Vierzigstes Kapitel

Bälle.

[133] Die Dame des Hauses darf durch ihre Kleidung nicht den Eindruck machen, als wolle sie die anderen Damen ausstechen.

Sie muß auch an einem solchen Abend auf persönliche Vergünstigungen im Interesse ihrer Gäste verzichten. Sie soll stets, ehe sie bei großen Tänzen, wie Polonäsen, in die Reihe der Tanzenden tritt, sich überzeugt haben, daß die andern Damen mit Tänzern versorgt sind.

Die Dame des Hauses hat vorzüglich die Aufgabe, für das Wohlbehagen ihrer Gäste nach jeder Richtung hin zu sorgen; ihr darf keine auszufüllende Lücke in der Unterhaltung entgehen, sie muß für jeden ihrer Gäste, ob Herr oder Dame, ein paar verbindliche Worte haben. Sie muß vor allen Dingen durch ungezwungene Haltung und graziöse Lebendigkeit der Gesellschaft den Anstoß zu jener zwanglosen Gemütlichkeit geben, ohne welche das glänzendste Fest inhaltlos und langweilig verläuft.[133]

Vor Beginn des Tanzes hat sich die Hausfrau in der Nähe der Salontür zum Empfang der Gäste aufzuhalten. Ein Herr darf, sofern kein ernster Grund vorliegt, es der Dame des Hauses niemals abschlagen, eine Dame der Gesellschaft zum Tanz aufzufordern.

Hat eine Dame einem Herrn einen Tanz abgeschlagen, weil sie zu ermüdet ist, so darf sie nicht sofort mit einem andern Herrn tanzen.

Verlangt eine Dame, des Tanzens müde, von ihrem Kavalier, er möge aufhören und sie zum Platze führen, so ist es von dem betreffenden Herrn höchst aufdringlich und taktlos, sie des weiteren zum Tanzen drängen zu wollen. Er hat sie in diesem Fall nur zum Platze zu geleiten und sein Bedauern über den Abschluß des Tanzes auszusprechen.

Sobald eine Dame beim Tanzen anhält, hat der betreffende Herr dies sofort ebenfalls zu tun und seinen Arm von der Taille der Dame zu nehmen.

Ein schlechter Tänzer sollte nur Damen seiner nächsten Bekanntschaft zum Tanzen auffordern.

Junge Herren affektieren nicht selten Blasiertheit, Tanzunlust. Sie ziehen sich häufig bei Festen, bei denen als Tänzer auf sie gerechnet wird, in das Spiel-oder Rauchzimmer zurück, mit vollkommener Außerachtlassung der Tanzpflicht.[134]

Das ist taktlos und unhöflich, zuvörderst ein Vergehen gegen die Wirtin des Hauses, aber auch anmaßend gegen die meist tanzlustigen Damen.

Anmutiger, maßvoller Tanz wird das Ansehen keines, wenn auch noch so stellungeinnehmenden Herrn schädigen. Sind die Herrin des Hauses oder deren Töchter am Tanz beteiligt, so hat der Gast, dem seine Lebensstellung oder sein jugendliches Alter nicht Zurückhaltung auferlegen muß, seine erste Aufforderung zum Tanz an eine dieser Damen ergehen zu lassen. Lehnt sie, bereits anderweitig gebunden, ab, so hat er während des Abends noch des öfteren sich zur Aufforderung ihr zu nähern.

Nur zum Tanze und zu Tische darf ein junger Herr einer ihm nicht nahestehenden Dame den Arm bieten.

Sobald die Musik aussetzt, hat der Herr seine Dame zum Platz zu führen.

Hat ein Herr, während eine Dame tanzt, deren Platz eingenommen, so hat er ihr diesen nach Beendigung des Tanzes sofort wieder einzuräumen.

Bei einem Maskenball können sich Damen und Herren der allgemeinen Maskenfreiheit, sowie auch einem diesbezüglichen Charakter ihres Kostüms Rechnung tragend, freier und gemütlicher[135] bewegen als bei anderen derartigen Gelegenheiten.

Nur hüte man sich, Damen im besonderen, hierbei vor Übertreibungen, damit man nach stattgehabter Demaskierung nicht nachträglich Grund zum Erröten hat.

Wie Besucher eines Maskenballes sollen ihre Kostüme, was Dezenz und Stil anbetrifft, auch möglichst einem gewissen guten Ton der Ästhetik, sowie ihrer persönlichen, geistigen und körperlichen Individualität anpassen.

Eine schüchterne, stille Dame soll keine französische Marquise darstellen – eine wenig anmutige Persönlichkeit keine Tänzerin – eine unbedeutende Erscheinung keine dramatische oder historische Heldenfigur – eine ältere Dame keine Blumenallegorie – ein Herr ernsteren Sinnes keinen Polichinell oder Seiltänzer.

Das Menü bei einer Ballfestlichkeit wird verschiedentlich in Form warmer Soupers, an kleineren Tischen, auch an hufeisenförmigen Tafeln serviert, es kann auch in Gestalt eines kalten Büfetts, welche Form bei Ballfestlichkeiten am üblichsten ist, serviert werden, in welchem Fall die Herren die Damen dann nach Geschmack zu bedienen haben.

Es ist unpassend, wenn die jungen Damen bei diesbezüglichen Gelegenheiten die Herren bedienen.[136] Während der Tänze verschiedentlich Erfrischungen, Limonaden, Creme, Eis, Selterwasser herumzureichen, ist guter Ton.

Ein gut geleiteter, geschmackvoll und anmutig ausgeführter Kotillon kann einem Ballfest ein sehr entscheidendes, amüsantes Gepräge verleihen, ist aber heutzutage fast aus der Mode gekommen.[137]

Quelle:
Kallmann, Emma: Der gute Ton. Berlin 1926, S. 133-138.
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