Primelschlüsselblume

[243] Primelschlüsselblume Primula officinalis Gm. [Flor. dan. tab. 433.] mit gezahnten, runzlichten Blättern, vielblüthigen Blumenschafte, und sämmtlich niederhängenden Blumen, deren Mündung hohl ist, ein niedriges Kraut mit perennirender Wurzel auf Wiesen an Gebüschen und Hecken, wo sie im Mai hochgelb blüht.

Erst in neuern Zeiten hat man diese Pflanze, die man ehedem mit der Primula clatior zusammen für eine Spezies hielt, und erstere Primula veris, Var. α, letztere Primula veris, Var. β, nannte, richtig als eine besondre Art von letzterer unterschieden, welche nicht officinel ist. Diese, die Primula elatior [Flor. dan. tab. 434.] ist in allen Theilen größer; von den blässergelben Blumen mit flacher Mündung sind blos die äußern niederhängend, die Blumendecke ist enger und kürzer, und die Wurzel ist geruchlos. Zum Unterschiede nennt man sie daher primula veris in der Londner Pharmakopöe, indeß der unsrigen der Namen Paralysis bleibt.

Die wohlriechenden, bitterlich schmeckenden Blumenkronen (Flores paralyseos) hielt man ehedem für Schmerz stillend und Schlaf bringend. Eben so das ebenfalls nicht geruchlose Kraut (hb. cum flor. Paralyseos) dem man, vorzüglich als ausgepreßtem Safte, (doch auch als Absude) Kräfte in hartnäckigem Kopfweh, in Hysterie, und Schwindel bleichsüchtiger Personen, ja selbst in örtlicher Lähmung der Zunge und dem Stottern, auch wohl im Halbschlage zugetrauet hat, vermuthlich allzu leichtgläubig.

Die nach Anis riechende, und zusammenziehend schmeckende Wurzel (Rad. Paralyseos) erregt, in Pulver, Nießen, und soll, wenn[243] damit infundirter Essig in die Nase gezogen wird, ein hülfreiches Stillungsmittel der Zahnschmerzen seyn. Die Alten empfohlen sie auch im Schwindel, gegen Spuhlwürmer, in Fiebern, im Nierengries und den Darmbrüchen; Empfehlungen, die schärfere Prüfung bedürfen.

In Edinburg brauchte man sonst auch an der Stelle dieser Pflanze die Primula acaulis, Gm. [Flor. dan. tab. 194.] die sich durch einblüthige Blumenstiele unmittelbar aus der Wurzel unterscheidet. Man hielt sie sonst blos für eine Varietät unter dem Namen Primula veris L. Var. γ, acaulis. Ob sie arzneilich verschieden sind, ist nicht bekannt.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 1. Teil, Leipzig 1798, S. 243-244.
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