Jalappenwinde

[436] Jalappenwinde, Convolvulus Ialappa, L. [Regnault bot. tab. le vrai Ialap] mit ungleich geformten, theils herzförmigen, eckigen, länglichten, theils lanzetförmigen Blättern, gewundenen Stengel, und einblüthigen Blumenstielen, eine bis zehn Schuh hohe, perennirende Pflanze, im Mexikanischen, um die Stadt Xalappa (daher ihr Name) und bei Vera Crux.

Daß die Jalappenwinde die wahre Mutterpflanze unsrer Jalappe sei, leidet keinen Zweifel, und es wäre gut, wenn nur die Quelle aller andern exotischen Wurzeln so gewiß wäre. Wenn man Plümier ausnimmt, der sie zur Gattung Mirabilis rechnet, und zu dessen Zeiten wohl eine Art Jalappe aus diesem Pflanzengeschlechte herrühren mochte, hat keiner, der diese Wurzel von Mirabilis herleitet, als Augenzeuge davon geredet, oder die wahre Jalapppflanze an Ort und Stelle gesehen. Spielmann, Gleditsch und Bergius haben blos aus der äußerlichen Aehnlichkeit der Wurzeln, und der abführenden Wirkung schwankende Schlüsse gezogen, ungeachtet auch die Purgirkraft einiger derselben nur schwach befunden worden ist.

Dagegen haben sie Rai und Sloane der Jalappenwinde zugesprochen, so wie Pluckenet, dessen Abbildung der von Hernandez, einem Augenzeugen, nahe kömmt; ihnen tritt ohne Bedenken Dale, Paul Hermann und zulezt Linné bei. Zur Gewißheit aber wird diese Behauptung durch Houstoun, von dem Miller seine Jalappwurzeln erhielt, womit er die sie für ächt erkennenden Londner Apotheker versorgte. Jener hatte sie selbst in Neuspanien gesammelt, und brachte die Pflanze davon mit nach London, welche, wie er, so auch Miller, und Bernhard von Jüssieu, der sich damals in London aufhielt, einstimmig für die Jalappenwinde erkannten. Auch Menonville hat sie bei Vera Crux von dieser Pflanze gesammelt und die Apotheker haben sie für die wahre erkannt.[436]

Man erhält diese Wurzel (rad. Ialappae, Ialapii, Gialappae, Mechoac. nigrae) entweder als zwei Linien dicke, thalergroße, Scheiben, oder der Länge nach zerschnitten in getheilt birnförmigen Stücken. Sie ist dicht, schwer, von außen schwärzlicht und runzlicht, innerlich dunkelgrau, mit dunkelbraunen, konzentrischen Streifen durchzogen; im Bruche muß sie häufige, flimmernde Harztheilchen zeigen, sich schwer zerbrechen, aber leicht zu Pulver stoßen lassen, ans Licht gehalten sich leicht entzünden, und fortbrennen.

Ihr besondrer Geruch ist schwach aber ekelhaft. Ihr Geschmack ist auf der Zunge gering, aber prickelnd, vorübergehenden Ekel und Speichel erregend, krazt aber mehr hinten im Schlunde.

Die schwammigen, leichten, weißlichen, leichtbrüchigen (zuweilen untergeschobne, außerdem noch an ihren Ringen kenntliche Wurzel der Gichtwurzzaunrebe), und die wurmstichigen Stücken müssen verworfen werden.

Die Jalappwurzel ist ein berühmtes Purgirmittel, welches in Beschwerden, wo die Gedärme mit einigem Reitze ausgeleert werden dürfen oder müssen, vollkommen sicher und zweckmäßig ist. Der mehr oder weniger reitzbare Zustand des Darmkanals macht aber eine große Abänderung der Gabe nothwendig, welche, weniger als man glaubt, in der verschiednen Kraft der (frischen, wohlaufbewahrten) Wurzel beruht. Blos vom Arzte darf die Gabe bestimmt werden. Erwachsene ertragen oft nicht den dritten Theil von dem, was einem achtjährigen Kinde wenig Wirkung leistet.

Gepülvert muß sie in wohl verstopften Gläsern aufgehoben werden, weil der Zugang der Luft ihre Purgirkraft bald mindert.

Die Kraft dieser Wurzel liegt in dem eignen Harze (resina lalappae), wovon sie 3/6 bis 3/13 ihres Gewichts enthält, ungeachtet man bei der gewöhnlichen Ausziehung oft nur 1/8 bis 1/7 bekömmt. Zu dieser Absicht gießt man auf Ein Pfund (nicht allzu groblich) gepulverte Jalappwurzel vier Pfund rektifizirten Weingeist in einem der stärksten gläsernen Gefäße, welches nur zur Hälfte davon angefüllt wird; man erhitzt das Gemisch in der Sandkapelle bis zum Anfange des Siedens des Weingeists, verschließt dann sogleich die Mündung mit ihrem Stöpsel so fest und luftdicht, wie möglich, und erhält eine Digestionswärme von 180 Graden zwölf Stunden lang. (Der gläserne Digestor (s. oben S. 229.) ist das schicklichste Gefäß hiezu, und dann wird die Extraktion im siedenden Wasserbade binnen einer Stunde beendigt.) Man öffnet das Gefäß, gießt das noch heiße, umgeschüttelte Gemisch in einen leinenen Spitzbeutel, läßt die Tinktur größtentheils durchseihen, und preßt das übrige allmählig, zuletzt stark, aus. Der Rückstand kann noch mit zwei Pfund Weingeist eben so digerirt, die noch heiße Tinktur durch Auspressen abgeschieden und mit ersterer vermischt werden.

Diese Tinkturen werden schon beim Erkalten trübe; man befördert die Abscheidung des Harzes[437] durch Zumischen gleicher Theile kalten Wassers. Man verbindet den weitmündigen Kolben mit nasser Blase, und läßt dem Harze Tag und Nacht Zeit sich abzusetzen. Von der übrigen gefärbten Flüssigkeit zieht man durch Destillation die Hälfte, als Weingeist ab, vermischt den Rückstand mit gleichen Theilen Wasser, und läßt das übrige Harz sich noch daraus absetzen. Beide Harze knetet man so lange mit warmem, erneuertem Wasser, bis es sich nicht mehr färbt, und trocknet das Harz auf weißem Papier an einem schattigen, luftigen Orte. Dieses bis zur Brüchigkeit getrocknete Harz läßt man in einer erwärmten Schale zusammenfließen und formt gedrehte Stängelchen daraus, die man als Jalappharz in verstopften Gläsern aufhebt. Da das käufliche Jalappharz so äußerst vermischt und verfälscht ist, daß kein Apotheker, welcher nur im mindesten Anspruch auf Rechtschaffenheit macht, es je kaufen darf, sondern immer selbst verfertigen muß, so ist es unnöthig anzuzeigen, daß das ächte Harz äußerst leicht zerbrechlich, von starkem Jalappgeruch, durchscheinend und rothbräunlich ist, auf Kohlen keinen Pech- oder Kolphoniumgeruch von sich giebt, und in Weingeist leicht und völlig auflösbar ist.

Das Jalappharz, welches so selten Vorzüge vor der Jalappwurzel zeigt, dagegen in so vielen Fällen als ein darmentzündendes Gift wirkt, ist nur heroischen Aerzten zum Purgirmittel zu überlassen. Es wird am besten durch Vermischung mit gleichen Theilen Seife, Auflösung beider in Weingeist, und Eindickung zur Extraktkonsistenz (sapo resinae ialappae) gemildert.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 1. Abt., 2. Teil, Leipzig 1795, S. 436-438.
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