Vierblatteinbeer

[349] Vierblatteinbeer, Paris quadrifolia, L. [Zorn, pl. med. tab. 10] ein etwa sechs Zoll hohes Kraut mit acht Staubfäden und vier Staubwegen, mehrjähriger Wurzel und drei, gewöhnlich vier, doch auch fünf und sechs im Kreise herum, oder kreutzweise stehenden, stiellosen Blättern in gehegten Wäldern und dunkeln Hainen auf fetten Boden, welches im April und Mai blaßgrün blüht.

Die ovallanzetförmigen, zugespitzten, glattrandigen, dunkelgrünen, dreiribbigen, adericht gestrichelten,[349] unterwärts glänzenden zwei bis drei Zoll langen Blätter (Fol. Paridis, Herba Paris, Fol. Solani quadrifolii bacciferi, Vluae versae s. vulpinae) haben einen betäubenden, rauchähnlichen Geruch, und einen nicht unangenehmen süßlichten, den rohen Erbsen nicht unähnlichen Geschmack. Man weiß wenig von ihren Kräften, außer daß sie Magenkrampf und Purgiren (auch wohl Erbrechen) erregen sollen. Andre schreiben ihnen eine narkotische, schlafmachende Eigenschaft zu. Zu einem Skrupel sind sie Kindern gegen Keichhusten gegeben worden, wo sie Schlaf erregten und den Leib öfneten; auch in Konvulsionen (welchen?) will man sie mit Nutzen gegeben haben. Die Alten legten die zerquetschten Blätter als Umschlag auf Pestkarbunkeln, auf Fingerwurm, auf Krebsgeschwüre, uneröfnete Krebsknoten und Hoden sackentzündungen, und versichern Augenentzündungen mit dem äusserlich gebrauchten Safte geheilt zu haben.

Die querlaufende, strohhalmdicke, einfache, gegliederte Wurzel (Rad. Paridis) bringt, in doppelter Gabe als Ipekakuanhe, Erbrechen hervor, und die Alten wollen Koliken damit gestillt haben.

Die dunkelpurpurrothe fast vierkantige, mit vier hervorragenden Staubwegen besetzte, weinbeergroße Beere (Bacca, Sem. Paradis) hat einen weinartigen Geschmack, einen betäubend widrigen Geruch und enthält in ihren vier Zellen etwa sechs und dreisig ovale auf der einen Seite eckige Samen von weißlicht gelber Farbe. Mit dieser scheint man noch etwas mehr Erfahrung gehabt zu haben, wie die Nahmen in den verschiednen Sprachen andeuten, nach denen sie mehrern Thieren schädlich zu seyn scheint. Die Hüner sterben von den Samen. In ältern Zeiten will man Besessenheiten (mit Wahnsinn verbundene Konvulsionen) und, zu einem Quentchen auf die Gabe gereicht, Wahnsinnige (welcher Art?) binnen wenigen Wochen damit geheilt haben, auch Fallsuchten, und Eklampsie der Kinder zu sechs bis acht Beeren auf die Gabe. Doch sind die Nachrichten hierüber noch so unvollständig, daß sie nicht viel mehr für uns seyn dürfen, als dunkle Winke, die auf ein wirksames, Vorsicht erheischendes, fast unbekanntes Heilmittel hindeuten. Ob sie ein Gegengift der Krähenaugen sind, ist noch sehr zweifelhaft.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 349-350.
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