[149] Wäre ich Beamter von Beruf und Neigung gewesen, ich hätte mir keinen angenehmeren Dienst wünschen können als den im Unterrichtsministerium. Aber unter dieser ruhigen Seefläche rumorte in mir immer stärker eine revolutionäre Unterströmung: die Musik, die allein mir inneres Genügen bot. Des öfteren wurde ich gefragt, weshalb ich denn nicht die kleine Beamtenstelle aufgebe und mir auf Grundlage meiner musikalischen Kenntnisse eine unabhängige Stellung schaffe als Journalist, als Lehrer oder Redakteur einer Musikzeitung? Ich hatte aber nie den Wagemut zu solch eingreifendem Entschluß, nie so viel Zutrauen in meine Fähigkeiten und in mein Glück. Mit lebhaftestem, staunendem Mitgefühl las ich kürzlich Ludwig Pietschs autobiographische Skizze »Wie ich Schriftsteller wurde«. Dieser hochbegabte Mann hat den Mut, ohne das kleinste sichere Einkommen zu heiraten; er arbeitet frisch und fröhlich als Familienvater, ohne zu wissen, womit er den nächsten Vierteljahrszins bezahlen, ja, wovon er mit Frau und Kindern die nächste Woche leben werde. Er nimmt die geringfügigste Arbeit an, von Fall zu Fall, als Zeichner, als Schriftsteller; mit dem erledigten Pensum steht er immer wieder in derselben Ungewißheit. Zu solchem Heroismus habe ich stets mit Bewunderung aufgeblickt. Mir wäre es unmöglich gewesen, eine, wenngleich sehr bescheidene, aber sichere Anstellung aufzugeben für etwas Unsicheres. »Vierhundert Gulden fix,« pflegte einer meiner Kollegen zu sagen, »macht achthundert Gulden.« War es angeboren oder mehr noch Einfluß der Erziehung, ich hielt stets auf strenge wirtschaftliche Solidität, kannte keinen schrecklicheren Gedanken als »Schulden« und habe auch nie welche gehabt. Ich sehe jetzt wohl ein, daß meine Genauigkeit in jungen Jahren ans Pedantische grenzte. Träumte ich doch kein größeres Glück als Reisen und konnte in den Jahren der schönsten Empfänglichkeit so gut wie andere Frankreich, Italien, Griechenland sehen, wäre ich nur so mutig gewesen, mir ein paar[149] hundert Gulden auszuborgen. Aber der Gedanke, Schulden zu haben – nein, der hätte mir die schönste Reise vergällt. So dachte ich denn auch keinen Augenblick daran, meine Beamtenstellung aufzugeben, so wenig sie mir innere Befriedigung gewährte. Wenigstens ließ sie mir freie Zeit genug, mein Lieblingsstudium weiterzutreiben. Ich tat dies mit allem Ernste und kannte kein höheres Streben, als meine musikalischen Kenntnisse zu vermehren und zu vertiefen. Zu diesem Behufe ging ich durch Monate fast regelmäßig vom Essen in die Hofbibliothek und las da Partituren und Bücher, bis man uns zum Fortgehen läutete. Partituren größtenteils von alten Opern, die mich stets am meisten interessierten. An Büchern hauptsächlich Ästhetik und Geschichte der Musik. Himmel, was habe ich da alles zusammengelesen und exzerpiert! Bei diesem Studium war ich ganz allein auf mich angewiesen, hatte niemand, bei dem ich mir Rats erholen konnte. Die Abende, bis auf zwei oder drei, welche Geselligkeit oder Theater in Anspruch nahmen, verbrachte ich regelmäßig studierend zu Hause bei einem Glas Bier oder, wenn sich Schläfrigkeit einzustellen drohte, bei einer Tasse Tee. Die Studien kamen meinen Musikkritiken zugute und diese wiederum den ersteren. Ich darf mir wenigstens das Zeugnis geben, nicht unfleißig gewesen zu sein.
Die Lektüre so vieler Bücher musik-ästhetischen Inhalts, die alle das Wesen der Musik in die durch sie erregten »Gefühle« setzten und ihr eine sehr bestimmte Ausdrucksfähigkeit zuschrieben, hatten längst Zweifel und Opposition in mir wach gerufen. Gleichzeitig erhoben sich lärmend die ersten enthusiastischen Stimmen für Wagners Opern und Liszts Programm-Sinfonien. Ich ließ meine eigenen Ideen über die Sache in mir arbeiten und reifen, bis sie sich zu der bekannten Abhandlung »Vom Musikalisch-Schönen« gestalteten. Mit Bemerkungen über den Inhalt dieses vielzitierten und vielgeschmähten Büchleins will ich meine Leser nicht behelligen, aber einiges von den Schicksalen desselben dürfte sie interessieren. Ich trug das Manuskript den beiden größten Buchhändlerfirmen Wiens zum Verlage an. Obwohl mein Name durch mehrjährige journalistische Tätigkeit in Wien bekannt war, und trotzdem ich auf jedes Honorar verzichtete, lehnten doch beide Buchhandlungen den Verlag rundweg ab. Sie müßten dabei sicheren Schaden leiden, denn wer sollte eine wissenschaftliche Abhandlung über Musik kaufen? Und doch[150] betrug das ganze Büchlein nicht über sieben Druckbogen! Aufs tiefste herabgemuntert, erzählte ich mein trauriges Erlebnis dem mir sehr wohlgesinnten Rudolf von Eitelberger, der als Redakteur des »Literaturblattes der Wiener Zeitung« mehrere Aufsätze von mir veröffentlicht hatte. – »Ihre Abhandlung muß gedruckt werden!« rief er lebhaft. »Schicken Sie das Manuskript an den Verleger Rudolf Weigel nach Leipzig; ich werde ihm gleich darüber schreiben.« – Ich tat so und erwartete ziemlich hoffnungslos die Antwort. Sie kam nach geraumer Zeit. Weigel begann mit der Erklärung, daß er zwar ausschließlich Werke über bildende Kunst verlege – daher seine Verbindung mit Eitelberger – und für mein Buch schwerlich Käufer finden werde. Indeß, die Lektüre habe ihn persönlich lebhaft angesprochen und deshalb wolle er, selbst mit Aussicht auf geschäftlichen Verlust, den Verlag übernehmen. Er bot mir hundert Taler für das Ganze, und »falls es dazu kommen sollte«, für jede weitere Auflage die Hälfte. Ich war überglücklich. Der brave Weigel hat übrigens sein Wagstück nicht zu bereuen gehabt, denn das im Jahr 1854 erschienene Buch hat seither acht Auflagen erlebt, also, bei der Geringfügigkeit des Honorars, dem Verleger ein artiges Sümmchen abgeworfen. Fast in alle europäischen Sprachen übersetzt, dürfte das Büchlein, mit all seinen Mängeln, manchen Nutzen, oder nach Auffassung der Wagnerianer, vielen Schaden gestiftet haben. Mit welcher Aufregung erwartete ich das erste gedruckte Exemplar und drückte das Kindchen zärtlich ans Herz! Am glücklichsten machte mich die Freude meines Vaters an diesem »ersten Buch« und an den lobenden Rezensionen, die ich ihm brühwarm nach Prag schickte. Auch machte es mich nicht wenig stolz, daß Männer wie Th. Vischer, David Strauß, Lotze, M. Schleiden, A.B. Marx, Ferdinand Hiller – zwar nicht durchweg einverstanden, aber warm und herzlich anerkennend mir darüber schrieben. Ihre Worte, sowie ein Satz in Helmholtz' epochemachendem Werk trösteten mich über die gegnerischen Broschüren meines Freundes Graf Laurencin, der Herren A. Kullak, Lobe u.a.
Einige Zeit nach dem Erscheinen meiner Abhandlung drangen Emil Kuh und der Komponist Karl Debrois van Bruyck in mich, ein Exemplar Hebbel zu überreichen. Ich zögerte anfangs, da meine zweijährige Abwesenheit von Wien und hierauf meine Überbürdung mit Studium und Arbeiten den Verkehr mit Hebbel unterbrochen hatten. Auch wußte ich, daß Hebbel sich für[151] musikalische Fragen nicht interessiere. Die Freunde betonten jedoch, Hebbel sehe es gern, wenn man ihm eine literarische »Huldigung« darbringe. So ging ich denn hin und wurde von Hebbel etwas förmlich, aber nicht unfreundlich empfangen. Ich war damals zu sehr beschäftigt, um meinen Besuch bald wiederholen zu können, freute mich jedoch, Hebbel eines Abends in einer Gesellschaft bei Prof. Bonitz zu begegnen. Ich gehe auf ihn zu und spreche ihn an. Er sagt kurz »Guten Abend«, wendet sich ab und würdigt mich weiter keines Blickes. Höchst befremdet von diesem Benehmen, für das ich mir keine Erklärung wußte, schrieb ich nächsten Tags an Debrois, ob er mich darüber aufklären könne? Die gewünschte Aufklärung liegt jetzt vor Augen des ganzen Publikums in dem soeben (1892) von Felix Bamberg veröffentlichten zweiten Band von »Hebbels Briefwechsel«. Hebbels höchst charakteristischer Brief an Debrois lautet: »Der Brief des Herrn Dr. Hanslick, den Sie die Güte hatten, mir mitzuteilen, gibt mir Gelegenheit, mich über einen Punkt zu äußern, von dem ich lange glaubte, daß er sich von selbst verstände, der jedoch, wie mannigfache Erfahrungen mich belehren, wenigstens in Wien einer Beleuchtung bedarf. Es begegnet mir nicht selten, daß junge Männer sich in meinem Hause einführen lassen, und nach längerer oder kürzerer Frist, nachdem sie alle möglichen gesellschaftlichen Aufmerksamkeiten genossen, zuweilen sogar Beweise besonderen Vertrauens erfahren haben, plötzlich ohne allen Grund wieder verschwinden. Zu diesen jungen Männern gehört auch Dr. Hanslick ... Dasselbe Benehmen gestatten sich aber im gegenwärtigen Moment abermals ein paar Personen; soll ich es etwa nicht bemerken und, als ob ich auf die allgemeinen Menschenrechte keinen Anspruch hätte, ein ewiges Lächeln entgegensetzen? ... Sie selbst haben dies alles hundertmal aus meinem Munde gehört und wissen, daß es sogar schon direkt auf den Dr. Hanslick angewendet wurde, als er mir sein Buch über Musik brachte und sich nach Entgegennahme meines Urteils abermals für immer unsichtbar gemacht hatte. Sie waren daher auch ohne diesen Brief imstande, ihn über das Motiv meines Benehmens bei unserem zufälligen Zusammentreffen aufzuklären; ich habe ihn aber gern geschrieben, um ein gründliches Wahrheitszeugnis in Ihre Hände niederzulegen. Ich ersuche Sie nicht, zunächst in dem vorliegenden Fall, davon Gebrauch zu machen, denn das sind Sie mir schuldig, aber ich bitte Sie, sich dieses Blattes überall zu bedienen,[152] wo ich etwa einer Schroffheit angeklagt werden, die meiner Natur und meiner Bildungsstufe gleich fern liegt, wenn man sich nicht zuerst gegen mich vergißt, und ich würde Ihnen sehr dankbar sein, wenn Sie mir eine Abschrift davon zukommen lassen möchten.«
Merkwürdig, nur ein paar Seiten weiter in diesem Bande (S. 446) steht ein Brief desselben Debrois, welcher am 4. Juni 1860 an Hebbel schreibt: »Sie haben selbst neulich bemerkt, ich würde mich endlich doch entscheiden müssen. Diese Stunde ist gekommen und die Erkenntnis, die sie mir bringt und gegen die ich mich lange aufs äußerste sträubte, ist, – daß ich von Ihnen Abschied nehmen muß«! Aus Debrois' langer Epistel geht ein deutliches Motiv des Bruches nicht hervor, nur die Andeutung, »daß ich auf wahrste, innerste Achtung meiner Persönlichkeit durchaus Anspruch mache und die ich bei Ihnen nicht genieße.« Hebbel antwortet darauf mit Entgegnungen und Vorwürfen und schließt mit den Worten: »Daß unsere Korrespondenz hiermit geschlossen ist, wie unser Verkehr, brauche ich nicht erst zu bemerken.« Debrois hatte in diesem Briefe zugleich im Namen Emil Kuhs gesprochen, dessen Bruch mit Hebbel kurz vorangegangen war. Dieses Schicksal der beiden wärmsten und ergebensten Verehrer Hebbels beruhigte mich einigermaßen über die Selbstvorwürfe, die in mir züngelten, ob ich mich nicht vielleicht doch gegen den verehrten Mann, wenn auch nur passiv, vergangen hätte? Der Exodus Emil Kuhs und Debrois', so schnell nach jenem Manifest, dessen Abschrift sich Hebbel erbeten hatte, sprach mich frei.
Ich hatte natürlich die Absicht, meine Abhandlung »vom Musikalisch-Schönen« mit der Zeit zu einer eigentlichen Ästhetik der Tonkunst zu erweitern und auszuführen. Daß jene Schrift nur eine Art Skizze oder Unterbau bedeute, war mir ebenso klar, als daß ihr negativer polemischer Teil den positiven, systematischen an Umfang und Schärfe überrage. Aber eine vollständige, systematische Ästhetik der Musik – das ist ein Unternehmen, welches ungeteilte Arbeitskraft und unzersplitterte Konzentration des Denkens erfordert. In den ersten Jahren war daran nicht zu denken. Wem die erste, bessere Hälfte des Tages vom Staatsdienst in Beschlag genommen ist, der kann in der zweiten allenfalls den in Wien gar nicht bequemen Beruf eines Musikkritikers ausfüllen und Journalartikel schreiben, nicht aber ein systematisches philosophisches Werk. Als ich dann im Herbst 1861 meine Anstellung[153] als Ministerialbeamter mit der eines außerordentlichen Professors vertauschte, da gewann ich allerdings freiere Zeit für meine Studien, aber diese selbst hatten allmählich eine andere Richtung genommen. Ich hatte ein paar Jahre lang so viele »Ästhetiken« studiert, so viele Abhandlungen über das Wesen der Tonkunst, zuletzt über meine eigene Schrift gelesen, daß ich übersättigt war von diesem Philosophieren über Musik, müde des Arbeitens mit abstrakten Begriffen. Ich fand dagegen eine Rettung und einen unerschöpflichen Genuß in der Geschichte der Musik. Dieses Studium brachte mir die Überzeugung, daß eine wirkliche fruchtbare Ästhetik der Tonkunst nur auf Grundlage eindringender geschichtlicher Erkenntnis oder doch nur Hand in Hand mit dieser möglich sei. Was ist schön in der Musik? Ja, das haben verschiedene Zeiten, verschiedene Völker, verschiedene Schulen ganz verschieden beantwortet. Je mehr ich mich in historisches Musikstudium vertiefte, desto vager, luftiger zerflatterte die abstrakte Musikästhetik, fast wie eine Luftspiegelung, vor meinen Augen. Es wollte mir scheinen, daß eine diesen Namen verdienende »Ästhetik der Tonkunst« derzeit noch unausführbar sei. Leicht möglich, daß meine bis zum Widerwillen gesteigerte Übersättigung mit systematischer Philosophie meinen Blick trübte und ich schlechthin für unerreichbar ansah, was eben nur meinen Kräften unerreichbar gewesen. Aber ein ganz ähnliches inneres Erlebnis meines Freundes Eitelberger bestärkte mich noch in meinen Anschauungen. Eitelberger, meines Wissens der erste Privatdozent in Wien (1848), vertrat mit glänzendem Geist und reicher Gelehrsamkeit die Geschichte und Ästhetik der bildenden Künste. Von der Ästhetik hatte es ihn jedoch immer entschiedener abgedrängt zur historischen Erforschung. Als er einmal im Eifer recht geringschätzig über das Werk des von mir verehrten Vischer sprach, wendete ich ein, es sei doch die erste Ästhetik, die ihren Namen verdiene. »Ja«, erwiderte Eitelberger, »aber sie wird auch überhaupt die letzte sein.«
Das Wesen der Musik ist aber noch schwerer in philosophische Kategorien zu bannen als das der Malerei, weil die entscheidenden Begriffe »Form« und »Inhalt« in der Musik nicht standhalten wollen, der Trennung sich widersetzen. Will man der reinen Instrumentalmusik einen bestimmten Inhalt vindizieren, (– in der Vokalmusik liefert ihn das Gedicht und nicht die Musik –) so müßte man die kostbarsten Perlen der Tonkunst über Bord werfen,[154] denen niemand einen von der Form trennbaren »Inhalt« nachzuweisen oder auch nur herauszufühlen vermag. Andrerseits ist es, wie ich wohl einsehe, ein mißverständlich Ding, schlechtweg von der »Inhaltlosigkeit« der Instrumentalmusik zu sprechen, was auch meiner Schrift die meisten Gegner erweckt hat. Wie ist in der Musik beseelte Form von leerer Form wissenschaftlich zu unterscheiden? Ich hatte die erstere im Auge, meine Gegner warfen mir die letztere vor. Vischer selbst, in seiner »Selbstkritik« bekennt die außerordentliche Schwierigkeit, mit den Begriffen »Form« und »Inhalt«, deren Harmonie ja das Schöne begründet, aufs reine zu kommen, in der Ästhetik überhaupt, ganz besonders aber in der Musik. »Die Form ist nichts anderes als die Form des Inhalts, das Äußere des Innern; man kann sie nicht trennen, denn man hat schon dieses in jener, diesen in jener, man muß sie mitwägen; es sind nicht zwei Werte, sondern es ist nur ein Wert.« Dieser von Vischer (im letzten Band seiner »Kritischen Gänge«) allgemein ausgesprochene Satz stimmt vollkommen zu dem, was ich mehrere Jahre früher speziell von Form und Inhalt in der Musik gesagt. Es hat aber meine Gegner, welche auf bestimmte Scheidung von Inhalt und Form drangen, nicht befriedigt und konnte sie, streng genommen, nicht befriedigen. Es ist dies eine der allerschwierigsten ästhetischen Fragen, und ich ließ ab, mir daran den Kopf zu zerbrechen, als mich musikgeschichtliche Studien vollauf zu beschäftigen begannen. Diese gewährten mir den größten Genuß und nicht bloß in ihren großen entscheidenden Entwicklungsphasen, sondern auch in ihrem kleineren kulturhistorischen Detail. Letzteres ist vorherrschend in meiner »Geschichte des Konzertwesens in Wien« (1869), einem Buch, welches trotzdem über das lokale Interesse hinausreicht, indem es überall die Entwicklung des Konzertlebens, der Dilettantenkonzerte, der Gesangvereine, der Orchester- und Quartettproduktionen, endlich des Virtuosentums auch im Auslande einbezieht. Als zweiter (übrigens vom ersten unabhängiger) Band erschien ein Jahr später: »Aus dem Konzertsaal«, eine Auswahl meiner Konzertkritiken aus den Jahren 1848–1868. Diesmal war ich so glücklich, einen österreichischen Verleger zu finden, den Hofbuchhändler W. Braumüller. Aber eine schlimme Erfahrung ist mir dabei doch nicht erspart geblieben. Nach einem Dezennium und später wurde ich von Freunden wiederholt aufgefordert, diese Auswahl von Kritiken fortzusetzen,[155] gleichsam als eine lebendige Geschichte des neueren Wiener Konzertwesens. Ich stellte eine chronologische Auswahl meiner Kritiken von 1870 bis 1885 zusammen und bot das Manuskript natürlich dem früheren Verleger wieder an, gegen ein sehr mäßiges Honorar. Seine Antwort lautete ziemlich barsch: er wolle mein Buch unter gar keiner Bedingung drucken, da noch viele Exemplare der »Konzertgeschichte« unverkauft bei ihm lägen. Gut. Ich fragte bei Dr. Hermann Paetel in Berlin an, welcher mein Manuskript sofort annahm und mir das Doppelte des Herrn Braumüller vorgeschlagenen Honorars anbot. Das Buch erschien (Berlin 1886) in dem »Allgemeinen Verein für deutsche Litteratur« unter dem Titel »Konzerte, Komponisten und Virtuosen der letzten fünfzehn Jahre« und hat rasch die zweite Auflage erlebt. Ich erzähle diesen Zwischenfall nur als einen Beweis dafür, daß es nicht immer die Schuld des Autors ist, wenn ein Buch nicht »geht«.
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»Es giebet viel Leute/ welche die deutsche poesie so hoch erheben/ als ob sie nach allen stücken vollkommen wäre; Hingegen hat es auch andere/ welche sie gantz erniedrigen/ und nichts geschmacktes daran finden/ als die reimen. Beyde sind von ihren vorurtheilen sehr eingenommen. Denn wie sich die ersten um nichts bekümmern/ als was auff ihrem eignen miste gewachsen: Also verachten die andern alles/ was nicht seinen ursprung aus Franckreich hat. Summa: es gehet ihnen/ wie den kleidernarren/ deren etliche alles alte/die andern alles neue für zierlich halten; ungeachtet sie selbst nicht wissen/ was in einem oder dem andern gutes stecket.« B.N.
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