Sauertamarinde

[133] Sauertamarinde, Tamarindus indica L. [Zorn, pl. med. tab. 291] ein hoher, schattiger Baum in Ostindien wie in Westindien.

Die fingerlangen Früchte (Tamarindi), Fructus tamarindorum, oder Schoten sind dick, etwas zusammengedrückt, mit knotigen Erhabenheiten in der Gegend, wo inwendig die Samen liegen, und enthalten innerhalb einer ziemlich glatten, äusserlich graubräunlichen, dünnen zerbrechlichen Schale einige Zellen, nicht völlig mit einem dicklichen, schwärzlichten, angenehm säuerlichen Marke angefüllt, welches mit Häuten und holzigen Fasern durchwebt ist und einzelne, vierkantige Samenkerne einschließt.

Die Schoten des ostindischen Baums sind länger, von sechs bis sieben Kernen und mit einem häufigern, trocknern, schwärzern saurern Marke angefüllt als die aus Westindien, (obgleich die westindischen Bäume von Ostindien abstammen) deren kleinere Schoten höchstens 3 bis 4 Kerne enthalten, und nicht so voll von Marke sind, welches auch feuchter, hellfärbiger und süßer (vermuthlich mit Zucker vermischt) ist.

Wir erhalten es nicht in seinen Hülsen, weder aus Ost- noch aus Westindien, sondern blos das Mark in Fässern eingeschlagen, mit Fasern, Häuten und Samen vermischt. Es ist eine Art Pulpe wie das Pflaumenmuß, nur daß das Tamarindenmark (Pulpa Tama rindorum cruda) im Pfunde noch drei Quentchen Weinsteinrahm, etwa eine Unze wesentliche Weinsteinsäure und noch Zuckersubstanz enthält, eine süßlicht saure, schleimige Substanz; von weinartigem Geruche. Es wird vor dem Gebrauche durch Auflösung mit wenig warmem Wasser, und Durchdrücken durch ein Haarsieb gereinigt, und wenn es aufgehoben werden soll, nach Versetzung mit gleichen Theilen Zucker in irdenen oder gläsernen Geschirren eingedickt, (Pulpa tamarindorum pura). Das ostindische Tamarindenmark hält sich so roh, wie es ist, eine lange Zeit; das wäßrigere amerikanische aber verlangt jene Versetzung mit Zucker, wenn es nicht verderben, gähren oder schimmeln soll.

Mehr als ein Beobachter hat das Tamarindenmark mit Kupfer geschwängert gefunden, welches wohl von der Einweichung und Durcharbeitung der zerquetschten Tamarindenschoten in kupfernen Geschirren herrühren kann, wie man versichert. Diese Kupferbeimischung läßt Gefahr von dieser Drogue beim arzneilichen Gebrauche befürchten, so lange der Apotheker sich nicht durch chemische Prüfung fest überzeugt, daß in seinem Tamarindenmarke kein[133] solches Metall befindlich sei. Allgemein schreibt man zu dieser Prüfung vor, »daß man eine blankgescheuerte Messerklinge in eine siedende Tamarindenauflösung legen, nach einer Viertelstunde die Klinge in reinem Wasser abspühlen (nicht mit einem Lappen abwischen) und sehen solle, ob sie mit einer kupfrigen Haut überzogen sei, welche blau erscheinen werde, wenn sie mit ein Paar Tropfen Salmiakgeist genetzt worden.« Diese Probe ist aber ganz unsicher und falsch, da sich aus einer übersauern Metallauflösung kein Metall durch ein andres niederschlagen läßt, ehe nicht jene überschüssige Säure getilget worden. Wem dieses Axiom nicht einleuchtet, der nehme acht Unzen von einer reinen, künstlich aus Pflaumenmus, Weinstein und Weinsteinsäure in oben angegebnem Verhältnisse zusammengesetzten tamarindähnlichen Substanz, oder reines, nach unten folgender Prüfung für ganz kupferfrei erkanntes Tamarindenmark, mische innig eine Auflösung von einem Skrupel Kupfervitriol darunter, löse das Gemisch in sechszehn Unzen Wasser durch Kochen in einer gläsernen Schale, oder einem irdenen Topfe auf, lege dann eine blanke Messerklinge ein, koche es eine Viertelstunde lang und sehe zu, wenn man sie abgespühlt hat, ob sie einen Kupferanflug zeigt. Man wird keinen finden.

Zuverlässig aber ist die Probe, wenn man vier Unzen rohes Tamarindenmark auf einem flachen Scherben verbrennt, und die Kohle unter Umrühren so lange glühet, bis sie zur feinen Asche zerfallen ist (etwa 11/4 Quentchen an Gewichte), die man in einem länglichten weißen Arzneifläschchen mit einer Unze mildem Salmiakgeiste schüttelt und eine Stunde damit stehen läßt. Bleibt der Salmiakgeist farbelos, so ist man überzeugt, daß die Tamarinden kein Kupfer enthielten, welches, wäre auch nur eine Kleinigkeit davon in der Asche gewesen, den Salmiakgeist blau gefärbt haben würde.

Eben so unthulich als obige Probe ist der durchgängige Rath der Schriftsteller, die kupferhaltig befundenen Tamarinden so zu reinigen, »daß man das in Wasser aufgelöste Tamarindenmark so lange in einem zinnernen Kessel koche und mit einem blanken eisernen Spatel umrühre, als letzterer noch, nach mehrmahligem Abscheuren, überkupfert werde.

Er wird sich allerdings überkupfern, so bald alle überschüßige Säure vom Eisen gesättigt worden, dann aber wird er nicht eher aufhören sich zu überkupfern, als noch einiges Kupfer darin vorhanden ist, das ist, so lange, bis das ganze Tamarindenmark zum völligen Eisen- und Zinnsalze geworden ist; gewiß ein unbrauchbares Produkt und nichts weniger als gereinigtes Tamarindenmark. Denn auch das Zinn des Kessels überkupfert sich beim Kochen eines kupferhaltigen Tamarindenmarks, und es bleibt Zinn aufgelößt; man müßte denn durch das fernere Umrühren mit dem eisernen Spatel zulezt auch das Zinn wieder vertreiben, da dann alles zum weinsteinsauren Eisen wird, und kein[134] Andenken von Tamarindenmark mehr ist.

Dieser wahre Vorgang der Sache, und diese Nichtigkeit jenes Rathes zeigt, daß es unmöglich sei, durch irgend eine Vorkehrung Tamarindenmark vom Kupfer dergestalt zu befreien, daß es rein werde und nicht alle seine Säure verliere. Es muß eben so wohl weggeworfen werden, als das schimmlichte oder sonst verdorbene.

Das reine Tamarindenmark ist zu einer Unze mehr oder weniger auf die Gabe für Erwachsene eine angenehme kühlende Laxanz, die man, vielleicht nur theoretisch, vorzüglich gegen Gallenfieber und Ruhr bestimmt. In einigen Arten von Wassersucht ist es dienlich gewesen. Es soll die abführenden Kräfte der Manna und Kassie verstärken.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 133-135.
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