Drachenblut

[233] Drachenblut. Von diesem rohen aus Ostindien zu uns gebrachten Harze giebt es wenigstens vier Sorten im Handel.

Die erste Sorte (sanguis draconis in lacrymis) besteht aus länglicht runden kleinen Massen von der Größe einer Pflaume oder Wallnuß, deren jede in ein rohrartiges Blatt eingewickelt ist, oder doch die länglicht striefigen Eindrücke davon auf ihrer Oberfläche hat.

Die zweite Sorte (sang. drac. in granis) besteht aus ähnlichen nur kleinern Stückchen von der Größe einer Muskatennuß oder Haselnuß, welche gliederweise in Rohr zusammen geflochten sind.

Beide Sorten sind schwarzroth, undurchsichtig, auf dem Bruche nicht glänzend, schwer zerbrechlich, noch schwerer zerreiblich. Ans Licht gehalten brennen sie mit Flamme, und storaxähnlichem Geruch. Vor sich haben sie keinen Geruch, und wenn sie gekaut werden, keinen Geschmack. Fein gerieben erhalten sie eine schöne Zinoberröthe. In Wasser löset sich nichts auf. In Weingeist aber lösen sie sich ganz, fast ohne Rückstand, zur hochrothen Tinktur auf, welche durch zugegoßnes Wasser gleich gefället wird. Auch in ausgepreßten Oelen lösen sie sich auf.

Die Malayen und Japaner bereiten sie vorzüglich von dem aus der äussern Rinde der lampertsnußgro ßen Früchte des Calamus Rotang L. [Rumph. H.A. [233] T. 5. Tab. 58. F. I.] ausschwitzenden Harze, welches sie entweder trocken durch eine Reißmühle oder durch Schütteln in einem Sacke abreiben, oder durch heißen Wasserdampf erweichen, und dann, auf eine von beiden Wegen abgesondert, in der Wärme zu den kleinen Klumpen bilden, wie sie in den Handel kommen.

Die dritte Sorte (sang. drac. in placentis) besteht aus kleinen platten Kuchen, drei bis vier Finger breit und eine bis drei Unzen schwer, welche von aussen ziemlich glatt, ebenfalls schwarzroth, undurchsichtig und hart, auf dem Bruche aber ziemlich glänzend sind. Sie schmelzen an der Flamme eines Lichtes, und brennen mit Sprützeln und Knistern, blähen sich auf, geben einen rusichten Rauch und einen angenehmen Geruch, der dem des Zuckers ähnlich ist. Vor sich haben sie ebenfalls weder Geschmack noch Geruch, lösen sich nicht in Wasser, fast gänzlich aber in Weingeist auf; ausgepreßten Oelen theilen sie nur eine rothe Farbe mit, ohne sich aufzulösen.

Beim Kochen der Früchte des Calamus Rotang in Wasser schwimmt das flüssig gewordene Harz oben auf, welches die Ostindianer abschöpfen und in diese Form bringen.

Diese Sorte hat zwar nicht völlig die Güte der erstern beiden, ist aber auch (nach Murray) nicht viel geringer.

Die vierte Sorte (sang. drac. in tabulis) besteht aus großen Scheiben, welche über einen Zoll dick und sechs bis zwölf Zoll breit sind. Diese ganz geringe Sorte wird aus den schon ausgekochten Früchten zusammen gepreßt; es finden sich noch Schalen und Stengel derselben im Innern, auch Reispelzen und Holzspähne.

Diese schlechteste Sorte ist fast zu jedem Gebrauche unnütz und verwerflich.

Die feinen Sorten, vorzüglich die erste und zweite, dienen jetzt zur Arznei fast gar nicht mehr, ausser, wiewohl unnöthig, zu Zahnpulvern. Ehedem hielt man das Drachenblut für adstringirend, und schrieb ihm ansehnliche Tugenden dieser Art (in Wunden, im Veitstanze u.s.w.) zu, jetzt aber weiß man, daß es wenig oder nichts Arzneiliches und Zusammenziehendes besitzt, es müßte denn die letztere ganz schlechte Sorte seyn, welche mit adstringirenden Früchten, Bolus u.s.w. zuweilen vermischt befunden wird.

Der größte Verbrauch der besten erstern beiden Sorten ist zu Saftfarben und zum Goldfirniß.

Ausser dem Calamus Rotang (welcher die Hauptpflanze für das Drachenblut ist,) liefern noch viele andre ostindische Bäume einen ähnlichen rothen Harzsaft, welcher auch hie und da für Drachenblut verkauft worden ist. Die vorzüglichsten unter diesen sind der Pterocarpus Draco L. [Jacq. stirp. americ. Tab. 264. F. 91.] ein im südlichen Amerika, so wie auf Java und Sumatra, wachsender Baum; die Dracaena Draco L. [Blackw. herb. Tab. 358.] ein auf den canarischen Inseln einheimischer Baum; die Dracaena yucaeformis Forst.; der Pterocarpus Santalinus L. und noch mehrere andre.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 1. Teil, Leipzig 1793, S. 233-234.
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