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[184] »Reisen ist Leben!« lautet ein Ausruf Jean Pauls. Er kommt aus meinem Herzen. Kein schöneres Glück für mich als Reisen. Und dazu braucht es für mich keinen Orient-Expreßzug, keine Seefahrten und Alpenübergänge – jedes neue Dorf interessiert mich. Mit den Jahren, die auch zureichende Mittel und Muße gewähren, dehnen sich freilich auch unsere Reisepläne aus, und wir suchen durch gesteigerte Dimensionen des Genusses zu ersetzen, was an dessen bester Qualität, der Jugendempfänglichkeit, verloren sein mag.

Meine kürzeren Urlaube benützte ich in den ersten Jahren häufig zu Besuchen meiner alten Freunde in Klagenfurt. Da konnte ich mir den Genuß nicht versagen, auch einmal meinen ehemaligen Amtstyrannen, den Finanzrat H., in seiner Höhle aufzusuchen. Dort saß er genau wie ehedem, mit rotgedunsenem Gesichte und giftigen Äugelein über seinen Akten und schien sich nach jemandem umzusehen, den er sekkieren könne. Ich gehörte glücklicherweise nicht mehr zu diesen und saß ihm in meinem[184] Freiheitsgefühl recht vergnügt gegenüber. »Nun, wie geht's, Herr Amtsvorstand?« – »O, schlecht, schlecht, Herr Doktor! Die Geschäftslast ist erdrückend, alle Jahre mehr und mehr zu tun! Heuer haben wir schon so und so viel Nummern!« Er nannte eine riesige Zahl, die mich gar nicht verwunderte, denn ich kannte ihn nur zu gut als erstaunlichen Virtuosen in der »Nummernreiterei.« – »Und haben sie denn keine tüchtigen Arbeiter?« – »O nein, nein,« lamentierte er weiter, »gar keine geschäftsmäßige Aushülfe! Man hat mir zwar einen Konzipisten geschickt, der schon mehrere Jahre beim Lemberger Fiskalamt gedient hat, aber er ist mir gar keine Aushülfe. Wirklich, Herr Doktor,« setzte er mit einem Ton verbindlichen Zugeständnisses bei, »wirklich, da waren Sie noch besser!« Hochbeglückt über diesen posthumen Erfolg empfahl ich mich von der einst so gefürchteten grünen Weste, die ich nie wieder gesehen habe.

Im Sommer 1858 machte ich mit einem Wiener Freunde, Dr. Ludwig Flesch, meinen ersten Ausflug in die Schweiz mit dem Rückweg über den Simplon und die oberitalienischen Seen. Diese genußreiche Reise zu schildern, muß ich mir hier versagen. Nur meine Bekanntschaft mit dem Ästhetiker Fr. Th. Vischer in Zürich darf ich nicht unerwähnt lassen. Ich hörte eine Shakespeare-Vorlesung Vischers im Polytechnikum und verbrachte mit ihm einen höchst anregenden Nachmittag und Abend.

Im September 1856 feierte man in Salzburg das hundertjährige Jubiläum von Mozarts Geburt. Unter sehr mäßiger Teilnahme der Einwohner enthüllte man die Statue, die sich in ihrer nüchternen Auffassung und Porträtunähnlichkeit zu Tilgners Mozart ungefähr verhält, wie das Bonner Beethovendenkmal zu dem von Zumbusch in Wien. Bei dem Festkonzert in dem geräumigen »Kollegiensaal«, der Aula der ehemaligen Universität Salzburg, bildete Mozarts Sohn Karl den Gegenstand der allgemeinen pietätvollen Neugierde. Karl Mozart war bei Gelegenheit dieses Festes gleichsam neu entdeckt, zu aller Welt Überraschung aus völliger Vergessenheit ausgegraben worden. Von Mozarts zwei Söhnen war der ältere, der Komponist, vor Jahren in Karlsbad verstorben, das wußte jedermann; aber wo der jüngere hingekommen sei, das hatte man längst zu fragen vergessen. Karl Mozart war sieben Jahre alt, als er seinen Vater verlor; mit fünfzehn Jahren kam er nach Italien in ein Handlungshaus, aus welchem er später in Staatsdienste überging. Als ich ihn beim Mozartfest in[185] Salzburg kennenlernte, war er quieszierter k.k. Rechnungsbeamter und lebte von einer schmalen Pension. Ich sehe ihn noch vor mir, den kleinen, schmächtigen alten Herrn, mit schwarzen Augen und wenig gebleichtem Haar, schlicht und bis zur Verlegenheit bescheiden in seinem Benehmen. Da er fast seine ganze Lebenszeit in Mailand verbracht hatte, betrachtete er sich beinahe als Italiener und sprach das Deutsche hin und wieder gebrochen, mit wälschem Akzent. Er versicherte, sich seines Vaters recht genau zu erinnern und hatte namentlich zwei Umstände lebhaft im Gedächtnis bewahrt: daß ihn Vater Mozart, wegen Kränklichkeit der Mutter, häufig hüten und spazieren führen mußte, sodann, daß er vom Vater oft ins Theater mitgenommen worden – ein Vergnügen, das er wunderlicherweise nie wieder aufgesucht hat. Karl Mozart war niemals verheiratet, und da auch sein Bruder Amadeus keine Kinder hinterließ, so starb mit ihm der Name des großen Meisters aus. Nach dem Salzburger Fest verschwand Karl Mozart wieder ebenso spurlos und geheimnisvoll, wie er gekommen. Er kehrte in seine dunkle Einsamkeit zurück, und man hat nie wieder von ihm gehört, als bis er starb.

Ein andrer Festgast, um welchen sich die Verehrer Mozarts scharten, war der Musikgelehrte Dr. Ludwig von Köchel. Er gehörte zur alten Garde des Mozart-Kultus und war mit Salzburg eng verwachsen, wenigstens, solange sein Freund, Präsident von Scharschmid, mit seiner kunstsinnigen Familie dort hauste. Einen eifrigeren und werktätigeren Mozart-Verehrer hat es kaum gegeben. Seine halbe Lebenszeit und sein halbes Vermögen hatte Köchel darauf verwendet, den enormen Apparat zu einem vollständigen »Catalogue raisonné« der Mozartschen Kompositionen zusammenzubringen, zu sichten und zu jenem Riesenband zu verarbeiten, den der Musiker jetzt als unentbehrliches Hülfsbuch schätzt. Nicht zufrieden mit dieser zu Ehren Mozarts vollbrachten Herkulesarbeit, agitierte der rührige alte Herr unermüdlich für die Herstellung einer Gesamtausgabe von Mozarts Kompositionen. Die Idee, Mozarts sämtliche Werke kritisch revidiert im Stich zu veröffentlichen, als Seitenstück zu der neuen Beethoven-Ausgabe, war schon oft angeregt, insbesondere von Ferdinand Hiller. Die unsägliche Mühsal einer solchen Redaktion und die enormen Kosten des Verlages ließen jedoch immer wieder von der Ausführung zurückschrecken. Die Firma Breitkopf & Härtel in Leipzig, diese oberste Kultusbehörde der deutschen[186] Musik, hat schließlich die Arbeit in großartigem Sinne unternommen, und Köchel erlebte noch die Freude, die ersten Bände dieser Mozart-Ausgabe vor sich aufgeschlagen zu sehen, zu welcher er selbst die Summe von zwanzigtausend Mark beigesteuert hatte.

Der September des Jahres 1862 versammelte in Salzburg die deutschen und österreichischen Künstler zu einem dreitägigen Künstlerfest. Die Rede des Staatsministers Schmerling beim Festmahl wurde als ein Ereignis gefeiert. Die beiden Themen, welche Schmerling in langer freier Rede entwickelte, waren: Die Bedeutung der Kunst im Staate und die geistige Herrschaft des deutschen Elementes in Österreich. Selten hat ein österreichischer Staatsmann diese bei den Momente mit solcher Freiheit und Entschiedenheit entwickelt. – Es geschah während dieses Künstlerfestes in Salzburg, daß der Maler Moritz von Schwind einmal zu später Abendstunde in der Kneipe der guten Frau Raith einige Freunde um seinen Tisch versammelte. Robert Franz, der Liederkomponist, der Musikschriftsteller Ludwig Nohl, Kapellmeister Schläger, Dr. Spatzenecker und noch ein oder zwei Salzburger Herren bildeten eine kleine Tafelrunde, welche, wie Schwind ins Gedenkbuch schrieb, »versammelt war, einen von Peter von Cornelius vor zehn Jahren dem Dr. Spatzenecker als ärztliches Honorar zugedachten Kronentaler zu vertrinken«. Der treffliche Wein und die Erinnerung an dessen illustre Herkunft brachten Meister Schwind bald in die fröhlichste Laune und sein Gespräch auf Franz Schubert, der dem Weine auch nicht abhold gewesen. Wir lauschten vergnügt dem Erzähler und konnten uns nicht satt sehen an dem prächtigen energischen Kopfe, aus dem die blauen Augen unter den weißbuschigen Brauen so froh und geistvoll aufblitzten. Schubert, so erzählte Schwind, ging aus seiner Kneipe oft spät abends über das Glacis nach Hause. Da dieser Weg damals im Geruche einiger Unsicherheit stand, pflegte Schubert sich für alle Fälle dadurch zu rüsten, daß er sein Federmesser mit geöffneten Klingen fest in der Hand hielt. Eines Abends begleiteten ihn Schwind und Bauernfeld. Bei seiner Wohnung angelangt, wollte sich Schubert von den Freunden noch nicht trennen und lud sie ein, mit ihm oben eine Pfeife Tabak zu rauchen. Mit Freuden willigte man ein, überzeugte sich aber bald, daß Schubert im Drange der Gastfreundschaft sein Inventar überschätzt habe. Es fanden sich zwar drei Pfeifenrohre, aber nur zwei Pfeifenköpfe.[187] Was war zu tun? Schubert nahm ein altes Brillenfutteral, bog es zusammen, stopfte es mit Tabak und rauchte aus dieser improvisierten Pfeife mit vollkommenstem Behagen. – Eines Morgens fand sich Schwind bei Schubert ein, ihn zu einem Ausfluge mitzunehmen. Schubert eilte, seine Toilette zu beenden, und wühlte in einem Schubladkasten nach einem Paar Socken. Aber solange er auch wühlte, jedes Paar erwies sich als unbarmherzig zerrissen. »Schwind,« sagte Schubert am Ende dieser trostlosen Revue mit abergläubischer Feierlichkeit, »Schwind, jetzt glaube ich wirklich, es werden keine ganzen mehr gestrickt!« Von Schuberts fabelhafter Leichtigkeit im Produzieren wußte Schwind manches Geschichtchen aus eigner Anschauung. Er hatte Schubert einmal bei sich in seiner bescheidenen Sommerwohnung zu Heiligenstadt über Nacht behalten. Der folgende Morgen stellte sich mit schweren Regentropfen ein und machte jeden Gedanken an einen Spaziergang unmöglich. Schubert schlenderte mißmutig das Zimmer auf und nieder. »Schubert, so tu doch was!« herrschte ihn Schwind nach einer Weile an: »Komponier' ein Lied!« – »Wie soll ich das anfangen?« erwiderte der gelangweilte Gast, »hier, wo ich weder ein Piano noch Notenpapier noch Liedertexte habe!« – »Dafür will ich sorgen!« versicherte Schwind. Sprach's und verwandelte mittelst Feder und Lineal einige Bogen Konzeptpapier in untadelhaftes Notenpapier zu drei Systemen, stöberte hierauf eine alte lyrische Anthologie aus seiner kleinen Büchersammlung und bezeichnete fünf bis sechs Gedichte daraus als geeignete musikalische Texte. Schubert hatte sie kaum gelesen, als er auch schon die Feder lustig übers Papier gleiten ließ. Noch ehe die Essensstunde schlug, waren die Gedichte komponiert und so schön komponiert, daß Schwind jetzt noch gern versichert, jene Notenlinien seien nicht das Wertloseste gewesen, was er je gezeichnet.

Ich habe unter den Tischgästen an der gemütlichen Wirtstafel der Frau Raith auch Robert Franz und Ludwig Nohl genannt. Zwei sehr verschiedene Persönlichkeiten, deren Bekanntschaft ich dort gemacht. Robert Franz, den ich aus seinen sinnigen, gemütvollen Liedern liebgewonnen hatte, war ein ernster, hagerer Mann von etwas professorenhaftem Zuschnitt, sehr gewandt in belehrender Rede, die er durch manchen treffenden Sarkasmus würzte. Insbesondere Liszt und Wagner, diese »merveilleusen Naturen«, wußte er gut zu bedienen. »Wenn ich durchaus dergleichen Kompositionen anhören muß,« äußerte er, »so halte ich[188] geduldig den Buckel hin und lasse darauf regnen.« Das Mißgeschick vollständiger Taubheit, was ihn später getroffen und vereinsamt hat, hemmte noch nicht den mündlichen Verkehr mit ihm. Er lud mich zu einem Spaziergang im Mirabellgarten ein und erging sich in eifriger Predigt über Bach so unerschöpflich, daß wir, den einsamen Garten auf und ab wandelnd, nicht bemerkten, wie wir daselbst die letzten Spaziergänger geblieben waren. Da hörten wir das eiserne Gittertor klirrend ins Schloß fallen und sahen gerade noch, wie der pünktlichste aller Invaliden den großen Schlüssel umdrehte und abzog. Glücklicherweise erreichte mein Ruf den martialischen Wächter, der keineswegs darauf bestand, uns die Nacht im Garten zubringen zu lassen. Das Gespräch über Bach wurde aber draußen fortgesetzt. Rührend war der apostolische Eifer, mit welchem Franz mich zu denjenigen Werken Bachs zu »bekehren« unternahm, zu welchen ich damals kein rechtes Verständnis, wenigstens kein Herz fassen konnte. Schon als Schüler Tomascheks sattelfest im »wohltemperierten Klavier« hatte ich doch wie die meisten Musiker des katholischen Österreich lange Zeit nur geringe Kenntnis von dessen Kirchenkompositionen und konnte für die weltflüchtige Todessehnsucht und den wunderlich krausen Vokalsatz der Kirchenkantaten mich nicht begeistern. Franz war unermüdlich, mir zu erklären und zu preisen, was ich mangelhaft aufgefaßt. In manchen von den zahlreichen, gehaltvollen Briefen, die ich von ihm besitze, führte er dasselbe Thema weiter aus. Ganz überrascht war ich eines Tages von einem ungewöhnlich dicken Brief, einer förmlichen Abhandlung von Franz, worin er mir ausführlich das Ziel und die Methode seiner Bach-Bearbeitungen auseinandersetzt. Ich beklagte in meinem Antwortschreiben, daß ein so wertvolles literarisches Dokument Eigentum eines Einzelnen bleiben sollte, und wünschte, Franz möchte den Hauptinhalt dieser Epistel, allenfalls erweitert, der Öffentlichkeit übergeben. Ein volles Jahr konnte sich Franz nicht dazu entschließen, endlich bat er mich, ihm den Brief doch zurückzustellen. »Lange habe ich geschwankt,« schrieb er mir im April 1871, »ob ich es mit meinem geringen schriftstellerischen Talente wohl wagen dürfe, einen sehr wahrscheinlichen Streit anzuzetteln – die Wichtigkeit des Gegenstandes besiegte aber endlich meine Bedenklichkeiten, und ich bin jetzt unter gewissen Bedingungen bereit, die Hand ins Feuer zu stecken ... Gar zu arge Blößen (stilistische) darf ich[189] mir nicht geben; Herr Chrysander ist eine Kratzbürste und steift sich gerne auf Außendinge, mittelst deren er die Aufmerksamkeit von der Hauptsache weg und Nebensächlichem zuzuwenden versteht« ... Franz' Broschüre erschien denn auch als »Offener Brief an Ed. Hanslick« bei Sander in Leipzig und erregte gehöriges Aufsehen.

Später begann das Leben des so hoch begabten und so anspruchslosen Mannes sich zu verdüstern, indem zu seiner Taubheit sich noch eine Nervenlähmung des rechten Arms gesellte. In einem (mit Bleistift geschriebenen) Brief teilte mir R. Franz 1872 mit, er sei in einer Lage, die ihn zwingen werde, früher oder später den Beistand anderer anzusprechen. »Infolge meines Ohrenleidens sind mir fast alle Erwerbsquellen versiegt, und ich gehe einer recht sorgenvollen Zukunft entgegen, wenn man mich nicht einigermaßen über Wasser hält. Nun bekomme ich zwar aus Staatsmitteln bereits eine kleine Gratifikation; die reicht jedoch nicht aus, um auf die Länge meine Bedürfnisse – obschon sie bescheiden genug sind – zu decken. Aus diesem Grunde scheint man in einflußreichen Kreisen Gutes mit mir im Sinne zu haben. Soweit ich davon in Kenntnis bin, handelt es sich aber zunächst um eine Hülfe privatester Art – ich würde mich sehr entschieden dagegen erklären, wenn das Publikum in meinem Namen öffentlich angebettelt werden sollte.«

Ganz seinem Wunsche entsprechend, hatte ein engerer Freundeskreis die Ehrengabe an den Meister ohne öffentliche Aufforderung und mit dem schönsten Erfolge betrieben. An der Spitze der Unterzeichner stand Liszt, dessen großherziges Gemüt sich jederzeit ebenso hülfreich bewährte, wo ein junges Talent aufzumuntern, als wo ein altgewordenes zu unterstützen war. In Wien arbeitete vor allen Helene Magnus tätig und glücklich an diesem Liebeswerke. Wir haben die tröstliche Gewißheit, daß Robert Franz, der uns im Oktober 1892 entrissen wurde, die letzten zwanzig Jahre seines Lebens, jeder materiellen Sorge entrückt, in ruhigem Behagen verbracht hat.

Ludwig Nohl muß ich nachrühmen, daß er im geselligen Verkehr ein anregendes Element und guter Kamerad gewesen. Der hübsche Blondkopf mit den feingeschnittenen Gesichtszügen war immer heiter gelaunt, unterhaltend, voll von allerlei Späßen und »Torheiten«, wie er's nannte. Mitunter erschien mir seine burschikose Lustigkeit nicht recht begreiflich. Bei dem Festmahl[190] in Salzburg saß Professor Moritz Carriere aus München am andern Ende der Tafel; er hatte kurz vorher Nohl in einem Aufsatz scharf angegriffen. Sobald Nohl seines Gegners, den er persönlich gar nicht kannte, ansichtig ward, eilte er auf ihn zu, stellte sich mit freundschaftlichem Händedruck vor und überhäufte Carriere mit Liebenswürdigkeiten. Dieser befand sich in sichtlicher Verlegenheit, Nohl aber freute sich ausgelassen über diesen »gelungenen Spaß«. Als Schriftsteller hat er mit einem anmutigen Büchlein über die »Zauberflöte« begonnen, welches Mozart hoch feierte. Später hat er sich dem beliebteren Literaturzweige der Zukunftsmusik-Vergötterung zugewendet und sich beim Blasen der Ruhmesposaune für Wagner und Liszt schier die Lunge gesprengt. Immer höher häufte er in seinen Apologien die Superlative und Metaphern bis zu einem Schwulst, der von barem Unsinn oft nicht zu unterscheiden ist. Es ist zu bedauern, daß Nohls »Geschichte der Musik«, worin alle unsere Meister zu bloßen Vorstufen für Liszt und Wagner degradiert werden, in Reclams populärer »Universalbibliothek« erschienen ist, wo sie nur Unheil anrichten kann. Das von jeder ernsten Musikbildung abgetrennte große Publikum kauft diesen Rattenkönig von Irrlehren des billigen Preises wegen, – und viel zu teuer.

Quelle:
Hanslick, Eduard: Aus meinem Leben. Kassel, Basel 1987, S. 184-191.
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