Weißwurzzauke

[434] Weißwurzzauke, Convallaria polygonatum, L. [Zorn, pl. med. tab. 171] mit abwechselnd stehenden, den Stengel umfassenden Blättern, rundlichem Stengel, vielblüthigen Blumenstielen in den Blattwinkeln, und trichterförmigen Blumenkronen; ein etwa anderthalb[434] Fuß hohes Kraut mit mehrjähriger Wurzel auf schattigen Felsenwänden, und in Hecken bei jähen Vergabhängen, wo es im Mai und Juny weiße Blumen mit grüner Mündung trägt.

Die lange, horizontale, durchaus kaum kleinen Fingers dicke, in langen Absätzen wulstig gegliederte, weiße Wurzel (Rad. Sigilli Salomonis, Polygonati) hat einen süßlichten, schleimichten, etwas schärflicht rettigartigen Geschmack und frisch einen ähnlichen Geruch, welcher beim Trocknen vergeht. In Wasser geweicht, zergehet sie gänzlich zu Schleim. Wie diese Wurzel nun nach diesen sinnlichen Eigenschaften von den ältern Aerzten für so ungemein dienlich in Darmbrüchen beim äussern und innern Gebrauche hat gehalten werden können, ist nicht wohl einzusehn. Sonst rühmten sie sie frisch zerstampft aufgelegt in Quetschungen und Geschwülsten, ließen sie auf Wunden legen, und mit dem Absude Hautausschläge waschen, vorzüglich aber suchten sie die Haut zu verschönern durch das in Rosenwasser geweichte Pulver der Wurzel, oder das aus lezterer destillirte Wasser.

Ganz ohne Schärfe ist diese Wurzel gleichwohl nicht, so wenig als das Kraut, welches frisch zerquetscht einen widrigen Geruch von sich giebt. Die Wurzel soll nach einigen Nachrichten in der Gabe eines Quentchens Erbrechen und Purgiren erregen; eben so die erst grünen, dann rothen oder bläulichten Beeren in der Gabe von 14-15 Stück.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 434-435.
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