Sauerkleesalz

[131] Sauerkleesalz (Sal acetosellae) ist ein unvollkommenes übersaures Neutralsalz von sehr sauerm Geschmacke, in rhomboidalischen Blättern oder drusig krystallisirt, welches theils in der Schweitz vorzüglich an der Gränze im würtembergischen Amte Tuttlingen in schönen, großen, weißen, sehr sauern Krystallen, theils aber in etwas gilblicht weißen, kleinern, minder sauren Krystallen im Thüringischen und am Harze bereitet wird. Das thüringische ist weit schwerauflöslicher im Wasser als das schweizerische, lezteres soll sechs Theile, ersteres soll zwölf (vermuthlich nur acht) Theile siedendes Wasser zur Auflösung verlangen; aus beiden schießt das Salz beim Erkalten großentheils wieder an. Diese größere Auflösbarkeit des schweizerischen beruht auf dem größern Verhältniß an Säure, die es vor dem thüringischen voraus hat, in einem Verhältnisse wie 9 zu 7. Das schweizerische enthält etwa ein Drittel seines Gewichts an Potaschlaugensalze, die übrigen zwei Drittel sind theils Krystallisationswasser, theils eine Säure, die mit der Zuckersäure übereinstimmt.

Das Sauerkleesalz wird gewöhnlich bereitet aus dem Safte des Sauerkleelujel, Oxalis Acetosella [Zorn, pl. med. tab. 9] mit dreifachen Blättern, deren Blättchen umgekehrt herzförmig und harig sind, und mit einblüthigen Stengeln, ein niedriges Kraut mit perennirender gezahnter Wurzel in moosichten, gebürgichten Nadelwäldern und in schattichten Zäunen, welches im Aprill und Mai einzelne weiße und etwas röthliche Blumen trägt, und dessen angenehm und stark sauer schmeckenden Stengel und Blätter (Hb. Acetosellae, Allelujae, Lujulae) auch zuweilen arzneilich im ausgepreßten Safte, im Aufgusse und in der Konserve in Entzündungs- und Gallenfiebern, zu Frühlingskuren als Abführungsmittel und im Scharbock gebraucht worden sind.

Doch kann das Sauerkleesalz auch aus dem Springlujel, Oxalis corniculata L. [Flor, dan. tab. 873] mit schirmartigen Blumenstielen, ästigem ausgespreitztem Stengel und Blättern, welche am Stengel wechselsweise stehen, einem höchstens zwei Schuh hohem Sommergewächse unter dem Unkraute in Gemüßgärten, mit gelben kleinen im Juny erscheinenden Blumen – bereitet werden, so wie es aus dem Nicklujel, Oxalis cernua, L. [Thunb. de oxal. tab. 2] auf dem Vorgebirge der guten Hoffnung[131] bereitet wird, und in ältern Zeiten aus dem Safte des Sauerampfers (w.s.) verfertigt worden ist, von gleichen Eigenschaften, obgleich in geringerer Menge unter dem Nahmen des Sauerampfersalzes.

Um das Sauerkleesalz aus diesen Pflanzen, vorzüglich aus dem Sauerkleelujeln (welcher 1/320 seines Gewichts an diesem Salze geben soll, nach genauern Proben aber wenigstens noch einmahl so viel enthält) zu verfertigen, wird das frische Kraut in hölzernen Mörseln zerstampft, und der ausgepreßte Saft so lange hingestellt, bis er durchsichtig geworden, dann zur Sirupsdicke (bis zum vierten Theile) abgedampft, und nach Einwerfung einiger wohlkrystallisirten Sauerkleesalzkrystalle, so lange im Keller hingestellt, bis ein gehöriger Anschuß erfolgt ist, welcher durch abermahliges Auflösen, Kochen mit Kohlenpulver, Abklären mit Eiweiß, und Krystallisiren zum weißen Sauerkleesalze gereinigt werden muß. Vermuthlich beruht die Weiße, so wie der größere Antheil an Säure im schweizerischen und schwäbischen Sauerkleesalze, und daher seine beträchtlichere Leichtauflöslichkeit auf vorzüglicheren Handgriffen bei der Bereitung, (vermuthlich einer längern Frist beim Krystallisiren) nicht auf einer größern Güte der Pflanze. Die Mutterlauge vom hinlänglich zum ersten Mahle auskrystallisirten Salze giebt keinen Anschuß mehr bei fernerm Einsieden, ob sie wohl noch sehr sauer schmeckt.

Seine Verfälschung mit Weinsteinsäure entdeckt man an dem bränzlichten Weinsteinspiritusgeruche, den leztere in der Hitze von sich giebt, während der Dampf von ächtem Sauerkleesalze eine krystallisirbare Säure in der trocknen Destillation unter Knistern und Schmelzen übergehen läßt, die nichts Bränzlichtes verräth. Die Nachkünstelung aus Vitriol weinstein mit Virtiolsäure übersättigt läßt beim Eintröpfeln des Bleiessigs ein Präcipitat fallen, welches nicht wie das von reinem Sauerkleesalze in reiner Salpetersäure auflösbar ist, und hinterläßt nach dem Glühen Vitriolweinstein und kein mildes Laugensalz.

Das Sauerkleesalz giebt ein vorzügliches, Hitze dämpfendes, und nicht, wie Salpeter, schwächendes Mittel in Gallenfiebern ab, zu 10 bis 15 Gran auf die Gabe, und liefert ein angenehmes Limonadenpulver mit Zitronöl und Zucker in einem Verhältnisse wie 30 zu 1 und 480 zusammengerieben. Mit der Auflösung desselben in kochendem Wasser pflegt man Dinten- und Eisenrostflecke aus Wäsche und aus Büchern zu tilgen, und sie dient sehr wohl, um die verschiednen Trink- und Kochwasser auf Kalkerde zu prüfen, welche hart genannt werden, wenn jene Auflösung sie weiß trübt.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 131-132.
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