Tropfen

[336] Tropfen (Guttulae) ist eine allgemeine Benennung verschiedenartiger Arzneien, die jedoch in der Gebrauchsart, das ist, darin übereinkommen, daß sie: tropfenweise zu nehmen, verordnet werden. Wäre das genaue Gewicht eines Tropfens (Gutta) bekannt,[336] so würde diese Einnehmungsart viel vorzügliches für die Kranken haben, die sich wohl mit Zählen, aber nicht mit Wiegen oder sonstigen Abtheilungen der Arzneien befassen können, zumahl da gerade die (oft zu wenigen Tropfen auf die Gabe abzutheilenden) Tinkturen unter den wirksamsten Arzneiformen eine vorzügliche Stelle einnehmen.

Man hält das Gewicht eines Tropfens für unbestimmbar verschieden, über und unter Einem Grane. Indeß ließe sich dieß doch auf einige Grundsätze zurück bringen, wenn man auf die Zusammenhangskraft der Theile der Flüssigkeit unter sich, die Zusammenhangskraft derselben Flüssigkeit mit der Glassubstanz und die Dicke der Lefze der Glasmündung sehen wollte, aus welcher getröpfelt werden soll. Der mehr oder weniger große Umkreis der Glasmündung scheint wenig oder keinen Einfluß auf die Größe und Schwere des Tropfens zu haben. Hier einige Erfahrungen zur Annäherung, bei 68° Fahr. angestellt. 400 Tropfen Branntwein (von 0,944 eigenthümlicher Schwere) die von der Mündung eines Glases fielen, deren Rand eine halbe pariser Linie dick war, wogen 165 Gran. – 400 Tropfen Branntwein (von 0,925 eigenthümlichem Gewichte) von der Mündung desselben Glases getröpfelt, 161 Gran – 400 Tropfen einer Potaschlaugensalzauflösung (von 1,400 Schwere) von der Mündung desselben Glases getröpfelt, 340 Gran – 400 Tropfen starke Vitriolsäure (von 1,800) von der Mündung desselben Glases getröpfelt, 288 Gran – 400 Tropfen Wasser von der Mündung desselben Glases getröpfelt, 405 Gran. War aber der Rand der Glasmündung fast Eine Linie stark, da wogen die 400 Tropfen Wasser 440 bis 450 Gran; war der Rand hingegen nur eine Viertellinie stark, dann wogen die 400 Tropfen Wasser nur 360 Gran. An einem unter einer Viertellinie dünnem Glasrande vereinigen sich wässerige Flüssigkeiten nicht mehr zu Tropfen; sie schurren unabgesetzt und strahlweise. Deshalb darf der Apotheker billig keine, tropfenweise zu nehmende Arznei in so dünnmündige Fläschchen gefaßt, den Kranken übergeben.

Ist der Rand der Mündung des Glases fettig, so fallen die Tropfen des Wassers weit kleiner (leichter) aus, und eben so wenn das Wasser selbst fettig, z.B. mit Milch vermischt war.

So wie aber zu Tropfen keine sehr eng- und dünnmündige Arzneigläser vom Apotheker genommen werden sollen, so soll auch das Glas nicht über zwei Drittel damit angefüllet werden, weil sich sonst der Hals beim Tröpfeln verstopft, und dann plötzlich viel auf einmahl herausschurrt.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 336-337.
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