Weißbilsen

[421] Weißbilsen, Hyoscyamus albus, L. [Zorn, pl. med. tab. 218] mit gestielten, ausgeschweiften, stumpfen Blättern, und stiellosen Blumen; ein fußhohes im südlichen Europa an Wegen wohnendes Sommergewächs, welches in unsern Gärten im August grünlichtweißgelbe Blumen mit grünen Boden trägt.

Die Blätter (Fol. Hyoscyami albi), welche kleiner und weicher als die des Schwarzbilsen, und weißwollicht sind, haben einen ähnlichen, nur schwächern Geruch und sollen auch an Wirkung schwächer seyn. Fast blos in Frankreich hat man sich des Krautes bedient, und will vom innern Gebrauches seines Dicksaftes guten Erfolg in Zertheilung des grauen Staares, zuweilen auch zur Heilung des schwarzen Staares wahrgenommen haben.

Die rundlichen, etwas bräunlichen aschgrauen Samen (Sem. Hyoscyami, albi) waren in ältern Zeiten fast die einzigen officinellen Bilsensamen, bis man in neuern Zeiten den Samen von Schwarz- und Weißbilsen ohne Unterschied zu brauchen angefangen hat. Man pflegt ihn bei heftigen Schmerzen im Aufgusse als Schlafmachendes Mittel (ganz empirisch) einzugeben und gegen Blutspeien in Substanz zu der ungeheuern Gabe eines Skrupels, da der zehnte und zwanzigste Theil schon genug wäre, wo er angezeigt ist. Man hat ihn wie den vom Schwarzbilsen, und mit eben so roher Unbehutsamkeit als Räucherung gegen Zahnschmerzen brauchen lassen und oft Wahnsinn und andre schreckliche Zufälle davon entstehen gesehen. In der Auspressung giebt er so wenig Oel (Ol. Hyoscyami seminum expressum) daß Einige gezweifelt haben, ob er überhaupt dergleichen vor sich gebe, und es wahrscheinlich machten, daß man bei der Auspressung desselben sich durchaus eines Zusatzes vom vierten Theile süßer Mandeln bedienen müsse, wenn man Oel bekommen wolle, das dann auch ziemlich kräftig sei, auf Baumwolle getröpfelt, die Schmerzen und die[421] Entzündung der Goldaderknoten zu lindern, auch wohl gegen Blutflüsse in den leidenden Theil gerieben, an die Schläfen gestrichen gegen Kopfschmerzen, und eingerieben in Frostbeulen.

Unter Oleum Hyoscyami versteht man gewöhnlich nur das mit dem frisch zerquetschten Kraut infundirte Baumöl. Man sollte genauer seyn, und dieses Oleum hyoscyami infusum nennen, des zweideutigen Nahmens Oleum hyoscyami aber sich ohne Zusatz und nähere Bestimmung nie bedienen.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 421-422.
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