[384] Wasser (Aqua) jene so reichlich über unsern Erdball verbreitete, Elektrisität leitende Flüssigkeit, welche in ihrem reinen Zustande ohne Geruch, Farbe und Geschmack bei 212° Fahr. siedet, das ist, sich in einem gasartigen, einen 14000 Mahl größern Raum, einnehmenden, in trockner Luft auflösbaren, an kalten Oberflächen wieder zu Tropfen zusammenrinnenden Dunst auflößt, bei 32° Fahr. krystallisirt, das ist zu idioelektrischem Eis gefriert, und im rheinländischen Würfelfuß 661/2 Pfund köllnisches Markgewicht, bei 64° Fahr. wiegt, also 850 Mahl leichter als die atmosphärische Luft ist. Zerlegende und zusammensetzende Versuche haben es fast bis zur Ueberzeugung wahrscheinlich gemacht, daß 100 Theile Wasser aus 85 Theilen Substrat der Lebensluft und 15 Theilen Substrat der brennbaren Luft (die man deswegen Wasserstoffluft genannt hat) zusammen gesetzt sei, und sich in beide Gasarten wieder zerlegen lasse.
Es giebt, nächst dem Wärmestoffe, kein Auflösungsmittel von größerer Allgemeinheit, als das[384] Wasser. Alle mögliche Salze, und einige noch nicht dazu gezählte Erd- und Steinarten, der gallertartige Stoff der Thiersubstanzen und viele Bestandtheile der Gewächse werden von ihm aufgelöset, so wie die Gummen, die Seifen, mehrere Gasarten, der brennbare Geist, ja selbst die Aetherarten, die ätherischen Oele und der Kampher, jedoch leztere in kleinen Verhältnissen.
Diese so große Auflösungsfähigkeit des Wassers ist die Ursache, daß man es nie rein auf der Erde findet. Mit den wenigsten fremdartigen Bestandtheilen geschwängert ist das Regenwasser, w.s. mehr mit auszugartigen Theilen das Wasser grosser Flüsse. Mehr mit erdigen Mittelsalzen und vitriol- und kochsalzsauren Neutralsalzen, so wie mit Luftsäure geschwängert ist das verschiedne Quell- und Brunnenwasser, w.s. Wasser, die man wegen der schwierigen Weichkochung der Hülsenfrüchte und des Fleisches und der Zersetzung der Seife darin harte Wasser zu nennen pflegt.
Wasser aber, welche eine noch ansehnlichere Menge mineralischer Bestandtheile, auch wohl mehrere Luftarten in Menge aufgelößt enthalten, und nicht selten eine größere Wärme als die andern Quellwasser besitzen, werden mineralische Wasser, oder Gesundbrunnen genannt (M. → Wasser, mineralische, wo man auch ihre künstliche Zubereitung findet).
Da man aber zu den meisten pharmazevtischen Bereitungen und Auflösungen ein reineres Wasser braucht, als das gemeine Quell- oder Brunnenwasser ist, so bedarf man, da sich ganz reines Regenwasser nicht in beträchtlicher Menge mit geringen Kosten sammeln läßt, eine Reinigung des Brunnenwassers. Diese besteht in einer langsamen Destillation aus reinen Gefäßen. Zu dieser Absicht werden in einer kupfernen und verzinnten Blase mit reinzinnernem Helme versehen, z.B. 50 Pfund Fluß- oder Brunnenwasser, mit zwei Pfund Pulver von frisch geglüheten Kohlen vermischt, dergestalt destillirt, daß man das erste übergehende Pfund Wasser, welches noch einigen Staub der Destillirgefäße mit sich zu führen pflegt, wegschüttet, dann aber noch vierzig Pfund übergehen läßt, welches man in verstopften Flaschen an einem kühlen Orte aufhebt, als vor sich destillirtes Wasser (Aqua destillata per se). Der Zusatz des frisch geglüheten Kohlenpulvers verhütet den brandigen Geruch und den Uebergang des Extraktivstoffes, wodurch das vor sich destillirte leicht zu säuern und zu verderben pflegt. Das rückständige Kohlenpulver kann man trocknen, und gleich vor einer abermahligen Wasserdestillation wieder glühen, ehe man es in die Blase setzt; so ist es wieder tauglich.
Brechweinstein, Bleizucker, tartarisirter Weinstein, Ammoniakweinstein, Boraxweinstein, Seignettesalz, Barytkochsalz, können so wenig als die Metallsalze in Brunnenwasser aufgelöset werden, ohne daß sie sich zum Theil oder ganz zersetzen; blos destillirtes Wasser darf ein rechtlicher Apotheker zu ihrer Auflösung nehmen, und es ist von Aerzten zu erwarten, daß sie die Nothwendigkeit[385] hievon einsehen, und es in ihren Verordnungen ausdrücklich angeben.
Die in der Destillation mit arzneilichen Substanzen geschwängerten Wasser, werden zwar auch schlechthin destillirte Wasser (Aquae destillatae, abstractae, stillatitiae) genannt, doch gewöhnlich mit Benennung der Substanz, worüber das Wasser abgezogen worden, und von welcher es einige Bestandtheile mit übergenommen hat, z.B. destillirtes Zimmtwasser (Aqua destillata cinnamomi) oder auch blos: Zimmtwasser (aqua cinnamomi). Gewöhnlich sind es geruchvolle Pflanzentheile, seltner thierische Substanzen, (z.B. Bibergeil) und noch seltner Mineralsubstanzen (z.B. grauer Ambra) wovon und worüber Wässer abgezogen werden, misbräuchlich auch geruchlose Pflanzen, z.B. Wegbreit, Boretsch, Skabiosen, Augentrost, Kradebenedikt, Skorzonerkraut, u.s.w. von denen höchst wahrscheinlich nichts Arzneiliches mit übergeht.
Um diese Wässer zu bereiten, wird die kupferne Blase mit der dazu bestimmten entweder frischen, oder, wenn sie durch Trocknen ihre Kraft nicht verlieren, gelind getrockneten Substanz zur Hälfte angefüllt, so viel Wasser zugegossen, daß noch ein Drittel der Blase, (das Ueberwallen zu verhüten) ledig bleibt, dann der zinnerne Helm mit seinem Helmabkühler, voll kalten Wassers, aufgesetzt nach locker anlutirter Vorlage schnelles Feuer gegeben, bis die Mischung ins Sieden geräth, dann aber lezteres dergestalt gemäsigt, daß das geruchvolle Wasser in einem nur dünnen, fadenartigen Strahle übergehe. Man beendigt die Destillation, sobald etwa die Hälfte des angewendeten Wassers übergegangen ist, oder wenn eben das Uebergehende geruchvoll zu seyn aufhört:
Zu Droguen, welche im Wasser untersinkende ätherische Oele enthalten, wird Kochsalz nächst dem Wasser in die Blase geschüttet, damit der Hitzgrad erhöhet werden könne.
Zarte Pflanzen werden unzerschnitten in die Blase gethan, so wie die Blumen, welche durch Zerquetschen ihren Wohlgeruch verlieren, z.B. die der Weißlilie, der Sommerlinde, des Johanniswedel, der Maiblumzauke, des Schwarzholders, des Weißjasmins, u.s.w. Am besten werden diese, weil sie die Hitze des siedenden Wassers ohne Zerstörung nicht wohl vertragen, aus dem Wasserbade destillirt. Blumen, deren größte Kraft in der Blumenhülle oder der grünen Samenkapsel liegt, müssen schon verblühend zur Destillation genommen werden. Hölzer, dicke Rinden, und Wurzeln müssen zerschnitten, und, sind sie trocken, am besten, gepülvert, auch wohl, wenn ihre Substanz sehr hart ist, einen, zwei, höchstens drei Tage vorher eingeweicht, oder, wenn es Gewürze und starkriechende harte Droguen sind, Tag und Nacht vorher mit Wein oder Weingeist benetzt werden. Beeren, Früchte und Samen werden zerstoßen. Einige Kräuter, die ihren Geruch erst beim Trocknen erlangen (z.B. Waldmeistermeserich) müssen nur[386] frisch getrocknet mit Wasser destillirt werden.
Genauer läßt sich die Menge des Wassers durchs Gewicht, als nach dem Augenmase bestimmen; auf frische Kräuter nimmt man ein dreifaches Gewicht Wasser, auf getrocknete aber so viel Wasser mehr, als sie durchs Trocknen verlohren haben. Die holzigsten Kräuter und Wurzeln verlieren im Allgemeinen die Hälfte, die gewöhnlichen, mittelmäsig saftigen drei Viertel, die saftigsten und fleischigsten aber fünf Sechstel ihres Gewichts beim Trocknen.
Bei dieser Destillation läßt sich einiges Anbrennen des etwa an den Seiten angehangenen Krautes nicht völlig verhindern, wenn die Blase frei in ihrem Ofen stehet und ringsum und auf den Seiten vom Feuer bespühlet wird. Ist die Blase aber so eingemauert, daß blos der Boden von der Flamme getroffen wird, da darf man nur einen aus drei Stücken zusammengesetzten Rost (wie in Demachy's Liqueurfabrikant gezeichnet ist) einbringen, der etwa einen Zoll vom Boden der Blase abstehet, worauf die Kräuter zu liegen kommen, so ist man gegen das Anbrennen gesichert.
Hat man aber auch die zweckmäsigsten Anstalten gegen das Anbrennen getroffen, so wird man doch einen andern Geruch und Geschmack, den man den Feuergeschmack nennt, an den frisch destillirten Wässern gewahr, zumahl dann, wenn man mit einem einfachen Helme destillirt, der nicht durch einen stets mit frischem Wasser versehnen Helmabkühler oder Mohrenkopf abgekühlt wird. Dieser Feuergeschmack vergehet indessen doch bald, wenn man die destillirten Wasser in offenen, blos mit Papier bedeckten Flaschen einige Tage über stehen läßt, worauf sie nach Absetzung ihrer etwanigen Trübigkeit hell in andre Flaschen gefüllet werden, die man nun etwas genauer, obgleich nicht fest verstopfet und in einem Keller verwahret, der nicht modericht ist. Der vom Anbrennen der Pflanzentheile in der Blase entstandene branzige Geruch aber läßt sich durch diesen Handgriff nicht wegschaffen. Ob das Ausstellen in Sonnenschein ihn wegschaffe, ist noch nicht bewiesen.
Alle Arzneikraft der destillirten Wässer beruht auf der Menge des Riechstoffs, oder vielmehr (da man keinen vom ätherischen Oele verschiednen sogenannten Spiritus-Rektor in den gewürzhaften Pflanzen anzunehmen berechtigt ist) in der Menge des in dem Wasser aufgelöseten ätherischen Oeles. Vollkommen kräftig sind sie daher zu nennen, wenn sich aus ihnen noch ein Theil freien ätherischen Oels, zum Zeichen ihrer Sättigung damit, sogleich, oder doch binnen wenigen Tagen absondert. Nur bei einigen wenigen geruchvollen Blumen ist das ätherische Oel so leicht auflöslich in Wasser, daß in ihren destillirten Wässern fast nie eine Spur von ätherischen Oelen sich absondert, wie man bei den über Rosen, Jasmin, weißen Lilien, Tuberosen abgezogenen Wässern wahrnehmen kann.
So lange die destillirten Wasser kein freies, über oder unter ihnen schwimmendes, ätherisches Oel zeigen, können sie noch durch Zusatz[387] einer Menge derselben Art Gewächses und nochmahlige Uebertreibung verstärkt, oder, wie man es nennt, kohobirt werden (Aquae cohobatae). Dergleichen beträchtliche Verstärkung nehmen das Rosen- das Kirschlorbeer-das Baldrianwasser an. Man hüte sich jedoch, durch eine solche erneuerte Destillation das Produkt noch unangenehmer an Geschmack und Geruch zu machen, welches häufig geschieht.
Zu der Güte der destillirten Wasser gehört zwar das in ihnen aufgelösete, aber nicht das überschüssige, über oder unter ihnen schwimmende, wesentliche Oel. Lezteres muß daher sorgfältig und ganz rein von den Wässern geschieden werden, ehe man sie zum Gebrauche aufbewahrt, oder zur Zusammensetzung der Arzneien nimmt. Die nach der Destillation in der blank gescheuerten oder wohl verzinneten Blase übrig bleibende Brühe kann, wenn das in der Hitze zuzubereitende Extrakt derselben Pflanzensubstanz offizinell ist, noch heiß ausgeschüttet und, durchgeseihet ferner abgedampfet werden.
Wie man die geruchvollen Pflanzen vorzüglich in der Absicht mit (wenigerm) Wasser destillirt, um die ätherischen Oele aus ihnen zu ziehen, sehe man in dem Artikel Oele, ätherische, nach.
Eben so findet man die Bereitung der feinsten, zum Wohlgeruch bestimmten Wasser unter dem Artikel Dampfbad.
Ueber das Arzneiliche der destillirten Wässer hängt noch ein dunkler empirischer Schleier. Bisher dienten sie allesammt fast ohne Ausnahme zum arzneilichen Luxus, immer nur entweder als ein dem Geschmacke oder dem Geruche angenehmes, oder doch den Geruch der übrigen Ingredienzen verbesserndes Verdünnungsmittel andrer Arzneien; oft dienten sie blos zur Schau in ein niedliches Recept. Fast nie dienten sie, wenn man etwa ein oder das andre stinkende Wasser oder das Kirschlorbeerwasser ausnimmt, als Arzneien vor sich – immer nur als Zusätze, deren Arzneikraft für nichts zu rechnen sei. Wenn aber das Jahrhundert zur genauern Beobachtung anbrechen wird, wird man auch, wie ich zuversichtlich hoffe, einsehen lernen, daß die kräftig bereiteten Wässer allerdings wirksame, in der gewöhnlichen Dosis oft nur allzu wirksame Arzneien sind, deren Bedeutsamkeit nur unter der gewöhnlichen Vermischung mit andern Mitteln bisher unerkannt geblieben ist. Wie? Die so ungeheuer wirkenden ätherischen Oele sollten bei ihrer Auflösung in den destillirten Wässern als nichts bedeutende Vehikel und blose Verdünnungsmittel angesehen werden können? ja! aber nur in dem einzigen (nicht seltnen) Falle, wo gewinnsüchtige Apotheker die destillirten Wasser (soll ich sagen, zum Schaden, oder zum Nutzen des Publikums?) so zu verdünnen wissen, daß fast nichts als der Nahme des destillirten Wassers übrig bleibt.
Wußte man bisher nichts von der Arzneikraft der von einer einzigen Substanz abgezognen Wässer (Aquae destillatae simplices), so wundert es mich noch mehr, daß[388] man es wagen konnte, dergleichen über mehrere Substanzen zugleich übertreiben zu lassen, (aquae destillatae compositae), und in den Arzneivorrath einzuführen.
Vor einiger Zeit herrschte noch die Thorheit, frisch zerquetschte Pflanzen mit Wasser und Hefen vorher in Gährung, bis zum säuerlichen Geruche, übergehen zu lassen, und so verdorben und zersetzt, zu destilliren zu einem Destillate was sich wie schwacher Essig mit etwas Weingeist gemischt, verhielt, (z.B. Aqua taraxaci per fermentationem parata); zur Ehre des gesunden Menschenverstandes aber sind diese läppischen Thorheiten wieder aus der Mode gekommen.
Die über gewürzhafte oder starkriechende Pflanzensubstanzen abgezognen geistigen Flüssigkeiten, man mag nun Wein oder Branntwein dazu anwenden, geben zum Produkte einen brennbaren Geist mit ätherischem Oele geschwängert, den man unrichtig und widersprechend geistige Wässer (Aquae vinosae, und Aquae spirituosae) genannt hat, schicklicher aber Spiritusse nennt. Hiezu werden gewöhnlich z.B. 2 Pfund des Gewächses mit 3 Pfund Wasser und 11/2 bis 2 Pfund starkem Weingeiste zur Destillation eingesetzt, und 2 bis 21/2 Pfund davon herüber gezogen. Bloser Weingeist nimmt wenigstens die schweren ätherischen Oele nicht mit über; er muß in diesem Falle durchaus gewässert seyn, oder Wein (welcher die Siedehitze des Wassers zur Zersetzung braucht) an seiner Stelle genommen werden.
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