Zimmtlorber

[475] Zimmtlorber, Laurus Cinnamomum, L. [Zorn, pl. med. tab. 339] mit dreiribbigen, ovallänglichten Blättern, deren Ribben gegen die Blattspitze zu verschwinden, und ganz getrennten Geschlechtern; ein mittelmäsig hoher Baum nicht nur auf Zeylon, sondern auch andern oft und westindischen Inseln und Ländern, ungeachtet wir bisher fast einzig die Rinde aus Zeylon von den in sandigem Boden nicht weit vom Meerufer wachsenden wilden Bäumen erhalten, von deren Abarten die daselbst Rasse – oder Penni Curundu mit dicken, großen Blättern, und die Nai-Curundu genannten, die vorzüglichsten sind.

Die nach abgeschabtem Oberhäutchen von dreijährigen Aesten nebst dem Splinte abgeschälten, von selbst im Trocknen sich zusammen rollenden, in achtzig Pfund schweren Bunden und in doppelten Säcken mit schwarzem Pfeffer umschüttet, bisher blos durch die Holländer zu uns gebrachten Rinden (Zimmt, Cinnamomum, verum, acutum, Canella, zeylanica, Cassia cinnamomea) bilden, eine in die andre gesteckt, fingerdicke Röhren, etwa einen bis zwei Schuh lang; jede einzelne Rinde aber muß etwas biegsam und doch leicht zerbrechlich, nicht viel dicker als starkes Notenpapier, im Bruche splitterig, und von aus Blaßgelb und Hochroth zusammengesetzter Farbe, von durchdringend erquickendem süßen Wohlgeruch und von erst süßem und lieblich aromatischem, nachgehends stechend hitzigem, nur wenig zusammenziehendem Geschmacke seyn. Der sehr scharfe, gewürznelkenartige Geschmack zeigt eine schlechtere Sorte oder andre Rinden ( Bitterzimmtlorber) an, so wie die größere Dicke und Härte, oder dunkelbraunere Farbe der Rinde ( Zimmtsortenlorber). Die in die Päcke eingeschobnen, schon ihres Oels beraubten Rinden sind kaum durch Geruch und Geschmack zu entdecken, da ihnen beides auf der weiten Reise durch die neben liegenden guten Rinden wieder mitgetheilt wird.

Die Hauptkraft der Zimmtrinde liegt in dem ätherischen Oele (Oleum Cinnamomi), wovon man in der wässerigen Destillation etwa 1/128, selten bis zu 1/48 erhält, wovon der größte Theil im Wasser untersinkt (von 1,003 spezifischem Gewichte), ein kleinerer Theil aber obenauf schwimmt, von anfänglich weißgelber Farbe, ätzend brennendem, und gleichwohl offenbar süßem Geschmacke und dem konzentrirtsten Zimmtgeruche. Da es bei uns, der Theurung der Zimmtrinde wegen, nicht rathsam zu destilliren ist, so bedient man sich gewöhnlich des in Zeylon aus den Abfällen und den[475] Brocken destillirten, wovon die Unze auf der Stelle mit zehn holländischen Thalern in Holland mit 30 bis 50 Gulden bezahlt wird. Dieser hohe Preis setzt es häufigen Verfälschungen aus.

Der Weingeist nimmt bei der Destillation mit der Rinde wenig substantielles Oel, wohl aber den seinen geruch- und geschmackvollen Theil mit über, und setzt man Weingeist, worin Zimmtöl aufgelöset ist, zur Destillation ein, so soll nach Uebergang jenes geruchvollen Geistes das fast gänzlich seines Geruchs und Geschmacks beraubte Oel, beinahe ohne Gewichtsverlust, in der Retorte übrig bleiben.

Ungemein lieblich und erquickend ist das weißlicht trübe destillirte Wasser (Aqua Cinnamomi simplex s. sine vino) dessen Weißtrübigkeit, das Zeichen seiner Güte, sich durch Aufbewahren im Kalten und einen kleinen Zusatz Zuckers auf die Dauer erhalten läßt.

Diese als Küchengewürz allgemein beliebte Rinde, dient oft zur Verbesserung des Geruchs und Geschmacks arzneilicher Pulver, in sehr kleiner Menge zugesetzt, vorzüglich aber als ein kräftiges Reitzmittel bei entzündungsloser Schwäche. Die Alten rühmten ihre karminativen, Magen stärkenden, ermunternden Kräfte; sie rühmten sie in Engbrüstigkeit (welcher Art?) und im Husten. Im allgemeinen ist der Zimmt eins der hitzigsten Gewürze, welches aber nicht nur den ganzen Blutlauf erregt, sondern auch insbesondere die Thätigkeit der Geburtstheile und der Bärmutter in Bewegung setzt, in stärkern Gaben die Monatzeit mit Gewalt hervortreibt und auf gleiche Art gebraucht, gewaltsame Wehen zur Geburt erzeugt, wie die Alten in Erfahrung gebracht haben. Diese fast spezifische Kraft der Zimmtrinde, das Gefäßsystem der Bärmutter zu erregen, hat sich vorzüglich bei dem Gebrauche der geistigen Zimmttinktur bewährt, welche in kleinen Gaben die von Atonie entstandenen Bärmutterblutflüsse (und weißen Fluß) mit großer Zuverlässigkeit hebt und die daher entstandne Schwäche mindert, dagegen aber auch in allen aktiven Bärmutterblutflüssen, und bei übereilten Geburtswehen plethorischer Personen desto schädlicher werden kann, besonders in größern Gaben.

Die Tinktur enthält zugleich die adstringirenden Theile des Zimmtes während das destillirte Wasser und das Oel davon entblößt sind.

Das ätherische Oel darf nur in der kleinsten Menge im Oelzucker oder in der geistigen Auflösung verordnet werden, da es so blos auf die Haut, vorzüglich der innern Theile, angebracht, sie fast augenblicklich zu einer Brandkruste zerstört. In der kleinsten Menge ist das ächte Zimmtöl eins der vorzüglichsten ermunternden und stärkenden Mittel bei trägem Umlaufe der Säfte.

Ein sehr ähnliches, nur bei weitem wohlfeileres Gewürz sind die sogenannten Zimmtblüthen (Flores Cassiae, richtiger Zimmtkelche, oder Zimmtnelken, Calyces cassinae zeylanicae, Clayelli cinnamomi), eigentlich die Blüthenknospen[476] vermuthlich des Zimmtlorbers; die fast von der Gestalt der Gewürznelken oben mit einem runden Kopfe, in der Größe eines kleinen Pfefferkorns, mit einem undeutlich sechstheiligen Kelche umgeben, und nach unten zu allmählich verdünnert, von vollkommenem Zimmtgeruche und Geschmacke, nur daß das Adstringirende der Zimmtrinde in ihnen weniger bemerkbar ist. Das weißtrübe destillirte Wasser hat den ganzen Geruch und Geschmack des Zimmtrindenwassers nur mit einiger beißenden Schärfe vergesellschaftet, die einigen würznelkenartig gedeuchtet hat. Das zugleich mit übergehende wesentliche Oel aber kömmt fast völlig mit dem Zimmtrindenöle überein; man erhält 1/256, selten bis 1/120 des Gewichts der zur Destillation eingesetzten Zimmtkelche.

Die Arzneikräfte dieser Drogue (welche ihrer weit größern Wohlfeilheit wegen jetzt weit häufiger zum Küchengewürz als die Zimmtrinde genommen wird) scheinen von denen der Rinde sich etwas zu entfernen. Man braucht sie wenig zur Arznei, und weder das Pulver der Zimmtkelche noch ihre Tinktur oder ihr destillirtes Wasser sollte stillschweigend vom Apotheker dem Pulver, der Tinktur oder dem Wasser der Zimmtrinde je substituirt werden, wenn man auch die beiderseitigen Oele für gleichwirkend gelten lassen wollte.


Quelle:
Samuel Hahnemann: Apothekerlexikon. 2. Abt., 2. Teil, Leipzig 1799, S. 475-477.
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