Eindruck habe er bei seiner Vernehmung vor dem Untersuchungsrichter nur an die belastenden Momente und nicht an die entlastenden gedacht. Sobald aber der Verdacht des Falschspiels falle, fallen auch diese Momente weg, denn sie seien nur zutreffend unter der Voraussetzung, daß die Angeklagten betrogen haben.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Es kommt der Anklagebehörde auf die Feststellung dieser Widersprüche und auch darauf an, daß damals zur Zeit der Verhaftung der Angeklagten die diesen bekannten Herren solche Meinung von ihnen hatten.

R.-A. Dr. Schachtel:[221] Es ist ja schon festgestellt, daß zahlreiche Zeugen durch den ganzen Gang der Voruntersuchung in gleicher Weise so präokkupiert waren, daß sie nur auf die belastenden Momente Gewicht legten. Wenn übrigens fortgesetzt auf die Protokolle und derartige Briefe an Herrn v. Manteuffel zurückgegriffen wird, dann müssen wir die ganze Reihe der Zeugen nochmals vorladen lassen, um sie noch einmal genau zu befragen, wie sie zu ihren belastenden Aussagen gekommen sind.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Die Vorhaltungen geschehen wesentlich deshalb, um zu zeigen, wie anders die Zeugen früher ausgesagt haben und um zu rechtfertigen, daß so scharf gegen die Angeklagten vorgegangen werden mußte, denn sonst würde man es nach dem Gange der Hauptverhandlung in der Öffentlichkeit für unbegreiflich halten, warum die Angeklagten in Haft genommen wurden.

Auf Befragen des R.-A. Dr. Schachtel bekundete der Zeuge v. Heppke noch, daß auch in dem Briefe an ihn Herr v. Manteuffel die Unterschrift gebraucht hat »Königl. Kriminalkommissar und Hauptmann der Garde-Landwehr-Feldartillerie«.

R.-A. Dr. Schachtel: Welche Militärbehörde hat Herrn v.M. den Auftrag gegeben, sich mit den als Zeugen zu vernehmenden Offizieren in Verbindung zu setzen?

v. Manteuffel: Wir hatten Zweifel, ob wir befugt seien, die Herren zur Rücksprache aufzufordern, ohne daß alles durch die Militärbehörde gehe. Oberstaatsanwalt Drescher hatte dann aber die Mitteilung gemacht, daß nach einer von ihm an maßgebender Stelle gehaltenen Rücksprache dies geschehen könne.

R.-A. Dr. Schachtel: In den Akten findet sich von alledem nicht das mindeste vor und man kann sich deshalb nicht wundern, daß in der Öffentlichkeit daraus bestimmte Schlüsse gezogen werden.

Es wurde alsdann noch einmal Schneidermeister Schwarz über die Anzüge vernommen, die er für den Angeklagten v. Kröcher geliefert hatte. Es ergab sich, daß die Lieferungen sehr umfangreich waren und sich auf Militär- und Zivilbedürfnisse des Angeklagten erstreckten. In der ersten Jahresrechnung figurierten u.a.: eine Jagdequipierung für 600 M., eine Tennisequipierung, ein Militärpelz. Der Angeklagte v. Kröcher erklärte dazu, daß er den Jagdanzug haben mußte, weil in[222] seinem Regiment das Jagdreiten gewissermaßen als Dienst aufgefaßt wurde und er an den Grunewaldjagden teilnahm. Auch die Tennisequipierung habe er haben müssen. Übrigens gehörte dies zur ersten Offiziersequipierung, die sein Vater bezahlt habe. Es sei doch wohl einleuchtend, daß er als junger Fähnrich nicht die Spielerkreise besucht und soviel Gewinne eingestrichen haben könne, um daraus die Offiziersequipierung zu bezahlen. Er berufe sich auf das Zeugnis des Schneidermeisters, daß er als Fähnrich ein »auffallend solider junger Mann.« gewesen sei.

Schneidermeister Schwarz: Er könne das bestätigen. Nachher sei es aber anders geworden, nachher habe Generalmajor v. Kröcher manchmal seinen Kummer ausgedrückt, daß der Sohn spiele.

Die Angeklagten betonten im weiteren Verlauf auf Befragen des Oberstaatsanwalts, daß kein Klub und kein Direktorium bestanden habe, und auch keine »Dauerkarten« auf kürzere oder längere Zeit ausgegeben worden seien. Als man in das Zentralhotel übersiedelte, seien die abendlichen Kosten viel größer geworden als bei Hecht, es mußten von jedem Teilnehmer 30 M. in die »Pinke« gezahlt werden. Zur Bequemlichkeit und Erleichterung derjenigen, die häufiger kamen, sei dann die Einrichtung getroffen worden, daß diese auf einmal 100 M. einzahlen konnten.

Nach Auskunft des Sachverständigen Grafen Reventlow bestehe auch in Baden-Baden und im Klub zu Heiligendamm die Einrichtung, daß während der Rennen in ähnlicher Weise der Zutritt zu den Spielabenden erleichtert werde.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel stellte ferner durch Befragen fest, daß v. Kröcher im Jahre 1897 Reisen nach Aachen, Ostende, Namur, Paris, Wiesbaden, wieder Paris und Monte Carlo gemacht habe und im Jahre 1898 zu seiner Erholung in Tirol, dann in Hamburg, Ostende, Wiesbaden und Nizza gewesen sei.

Unter den alsdann vernommenen zahlreichen Zeugen befand sich auch Rittmeister d. L. Giesing, der mit Wolff näher bekannt gewesen sein soll und mit diesem in dem Spielerkreise verkehrte. Dieser bekundete: Er habe zwar gehört, daß man Wolff suchte und daß ein Verfahren wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels gegen ihn schwebte, er sei aber schließlich der Meinung gewesen, daß Wolff es[223] verstanden habe, sich um eine Strafe herumzudrücken. Jedenfalls habe er nicht mit Sicherheit gewußt, daß Wolff verurteilt worden war. Von der Verurteilung Wolffs zu Zuchthaus und seinen sonstigen Strafen habe er nichts gewußt. Er sei dann mehrere Jahre im Auslande gewesen und habe Wolff erst im Jahre 1895 oder 1896 in Berlin zufällig wieder getroffen. In den Spielerkreisen habe er vor Wolff nicht gewarnt, weil er ihn hier in anderen Verhältnissen wiedergetroffen habe; er habe sich deshalb nicht bewogen gefühlt, den Mann bloßzustellen und zu ruinieren. Er habe an Wolff noch heute ein Darlehn von 10000 M. zu verzinsen. Er habe vor zwanzig Jahren auch einmal eine finanzielle Verpflichtung dem Spieler Reuter gegenüber gehabt. Weder die Angeklagten noch Wolff haben irgendwie anders gespielt, als alle anderen Spieler.

Vors.: Sie sind doch nur Rittmeister der Landwehr, sollen aber mit einem gewissen Nachdruck als »Herr Rittmeister« vorgestellt worden sein.

Zeuge: Bekanntlich ist ja hier die Titelsucht besonders groß. Ein Titel wird einem ja immer angehängt, mindestens ist man doch »Herr Doktor«. (Heiterkeit.)

J.-R. Dr. Sello: Steht nicht auf Ihren Visitenkarten auch die Bemerkung »Rittmeister der Landwehr-Kavallerie«?

Zeuge: Ja.

R.-A. Dr. Schachtel: Ich mache darauf aufmerksam, daß auch auf den Visitenkarten des Herrn v. Manteuffel steht: »Kgl. Kriminalkommissar und Hauptmann der Reserve des II. Garde-Artillerie-Regiments«. (Heiterkeit.)

Im weiteren Verlauf bekundeten die Zeugen übereinstimmend, daß ihnen an den Spielabenden nichts Verdächtiges aufgefallen sei. Einige erklärten, daß v. Kröcher mehr gewonnen habe wie die anderen. Ein Zeuge bekundete: Er habe viermal verloren und achtmal gewonnen und zum Schluß mit einem Überschuß abgeschnitten. Wiederholt wurde festgestellt, daß alle drei Angeklagten gewonnen, aber auch – in einzelnen Fällen sogar bedeutend – verloren haben. Speziell wurde dem Angeklagten v. Kayser bestätigt, daß er im Viktoriahotel mehrmals sehr im Pech war. Die Teilnehmer an den Spielabenden waren, wie v. Kayser bei einer Gelegenheit betont hat, »alle ausgetragene Spieler«. Die Annahme der Anklage, daß v. Kröcher ganz besonders[224] zur Teilnahme am Spiel angereizt und die Leute gewissermaßen in den Klub »geschleppt« habe, wurde durch die Zeugen nicht bestätigt, dagegen ließen sich die Angeklagten durch Befragen der Zeugen immer wieder bestätigen, daß sie bei Regulierung der Spielgewinne und Verluste kulant vorgegangen seien. Bei einem Zeugen, einem jungen Offizier, der auch »sehr viel« verloren hatte, wies die Verteidigung darauf hin, daß dieser gleichfalls nur einen geringen Zuschuß erhielt und sich dennoch auch Rennpferde, ein kostbares »Verhältnis« u. dgl. gehalten habe. Ein junger Kaufmann, der eine Zeitlang den Spielerkreisen angehört hatte, bezifferte seinen Gesamtverlust an die verschiedensten Personen auf 50000 M.

Am elften Verhandlungstage teilte der Verteidiger R.-A. Dr. Schachtel mit, daß Justizrat Kleinholz ein Schreiben des Herrn Maximilian v. Zedlitz aus Paris erhalten habe. v. Zedlitz sprach darin seine Verwunderung aus, daß man sich nicht auf sein Zeugnis berufen habe. Er sei bereit, auf eigene Kosten nach Berlin zu kommen und sich vernehmen zu lassen; er könne nur sagen, daß er seit 1894 häufig mit v. Kayser am Spieltisch gesessen und dieser nie unfair gespielt habe.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel hielt eine Vernehmung mung des Herrn v.Z. nicht für notwendig, da ja schon durch verschiedene Zeugen bekundet worden sei, daß v.K. nicht unfair gespielt habe. Interessant sei in dem Briefe nur, daß schon im Jahre 1894 gespielt wurde, während bisher immer erst das Jahr 1895 als Anfangstermin galt.

Leutnant v. Neimert: Er habe vor zwei Jahren einmal mit v. Kayser eine Nacht hindurch bei Albrecht gespielt. Als die Spieler endlich am hellen Morgen das Albrechtsche Lokal verlassen mußten, war v. Kayser der »Angeschossene«. Sie gingen dann in seine (des Zeugen) Wohnung im Hotel Bristol. Dort wurde das Jeu fortgesetzt mit dem Schlußeffekt, daß v. Kayser 12400 M. verloren hatte. Mit der Regulierung dieser Schuld habe es dann gehapert. v. Kayser habe ihn, wie sich aus verlesenen Briefen ergibt, in recht dringlicher Weise um Nachsicht ersucht. In dem einen Briefe schrieb v. Kayser, daß er in jener Nacht sinnlos betrunken gewesen und zu sehr »angeschossen« worden sei. Er befinde sich in dringender Verlegenheit,[225] habe in zehn Tagen seine erste schriftliche Arbeit zum Assessorexamen abzuliefern, werde selbst von seinen Schuldnern im Stich gelassen und bitte, seine Verzweiflung nicht zu vermehren. Nach seiner (des Zeugen) Erinnerung habe v. Kayser gesagt, er sei elternlos und habe kein Vermögen. Von der Schuld seien erst 2400 M. reguliert, der Rest von 10000 Mark stehe noch offen.

v. Kayser erklärte dies damit, daß infolge der Artikel im »Tageblatt« damals auch seine Spielschuldner nicht an ihn bezahlt haben und er deshalb nicht habe einsehen können, warum er allein bezahlen solle. Er bleibe dabei, daß er in jener Nacht »stark animiert« gewesen sein müsse, da er sich sonst auf ein Spiel nicht eingelassen haben würde, bei dem die Chancen für ihn von vornherein sehr schlecht standen.

Leutnant von Reimert: Er habe von sinnloser Trunkenheit des Angeklagten nichts gemerkt, anderenfalls würde er mit dem Angeklagten selbstverständlich nicht gespielt haben.

Justizrat Dr. Sello stellte fest, daß v. Kayser zu der Zeit, als er dem Zeugen das Geld schuldig wurde, er von anderen Herren über 15000 Mark zu fordern hatte.

Nach einigen vom Oberstaatsanwalt an den Zeugen gerichteten Fragen stellte Rechtsanwalt Dr. Schachtel den prozessualen Antrag, daß in Gemäßheit des § 256 der Strafprozeßordnung die Zeugen erst im Zusammenhange sich äußern sollen, daß dann den Angeklagten Gelegenheit gegeben werde, sich zu äußern und hierauf erst dem Staatsanwalt zu gestatten, Fragen zu stellen, damit nicht durch das jetzige System der vorherigen Befragung durch den Oberstaatsanwalt der Zeuge einseitig beeinflußt werde.

Vors.: Ist es Ihnen nicht bekannt, daß nach den Grundsätzen des Reichsgerichts § 256 nur instruktiver Natur ist und ein Revisionsgrund daraus nicht hergeleitet werden kann?

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Es handelt sich gar nicht um einen Revisionsgrund, sondern um eine prozessuale Handhabung nach den Grundsätzen, die der Gesetzgeber festgestellt hat.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel legte aufs entschiedenste Verwahrung gegen den Vorwurf der »einseitigen Beeinflussung« ein. Eine solche habe ihm in seinem ganzen amtlichen Leben stets ferngelegen; er müsse die Protokollierung der Äußerung des Verteidigers[226] beantragen.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Ich habe natürlich nur eine sachliche Beeinflussung im Auge gehabt, die der Gesetzgeber vermeiden wollte.

Justizrat Dr. Sello trat der prozessualen Auffassung des Rechtsanwalts Dr. Schachtel entgegen.

Vors.: Ich bin der Ansicht, den Angeklagten wird in ausreichendstem Maße Gelegenheit zur Verteidigung gewährt. Kaum in irgendeinem anderen Prozesse dürften die Angeklagten Gelegenheit haben, soviel zu reden, wie hier.

v. Kayser: Ich habe mich ja auch noch gar nicht über die Beschränkung des Fragerechts beklagt.

Die Rechtsanwälte Dr. Schwindt und Pincus I gaben namens ihrer Klienten dieselbe Erklärung ab.

Die vom Staatsanwalt beantragte Protokollierung wurde vorgenommen.

Auf Antrag des Oberstaatsanwalts wurde das Protokoll über die Vernehmung des Zeugen v. Reimert vor dem Untersuchungsrichter verlesen. Die damaligen Aussagen des Zeugen klangen recht ungünstig für die Angeklagten. Danach sollte v. Kayser, als er an Begleichung der Spielschuld erinnert wurde, u.a. gesagt haben: »Sie sind aktiver Offizier und ich Zivilist, Sie bekommen überhaupt nichts von mir, ich würde mich evtl. an Ihren Regimentskommandeur wenden.«

v. Kayser bestritt, eine Drohung in dieser Form ausgesprochen zu haben. Er habe nur gesagt, daß, wenn ihm der Zeuge Unannehmlichkeiten bereiten sollte, er das tun würde.

v. Reimert erklärte auf Befragen des Justizrats Dr. Sello, er könne nicht sagen, daß der Angeklagte v. Kayser mit dem Regimentskommandeur gedroht habe; er habe auch nur eine ähnliche Äußerung, wie sie jetzt v. Kayser gemacht, in Erinnerung. Der Zeuge bestätigte auch dem Angeklagten v. Kayser, daß dieser ihn wegen seiner Äußerung um Entschuldigung gebeten und gesagt habe, diese sei nur in der Bezechtheit erfolgt.

Justizrat Dr. Sello: Da hier nun wieder ein Protokoll verlesen worden ist, mit der Motivierung, daß festgestellt werden soll, was der Zeuge früher ausgesagt hat, so muß – selbst wenn die Verhandlung sich ins Unermeßliche ausdehnen sollte – die Verteidigung beantragen, sämtliche Protokolle über die Vorvernehmungen aller Zeugen in Gegenwart der wieder herbeizitierten Zeugen zu verlesen,[227] gleichfalls um festzustellen, was diese ausgesagt haben und unter welchen Umständen dies geschehen ist.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Ich kann der Verlesung nicht widersprechen, selbst wenn die Verhandlung 6 Wochen dauern sollte.

Justizrat Dr. Sello: Die Verhandlung würde wohl ein Vierteljahr dauern, denn sämtliche Zeugen müßten wieder hierher kommen.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt: Namens meines Klienten soll ich erklären, daß dieser eine Verlesung der sämtlichen Protokolle nicht für nötig hält, da nach seiner Meinung trotz aller Protokolle für die Entscheidung doch nur maßgebend sein kann, was die Hauptverhandlung erbringt und was die Zeugen hier aussagen.

Vors.: Ich habe schon wiederholt betont, daß für den Gerichtshof nichts anderes maßgebend sein kann, als was hier ausgesagt wird. Ich frage den Angeklagten v. Kayser, ob er selbst dem Antrage seines Verteidigers beitritt und die Verlesung der sämtlichen Protokolle wünscht.

v. Kayser: Er wolle sich mit seinen Verteidigern beraten.

Hierauf wurde Rechtsanwalt Wronker als Zeuge aufgerufen, der die Verteidigung des Wolff in dieser Anklagesache übernommen hatte. Auch er bestätigte, daß Wolff auf jeden Unbefangenen einen vorzüglichen Eindruck, den Eindruck eines vollkommenen Gentleman machen müsse. Er habe ihn für einen wohlhabenden Mann gehalten. Nach Wolffs glaubwürdig erscheinenden Angaben sei er nur 6- bis 8mal im Zentralhotel gewesen und mit den Angeklagten nicht in intimen Verkehr getreten. Wolff wolle auch per Saldo wenig oder gar nichts gewonnen haben. Er hatte, wie sich aus seinen Angaben ersehen ließ, nur zu seinem Vergnügen gespielt, denn er hatte mit seiner Vergangenheit vollständig gebrochen und nun wohl den Ehrgeiz, in bessere Kreise zu kommen.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Weiß der Herr Zeuge vielleicht, warum Wolff, wenn er das Bewußtsein hatte, nichts Böses begangen zu haben, entflohen ist?

Rechtsanwalt Wronker: Aus einem an seine Ehefrau gerichteten Briefe ist folgendes zu ersehen: Er hatte wohl die Befürchtung, daß nach dem »Tageblatt«-Artikel »ganz kolossale Sachen« sich entwickeln und er selbst wegen seiner Vergangenheit verhaftet werden würde. Eine längere Haft[228] glaubte er bei seiner zerrütteten Gesundheit nicht aushalten zu können. nen.

Oberstaatsanwalt: Woher kam dieser Brief?

Zeuge: Das kann ich Ihnen nicht sagen, das weiß ich nicht. Ich erhielt ihn aus den Händen seiner in Charlottenburg wohnenden Frau, der Brief ist vorsichtigerweise nur datiert »30.12.98«. (Heiterkeit.) Der Zeuge verlas, unter Hinweis auf seine Pflicht der Amtsverschwiegenheit, aus dem Briefe nur einzelne Stellen, in welchen es u.a. hieß: Man habe aus der Mücke einen Elefanten gemacht; er sei so gemein verleumdet worden, daß er nicht mehr wagen dürfe, auf die Straße zu gehen. Er würde sich unter allen Umständen stellen, aber er wolle nicht monatelang in Untersuchungshaft sitzen, das vertrage seine Gesundheit absolut nicht. Rechtsanwalt Wronker bekundete ferner, daß er noch kurz vor Beginn dieser Verhandlung im Auftrage des Wolff Versuche angestellt habe, ob es sich ermöglichen lasse, die Voruntersuchung gegen Wolff etwa innerhalb einer Woche zu erledigen. Dies sei aber unmöglich gewesen. Während dieser Hauptverhandlung habe sich Wolff ferner an seine Frau gewandt, ob es denn gar nicht möglich sei, daß er als Zeuge vernommen werden könnte. Er (Rechtsanwalt Wronker) habe den Eindruck, daß Wolff nicht aus Furcht vor Strafe entflohen sei, sondern zur Vermeidung einer langen Untersuchungshaft, daß er jetzt unter keinen Umständen es ablehnen würde, eine kurze Untersuchungshaft auf sich zu nehmen, und daß er nach Beendigung dieser Verhandlung bestimmt kommen werde.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: In der Reuterschen Sache hatte sich Herr Wolff auch auf längere Zeit unsichtbar gemacht.

Im weiteren Verlauf wurde von den Verteidigern darauf hingewiesen, daß große Verluste auch in anderen Kreisen vorkommen. Graf Zech soll im »Turfklub« über 100000 Mark verloren haben.

Bei der weiteren Zeugenvernehmung kam es wieder zu einer lebhaften Szene. Rechtsanwalt Dr. Schachtel trat lebhaft einer Auffassung des Vorsitzenden entgegen. Der Vorsitzende erklärte energisch, daß er sich diese Art und Weise ernstlich verbitten müsse und im Wiederholungsfalle den Gerichtshof wegen Verhängung einer Ordnungsstrafe befragen werde. Er wisse, wie die Mitglieder des Kollegiums[229] über das Verhalten des Verteidigers denken.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Er habe sich keineswegs persönlich gegen den Vorsitzenden richten, sondern nur sachlich die Interessen seines Klienten wahrnehmen wollen.

Im ferneren Verlauf erbat sich Rechtsanwalt Dr. Schachtel noch einmal das Wort: Der Herr Vorsitzende hat vorhin der Androhung einer Ordnungsstrafe die Bemerkung hinzugefügt, daß er wisse, wie die übrigen gen Mitglieder des Richterkollegiums über mich denken. Ich möchte fragen, ob sich dies auf meine Person beziehen soll und im Falle einer nicht zufriedenstellenden Erklärung die Bitte aussprechen, den Vorgang zu Protokoll zu nehmen.

Vors.: Weder ich noch ein Mitglied des Kollegiums haben gegen die Person des Verteidigers das geringste einzuwenden; die Anträge des Verteidigers fallen aber nach Ansicht des Gerichts mitunter lästig.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Es handelt sich also nur um einen sachlichen Zwiespalt?

Vors.: Ganz gewiß.

Dr. Schachtel: Dann bin ich zufrieden.

Am zwölften Verhandlungstage bekundete Rechtskandidat v. Schreiber: Er sei zugegen gewesen, als im Viktoriahotel der Vorfall mit Herrn v. Schrader sich ereignete, bei welchem nach dem Weggange des letzteren mehr Karten im Spiel vorgefunden wurden, als vorhanden sein durften. Er sei auch in Leipzig gewesen und habe dort mit Levin und Marks gespielt. Er habe bestimmt beobachtet, daß Marks die Aufmerksamkeit der Mitspieler durch Gespräche abzulenken wußte und dann die Karten mit großer Fingerfertigkeit so mischte, daß immer große Schläge hintereinander für ihn erfolgen mußten.

Auf Befragen des Rechtsanwalts Dr. Schwindt erklärte der Zeuge, daß v. Kröcher an dem Abend, als der Vorfall mit v. Schrader passierte, nicht im Viktoriahotel war und daß v. Kröcher im Zentralhotel eine sehr unglückliche Bank hatte. Dr. Kornblum sei ihm sehr unsympathisch gewesen, obgleich er leider ein Verwandter von ihm sei. Er habe einmal Herrn Kornblum wegen einer groben Beleidigung eine Pistolenforderung geschickt. Kornblum habe aber darauf nicht reagiert. Dieser Vorfall habe mit dazu beigetragen, daß man den Wunsch hatte, einen Zirkel ohne Teilnahme des D Kornblum zu bilden.

Der[230] Bruder dieses Zeugen, Fabrikbesitzer v. Schreiber, trat seinem Bruder in dieser Charakteristik Kornblums bei. »Kornblum ist ein Mensch, den man lieber nicht kennt.« Fabrikbesitzer v. Schreiber bestätigte weiter, daß ihm sein Bruder in Leipzig seine Beobachtungen über das Spiel des Marks mitgeteilt habe. Auch bei dem Vorfall mit Herrn v. Schrader sei er zugegen gewesen. Er habe gesehen, daß v. Schrader, der damals noch aktiver Offizier war, die Karten einmal unter den Tisch hielt, er habe dagegen protestiert und später mit festgestellt, daß mehr Karten vorhanden waren, als sein durften.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Herr v. Manteuffel hat neulich gesagt, er habe schon vorher privatim Recherchen über Dr. Kornblum angestellt und ihn als hochachtbaren Mann geschildert. Bei Herrn v. Schreiber hat er wohl keine Recherchen angestellt?

Zeuge v. Manteuffel: Nein.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Wußte Herr v. Manteuffel nicht, was in jenen Kreisen allgemein bekannt war, daß nämlich Herr Kornblum mit den Herren v. Schreiber verwandt war und mit dieser Verwandtschaft zu renommieren liebte?

v. Manteuffel: Nein.

Gutsbesitzer Brüttner: Er sei mit dem Angeklagten v. Schachtmeyer seit langer Zeit bekannt und könne diesem das beste Zeugnis geben. v. Schachtmeyer habe einmal eine Depesche aus Wiesbaden von Herrn v. Kröcher erhalten. Er wurde darin aufgefordert, nach Wiesbaden zu kommen, er könne aber nicht sagen, daß in dem Telegramm der von der Anklage behauptete Satz gestanden habe: »Anschuß in Sicht.«

Von der Anklage wurde auch hervorgehoben, daß, als er (Zeuge) einmal vorübergehend in Verlegenheit war und eine größere Geldsumme brauchte, v. Kröcher ihm angeboten habe, ihm das Geld durch einen ihm bekannten Herrn zu beschaffen. Die Vermutung, daß Wolff dieser Herr war, sei falsch.

v. Kröcher: Er könne den Namen des Herrn nicht nennen, da er nicht zum Angeber werden wolle. Es handle sich um einen Herrn, der »in der Gesellschaft« verkehre, sehr elegant auftrete, sich wie ein Kavalier bewege, aber »hinten rum« Geldgeschäfte machen solle.

Oberstaatsanwalt: Mir genügt es, daß nach der Bekundung des Zeugen dieser Mann nicht Wolff gewesen ist. Der Oberstaatsanwalt kam[231] bei dieser Gelegenheit nochmals auf die Wohnungsverhältnisse des Angeklagten v. Kröcher zurück und hob hervor, daß dieser, obgleich er eine Wohnung in der Friedrich-Wilhelm-Straße und vorübergehend gleichzeitig eine teure Wohnung in der Hohenzollernstraße hatte, mitsamt seinem Kammerdiener noch längere Zeit im Zentralhotel logiert und dort über 700 Mark bezahlt habe.

v. Kröcher: Er habe seinerzeit in die Wohnung der Friedrich-Wilhelm-Straße nicht mehr zurückkehren wollen, diese sei außerdem auch schon vom folgenden Quartal anderweitig vermietet gewesen. Außerdem habe seine Abreise nach dem Süden unmittelbar bevorgestanden. Beim Beziehen der großen Wohnung in der Hohenzollernstraße hätte er größere Ausgaben gehabt wie im Zentralhotel.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt wünschte, um einigermaßen einen Faden zu haben und das Ziel derartiger Feststellungen zu erkennen, eine Aufklärung, in welcher Verbindung die großen Ausgaben des Herrn v. Kröcher und die von ihm innegehabten Wohnungen mit der Anklage gesetzt werden sollen.

Vors.: Der § 284 macht es erforderlich, festzustellen, welche Ausgaben der Angeklagte v. Kröcher gehabt hat und welche Einnahmen ihnen gegenübergestanden standen haben.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt: Wenn der Zweck dahin gehen sollte, festzustellen, daß Herr v. Kröcher sehr leichtsinnig war, so wird dies ohne weiteres in vollstem Maße zugegeben.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Prozessualisch habe ich zurzeit keine Veranlassung, anderes festzustellen als nackte Tatsachen.

Längere Zeit beanspruchte die Vernehmung des Kaufmanns und Reserveleutnants Linkermann. Es handelte sich bei diesem im wesentlichen darum, festzustellen, ob er durch v. Kayser, dem er aus dem Spiel 5000 Mark schuldete, besonders bedrängt und mit einer Anzeige bei dem Bezirkskommando bedroht worden sei. Die fünftausend Mark stehen heute noch unbeglichen offen, weil inzwischen das Strafverfahren eingeleitet und v. Kayser verhaftet worden wäre. Er (Zeuge) bestreite, je gesagt zu haben, daß v. Kröcher der »Schlepper für Wolff« gewesen sei. Er habe im Jahre 1897 einmal in der Eremitage mit Herrn v. Kröcher gespielt, und dieser soll (mit[232] Bezug auf Wolff) gesagt haben, es komme »noch ein Herr«, den er kennengelernt habe.

Aus einer zur Verlesung gebrachten Korrespondenz, die zwischen dem Angeklagten v. Kayser und dem Zeugen über die Begleichung der Spielschuld gewechselt worden ist, ging hervor, daß v. Kayser sich auch an den Vater des Zeugen gewandt und dadurch dessen starken Unmut hervorgerufen habe.

v. Kayser: Dies ist nur geschehen, um die Adresse des Zeugen von dem Vater zu erfahren. Ich habe mich an den Adjutanten des Regiments, dem der Zeuge als Offizier angehört, in kameradschaftlicher Form gewandt; von diesem wurde mir anheimgestellt, mich an den Kommandeur zu wenden, wobei ich nicht vergessen sollte, daß ich dann selbst wegen Spielens Unannehmlichkeiten haben würde. Ich habe den Schritt zum Bezirkskommandeur nicht getan.

Auf Wunsch des Angeklagten v. Kayser äußerte sich Zeuge v. Reccum noch über den Baron v. Galy, der so ungeheuere Summen im Klub verloren haben soll.

v. Reccum: Er habe Herrn v. Galy in Ostende kennengelernt und ihn hier in den Klub eingeführt. Er habe in Ostende selbst eine große Summe an Herrn v. Galy verloren, ebenso ein anderer Herr. v. Galy habe hier jedenfalls nicht mehr verloren, als er dort gewonnen hatte. Herr v. Galy sei von einem Marquis de Challancourd begleitet gewesen, doch ging das Gerücht, daß dies gar kein Marquis, sondern ein Markör gewesen sei, mit dem er herumreiste. (Heiterkeit.) Gerüchtweise sei später auch erzählt worden, daß Herr v. Galy gar kein Baron, sondern nur ein Herr Galy sei, er soll einmal einem Oberkellner das Anerbieten gemacht macht haben, mit ihm mit einer Roulette Deutschland und Österreich-Ungarn zu bereisen; der Oberkellner habe aber verlangt, daß auf der österreichischen Botschaft erst der Nachweis erbracht würde, daß er wirklich der Baron v. Galy sei, dann sei v. Galy weitergereist. Jedenfalls sei v. Galy ein außerordentlich enragierter Spieler gewesen, der von Spielort zu Spielort reiste und sich mit Stolz den »roi des joueurs« (König der Spieler) nennen ließ. Er hatte immer viel Geld bei sich und spielte nur bar.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Herr v. Manteuffel hat ja das Dezernat über die Spieler. Ist[233] ihm von Herrn v. Galy etwas bekannt gewesen?

v. Manteuffel: Nein.

Rechtsanwalt Dr. Schachtel: Also im Vorverfahren hat Herr v. Manteuffel von Herrn Galys Leben und Existenz nichts gewußt?

v. Manteuffel: Nein.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt ließ sich noch einmal von dem Zeugen v. Reccum bestätigen, daß v. Galy aufgefordert wurde, sich durch die österreichisch-ungarische Botschaft auszuweisen; er habe dies aber nicht getan, sondern vorgezogen, sofort abzureisen.

Es folgte die Vernehmung des Zeugen Simson, der Geschäftsführer in dem Hotel in Aachen war, in dem v. Schrader und der Angeklagte v. Kröcher wohnten. Der Zeuge erzählte, daß die beiden Herren zwei Zimmer mer bewohnten, welche durch eine Tür verbunden waren. Es seien dort mehrfach Spielabende arrangiert worden, welcher von den beiden Herren aber die Herren herangeholt hatte, vermag er nicht anzugeben. Es habe sich in dem Zimmer eine Roulette und eine grüne Wachstuchdecke mit großen schwarzen Zahlen befunden, ebenso eine Anzahl Spiele Karten, wer diese Gegenstände mitgebracht hatte, wisse er nicht. In dem Hotel haben die Herren v. Schrader, v. Kröcher und v.d. Goltz gewohnt. Wolff, der auch zu den Spielabenden erschienen sei, habe in einem anderen Hotel gewohnt. Ein besonders intimer Verkehr zwischen v. Kröcher und Wolff sei ihm (Zeugen) nicht aufgefallen.

Oberstaatsanwalt: Haben Sie etwas von Herrn v. Schrader gehört?

Zeuge: Ja, er ist nach Ostende gereist und hat sich dort vergiftet.

Oberstaatsanwalt: Wissen Sie weshalb?

Zeuge: Ich glaube wegen Spielschulden.

Rechtsanwalt Dr. Schwindt: Wer von den beiden Herren ist zuerst abgereist?

Zeuge: Herr v. Schrader.

Vert.: Als nun Herr v. Kröcher abreiste, haben Sie ihn nicht ersucht, die Roulette, welche noch im Zimmer stand, mitzunehmen?

Zeuge: Ja.

Vert.: Und was antwortete Herr v. Kröcher?

Zeuge: Er sagte: Was geht das mich an? Ich will mich mit dem Ding, das mir nicht gehört, nicht herumschleppen.

Vert.: Sie können also auch nicht sagen, ob v. Kröcher die Roulette aus seinem Koffer ausgepackt hat?

Zeuge: Nein.

Der Angeklagte v. Kröcher ließ sich von dem Zeugen bestätigen, daß in dem Hotel keine Orgien gefeiert wurden[234] und daß er durch regelmäßigen Gebrauch des Brunnens und der Bäder eine regelrechte Kur durchgemacht habe. Er bleibe dabei, daß v. Schrader die Roulette in seinem Beisein in Aachen gekauft habe. v. Schrader wollte ihn mit diesem Spiel bekannt machen, da sie beabsichtigten, nach Namur zu reisen, wo Roulette gespielt wurde. Er habe von Aachen aus kleine Abstecher nach Namur und Ostende gemacht und dort mit Erfolg gespielt.

Vizekonsul a.D. Moos: Er sei dem Angeklagten v. Kayser eine Summe im Spiel schuldig geblieben. v. Kayser habe ohne Rücksicht die Bezahlung der Schuld verlangt, ja sogar beabsichtigt, ihn zum Offenbarungseid zu zwingen. Er habe darauf einen fulminanten Brief an v. Kayser gerichtet und darin sehr deutliche Drohungen ausgesprochen, daß er an die öffentliche Meinung appellieren und Anzeige erstatten werde. Er behauptete in dem Briefe u.a. auch, daß v. Kayser gar kein Recht zu solchem energischen Vorgehen habe, da er selbst sich wiederholt in Bedrängnis befunden habe. Der Zeuge v. Schreiber habe ihm (Moos) sogar einmal, als er dem Angeklagten Geld leihen sollte, warnend gesagt: »Ne lui donnez rien, il ne paie pas« (Geben Sie ihm nichts, er bezahlt nicht).

Zeuge v. Schreiber erklärte dies für falsch, schon deshalb, weil ihm v. Kayser nie etwas schuldig geblieben sei.

Zeuge Moos blieb bei seiner Behauptung.

Justizrat Dr. Sello stellte fest, daß auch der Brief des Zeugen Moos vom Angeklagten v. Kayser gewiß nicht als kompromittierend erachtet worden sei, denn sonst hätte er ihn nicht ebenso sorgsam wie die anderen Briefe aufbewahrt, und er hätte nicht mit Beschlag belegt werden können.

v. Kayser bestritt, daß er jemals vom Zeugen Moos Geld geliehen habe. Im übrigen habe er es für angemessen erachtet, gegen Moos ohne Rücksicht vorzugehen, weil dieser in einem Falle sich tatsächlich sofort an das Regiment eines Offiziers telegraphisch gewandt habe, der ihm Geld schuldig geblieben war.

Auf Befragen des Justizrats Dr. Sello bemerkte Moos: Er sei Titular-Vizekonsul a.D. und arbeite für französische und englische Finanz-Zeitschriften.

Zeuge Moos gab hierauf eine umfangreiche Darstellung des Falles, in welchem er gegen einen Leutnant nant v.B., der seine[235] Versprechungen zur Rückzahlung einer ihm geliehenen kleinen Summe trotz wiederholter Mahnungen nicht erfüllte, eine telegraphische Meldung an den Regimentskommandeur erstattet habe. Ihm tat dies nachträglich zwar sehr leid, er habe aber die telegraphische Meldung nur »aus Prinzip« getan. Herr v.B. habe die Sache dadurch erledigt, daß er ihm eines Tages mitteilte, er habe das Geld einem bestimmten Oberkellner überwiesen. Die Sache sei auch richtig gewesen; nach der Bekundung des Oberkellners habe v.B. das Geld allerdings deponiert, in derselben Nacht aber Unglück gehabt und es wieder abgehoben. Die Sache sei schließlich so erledigt worden, daß Herr v.B. ihm nicht gram geblieben sei. In jener Gesellschaft sei es gar nichts Seltenes gewesen, daß man sagte, wenn Sie nicht pünktlich bezahlen, werde ich mich an das Regiment wenden. Speziell habe Herr Kornblum, den gerade Herr v. Kayser wieder in die Gesellschaft hineingebracht habe, nachdem er »herausgeschmissen« worden war, mehrere Herren sofort angezeigt.

Angekl. v. Kayser: Er habe allerdings einen Wechsel über 1200 M. gegen den Zeugen Moos eingeklagt. Das sei erstens geschehen, um Herrn Moos eine gute Lehre für das von ihm selbst gegen Herrn v.B. eingeschlagene Vorgehen zu geben. Zweitens aber habe es sich nicht um eine Spielschuld gehandelt. Er habe die Forderung an Moos dem Gerichtsassessor Dr. v. Mörs überwiesen, dieser habe aber verschiedene vergebliche Anstrengungen gemacht, von Herrn Moos Geld zu bekommen und ihm schließlich geschrieben: Herr Moos sei weder durch gute noch durch schlechte Behandlung dazu zu bringen, zu zahlen. (Heiterkeit.) Daraufhin habe er (v. Kayser) Herrn Dr. v. Mörs seine Schuld bezahlt und nun dem Rechtsanwalt Jansen den Auftrag gegeben, gegen Herrn Moos vorzugehen, obwohl er von vornherein wußte, daß er keinen Groschen erhalten würde.

Bezüglich der persönlichen Verhältnisse des Moos, seiner Einkünfte, seines Verhaltens Mitspielern gegenüber und verschiedener anderer Dinge, die seine Glaubwürdigkeit erschüttern sollten, richtete J.-R. Dr. Sello eine Reihe von Fragen an den Zeugen, die dieser energisch in einem Sinne beantwortete, daß ein Vorwurf gegen ihn[236] nicht zu erheben war. Es kam dabei zur Sprache, daß der Zeuge einmal gesagt habe, wenn v. Kayser ihm eine Ehrenerklärung abgebe, würde er als Zeuge Dinge bekunden, die v. Kayser entlasten würden. Der Zeuge bestritt das. Er habe nur gesagt, daß, wenn v. Kayser ihm keine Ehrenerklärung abgebe, er ihm nach seiner Freisprechung seinen Kartellträger schicken werde.

Zeuge Moos bekundete noch allerlei Äußerungen des Dr. Kornblum, der sehr viel Gutes und auch sehr viel Böses über die Angeklagten gesagt habe. So habe er kurz vor seiner Abreise gesagt, er habe von dem Spiel ein Plus, wie er es selten erzielt habe. Ein anderes Mal habe Dr. Kornblum geäußert: Was geht es mich an, daß Herr v. Manteuffel gern Polizeirat werden möchte; wenn er mir 10000 M. gibt, dann erzähle ich ihm allerlei, bis jetzt habe ich ihm noch nichts gesagt.

Der folgende Zeuge, Rennstallbesitzer Gustav Öhlschläger, Sohn des bekannten verstorbenen Rennstallbesitzers, bekundete: Er kenne nur die beiden ersten Angeklagten, mit v. Kayser sei er auf der Schule gewesen. Er habe mehrmals die Spielgesellschaft besucht und an v. Kayser 1160 M. verloren, wo von er 60 M. abbezahlt habe. Wegen der noch restierenden 1100 M. habe v. Kayser ihn zweimal in anständiger Weise gemahnt, aber von weiteren Schritten Abstand genommen, nachdem er ihm erwidert hatte, daß es ihm vorläufig unmöglich sei, die Schuld zu tilgen. Durch v. Kayser habe er dann auch v. Kröcher kennengelernt.

J.-R. Dr. Sello: Sie waren mit v. Kayser zusammen auf der Ritterakademie in Brandenburg. Können Sie irgendwelche Angaben machen, wie der Angeklagte v. Kayser dazu gekommen ist, ein so leidenschaftlicher Spieler zu werden?

Zeuge: Nein, ich kann nur sagen, daß schon dort unter den jungen Leuten ein großes Interesse für Sport herrschte.

Es wurde sodann Redakteur Dr. Moritz Friedländer vom »Berl. Tageblatt« vernommen: Die Mitteilungen, die dem Artikel des »Tageblattes« zurgunde lagen, waren von Dr. Kornblum. Er habe diesen seit Jahren oberflächlich gekannt. Dr. Kornblum habe im Dezember v.J. ihn schriftlich um ein Rendezvous gebeten und bei diesem die Geheimnisse aus dem Spielerkreise erzählt. Das Äußere des Dr. Kornblum sei so gewesen,[237] daß man ihn bei oberflächlichem Blick wohl für einen Offizier in Zivil hätte halten können. Nach seinen Erzählungen sei es auch oft vorgekommen, daß ihn Offiziere mit »Herr Kamerad« angeredet haben, so daß er mehrfach habe erwidern müssen, »ich bin nicht aktiv«. Er war allerdings etwas klein und habe öfter gesagt: Für jeden Zentimeter, den er seiner Größe zulegen könnte, würde er 3000 Mark geben. (Heiterkeit.) Dr. Kornblum habe wiederholt betont, daß es ihm darauf ankomme, eine Persönlichkeit, die sich in die Spielerkreise eingeschlichen habe, unschädlich zu machen. Er durchschaue diese Persönlichkeit ganz genau und habe auch vor ihr gewarnt, dies sei aber fruchtlos geblieben, weil zwei Herren mit jener Persönlichkeit in Verbindung getreten seien und ihn schützen. Dr. Kornblum habe weiter gesagt, daß es ihm nicht darauf ankomme, angesehenen Leuten ten Unannehmlichkeiten zu machen, sondern daß er nur Herrn Wolff hinaus haben wolle. Der Artikel des »Tageblattes« sei dann auf Grund jener Mitteilungen von ihm (Zeugen) selbst verfaßt worden. Am Tage nach der Veröffentlichung sei Dr. Kornblum bei ihm erschienen und habe ihm gesagt, die Sache sei ihm sehr unangenehm, da v. Kayser und Vizekonsul Moos ihm die Verfasserschaft direkt auf den Kopf zugesagt und auch sonst andere Personen die gleiche Ansicht über den Ursprung des Artikels geäußert haben. Dr. Kornblum habe gebeten, alle weiteren Artikel doch lieber zu unterlassen; dies wurde auch zugesagt, da ja das Ziel, vor einem Falschspieler zu warnen, erreicht war. Es wurde aber versprochen, die Sache ruhen zu lassen, wenn nicht von anderer Seite Widerlegungen gegen den Artikel des »Tageblatt« erscheinen würden. Gegen v. Kayser habe Dr. Kornblum keinerlei Anschuldigungen erhoben, im Gegenteil, er habe gesagt, v. Kayser sei sein bester Freund, er werde nächstens mit ihm Hand in Hand in den Turfklub eintreten. Dr. Kornblum habe von dem Angeklagten v. Kayser mit großem Respekt gesprochen und ihn für einen der wenigen Leute gehalten, die klüger seien als er. (Heiterkeit.) Da die Erwiderung auf den Artikel des »Tageblattes« nicht ausblieb, seien noch zwei bis drei Artikel erschienen, dann habe Herr v. Manteuffel das[238] Ersuchen ausgedrückt, daß der Verfasser des Artikels mit ihm Rücksprache nehmen möchte. Er habe darauf Herrn v. Manteuffel nach etwa 2-3 Tagen besucht und mit ihm über die ganze Spieleraffäre gesprochen. Schließlich habe sich eins aus dem andern ergeben, das Material zur Affäre sei von allen Seiten eingegangen; die verschiedensten Herren haben sich bei ihm gemeldet und allerlei mitgeteilt. So habe sich auch ein Herr aus London gemeldet, der gegen Honorar sehr interessante Enthüllungen anbot und als Probe seiner Wissenschaft gleich 30-40 Namen angab. Dieses schriftliche Anerbieten sei aber abgelehnt und der Brief an das Postamt in London zurückgeschickt worden, da es nicht darauf angekommen sei, Personen bloßzustellen. Dr. Friedländer erklärte noch, daß auch zu den übrigen Artikeln die Mitteilungen zum großen Teile von Dr. Kornblum herrührten und daß in allen Artikeln des »Tageblattes« von Herrn v. Kayser keine Rede gewesen sei. Dr. Kornblum habe bei den Unterhaltungen nur einmal gesagt, Herr v. Kayser scheine eine Art Mentor des Herrn v. Kröcher zu sein. Auch die Mitteilung von der »Anschuß-in-Sicht«-Depesche rühre von Dr. Kornblum her, der sich auf Leute berief, die die Depesche gesehen haben wollten, die Namen aber nicht nannte. Nach seiner (des Zeugen) Ansicht sei Dr. Kornblum absolut kein leerer Schwätzer, sondern im Gegenteil sehr zurückhaltend gewesen.

Angeklagter v. Kröcher: Sie bedauern doch wohl selber, Herr Zeuge, daß Sie Herrn Dr. Kornblum Ihre Spalten geöffnet haben?

Zeuge: Das ist eine Frage, auf die ich unter vier Augen Herrn v. Kröcher sehr gern Antwort zu geben bereit bin. Hier lehne ich eine Antwort auf solche Frage entschieden ab.

v. Kröcher: Sie müssen doch zugeben, daß der Artikel Unrichtigkeiten enthält.

Zeuge: Die Möglichkeit gebe ich zu.

v. Kröcher: In einem der Artikel ist die falsche Nachricht verbreitet worden, daß sich bei mir die Sache kompliziere, da ich bei meinen ersten Vernehmungen eidlich festgelegt worden sei und meine Bekundungen mehrfach mit den Tatsachen in Widerspruch ständen. Davon ist doch gar keine Rede.

Dr. Friedländer: Auch diese Nachricht war von Herrn Dr. Kornblum. Ich gebe zu, daß jetzt durch den Gang dieser[239] Verhandlung in einzelnen Punkten die Unrichtigkeit von Behauptungen der Artikel erwiesen ist.

Vors.: Hielten Sie Dr. Kornblum für eine glaubhafte Person?

Zeuge: Damals hielt ich ihn dafür.

R.-A. Dr. Schachtel: Hat Dr. Kornblum Ihnen nicht die ungeheuerliche Summe von 500000 M. genannt?

Zeuge: Ja.

Vert.: Wie viele Zusammenkünfte haben Sie mit Herrn v. Manteuffel gehabt?

Zeuge: Genau weiß ich es nicht, sagen wir fünf- bis zehnmal.

Vert.: Bei Ihrer ersten Vernehmung hat der Untersuchungsrichter ein Protokoll anfertigen lassen?

Zeuge: Gewiß, ein außerordentlich sorgfältiges und gewissenhaftes Protokoll.

Vert.: Wie kam es denn, daß Sie nach zwei Tagen eine große Berichtigung des Protokolls verlangten?

Zeuge: Die Frage ist nach zwei Richtungen unrichtig. Ich habe nicht nach zwei Tagen eine »große« Berichtigung verlangt, sondern am folgenden Morgen nur einige kleine Zusätze zu meiner Aussage gemacht, die der Untersuchungsrichter lächelnden Mundes als völlig unwesentlich bezeichnete.

Vert.: Haben Sie nicht Herrn v. Manteuffel gegenüber einmal die Befürchtung ausgesprochen, daß die ganze Geschichte im Sande verlaufen könnte?

Zeuge: Daß ich den Ausdruck »Befürchtung« gebraucht habe, glaube ich nicht.

Vert.: Was hat Ihnen Herr v. Manteuffel darauf erwidert?

Zeuge: Das ist wohl nicht zu befürchten.

Vert.: Weiter nichts?

Zeuge: Ich glaube, er hat hinzugesetzt: »Sie würden mir einen großen Gefallen tun, wenn Sie nichts mehr über die Angelegenheit veröffentlichten.«

Vert.: Wer hat Ihnen die Mitteilung von der Verhaftung v. Schachtmeyers gegeben?

Zeuge: Die ist auf dem normalen Wege der Berichterstattung an mich gelangt. Ich habe mir die Nachricht von Herrn v. Manteuffel bestätigen lassen.

Angekl. v. Kröcher: Von wem haben Sie die Anklageschrift?

Zeuge: Das möchte ich nicht gern sagen.

v. Kröcher: Ich möchte es aber gern wissen.

Zeuge: Ich verweigere die Antwort, da ich niemandem Unannehmlichkeiten bereiten will. Ich erkläre aber ausdrücklich, daß ich sie nicht von Herrn v. Manteuffel habe.

Am dreizehnten Verhandlungstage wurde die Aussage des verstorbenen Bankiers Reinhold Selig verlesen, die er als Zeuge[240] in dem im Jahre 1883 verhandelten Spielerprozeß Reuter gemacht hatte. Es ging daraus hervor, daß damals der Zeuge Herrn Prins-Reichenheim, der in einer Nacht mehrere hunderttausend Mark im Spiele verloren, zu verstehen gegeben hatte, daß er Gaunern in die Hände gefallen sei.

Auf Antrag des J.-R. Dr. Sello wurde ferner das gegen Reuter ergangene Urteil verlesen, anscheinend um zu zeigen, wieweit das Bild, welches jenes Urteil von dem Treiben eines gewerbsmäßigen Glücksspielers entwarf, von den Ergebnissen dieser Verhandlung abwich. Aus dem Urteil ging u.a. hervor, daß damals in Spielerkreisen die Vorbestrafungen des Wolff unbekannt waren.

J.-R. Dr. Sello stellte den Antrag, das in dem Hannoverschen Spielerprozeß ergangene Urteil vollständig zur Verlesung zu bringen. Er verwies dabei auf § 244 der Strafprozeßordnung und betonte, daß dieses Urteil bei den Akten als Beweismittel sich befinde und ihm aus diesem Grunde die Kenntnisnahme wichtig erscheine. Prozessuale Einwendungen gegen diesen Antrag kann der Oberstaatsanwalt nicht erheben, ebensowenig der Gerichtshof. Da die Verlesung des Urteils etwa drei Stunden dauern sollte, so beschloß der Gerichtshof, die Verlesung am Schlusse der Beweisaufnahme vorzunehmen.

Alsdann wurde Frau Frieda Voigt noch einmal über Einzelheiten ihres Kontos bei der Deutschen Bank vernommen. Sie erklärte u.a., daß unter den Einzahlungen und Rückzahlungen von und an v. Kayser sich keinerlei bare Geschenke befinden, und daß die von ihr nach der Verhaftung v. Kaysers gemachten Einzahlungen weder von v. Kayser herstammen, noch für diesen bestimmt waren.

Hieran schlossen sich Fragen an einzelne der anwesenden Zeugen. Regierungsreferendar v. Kardorff bestätigte auf Befragen, daß v. Kayser einmal den Wunsch ausgedrückt habe, endlich aus den Spielerkreisen kreisen herauszukommen. Das »Treten« der Spielschuldner sei allerdings nicht schön, aber doch ebensowenig ungewöhnlich, wie das Übertragen von Spielforderungen von einem auf den andern. Die Tatsache, daß die »Saxonia« in Göttingen dem Angeklagten v. Kayser trotz der eingeleiteten Untersuchung das Band belassen habe, sei ein Zeichen ganz ungewöhnlichen, außerordentlichen[241] Vertrauens, denn man müsse doch immer voraussetzen, daß, wenn ein Regierungsreferendar und Reserveleutnant, der in den »besten Gesellschaftskreisen« verkehrt, verhaftet werde, dies doch nur auf Grund des schwerwiegendsten belastenden Materials geschehen sein könne. Was das Drohen mit dem Regimentskommandeur anlange, so sei das gewiß auch nicht schön, es stelle aber doch gewöhnlich nur eine Redensart dar.

R.-A. Dr. Schachtel: Hat v. Manteuffel dem Zeugen mitgeteilt, daß er Herrn von Kröcher vor dem Spieler Wolff gewarnt habe?

Zeuge: Ich will zunächst bemerken, daß ich nicht zu denjenigen Zeugen gehöre, die das Zutreffende der Protokolle bemängelt haben. Ich habe nichts von meinen ersten Bekundungen zurückgenommen. Auf das bestimmteste muß ich erklären, daß Herr v. Manteuffel mir vor meiner Vernehmung gesagt hat: er habe Herrn v. Kröcher vor Wolff gewarnt.

R.-A. Dr. Schachtel: Und infolgedessen haben Sie auch bei der Vernehmung unter dem Eindruck gestanden, daß die Angeklagten außerordentlich schwer belastet sind, mit Wolff unter einer Decke gesteckt zu haben?

Zeuge: Ja.

v. Manteuffel bestritt, gesagt zu haben, daß er Herrn v. Kröcher vor Wolff gewarnt habe und gab auf Anregung des Oberstaatsanwalts nur zu, möglicherweise gesagt zu haben: »Die Herren sind ja gewarnt.«

Zeuge v. Kardorff blieb dabei, daß v. Manteuffel gesagt habe, er habe als Regimentskamerad vor Wolff gewarnt.

R.-A. Dr. Schachtel: Ein weiterer Widerspruch ist noch aufzuklären, der auf die Verhaftung der Angeklagten bezug hat. v. Manteuffel hat die Behauptung aufgestellt: Graf Königsmarck habe ihm gesagt, nach einer Mitteilung des Leutnants v. Zakzerczewski sei der Oberkellner Montagli mit 7-800 M. über die Grenze geschafft worden.

Graf Königsmarck erklärte auf das bestimmteste, daß er Herrn v. Manteuffel niemals eine derartige Mitteilung gemacht habe.

Auf Antrag des R.-A. Dr. Schachtel wurde der seinerzeit gegen v. Kayser und v. Kröcher erlassene Haftbefehl verlesen. Dieser wurde unter anderem damit begründet, daß nach glaubhaften Meldungen v. Kayser mit v. Kröcher zusammen einem Zeugen Mittel tel gegeben haben, um ihn der Zeugenpflicht zu entziehen,[242] so daß Kollusionsgefahr, aber auch Fluchtverdacht vorliege.

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel hob demgegenüber hervor, daß nach v. Kröchers eigener Aussage Montagli gesagt hatte: er sei einer der wichtigsten Zeugen, es sei wohl besser, daß er »verdufte«.

v. Manteuffel: Ein Irrtum meinerseits bezüglich des Grafen Königsmarck ist gänzlich ausgeschlossen. Ich habe nachträglich noch meine Notizen durchgesehen und finde eine sofort nach der Unterhaltung mit dem Grafen Königsmarck niedergeschriebene Bleistiftnotiz, aus welcher hervorgeht, daß Graf Königsmarck tatsächlich jene Mitteilung gemacht hat. Das Gedächtnis des Grafen Königsmarck scheint nicht zu stark zu sein, denn er hat gesagt, er sei etwa fünfmal in der Spieleraffäre mit mir zusammengekommen, tatsächlich war es nur zweimal.

Graf Königsmarck: Auch hier irrt sich Herr v. Manteuffel wieder einmal. Ich wiederhole auf das bestimmteste, daß es mindestens fünfmal war, ebenso wiederhole ich auf das bestimmteste, daß Herr v. Manteuffel sich über meine angebliche Mitteilung über Montagli gänzlich im Irrtum befindet.

R.-A. Dr. Schwindt: Herr v. Manteuffel hat mit einer gewissen Emphase mehrfach betont, daß er sich nie irre. Abgesehen von den Irrtümern, die v. Kardorff und Graf Königsmarck von ihm behaupten, bitte ich, dem Zeugen Freiherrn v. Reccum noch einmal Gelegenheit zu geben, sich darüber zu äußern, daß Herr v. Manteuffel auch ihn irrtümlich verstanden hat.

Freiherr v. Reccum bestätigte dies, erregte aber damit lebhaften Widerspruch des v. Manteuffel. von Reccum blieb bei seinen Behauptungen. Herr v. Manteuffel habe die drei Angeklagten sofort stark verdächtigt und auf seinen (des Zeugen) Einspruch, daß er Herrn v. Kröcher sehr genau kenne, erwidert: »Aber mit Falschspielern haben Sie unbedingt verkehrt, darüber ist nicht zu streiten.« Er habe darauf Herrn v. Manteuffel gesagt, er werde unter diesen Umständen Herrn v. Kröcher nicht mehr empfangen, bis er sich von dem Verdacht gereinigt habe. v. Manteuffel habe davon abgeraten und gesagt, er werde eines Tages die drei Herren vorladen, »dann fällt die Klappe zu und dann haben wir die Vögel gefangen.« Obwohl ich Herrn von Manteuffel zu verstehen gegeben hatte, daß ich Herrn von[243] Kröcher hochachte und mit ihm sehr gut bekannt bin, hat er noch lächelnd hinzugesetzt: Herr v. Kröcher sei als jüngerer Kamerad zu ihm gekommen und habe mit seinen Lackstiefelchen kokettiert.

v. Manteuffel trat der Darstellung des Zeugen in verschiedenen Punkten entgegen, der Zeuge blieb aber bei seiner Bekundung.

R.-A. Dr. Schwindt ließ sich durch den Zeugen bestätigen, daß v. Manteuffel zu ihm auch vom Grafen v. Egloffstein, und zwar in dem Sinne gesprochen habe, daß v. Egloffstein ein anständiger Mensch und nur »verführt« worden sei, wobei in ungünstiger Parallele mit den Angeklagten gesagt worden sei, »v. Egloffstein sei nicht so schlimm«.

R.-A. Dr. Schachtel beantragte die Verlesung von etwa 70 an den Angeklagten von Kayser ergangener Einladungskarten, um zu beweisen, daß v. Kayser seine freie Zeit nicht etwa bloß dem Spiele widmete, sondern in den vornehmsten Kreisen gesellschaftliche Pflichten erfüllte. Außer verschiedenen Hofansagen, Einladungen zur Defiliercour befanden sich unter den Einladungen solche vom Grafen Posadowsky, Staatssekretär v. Stephan, Präsident Persius, Justizminister v. Schelling, Mecklenb. Gesandten v. Örtzen, Kabinettsrat Dr. v. Lucanus, Staatsmin. Dr. Bosse, Kriegsminister v. Bronsart, kommand. Admiral Frhr. v.d. Goltz, Staatsminister v. Bötticher und v. Bonin, Frhr. v. Lucius, Frhr. v. Stumm, Anton v. Werner, Bankpräsident Koch, v. Hansemann, v. Berlepsch, Prinz Fr. v. Hohenzollern, Landgerichtsdirektor Rieck u.a. R.-A. Dr. Schachtel richtete an den Sachverständigen Grafen Reventlow die Frage, ob er nach allem, was er aus eigenen Wahrnehmungen und aus den Verhandlungen erfahren, die Überzeugung gewonnen habe, daß die Angeklagten als gewerbsmäßige Spieler anzusehen seien.

Der Oberstaatsanwalt widersprach dieser Fragestellung, da es sich um eine Rechtsfrage handele, die der Gerichtshof zu entscheiden habe. Der Gerichtshof lehnte die Frage ab.

R.-A. Dr. Schachtel: Dann frage ich den Herrn Sachverständigen: Haben Sie in dem Milieu, in welchem die Angeklagten mit 200 anderen Herren verkehrten, bei dem Spiel der Angeklagten irgendwelche Abweichungen von der Spielart der anderen Herren wahrgenommen?

Sachverständiger[244] Graf Reventlow: Durchaus nicht!

Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Wie oft war der Sachverständige beim Spiel im Zentralhotel?

Sachverständiger: Im Zentralhotel nur einmal, ich war aber auch mehrere Male im Viktoriahotel. Ich muß auch sagen, daß alle die Momente, die in der Anklage bezüglich des Falschspiels als besonders auffällig hervorgehoben worden, nicht auffällig sind, sondern überall vorkommen.

J.-R. Dr. Sello: Hat sich in spieltechnischer Beziehung ein Unterschied zwischen dem Spiel im Zentralhotel und dem Spiel an anderen Orten gezeigt?

Sachverständiger: Durchaus nicht!

R.-A. Dr. Pincus I: Ich lege zwar kein Gewicht auf das, was Kornblum gesagt hat, aber ich möchte doch von Herrn v. Manteuffel wissen, ob ihm Dr. Kornblum mitgeteilt hat, auch Herr v. Schachtmeyer habe den Wolff eingeführt.

v. Manteuffel: Nein, davon ist nie die Rede gewesen.

R.-A. Dr. Pincus I: Hat dagegen auch Herr Kornblum bestätigt, daß v. Schachtmeyer nur mit niedrigen Einsätzen gespielt hat?

v. Manteuffel: Jawohl.

R.-A. Dr. Schwindt fragte den Zeugen Moos, ob er ihn richtig verstanden, daß Kornblum ihm die Denunziantenschrift vorgezeigt habe?

Zeuge Moos: Dr. Kornblum habe ihm nur einige Schriftstücke gezeigt, und im allgemeinen gesagt, daß dies Mitteilungen seien, die der Polizei übermittelt wurden.

Hierauf wurden sämtliche Zeugen und der Sachverständige entlassen, und es erfolgte die Verlesung des Urteils im Hannoverschen Spielerprozeß.

Die Beweisaufnahme war damit erschöpft.

Am vierzehnten Verhandlungstage nahm das Wort Oberstaatsanwalt Dr. Isenbiel: Meine Herren! So machen es alle Spieler: sie halten die Bank oder sie pointieren, sie setzen hoch und sie setzen niedrig, sie bezahlen ihre Schulden oder sie betteln um Aufschub, sie borgen die Kellner an und machen Geschenke an ihre Mätressen – immer dasselbe Bild, und weil es so ist, dürfen Sie die Angeklagten nicht verurteilen, sondern Sie müssen sie freisprechen! Das wird ohne Zweifel der Kern der Ausführungen sein, welche die vielgewandten und berühmten Verteidiger hier machen werden. Ich kann diese Ausführungen nicht teilen, denn sie sind tatsächlich unrichtig, weil völlig verfehlt und logisch unhaltbar.[245] Es ist nicht wahr, daß es alle so machen. Zweifellos hat den Anlaß zu diesem Prozeß der Artikel des »Berliner Tageblattes« vom 16. Dezbr. 1898 geben. Es ist viel hin und her gestritten worden, ob sich das »Tageblatt« mit diesem Artikel ein Verdienst erworben, oder ob es unnötig Staub aufgewirbelt hat. Ich bin der Meinung, daß sich das »Berliner Tageblatt« ein Verdienst erworben hat, denn es ist eine vornehme Pflicht der Presse, auf wirkliche Schäden aufmerksam zu machen. Der Zeitungsartikel hatte nur den Zweck, darauf aufmerksam zu machen, daß sich ein berüchtigter Gewerbsspieler in die vornehmen Spielerkreise eingeschlichen habe. Das war richtig. Der hier und in weiten Kreisen des Auslandes wohlbekannte und berüchtigte Spieler Hermann Wolff hatte Eingang in die vornehmsten Spielerkreise gefunden. Er stammt aus den ärmlichsten Verhältnissen, ist unter neun Geschwistern aufgewachsen und hat wohl nie danach getrachtet, durch ehrliche Arbeit sein Brot zu verdienen, sondern nur danach gestrebt, anderen ihr Eigentum durch Diebstahl wegzunehmen. Er ist dafür zuletzt mit 2 Jahren Zuchthaus bestraft worden und hat diese Strafe in den Jahren 1863 bis 1865 verbüßt. Es ist anzuerkennen, daß diese Strafe nur unter dem Regime des früheren härteren Strafrechts möglich war, denn heute würde ein 17jähriger Mensch nur zu Gefängnis verurteilt werden können. Wolff hat im Zuchthause Zeit genug zum Nachdenken gehabt und ist zu der Überzeugung gekommen, daß es viel zweckmäßiger ist, anstatt den Leuten wider ihren Willen das Geld abzunehmen, sie dazu zu zwingen, es freiwillig herzugeben. So ist er Spieler geworden und durchs Spiel ein reicher Mann; manche Leute wollen sogar behaupten, ein Millionär. Als Spieler ist er durch die Welt gezogen, hat auch Amerika und Ostindien heimgesucht und hat es vielfach verstanden, während der Überfahrt auf den großen Passagierdampfern Leuten das Geld abzunehmen. Im Inland ist Wolff allerdings nur einmal wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels zu 4 Monaten Gefängnis verurteilt worden. Ob er in den vornehmen Spielerkreisen falsch gespielt hat, steht dahin, während die dringende Vermutung besteht, daß dieser berühmte »Kartenkünstler« das »corriger[246] la fortune« geübt hat. Ich muß hier vor der Öffentlichkeit feststellen, daß die über die drei Angeklagten verhängte Untersuchungshaft durchaus notwendig und nach den damaligen Verdachtsgründen vollständig gerechtfertigt war. Man braucht sich dabei nicht einmal auf die formelle Seite zurückzuziehen und darauf zu verweisen, daß die Verhaftung durch alle Instanzen als begründet anerkannt worden ist. Ich möchte aber alle Zuhörer davon überzeugen, daß nach den damaligen Verdachtsgründen so viel Belastungsmaterial vorlag, daß man die Angeklagten in Haft nehmen mußte. Die stereotype Frage: Wie konnte man auf solche Verdachtsgründe hin die Haftnahme verfügen, wird hiernach hoffentlich verstummen. Man denke doch daran, daß der gewerbsmäßige Spieler Wolff sofort nach dem ersten Kanonenschuß seine im Zuchthause gestärkten Knochen in Sicherheit gebracht hatte. Wer hatte Wolff eingeführt? Herr Hans v. Kröcher. Er trägt die volle Verantwortung dafür. Er hätte als Edelmann sich erst nach den Antezedentien des Mannes erkundigen müssen, das ist auch die Ansicht des »Deutschen Adelsblattes« gewesen. Die Verantwortung für die Einführung Wolffs tragen aber auch die Angeklagten v. Kayser und v. Schachtmeyer. Dies war jedoch nicht der einzige Grund zur Verhaftung, vielmehr kamen dazu die schweren Belastungen seitens der Bekannten der Angeklagten, namentlich des Grafen Königsmarck. Ich glaube nie und nimmer, daß der Brief, den Graf Königsmarck an v. Kröcher richtete, nur im Scherz geschrieben war, denn sonst hätte v. Kayser keine Veranlassung gehabt, sich darüber zu entrüsten. Und auch das Verschwinden des Kellners Montagli erregte den Verdacht. Die Angeklagten mußten sagen: »Du stehst in unserem Lohne und bist ein wichtiger Zeuge, du hast hierzubleiben!« Anstatt dessen erhielt er das Reisegeld, um nach Italien abzudampfen. Man nahm dabei auch das Kursbuch zur Hand. Man folgte dem Abreisenden in Gedanken, wie man einem lieben Bekannten mit den Gedanken auf der Reise folgt, denn v. Kröcher tat die Äußerung: »So, nun ist er bereits in München.« Es ist mir schon vorgekommen, daß Gesinnungsgenossen eines Verbrechers, der die Reise übers Meer antrat, aufatmend gesagt haben: »Nun ist er schon hinter der roten Tonne bei[247] Cuxhaven«, aber daß ein preußischer Gardeleutnant einem abreisenden Kellner den erwähnten Nachruf widmet, das ist mir noch nicht vorgekommen. Ich komme nun zu der Frage, ob die Verhaftung der Angeklagten erforderlich war. Da stehe ich nun nicht an, zu erklären, daß die Behörde ihre Pflicht verletzt haben würde, wenn sie nicht die Hand auf die Angeklagten gelegt hätte. Ich bemerke vorweg, daß die Verhaftung nicht wegen Verdachts des Falschspiels, sondern nur wegen gewerbsmäßigen Spiels erfolgt ist. Und dazu lagen wahrlich Momente genug vor. Schon allein, daß ein Mann wie Wolff, der Nachfolger des Seemann und anderer, sich in den Kreis der Angeklagten hineingedrängt drängt hatte und mit ihnen viel verkehrte, mußte den Verdacht aufzwingen, daß gewerbsmäßiges Spiel betrieben wurde. Herr v. Kröcher hatte sich bei seinem Kommando bereits nach Ostende abgemeldet, v. Schachtmeyer war im Besitze eines kleinen Vermögens und konnte leicht das Ausland erreichen, alle drei Angeklagten waren fluchtverdächtig. Also die Verhaftung war geboten und auch die aufgeworfene Behauptung, daß die Untersuchungshaft über Gebühr lange gedauert hat, muß ich als unberechtigt zurückweisen. Die Untersuchung ist mit größter Schnelligkeit geführt worden. Bei dem kolossalen Material, welches zu bewältigen war, und in Anbetracht des Umstandes, daß die Zeugen zumeist in weiter Ferne weilten, kann man dem Herrn Untersuchungsrichter nur Anerkennung zollen. Die Staatsanwaltschaft hat dann nur drei Wochen nötig gehabt, um das gewaltige Material zu sichten und die Anklage zu konstruieren. Selbstverständlich mußte den Angeklagten eine ausnahmsweise lange Frist zur Erklärung auf die Anklage bewilligt werden. Dann kamen die Gerichtsferien, es war aussichtslos, die Verhandlung in dieser Zeit anzusetzen, denn die Zeugen befanden sich in aller Herren Länder. Es ist richtig, daß zahlreiche Zeugen ihre Aussagen in der Hauptverhandlung eingeschränkt haben. Sie haben das Günstigste für die Angeklagten herausgesucht, und das mag wohl in dem Umstand begründet sein, daß jeder dieser Zeugen unter dem Eindrucke stand: »res mea agitur«, d.h.: »es ist eigentlich meine eigene Sache«. Ich komme jetzt zu[248] Herrn v. Manteuffel. Ich erkläre, daß man kein Recht hatte, diesen pflichttreuen Beamten so mit Vorwürfen zu überhäufen, wie es geschehen ist. Er soll sich dadurch in das Vertrauen der Angeklagten eingeschlichen haben, daß er sich als früherer Hauptmann der Artillerie einführte. Die jungen Herren von der Reserve können sich dadurch, daß Herr v. Manteuffel in seiner Eigenschaft als Hauptmann der Landwehr mit ihnen in Verbindung getreten ist, unmöglich verletzt fühlen. Was denken denn eigentlich diese jungen Herren von der Heiligkeit und Gewissenhaftigkeit ihres Eides? Sie mußten als Zeugen alles sagen, was sie wußten, und wenn Herr v. Manteuffel durch seine Liebenswürdigkeit und sein kameradschaftliches Entgegenkommen ihnen dies erleichtert hat, so sind sie ihm zu Dank verpflichtet. Noch andere Vorwürfe sind gegen Herrn v. Manteuffel erhoben worden, die zum Teil nicht unberechtigt sind. Ich billige nicht alles, was Herr v. Manteuffel getan hat, namentlich nicht seinen Brief an Herrn Dr. Leipziger. Aber wenn hier im Brustton der Überzeugung vom »Gegenteil der Wahrheit« gesprochen wurde, so möge man doch nicht vergessen, daß v. Manteuffel im besten Glauben gehandelt hat. Noch gestern habe ich von meinem Amtsvorgänger einen Brief erhalten, nach welchem seinerzeit nach Ansicht aller in Frage kommenden Instanzen nicht genug Material gegen Dr. Kornblum vorlag. Ich bedauere, daß Herr Dr. Leipziger durch den Brief getäuscht worden ist, aber ich kann nicht anerkennen, daß daraus schwere Vorwürfe gegen Herrn v. Manteuffel hergeleitet werden können. Ich billige ferner durchaus nicht, daß Herr v. Manteuffel die Verteidigungsschrift dem Grafen Königsmarck zugänglich gemacht hat. Das ist ein schwerer, bedauerlicher Mißgriff, dem aber die Staatsanwaltschaft durchaus fernsteht. Wie man aber dies so schwer urgiert, ist unbegreiflich. Ich kann und darf verlangen, daß das Ansehen eines pflichttreuen Beamten geschont und ihm nicht Vorwürfe gemacht werden wegen einer Maßregel, die auf der anderen Seite in viel verstärkterem Maße vorgenommen worden ist. War es notwendig, zur Entlastung der Angeklagten solch schwere Angriffe auf einen Kriminalbeamten zu häufen? Man hat dann gesagt,[249] die Zeugen seien »präokkupiert« gewesen. Ein erwachsener Mann, der Zeugnis vor Gericht ablegen soll, kann doch nicht in dem Sinne präokkupiert werden, daß er Falsches aussagt. Zunächst Herr Dr. Kornblum. Er hat den Stein ins Rollen gebracht, der jetzt als Lawine zu Tal ging. Ich verzichte auf sein Zeugnis. Ein Mann, der, nachdem er die Sache eingerührt hat, sich zurückzieht und spurlos verschwindet, indem er es kalten Blutes zuläßt, daß die Angeklagten monatelang in Untersuchungshaft sitzen mußten, ist für mich gerichtet, ich lege auf sein Zeugnis keinen Wert. Auch von dem Zeugnis des Generalmajors v. Kröchen mache ich keinen Gebrauch, wenn ich ihm auch jedes Wort glaube. Vor der Vaterliebe tritt der Staatsanwalt zurück und legt keinen Wert auf ein Wort, welches dem gequälten Vaterherzen entschlüpft sein soll. Der Oberstaatsanwalt ging sodann auf die Erörterung der rechtlichen Gesichtspunkte ein. Das Falschspiel ist nicht erwiesen, es ist als erwiesen anzuerkennen, daß die Angeklagten nicht falsch gespielt haben. Über Wolff sind sie und viele andere getäuscht worden, wenn es auch verwunderlich ist, daß sie als Edelleute nicht mindestens ein ebenso feines Gefühl bezüglich Wolffs gehabt haben als der Kellner Montagli, dem die aalglatte Höflichkeit Wolffs verdächtig vorkam. Rechtlich und tatsächlich ist an der vollen Überzeugung festzuhalten, daß alle drei Angeklagten des gewerbsmäßigen Glücksspiels schuldig sind. Gewerbsmäßig handelt derjenige, der wiederholt eine auf Erzielung des Vermögensvorteils gerichtete Handlung vornimmt und fortsetzt. Neben der Gewinnsucht bildet auch die Absicht, frühere Verluste zu decken, ein Tatbestandsmerkmal des gewerbsmäßigen Glücksspiels. Die Angeklagten haben »aus Berechnung« gespielt, und das deutet auch auf gewerbsmäßiges Glücksspiel hin. Sie haben fortgesetzt in der Absicht gespielt, zu gewinnen und aus den Gewinnen ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Keiner der Angeklagten hat im bürgerlichen Leben auch nur einen Groschen redlich verdienen können. Herr v. Kayser ist ein hochbegabter, strebsamer, wirtschaftlich außerordentlich genauer und ordnungsliebender Mann. Er hat keineswegs ausschweifend, eher solide gelebt. Er hat[250] seine Kleider und seine Stiefel gereinigt. Daß er aber das Spiel gewerbsmäßig betrieb, geht aus dem Umstande hervor, daß er mit einer Schuldenlast von 5300 Mark abschloß, dagegen aber etwa 50000 Mark außenstehende Forderungen halte. Der Angeklagte v. Kröcher hat nach ganz kurzer Dienstzeit seinen Abschied genommen aus Gesundheitsrücksichten. Es wäre vernünftigerweise viel besser gewesen, wenn er seinen Körper gekräftigt hätte, anstatt die Nächte am Spieltisch zuzubringen. Von seinem Vater erhielt er den bescheidenen. Zuschuß von 110 Mark, von einem Onkel 40 Mark, und seine liebevolle Mutter mag ihm wohl ab und zu ein kleines Opfer gebracht haben. Das war aber auch alles. Und seine Ausgaben? Diese betrugen im Jahre 1898 30000 Mark; er hielt sich ein Rennpferd, schaffte sich Equipage an, verausgabte für Kleider innerhalb zweier Jahre 4200 Mark. Ich glaube, mir wäre die Schamröte ins Gesicht gestiegen, wenn ich beim Eintreffen der kleinen Zulage von 110 Mark an den Lebenswandel dächte. Bei Herrn v. Kröcher liegen noch viel mehr und viel handgreiflichere Beweise dafür vor, daß er das Glücksspiel gewerbsmäßig betrieben hat, als bei Herrn v. Kayser. Aber auch der Angeklagte v. Schachtmeyer ist, wenn auch nicht so stark wie seine beiden Mitangeschuldigten, so doch in dem Grade belastet, daß das Schuldig gegen ihn zu beantragen ist. Der Oberstaatsanwalt kam zu dem Schlusse, daß alle drei Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels zu verurteilen seien. Bei der Strafabmessung sei zu berücksichtigen, daß die Angeklagten sich seit etwa acht Monaten in Untersuchungshaft befinden. Er beantrage gegen v. Kayser 4 Monate Gefängnis, unter voller Anrechnung der Untersuchungshaft, gegen v. Kröcher 6 Monate Gefängnis, wovon 4 Monate durch die Untersuchungshaft für verbüßt zu erachten seien, und außerdem 6000 Mark Geldstrafe oder einen Tag Gefängnis für je 15 Mark, und gegen v. Schachtmeyer 3 Monate Gefängnis, die als verbüßt anzusehen seien. Und nun, meine Herren Verteidiger, so schloß der Oberstaatsanwalt, stehe ich Ihren Angriffen zur Verfügung. Ich weiß wohl, daß vor manche Dinge in manchen Kreisen ein mildes Licht geworfen wird, ich weiß wohl, daß der Mantel[251] der Liebe ausgebreitet wird über manches, was nicht der Liebe würdig ist, sondern des Hasses bedarf. Die preußische Justiz läßt diese Milde häufig walten, die preußische Justiz hat aber noch immer verstanden, in ernsten Sachen das ernste Wort zu sprechen.

Verteidiger Justizrat Dr. Sello für v. Kayser: Der Prozeß ist einzig in seiner Art. Ich will kein Gewicht auf die sonderbaren Vorgänge legen, die sich in den Vorstadien des Prozesses und in der Hauptverhandlung selbst abgespielt haben. Aber einzig bezeichne ich den Prozeß, weil er einzig dasteht in der Rechtspflege. Es stehen zum ersten Male Leute von der Kategorie der Angeklagten wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels auf der Anklagebank. Die Entscheidungen des Obertribunals und des Reichsgerichts stellen als gewerbsmäßiges Glücksspiel immer nur eine Tätigkeit hin, wie Seemann, Reuter, Lichtner usw. sie ausgeübt haben. Gegen Leute aus dem Milieu der Angeklagten ist § 284 nur ein einziges Mal zur Anwendung gekommen, und diese Sache endete mit Freisprechung. Die neue Auffassung des Oberstaatsanwalts läßt vermuten, daß dieser Prozeß eine ganze Reihe neuer Prozesse wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels zur Folge haben wird. Seit 50 Jahren hat man der Anschauung gehuldigt, daß man gegen Leute von dem Schlage der Angeklagten nicht aus § 284 vorgehen müsse, nicht gegen Leute, die sich in gleicher Stellung wie die Angeklagten befinden, gegen junge, lebenslustige Offiziere, welche in überschäumender mender Lebenskraft einmal ihrer Leidenschaft die Zügel schießen lassen. Der hannoversche Spielerprozeß hat zuerst den Vorhang hochgezogen, aber nur Leute wie ein Seemann waren damals zur Verantwortung gezogen, und nur ein einziger Adeliger war dabei, der Schlepperdienste geleistet und dadurch seinen Namen mit Schande bedeckt hatte. Selbst Staatsanwälte haben sich über die Erhebung der Anklage gewundert. Sind wir denn nicht alle einmal jung gewesen? Wenn wir alle, die wir ins reifere Leben eingetreten sind, uns unserer Jugend erinnern, sollten wir nicht auch auf Stunden zurückblicken, die in den Rahmen dieser Verhandlung hineingebracht werden könnten? Nach diesen Vorausbetrachtungen will ich mich mit der Frage beschäftigen, ob[252] die Anklage mit Grund erhoben und mit Grund aufrechterhalten wurde und ob sie mit Grund zu einer Verurteilung führen kann. Die Verteidigung wird sich der Aufgabe nicht entziehen können, die Frage der Gewerbsmäßigkeit einer sorgfältigen Prüfung nach den verschiedenen Gesichtspunkten zu unterwerfen. Entschieden ist der Ansicht entgegenzutreten, daß es zur Entscheidung der hier gestellten Frage auf die Gewinnsucht ankommt. Die Gewinnsucht ist ein integrierender Bestandteil eines jeden Glücksspiels; so weit der Himmel blau ist und man um Kokosnüsse oder um Muscheln spielt, oder ob der biedere Bürger des Abends bei seinem Skat sitzt: Jeder, der spielt, will nicht verlieren, sondern gewinnen. Die Absicht, zu gewinnen, macht noch nicht den Gewerbsspieler, sondern überhaupt den Spieler als solchen. Die Angeklagten sind genau wie alle übrigen natürlich durch den Spielgewinn und die Hoffnung auf solchen zum Spiel gelockt worden. Die Charakteristik, die der Oberstaatsanwalt von dem Gewerbsspieler entworfen hat, stimmt für alle Gewohnheitsspieler. Es ist ja äußerst schwer, festzustellen, in welchem Moment der Gewohnheitsspieler ein Gewerbsspieler wird. Dieser Prozeß hat eine Fülle der verschiedensten Spielertypen vorgeführt, vom Prinzen von Thurn bis hinab zum Vizekonsul Moos, von dem Offizier, der zum ersten Male nach einem Liebesmahl sich zum Spieltisch begibt, bis zum Freiherrn v. Galy, der nichts ist als Spieler, der sich mit Stolz den König der Spieler nennen ließ, den alle Welt kennt – mit Ausnahme des Herrn v. Manteuffel. Der Nerv der Entscheidung liegt im innersten sittlichen Kern der einzelnen Individualitäten, und die Verteidigung verlangt mindestens ein Non liquet für die Angeklagten. Das Urteil im hannoverschen Spielerprozeß hat deutlich gezeigt, wer als gewerbsmäßiger Glücksspieler zu betrachten ist. Die dort vorgeführten Glücksspieler waren der Typus derjenigen Gewerbsspieler, den der Gesetzgeber im Auge hatte und der auch in den Anschauungen unseres Volkes Geltung hat. Einen diametraleren metraleren Gegensatz zwischen der Spieltätigkeit des Herrn v. Kayser und derjenigen Tätigkeit die bei den Spielern in Hannover zutage getreten ist, kann sich die kühnste Phantasie[253] nicht ersinnen. Der junge Referendar, der außerordentlich ernst gearbeitet hat, der sein Doktorexamen machte, der im orientalischen Seminar tätig war und dem seine Dienstvorgesetzten das glänzendste Zeugnis geben, hat doch den Spielerkreis nicht geschaffen, sondern ist hineingeraten, wie so viele andere. Der Verteidiger ging sodann auf eine eingehende Würdigung der Beweisaufnahme über und suchte die Beweisführung des Oberstaatsanwalts, daß v. Kayser als gewerbsmäßiger Glücksspieler zu gelten habe, zu zerstören. Die Tatsache, daß eine Anzahl von Leuten viel Geld verloren haben, so fuhr der Verteidiger fort, ließ sich für die Gewerbsmäßigkeit nicht verwerten, denn Herr v. Kayser hat am meisten mit verloren! Er hat nie den Anlaß zu hohem Spiel gegeben. Auch die Art und Weise seines Spiels gibt keinen Anhalt für den schweren Vorwurf, ein Gewerbsspieler zu sein. Der Verteidiger führte zur Begründung seiner Ausführungen eine Menge Belegstellen aus der Judikatur der höchsten Gerichte und aus der Literatur an. Der Angeklagte v. Kayser ist, so fuhr der Verteidiger fort, kein oberflächlicher Mensch, sondern eine tiefe und schwer angelegte Natur, bei welcher die Leidenschaften ganz besonders stark arbeiten. Diese Natur bedurfte des dämonischen Reizes, des kühnen Wagnisses im wechselvollen Spiel, weil er in seinem ganzen Tun und Treiben aufs Große, aufs Energische gerichtet war. Auch Männer wie Blücher, Lessing und die Könige der Literatur, die großen Staatsmänner der englischen Geschichte haben in dem Spiel ein Gegengewicht gegen ihr Übermaß von Arbeit erblickt. Der Angeklagte v. Kayser hat ebenfalls ernst und angestrengt gearbeitet und in dem Spiel eine Art Kompensation für angestrengte Tagesarbeit gesucht. Und die kritische Zeit, um die es sich hier handelt, war gewissermaßen das letzte Aufflackern dieser Leidenschaft; er stand vor dem Assessorexamen und konnte sicher sein, daß dies für ihn die Pforte zu einer glänzenden Lebenslaufbahn öffnete. Hätte die unglückselige Kornblum-Affäre noch vier Wochen sich verzögert, so wäre der Angeklagte als freier und glücklicher Mann aus den Jugendwirrnissen seines Lebens hervorgegangen. Er ist jetzt durch ein Fegefeuer[254] von einer Gründlichkeit und Grausamkeit hindurchgegangen, vor dem einen jeden der Himmel behüten möge. In tiefer Reue hat er erkannt, daß er viel getan und gelitten, was seiner unwürdig war. Aber keiner seiner zahlreichen Freunde hat jemals den Gedanken gehabt, daß er ein gewerbsmäßiger Glücksspieler sei, ja, seine Freunde haben trotz alledem und alledem zu ihm gehalten. Welches Vertrauen hat selbst Herr v. Manteuffel fel dem Angeklagten entgegengebracht, daß er ihm die Mitteilung von seiner Verhaftung machen durfte und ihn doch bis zum folgenden Morgen auf freiem Fuße ließ. Das war gewiß ein Beweis von großem Vertrauen in die Person des Angeklagten. Und v. Kayser hat bewiesen, daß er sich im Besitze eines guten Gewissens befand. Die Lehre, die den Angeklagten erteilt worden ist, ist eine schwere und grausame gewesen, sie wird unauslöschlich in ihrer Erinnerung haften bleiben. Wir rufen den jungen Leuten zu: »Seid ernst und arbeitsam in der Jugend, damit ihr es auch im Alter sein könnt!« Und nun dürfen wir wohl eine Freisprechung erbitten und erhoffen.

Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Schachtel (zweiter Verteidiger für v. Kayser): Er erklärte, daß er auf das Wort verzichten wolle, weil eine Nachlese nur die Wirkung der glänzenden Ausführungen des Vorredners abschwächen könnte. Wenn der Oberstaatsanwalt dem Angeklagten von Kayser vorgeworfen, daß er den Wert des Geldes nicht zu würdigen verstanden habe, so müsse entgegnet werden, daß daran nicht er, sondern die Verhältnisse Schuld haben. Ein preußischer Referendar, der nicht in der Lage sei, auch nur einen Groschen zu verdienen, könne unmöglich eine Vorstellung von sauer verdientem Gelde haben. Die einzigen Personen, bei denen der Verdacht des Gewerbsspielens obwalten könne, Herrn v. Galy und Dr. Kornblum, habe man einfach laufen lassen, obwohl die Voruntersuchung eröffnet war. Dr. Kornblum hatte ein Vermögen von 60000 Mark, bezog davon monatlich etwa 200 Mark Zinsen, hatte sonst keine Beschäftigung und lebte doch jahraus, jahrein in vollem Überfluß. Der Verteidiger schloß mit der Hoffnung, daß der Gerichtshof sich nicht mit einem non liquet begnügen, sondern die Nichtschuld der Angeklagten anerkennen[255] werde, die zwar leidenschaftliche Spieler, aber nicht Gewerbsspieler waren.

Verteidiger Rechtsanwalt Dr. Schwindt (für v. Kröcher): Die Verteidigung könne der Ehrenrettung, die der Oberstaatsanwalt dem Kriminalkommissar v. Manteuffel habe angedeihen lassen, nicht beitreten. Seine Pflichttreue soll nicht angezweifelt werden, aber man könne ihm den Vorwurf nicht ersparen, daß er sich von Dr. Kornblum habe irreführen lassen und daß er es nicht verstanden habe, sich aus den Wirren und Irrgängen, in denen Dr. Kornblum ihn zurückgelassen habe, wieder herauszufinden. Ein himmelweiter Unterschied, so fuhr der Verteidiger fort, besteht zwischen den Angeklagten in Hannover und den jetzigen Angeklagten. Ein gewerbsmäßiger Spieler verfährt ganz anders wie der Angeklagte v. Kröcher. Die ganze Art des Spieles des Angeklagten v. Kröcher, die Art, wie er sich den Spielgläubigern und den Schuldnern gegenüber verhielt, wie er in jeder Beziehung hung kulant war, zeigt, daß er die größte Gleichgültigkeit gegen das Geld hatte, nicht aber, daß er mit Spielen einen Gewerbebetrieb etablieren wollte. Auch Herr v. Kröcher ist in die Spielerkreise geraten und hat nicht mehr und nicht weniger als die anderen am Spiel teilgenommen. Sein Fluch war es, daß er nach anfänglichen Mißerfolgen mit Glück spielte. Und als ihm ein glücklicher Zufall einen besonders großen Gewinn in den Schoß warf, kam plötzlich die Vorliebe für Luxusausgaben. Tatsache ist es doch, daß der Angeklagte ernstlich bemüht war, sich einen bürgerlichen Beruf zu schaffen. Nach längerer juristischer Widerlegung der rechtlichen Ausführungen des Oberstaatsanwalts betonte der Verteidiger, daß die Standesgenossen des Angeklagten v. Kröcher ein ganz anderes Urteil über diesen haben, wie der Vertreter der Anklage: sie halten ihn für enorm leichtsinnig, nicht aber für einen Mann, der mit Berechnung, mit dem Plan und dem Ziele des Erwerbes gespielt habe. Der Gerichtshof möge sich diesem Urteil der Standesgenossen anschließen!

Rechtsanwalt Dr. Pincus I (für v. Schachtmeyer) suchte streng juristisch den Begriff des gewerbsmäßigen Glücksspiels zu interpretieren. v. Schachtmeyer hat, so schloß der Verteidiger, das Schicksal, angeklagt zu werden, vielleicht[256] seiner Harmlosigkeit zu danken, in welcher er nach dem Ausscheiden des Grafen fen v. Egloffstein dem Klub mancherlei Dienste geleistet hat. Er hat für seinen Leichtsinn zur Genüge gebüßt und erwartet nunmehr mit Sicherheit seine Freisprechung.

Angeklagter v. Kayser: Ich kann nur sagen, daß ich durch meine Spielleidenschaft und durch mein häufiges Spielen in moralischer Beziehung nicht immer ganz lobenswert mich verhalten habe. Das tut mir herzlich leid, und ich werde mich vor meinen Eltern und meinen Vorgesetzten deswegen zu verantworten haben. Gegen die bestehenden Strafgesetze in ihrer bisherigen Auslegung habe ich aber nicht verstoßen.

Der Angeklagte v. Kröcher bat den Gerichtshof, in Betracht ziehen zu wollen, daß er bereits mit 19 Jahren dem Spiele verfallen sei. Er sehe ein, daß er ein wahnsinnig leichtsinniger Mensch gewesen sei, was er jetzt natürlich aufrichtig bedauere. Aber gegen den Vorwurf, daß er das Spiel gewerbsmäßig betrieben habe, müsse er sich verwahren, er bitte deshalb um seine Freisprechung.

Der Angeklagte v. Schachtmeyer beschränkte sich darauf, um seine Freisprechung zu bitten, da er sich nicht schuldig fühle.

Nach längerer Beratung verkündete der Vorsitzende, Landgerichtsdirektor Denso, folgendes Urteil:

Der Gerichtshof hat, obwohl der Staatsanwalt diesen Teil der Anklage hat fallen lassen, sich pflichtgemäß mäß auch mit der Frage des Betruges beschäftigen müssen und ist auch zu dem Urteil gekommen, daß Betrug nicht vorliegt. Alle die Momente, die zur Begründung des Betruges angeführt worden sind, haben nach der Ansicht des Gerichtshofes keinen Beweis für Falschspiel erbringen können. Der Verdacht des Betruges ruhte im wesentlichen auch auf dem Verkehr mit Wolff, der als Falschspieler bezeichnet wurde. Es ist möglich, ja wahrscheinlich, daß Wolff ein Falschspieler war, es hat sich aber nicht nachweisen lassen, daß die Angeklagten Wolff für einen Falschspieler halten konnten. Im Gegenteil haben sie, wie die meisten der übrigen, Wolff für einen anständigen und umgänglichen Menschen gehalten. Auch der Verdacht, der darauf beruhte, daß die Angeklagten den Zeugen Montagli schleunigst über die[257] Grenze geschafft haben, hat sich in keiner Weise bestätigt. Die Anklage hatte sich aber auf alle diese verschiedenen Verdachtsmomente stützen können, denn es ist von ihnen allen vorher die Rede gewesen. Jedenfalls lag, als die Vorhaftung ausgesprochen wurde, genügendes Material vor, um die Angeklagten im Sinne der Anklage als dringend verdächtig erscheinen zu lassen. Wenn die Zeugen ihre ursprüngliche Aussage abgeändert haben, so kann ihnen ein besonderer Vorwurf daraus nicht gemacht werden, sie haben das Tatsächliche bestätigt, aber die ersten Folgerungen, die sie in der Aufregung gezogen, jetzt nicht mehr aufrechterhalten können. Der vom Reichsgericht festgestellte Begriff des gewerbsmäßigen Glücksspiels kann auf die Angeklagten nicht angewendet werden. Sie befanden sich zwar nicht in besonders günstigen Verhältnissen, aber sie hatten doch Mittel, um das Spiel einmal beginnen zu können, sie waren nicht ganz mittellos. Würde Mittellosigkeit vorgelegen haben, so würde § 284 sich leichter anwenden lassen. Die Angeklagten sagen selbst, sie seien keine Gewerbsspieler, sondern nur einem hohen Grade von Leichtsinn verfallen. Man kann ihnen nicht ins Herz sehen, und deshalb muß, wenn Zweifel obwalten, die den Angeklagten günstigere Ansicht Platz greifen. Deshalb liegt nachweisbar gewerbsmäßiges Glücksspiel bei ihnen nicht vor. Allerdings haben die Angeklagten einen erheblichen Aufwand getrieben. Daß ihr Wille aber von vornherein darauf gerichtet war, sich die Mittel zu diesem Aufwand durch Spiel zu erwerben, hat sich nicht nachweisen lassen. Selbstverständlich haben sie größere Ausgaben gemacht, wenn sie gewonnen hatten. Auch die Gründung des Klubs kann nicht gegen die Angeklagten sprechen, denn sie konnten dies zu dem Zwecke getan haben, um ungestörter sich dem Spiel hingeben zu können. Es liegt somit kein sicherer Schluß für die Gewerbsmäßigkeit des Spiels vor. Am wenigsten bei v. Schachtmeyer. Der Gerichtshof hat deshalb auf ein non liquet erkannt. Über die moralische Seite ein Urteil zu fällen, ist nicht Sache des Gerichtshofes. Die Angeklagten sind hiernach freizusprechen und die Kosten des Verfahrens der Staatskasse aufzuerlegen.

[258] Kurze Zeit nach Beendigung des Prozesses meldete sich Hermann Wolff. Er wurde in Haft genommen, nach kurzer Zeit auf Antrag seines Verteidigers, des Justizrats Wronker, wieder entlassen.

Der Oberstaatsanwalt hatte gegen das Urteil v. Kayser und Genossen Revision eingelegt.

Der zweite Strafsenat des Reichsgerichts gab der Revision statt.

v. Kayser, v. Schachtmeyer und Hermann Wolff hatten sich infolgedessen im November 1900 wieder vor der dritten Strafkammer des Landgerichts Berlin I, unter dem Vorsitz des Landgerichtsdirektors Oppermann I, jetzigen Reichsgerichtsrats, zu verantworten. Hermann Wolff wurde wegen gewerbsmäßigen Glücksspiels zu 4 Monaten, v. Kayser und v. Schachtmeyer zu geringen Strafen verurteilt.

v. Kröcher war inzwischen ins Ausland gegangen und hatte der Vorladung keine Folge gegeben.[259]

Quelle:
Interessante Kriminal-Prozesse von kulturhistorischer Bedeutung. 1911-1921, Band 8.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Naubert, Benedikte

Die Amtmannin von Hohenweiler

Die Amtmannin von Hohenweiler

Diese Blätter, welche ich unter den geheimen Papieren meiner Frau, Jukunde Haller, gefunden habe, lege ich der Welt vor Augen; nichts davon als die Ueberschriften der Kapitel ist mein Werk, das übrige alles ist aus der Feder meiner Schwiegermutter, der Himmel tröste sie, geflossen. – Wozu doch den Weibern die Kunst zu schreiben nutzen mag? Ihre Thorheiten und die Fehler ihrer Männer zu verewigen? – Ich bedaure meinen seligen Schwiegervater, er mag in guten Händen gewesen seyn! – Mir möchte meine Jukunde mit solchen Dingen kommen. Ein jeder nehme sich das Beste aus diesem Geschreibsel, so wie auch ich gethan habe.

270 Seiten, 13.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Geschichten aus dem Biedermeier II. Sieben Erzählungen

Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.

432 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon