Ranzigkeit

[31] Ranzigkeit (Ranciditas, Rancedo) eine durch den Beitritt des Sauerstoffs aus der freien Luft in den milden Fettigkeiten des Thier- und Pflanzenreichs so wie in ölichten Samen entstehende Gährung oder Verderbniß, wodurch diese Substanzen einen stinkenden Geruch, einen ekelhaften Geschmack, und die Fähigkeit erlangen, ihren ranzigen Theil in Weingeist auflösen zu lassen. Sie verändern ihre Farbe; die Thierfette werden dunkelfarbiger, so wie das Mark der ölichten Samen, die fetten Oele aber (Beispiele – Butter, Kakaobutter, Nußöl u.s.w.) werden weißer, und letztere verlieren die Fähigkeit, Metalle aufzulösen, m.s. Oele, fette. Die Abdünstung der fetten Oele, oder die Verdampfung ihrer Wässerigkeit (die ihnen auch zum Theil durch beigemischtes Kochsalz entzogen wird) so wie die Aufbewahrung derselben vor dem Zutritte der freien Luft in reinen, verstopften Gefäßen, vorzüglich aber an kalten Orten, dieß sind die unschuldigsten Mittel, sie vor dieser Verderbniß zu verwahren, und die Vermischung und Digestion der Fettigkeiten mit Weingeist, oder Kohlenstaub ist die unschädlichste Art, die schon verdorbnen zu bessern.

Was die Ranzigkeit der ölichten Samen betrifft, so ist zu merken, daß sie allesammt, so fern sie an trocknen Orten und vor der freien Luft gesichert aufbewahrt werden, gerade so viel Jahre von Ranzigkeit frei bleiben, als ihr inneres Leben, das ist, ihre Keimfähigkeit dauert, welche sich bei einigen Samen auf zwei, bei andern auf drei, vier und zuweilen mehrere Jahre erstreckt. Diese Keimfähigkeit, dieses innere Leben, folglich diese Kraft, von Ranzigkeit frei zu bleiben, verlieren sie aber sogleich, als sie zerbrochen oder von außen beschädigt werden, wodurch ihr Leben und ihre Keimfähigkeit erstirbt. Ganze, unbeschädigte Mandeln erhalten sich viele Jahre süß und mild, die von Insekten angestochenen aber und die, obgleich noch so wenig angebrochenen werden binnen wenig Wochen untauglich gelb und ranzicht. Die Stephanskörner bleiben, so lange sie ganz sind, mehrere Jahre unverdorben, zerbrochen aber oder gepülvert fangen sie binnen wenig Wochen an zu stinken, selbst bei der wenigen Luft, die in einem verstopften Glase ist.

Man hat daher immer solche Samenkerne zum innern Gebrauche (z.B. Mandeln zur Emulsion, und zur Auspressung des Oels) auszulesen, welche weder ihr Oberhäutchen verloren haben, noch wurmstichig, noch sonst beschädigt oder angebrochen sind.

Thierische oder vegetabilische ranzige Fettigkeiten dürfen nie, weder zu äußern noch zu innern Heilmitteln angewendet werden, weil sie selbst nach Anwendung künstlicher Verbesserungsmittel nie völlig rein von der ranzigen Schärfe werden, welche bei einigen Thierfetten so weit geht, daß sie beim äußerlichen Auflegen die Haut entzünden und zu Blasen erheben.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 31.
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