Maronenkäste

[61] Maronenkäste, Fagus Castanea, L. [Zorn, pl. med. tab. 548.] mit lanzetförmig zugespitzten, sägeartig gezahnten, unten glatten Blättern, ein schon im südlichen Deutschland auf lettigen Anhöhen wohnender, sehr ansehnlicher und ein hohes Alter erreichender Baum, welcher im Anfange des Frühlings blüht.

Die von ihrer äußern stachlichten Schale befreiten Samenkerne (Fructus Castaneae) der gepfropften und gezognen Bäume sind einen Zoll groß, äußerlich mit einer harten, glänzend braunen Schale, innerlich und unmittelbar aber mit einer röthlichen, bitterzusammenziehend schmeckenden Haut umzogen,[61] und besitzen roh einen herben, der Südhitze aber ausgesetzt einen süßen, kräftigen Geschmack. Roh geben sie den Thieren im südlichen Europa, und mit Hülfe des Feuers zubereitet (gekocht, geröstet) dem Menschen eine starke und angenehme Nahrung, wiewohl, wie man behauptet, ihr Genuß die Nierenstein- und Kolikschmerzen, so wie die Hartleibigkeit vermehren soll. Die gelind gerösteten Kastanien enthalten Zuckersubstanz und Stärkemehl. Ihre Geschlechtstrieb befördernde Kraft ist nicht außer Zweifel gesetzt.

Roh ist in ihnen noch eine Art Herbsäure befindlich, wie die der Quitten, und vermöge dieser mag das Mehl der rohen Kastanien wohl Leukorrhöen und Bauch- und Blutflüsse wirksam zu hemmen im Stande seyn – die einzige arzneiliche Anwendung, die man ehedem von ihnen gemacht hat. Das röthliche sie unmittelbar umgebende Häutchen hat man zu gleicher Absicht dienlich gefunden. Eben dieß versichert man von der äußern harten Schale.

Die Zuckersubstanz in den gehitzten Maronen scheint aus jener Säure erst durch die Wärme zusammengesetzt zu werden, und in den rohen noch nicht vorhanden zu seyn.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 1. Teil, Leipzig 1798, S. 61-62.
Lizenz: