Biber

[115] Biber, Castor fiber L. [Leske Naturgesch. I Taf. 3 Fig. 13.] dessen eiförmiger Schwanz von oben niedergedrückt und kurz ist, ein in kalten und temperirten Gegenden an Strömen und Teichen beider Welttheile lebendes Thier, höchstens von drei Fuß Länge, dessen künstlicher Bau seiner Wohnung und seine gesellschaftliche Lebensart bekannt sind. Jetzt hält er sich am häufigsten in Nordamerika auf, nächstdem in Preußen, Pohlen und[115] Rußland. Er lebt von zarten Baumrinden, sammelt sich Wintervorrath, wirft im Dezember zwei bis vier Junge, und dient zu einer wiewohl nicht annehmlichen Fastenspeise.

Für die Arznei sind diese Thiere durch die Beutel merkwürdig, deren bei jedem derselben (Männchen und Weibchen) viere zwischen dem After und dem Schambeine sitzen. Die untersten beiden und größten enthalten das sogenannte Bibergeil, die obern und kleinern aber das Bibergeilfett (axungia castorei).

Das Bibergeil (castoreum) selbst aber ist eine zähe, schmierige, harzige Substanz von dunkler Zimmtfarbe, zwischen verschiednen Membranen in dem länglichten balgdrüsenähnlichen Säckchen eingeschlossen. Sie ist entzündbar, von eignem, durchdringend starkem, widrigem, beschwerlichem Geruche, von scharfem, beissend bitterm und ekelhaftem Geschmacke und einer Konsistenz wie ein Gemisch aus Wachs und Honig.

Nachdem die Beutel ausgeschnitten worden, wäscht man sie äusserlich und räuchert sie, und so wird das innere Wesen trocken. Dann ist das Bibergeil ein schwerer, dunkelbrauner Beutel, mit einem festen, etwas zähen, doch zerbrechlichen, braunen Wesen (in viele häutige Fächer eingeschlossen) angefüllt, von dem genannten sehr starken Geruche und Geschmacke.

Wasser zieht größtentheils nur den widrigen, ekelhaften Theil heraus, Weingeist größtentheils nur die Bitterkeit; Branntwein löset mehr von beiden auf, versüßter Salpetergeist aber giebt das kräftigste Auflösungsmittel ab. Das meiste kräftige aus dem Bibergeil geht in der Destillation mit Wasser über; mit Weingeist wenig oder nichts.

Das beste Bibergeil kömmt aus Pohlen und Preußen über Danzig (castoreum borussicum) in großen, rundlichten höckerichten Beuteln; das nächstdem an Güte folgende aus Rußland (castoreum russicum, moscoviticum), und von der Elbe. In größter Menge aber, wiewohl von der geringsten Güte ward das Bibergeil ehedem aus Nordamerika, vorzüglich Kanada, durch die Engländer gebracht, und heißt deshalb englisches Bibergeil (castoreum anglicum). Es steht in zehn bis sechszehnmal geringerm Preiße, als die ersten beiden Sorten, kömmt in kleinern länglichten, sehr eingeschrumpften, schwärzlichten, dünnen Beuteln zu uns, von schwächerm etwas fettigem Geruche und einer leicht zerreiblichen Konsistenz. Das schwedische soll noch geringer seyn.

Man hüte sich, verfälschtes zu kaufen, welches von oben beschriebner Güte abweicht. Es giebt Gemische aus Bibergeilpulver mit Ammoniak, Sagapen und Galbanum durchknetet und in Hodensäcke kleiner Ziegen gefüllt. Oder es werden auch zuweilen in die Beutel voll ächten Bibergeils Stückchen Blei zur Vermehrung des Gewichts eingeschoben.

Bibergeil von bester Güte zeigt in gehörig großer Gabe sehr krampfwidrige, anthysterische Kräfte, und ist sehr heilsam, wo von seiner erhitzenden Kraft nichts zu befürchten ist.

Das Bibergeilfett (axungia castorei), welches in den andern beiden Beuteln enthalten, gelb, von[116] ölichter Konsistenz und weniger starkem Geruche, als das Bibergeil ist, ward ehedem zu nervenstärkenden Salben genommen, auch bei Blähungskoliken und hysterischen Zufällen vor sich in den Unterleib eingerieben.

Das in alten Zeiten gebräuchlich gewesene Fett unter der Haut des Bibers (axungia castoris) ist seines unbedeutenden Nutzens wegen vom Schweinefette (wie billig) verdrängt worden.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 1. Teil, Leipzig 1793, S. 115-117.
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