Fünfundzwanzigstes Kapitel

Geschenke.

[97] Man hüte sich, Leuten, mit denen man verkehrt, Geschenke zu machen, deren Erwiderung ihnen schwer fällt, wenn nicht eine große Intimität eine Erwiderung überhaupt ausschließt.

Ein Geschenk soll mehr dem Geschmack des Empfängers, wie dem des Gebers angepaßt werden.

Eine Gabe, mit der man nie einen Verstoß machen kann, sind Blumen.

Junge Herren haben junge Damen, wenn diese ihnen nicht sehr nahe stehen, nicht zu beschenken.

Junge Damen sollen von jungen Herren, wenn diese ihnen nicht persönlich nahestehen, keine Geschenke annehmen, es sei denn ein Sträußchen bei passender Gelegenheit.

Ein Geschenk, von dem der Geber viel Aufsehen macht, verliert an Wert.

Zum Schenken gehört auch guter Ton.[97]

Das Empfangen ist oft weniger angenehm, als das Schenken; das möge jeder Geber bedenken und in möglichst zarter Weise schenken; wem es auch sei. Selbst einen Bettler kann man mit einer Spende verletzen, wenn man sie ihm in taktloser Weise verabreicht.

Es kommt oft weniger darauf an, was man gibt, sondern wie man gibt.

Man muß aber auch mit Takt etwas anzunehmen verstehen.

Es ist höchst taktlos, ein Geschenk in Gegenwart des Gebers verächtlich beiseite zu legen oder es zu tadeln. Ein Geschenk hat man in Gegenwart des Gebers auszupacken.

Es ist unpassend, Geschenke hinter dem Rücken des Gebers umzutauschen.

Weder ein ungestümer Dank, noch eine auffallend kühle Aufnahme eines Geschenkes gehört zum guten Ton.

Es ist taktlos, ein Geschenk abzutaxieren.

Geschenke, die einem von Leuten in gleichen Verhältnissen gemacht werden, hat man bei Gelegenheit zu erwidern.

Auch hinter dem Rücken des Gebers soll man ein Geschenk nicht bekritteln. Das ist gegen den guten Ton. Ein Geschenk bleibt einmal ein Geschenk, eine freiwillig gezollte Aufmerksamkeit, und diese steht über jeder Kritik.[98]

Für Hochzeitsgeschenke, auch für Aufmerksamkeiten in Form von Depeschen, hat sich ein junges Paar bei jedem einzelnen persönlich oder durch Karten zu bedanken.

Empfängt man ein Geschenk durch Vermittlung eines Bediensteten, so hat man diesem ein angemessenes Trinkgeld zu verabreichen.

Bei Auflösung einer Verlobung ist es üblich, daß das betreffende Paar sich gegenseitig die in der Brautzeit empfangenen Geschenke zurückgibt.

Gute Dienstboten hat man zu Weihnachten so zu beschenken, daß man nicht nur, ohne jede Überlegung, einer lästigen Pflicht nachkommt, sondern, daß man sie wirklich erfreut.

Am passendsten sind Geldgeschenke bei solcher Gelegenheit, da man dadurch dem lästigen Taxieren des Geschenkes entgeht, und die Leute am liebsten sich nach ihrem eigenen Geschmack etwas aussuchen.

Man beschenke seine Dienstboten zu Weihnachten gemeinschaftlich mit seiner Familie, da dieses Fest ein Volksfest ist und jeden Standesunterschied ausschließt.

Man lasse sie nach erfolgter Bescherung erst noch ein Weilchen an der Familienfreude teilnehmen, denn das Haus ihrer Herrschaft ist in diesem Augenblicke doch immerhin auch ihr Heim.[99]

In solchen Momenten verstößt es durchaus nicht gegen den guten Ton, wenn der Unterschied wegfällt. Das Weihnachtsfest ist, wie gesagt, ein Volksfest.

Geschenke zu silbernen oder goldenen Hochzeiten, Jubiläen passe man besonders der Tendenz des Tages an.

Bei Jubiläen sind kunstvoll aufgeführte Widmungsadressen von Korporationen an Stelle eines Geschenkes üblich.

Auch ein zu mehreren gestiftetes ehrendes Erinnerungszeichen in Metall, Gold, Silber oder ein monumentales Kunstwerk.

Sehr poesielos und wenig guter Ton sind die sogenannten wandernden Geschenke, das heißt Gegenstände, die bei vorkommenden Gelegenheiten von einem zum andern verschenkt werden, und so die Runde machend, schließlich auch mal an ihren ursprünglichen Besitzer zurückgelangen können. Es sind meist unverwendbare Dinge, die derart von einem zum andern wandern, und schon aus diesem Grunde gegen den guten Ton, denn man soll doch eigentlich nur etwas verschenken, um Freude zu bereiten. Anderseits ist es auch unpassend, etwas, was man selbst geschenkt bekam, weiter zu verschenken.[100]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 97-101.
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