Speichelseifenkraut

[239] Speichelseifenkraut, Saponaria officinalis L. [Zorn, pl. med. tab. 136] mit zylindrischen Stengeln, und ovallanzettförmigen Blättern, ein zwei Fuß hohes Kraut mit perennirender Wurzel an wüsten Orten, an Wegen, und auf Dämmen, im Schatten an Zäunen, vorzüglich auf sandigem Boden in der Nähe von größern oder kleinern fließenden Wassern, wo es im Juny und July röthlich und weiß blüht. Aus Gärten ist es, einmahl gepflanzt, fast nicht wieder auszurotten.

Der jezt gebräuchlichste Theil, die Wurzel (Rad. Saponariae, rubrae, majoris laevis) ist lang, zylindrisch, schief, kriechend, eines kleinen Fingers dick und dünner, oben mit einem in zwei einander gegen über stehende Aeste getheilten Kopfe und mit einander gegenüber stehenden Keimknoten besetzt; äusserlich röthlich, oder hellbraun, innerlich ringsumher blaßgelb, in der Mitte weiß, frisch von schwachem Geruche, trocken geruchlos, von süßlicht bitterlichem und gekaut, von schleimigem, etwas beißendem Geschmacke. Sie erregt den Speichel und macht ihn schäumig. Der Absud von der frischen oder getrockneten Wurzel schäumt wie Seifwasser, wenn er geschlagen wird, und nimmt alle Fettflecke aus dem darin geriebenen Zeuge, aber farbige Flecke nimmt er nicht hinweg. Seine schäumende Eigenschaft wird durch Säuren nicht hinweggenommen; einigermasen[239] durch Laugensalze. Hieraus erhellet, wie vortheilhaft sie zu technischem Gebrauche angewandt werden könne, vorzüglich zu Reinigung seidner Zeuge, da die Seide ihre geschätzte rauschende Eigenschaft dadurch erhält.

In einigen gichtartigen Beschwerden (unbestimmter Art) und in den Nachwehen vom Misbrauche des Quecksilbers hat die Wurzel, vorzüglich ihr Extrakt, welches eine eigne, anhaltende Schärfe im Geschmacke verrathen soll, einige sichere Gewährmänner vor sich; aber der von ihrer seifenhaften Natur, ausser dem Körper entlehnte, und von Muthmasungen vollends erkünstelte Ruhm derselben in ungesehnen, unbestimmbaren, oft blos ersonnenen Verstopfungen der Eingeweide des Unterleibes (ein nicht seltnes Asyl gewisser Praktiker) verdient um desto mehr Rüge, da der rationelle Gebrauch einer kräftigen Pflanze (wie gewiß das Speichelseifenkraut ist) leicht durch so übertriebne, unbestimmte Lobpreisungen leiden kann, wenn man die gerühmten Wunder nicht wahrnimmt. Eine ernstliche, beobachtende Prüfung dieser Wurzel von vorurtheilfreien, Einfachheit liebenden diagnostischen Aerzten ist daher ein gerechter Wunsch.

Das Kraut (Hb. Saponariae) ist blos in frischem Zustande von gleichen Eigenschaften mit der Wurzel, aber von dem getrockneten Kraute schäumt das Dekokt nicht wie das des frischen Krautes oder der Wurzel. Vermuthlich ist es daher mit den Kräften der Wurzel nur in frischem Zustande, oder im Dicksafte zu vergleichen.

Von Kraut und Wurzel will man in ältern Zeiten beim innern Gebrauche Schweiß, Harn und Monatzeit treibende Wirkungen gesehen haben; man wendete sie äusserlich als Niesemittel und bei Flechten, Krätzausschlägen, Brustfisteln und zur Zertheilung einiger Geschwülste, innerlich aber gegen Bleichsuchten, Engbrüstigkeiten und selbst gegen Fallsuchten an, gegen welche leztere man jedoch die kleinen, rundlichen, röthlichen Samen noch hülfreicher heilt, ein Quentchen davon alle Monate einmahl vor dem Paroxysm, drei Neumonde nacheinander, eingenommen.

Häufig ist an die Stelle dieser Pflanze aus Unwissenheit der Kräutersammler und Apotheker die unkräftige Lychnis coronaria L. ( Marienlichtröslein) genommen worden, die sich jedoch leicht dadurch unterscheidet, daß sie auf thonichtem, nassem Boden wächst, ein Paar Monate früher blüht, keine Zwitterblumen mit zwei Staubwegen, sondern entweder blos zehn männliche Staubfäden in den Blumen der einen, oder fünf Staubwegen allein in den Blumen der andern Pflanze, und nicht drei Ribben in den Blättern, wohl aber oben eingekerbte Blumenkronblätter hat.

Auch vom Schachtkohlgliedweich hat man fälschlich die Wurzel gesammelt, welche dünn, lang, weißlicht, und mit wenigen Zasern besetzt ist.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 239-240.
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