Theer

[315] Theer (Pix liquida) ist ein Destillationsprodukt aus dem dürren Holze der Kienfichte und der Rothtannenfichte von dicklicher, schmieriger Konsistenz, starkem, brenzlichtem, eignem Geruche und bitterm, harzigem, widrigem Geschmacke. Das Brennen oder Schweelen des Theers geschieht entweder in eignen verschlossenen Theeröfen oder im Freien, wo aus großen Haufen angezündeten Fichtenholzes oder Wurzeln, mit Rasen, Moos und Erde bedeckt, der Theer in darunter eingegrabne Fässer rinnt, mittelst einer Art absteigender Destillation. Er ist eine Zusammensetzung aus Harz, empyrevmatischem Oele und bränzlichter Holzsäure.

Rührt man einen Theil Theer mit zwei Theilen kaltem Wasser zwei Tage lang von Zeit zu Zeit um, so wird das Wasser mit dieser bränzlichten Holzsäure und einem Theile des brandigen Oeles geschwängert; vom Theer rein abgegossen wird es Theerwasser (Aqua picis liquidae) genannt. Dieser gelbe, starkriechende und widrig säuerlich schmeckende Aufguß ist in alten Zeiten in einer Menge sich widersprechender Krankheiten, vorzüglich zur Heraustreibung einiger Hautausschläge ungemein gerühmt worden. Dieses ziemlich unangenehme, etwas hitzige Mittel, dessen wahre Eigenschaften man unter der Menge Lobsprüche nicht wahrmen konnte, mag wohl in einigen Fällen Harn zu treiben im Stande seyn, auch wohl Ausdünstung befördern. Es erhöhet den Ton des Magens, und ist keiner Gährung, wie andre unvollkommene Gewächssäuren, in den ersten Wegen fähig. Die eigends aus Fichtenholze destillirte Säure würde seine Stelle besser ersetzen da diese reinlicher und konzentrirter erhalten werden kann.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 315.
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